Zeitgeschichte + Hintergründe

 

Falange Espanola - Nationalsyndikalismus in Spanien

 

Teil 2: José Antonio und die Gründung der Falange 1933-1934

Verfasser: Richard Schapke, im März 2004

 

José Antonio Primo de Rivera, der wohl prominenteste spanische Faschist, ist die einzige Person der spanischen Zeitgeschichte, die sowohl von Freunden und Feinden als auch von Historikern mit dem Vornamen benannt wird. José Antonio wurde 1903 als Sohn des späteren Militärdiktators Miguel Primo de Rivera geboren; nach dem Tod des Vaters erbte er auch dessen Titel als Marqués de Estella. Die Mutter verstarb früh, und die Kinder des Generals wuchsen bei ihrer Tante auf. Als Abkömmling einer Familie, deren männliche Nachkommen seit 300 Jahren als Berufsoffiziere dienten, besaß José Antonio von Haus aus Gefühl für Autorität und soldatische Haltung. Interessanterweise lehnte der Vater eine militärische Karriere für den Sohn ab, so dass dieser sich dem Jurastudium widmete und 1923 promovierte. Aus dieser Zeit stammte auch die Freundschaft zu Ramón Serrano Suner, welcher später für die Geschichte des spanischen Faschismus von Bedeutung sein sollte. Ebenfalls ein Kind der Studienzeit war die herzhafte Abneigung, die ihn mit Gil Robles, dem späteren Führer der rechtskatholischen CEDA, verband. Nach dem Wehrdienst bei der Kavallerie, den er als Leutnant der Reserve beendete, eröffnete José Antonio 1925 eine Kanzlei in Madrid und erwies sich bald als hochtalentierter Rechtsanwalt. Hochgewachsen, gutaussehend, sportlich, gebildet und charmant war er eine gewinnende Persönlichkeit, zu deren Schattenseiten allerdings Anfälle des Jähzorns gehörten. Unter anderem verlor der Sohn des Militärdiktators sein Leutnantspatent, weil er im Rahmen einer erhitzten Diskussion General Gonzalo Queipo de Llano verprügelte, einen nachmaligen Mitstreiter Francos.

Die politische Karriere des sich in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen bewegenden Rechtsanwalts wurde nicht etwa durch die Diktatur des Vaters eingeleitet, sondern durch dessen Scheitern. José Antonio verteidigte den Namen seiner Familie und den sterbenden Vater und beschloss, dessen Werk fortzusetzen. Zunächst betätigte er sich auf dem Gebiet des Journalismus, wobei sich Einflüsse der Regenerationisten und Ortega y Gassets bemerkbar machten - die beiden waren durch eine regelrechte Hassliebe verbunden. Am 2. Mai 1930 avancierte José Antonio um stellvertretenden Generalsekretär der monarchistischen Partei UNM, um die sich die unverdrossenen Anhänger von Königtum und autoritärem Staat scharten. Die erste öffentliche Rede am 6. Oktober 1930, gehalten in Bilbao, offenbarte sein herausragendes rhetorisches Talent. Allerdings übte José Antonio sich in einem äußerst literarischen Stil, so dass seine Reden mitunter kaum adäquat ins Deutsche übersetzbar sind.

Als frühe politische Programmpunkte lassen sich nationale Einheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit Spaniens, Verstärkung des Militärs und Schaffung einer disziplinierten Gesellschaft ausmachen, also ein autoritärer und militaristischer Nationalismus mit wirtschaftspolitischen Forderungen. Hierbei hatte die Rettung Spaniens Vorrang vor irgendwelchen Verfassungsprinzipien. José Antonios Radikalismus zeigte sich erstmals in wüsten Ausfälligkeiten gegen die weltfremden Intellektuellen Spaniens und in dem für einen Rechten ungewöhnlichen Bekenntnis zur Trennung von Kirche und Staat. Schon bald erkannte José Antonio, dass eine neue Ordnung nicht nur reaktionär und autoritär sein durfte, sondern auch progressive sozialpolitische Inhalte haben musste - die Rechte des Individuums waren zu berücksichtigen. Der Republik warf er Doppelzüngigkeit vor, verurteilte sie doch die Diktatur und ging im gleichen Atemzug rücksichtslos gegen ihre Gegner vor. Infolge mangelnder Mobilisierung der Rechten unterlag der aufstrebende Agitator im Oktober 1931 bei einer Nachwahl in Madrid. Kurz darauf wurde er unter dem Vorwand einer monarchistischen Verschwörung vorübergehend inhaftiert. Hierauf folgte der Rückzug in die einträgliche Anwaltstätigkeit. Auch eine erneute Verhaftung nach dem Sanjurjo-Putsch von 1932 war vollkommen unbegründet.

Die nationalsozialistische Machtergreifung im Januar 1933 löste eine zweite faschistische Welle in Europa aus. Erstmals hatten die Jonsistas einen gewissen Zulauf von Arbeitern und Studenten (obwohl Ledesma Ramos wieder einmal wegen staatsfeindlicher Agitation einsaß), und als Ausdruck des Zeitgeistes gab Manuel Delgado Barreto die Wochenzeitung „El Fascio: Haz Hispano“ heraus, die allerdings gleich nach Erscheinen der Erstlingsnummer vom 16. März 1933 verboten wurde. Zu den Autoren gehörten Ramiro Ledesma Ramos, Ernesto Giménez Caballero und José Antonio Primo de Rivera. Bei José Antonio traten erstmals starke Einflüsse des italienischen Faschismus hervor. Er verwarf das demokratische System und den an schwankenden Mehrheiten orientierten liberalen Staat: "Der liberale Staat glaubt an nichts, nicht einmal an sich selbst...Sämtliche Ziele des Neuen Staates lassen sich in einem Worte zusammenfassen: Einheit. Das Vaterland ist eine allen einzelnen Gruppen übergeordnete geschichtliche Einheit. Dieser Einheit haben sich Klassen und Individuen zu beugen. Ihr Aufbau soll sich auf die folgenden beiden Grundsätze stützen: 1. Was den Zweck des Staates betrifft, so muss er das Instrument im Dienste jener überwirklichen Einheit sein. Nichts kann gut sein, was sich ihr entgegenstellt, gleichgültig, ob es von vielen oder von wenigen unterstützt wird. 2. Die Form des Staates verlangt nationale Solidarität, beherzte und brüderliche Zusammenarbeit. Der Klassenkampf und die todbringende Auseinandersetzung der Parteien sind unvereinbar mit unserer Auffassung von den Aufgaben des Staates. Eine neue Politik zu finden, in der diese beiden Grundsätze sich vereinigen, das ist die Aufgabe, die der Generation unserer Zeit von der Geschichte zugewiesen ist." Der Faschismus verbinde sich nicht nur mit dem Leben Mussolinis, sondern sei eine bleibende nationale Einrichtung. Ziel des neuen spanischen Nationalismus sollte die auf immer währende Eroberung des Staates werden. Das von den Sozialisten erwirkte Verbot des Blattes wurde ironischerweise von Ledesma Ramos und den linken Jonsistas begrüßt, da es den reaktionären Klüngel um Delgado Barreto mundtot machte. In der öffentlichen Diskussion um die Affäre verteidigte José Antonio gegenüber gemäßigten Rechtskreisen den Faschismus als über den politischen Flügeln stehendes Modell für Spanien. Zu diesem Zeitpunkt stand er bereits unter dem Einfluss italienischer Autoren, aber auch Hitler, Rosenberg, Lenin und Trotzki verfehlten ihre Wirkung nicht. Zwar stellte die Modernisierungsdiktatur des Vaters noch immer einen wichtigen Anknüpfungspunkt dar, aber die Notwendigkeit eines neuen, revolutionären Nationalismus war unumstößlich: „Der Faschismus beunruhigt Europa. Er ist ein Weg zu umfassender Erkenntnis: der Geschichte, des Staates, der Methoden der Proletarisierung des öffentlichen Lebens, ein neuer Weg zur Erkenntnis der Erscheinungsformen unserer Epoche."

Direkt nach dem Verbot des „Fascio“ leitete José Antonio gemeinsam mit Sancho Dávila in Madrid, Sevilla und Cádiz die Sammlung von Sympathisanten eines radikalen Nationalismus ein. Zu den frühen Aktivisten gehörten Raimundo Fernández Cuesta, Alfonso García Valdecasas als ehemaliger Mitarbeiter von Ortega y Gasset und vor allem der Transatlantikflieger Julio Ruíz de Alda, der wiederum Kontakte zu Ledesma Ramos unterhielt. Angesichts seines eher empfindsamen und kultivierten Wesens war José Antonio klar, dass er eigentlich nicht das Zeug zum robusten und öffentlichkeitswirksamen caudillo (Führer) hatte, aber genau diesen brauchte es, um die Idee eines neuen Nationalismus umzusetzen. Das bodenständige Organisationstalent Ruiz ergänzte ihn daher sehr gut. Der Kreis trat für eine militante, opferbereite und hochmotivierte Bewegung ein, die sich auf die jüngere Generation konzentrieren sowie Arbeiter und Intellektuelle integrieren sollte. Vor allem aber sollte es sich nicht um eine primitive Aktion der Klassenverteidigung oder gar des „feigen Kapitalismus“ handeln - der spanische Faschismus sollte sich klar von der traditionellen Rechten abheben. Erster organisatorischer Rahmen der Gruppe war der Movimiento Sindicalista Espanol MSE.

Zur gleichen Zeit erlebten wie erwähnt die JONS einen deutlichen Aufschwung, beispielsweise traten nach der ersten Kundgebung an der Uni Madrid 400 Studenten Organisation bei. Die Expansion an der Uni war von Krawallen begleitet, getreu ihrer militanten Tradition bauten die Jonsistas ihre ersten Pistolero-Gruppen von je 5 Mann auf. Für weitere Aufmerksamkeit sorgte die Herausgabe der neuen Monatszeitung „Juntas de Ofensivas Nacional-Sindicalistas“, und die Bewegung weitete sich auf Granada, Valencia, Santiago de Compostela, Bilbao und Barcelona aus. In Galicien konnte der Kommunistenführer Santiago Montero Díaz für den Nationalsyndikalismus gewonnen werden. Im Juni formulierten die „JONS“: „Freiheit? Wir antworten mit dem entscheidenden Satz Gentiles: Auch der Faschismus gewährt den Staatsbürgern Freiheit, aber eine Freiheit innerhalb des Staates gemäß dem Willen und dem allgemeinen Einverständnis der Nation." Als die Jonsistas am 14. Juli 1933 ihre Militantes gegen die Büros der „Freunde der Sowjetunion“ in Madrid aussandten, kam es zu tagelangen kommunistischen und anarchistischen Unruhen. Die Regierung antwortete mit einer Verhaftungswelle, bei der Tausende von linken wie rechten Republikgegnern inhaftiert wurden. Ledesma Ramos landete wieder einmal hinter Gittern, aber auch der MSE war betroffen und wurde faktisch zerschlagen.

Nach der Affäre begaben José Antonio wie auch Ledesma Ramos sich auf die Suche nach Geldgebern. Diese wurden vor allem in Gestalt der Rechtsmonarchisten von der Renovación Espanola gefunden, aber auch andere Gruppen und Personen zahlten - sie gedachten, den entstehenden spanischen Faschismus als Schocktruppe der Reaktion zu nutzen. Allerdings war José Antonio hierbei weitaus erfolgreicher als der radikale Ledesma Ramos. Der Grund dürfte nicht zuletzt in einem von der MSE-Gruppe unterzeichneten Zehnpunkteabkommen zu sehen sein. José Antonio verpflichtete sich zur Einhaltung bestimmter Prinzipien: Staatsaufbau anhand von Autorität, Hierarchie und Ordnung, Abschaffung des Parlamentarismus, Schaffung eines Korporativsystems nach italienischem Vorbild, Unterstützung des Katholizismus und Gewaltanwendung gegen politische Gegner. Verhandlungen über den Zusammenschluss beider Gruppen scheiterten jedoch an der Ablehnung von Ledesma Ramos, der als Prototyp des revolutionären Intellektuellen seinen Rivalen aus politischen wie persönlichen Gründen ablehnte.

Eine Informationsreise führte José Antonio im Oktober 1933 nach Italien, wo er unter anderem von Mussolini empfangen wurde. Die Fahrt bekehrte ihn endgültig zu einem glühenden Bewunderer des Faschismus, den er gegen die Vorwürfe der rechtskatholischen CEDA-Partei verteidigte. In dieser ist übrigens auch eines der Haupthindernisse für den Aufstieg des spanischen Nationalsyndikalismus zu sehen. Die semifaschistische CEDA strebte ebenfalls nach einem autoritären und korporativen Staat und blockierte als personell stärkste Partei Spaniens jahrelang die Entwicklung der radikaleren Konkurrenz.

Am 29. Oktober 1933, mehr oder weniger am Jahrestag des Marsches auf Rom, war es so weit: Im Teatro de la Comedia zu Madrid gründete José Antonio Primo de Rivera die Falange Espanola. Der Begriff „Falange“ ist mit einiger Wahrscheinlichkeit bei Giménez Caballero entliehen und bezieht sich auf die Phalanx der hellenischen Antike. Ein Triumvirat, bestehend aus José Antonio, Ruíz de Alda und Valdecasas (der unmittelbar nach der Veranstaltung zurücktrat), übernahm die Leitung der neuen Bewegung. Unter den 2000 Gästen befand sich eine Abordnung der JONS unter Ledesma Ramos persönlich. José Antonio als Hauptredner geißelte die Auswüchse des Liberalismus und sprach sich für einen dritten, auch spirituellen, Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus aus: „Deshalb musste der Sozialismus entstehen, und entstand zu Recht (wir schrecken vor keiner Wahrheit zurück). Die Arbeiter mussten sich gegen jenes System wehren, das ihnen Rechte nur versprach, sich aber nicht darum kümmerte, ihnen ein lebenswürdiges Dasein zu verschaffen. Der Sozialismus war die legitime Reaktion gegen die liberale Sklaverei, aber er verfehlte sein Ziel, weil er sich erstens der materialistischen Lebens- und Geschichtsauffassung verschrieb, zweitens sich vom Wunsch nach Vergeltung leiten ließ und drittens die Lehre vom Klassenkampf predigte. Die sozialistischen Apostel, an welche die armen Arbeiter glauben, haben in ihren eiskalten Stuben leidenschaftslos den Sozialismus ausgeklügelt...Der Sozialismus dieser Apostel sieht in der Geschichte lediglich ein Spiel wirtschaftlicher Spannung. Das Geistige wird unterschlagen, die Religion ist Opium fürs Volk, das Vaterland ist ein Märchen, um die unglücklichen Armen auszubeuten. Es gibt nur Produktion und Organisation. Daher muss der Arbeiter seine Seele sozusagen ausquetschen, damit auch nicht der geringste Tropfen Geistigkeit darin zurückbleibt. Der Sozialismus trachtet nicht danach, die durch das Chaos der liberalen Staaten zerstörte soziale Gerechtigkeit wiederherzustellen; er will Vergeltung, er will die liberalen Staaten in der Ungerechtigkeit womöglich übertreffen. Schließlich verkündet der Sozialismus das ungeheuerliche Dogma vom Klassenkampf. Er lehrt, Kämpfe zwischen den Klassen seien unabwendbar, sie brächen im Leben zwangsläufig aus, weil nichts auf der Welt die Gegensätze überbrücken könne. Der Sozialismus, der als berechtigte Kritik am wirtschaftlichen Liberalismus entstand, brachte uns das gleiche wie dieser, nur auf einem anderen Wege: Er brachte die Zersetzung, den Hass, die Zersplitterung, das Zerreißen aller Bande der Brüderlichkeit und der Solidarität unter den Menschen."

Die Puntos Iniciales als erstes Programm der Falange wurden am 7. Dezember 1933 im neuen Parteiorgan „Falange Espanola“ veröffentlicht. Zu den obersten Geboten zählte die Einheit Spaniens als Schicksalsgemeinschaft, die über allem anderen stehen sollte: "Ergo Spanien existiert. 1. als etwas Verschiedenes von allen Individuen, Klassen und Gruppierungen, aus denen es sich zusammensetzt. 2. als etwas allen diesen Individuen, Klassen und Gruppierungen und sogar ihrer aller Gesamtheit Übergeordnetes. Also Spanien, das als eine verschiedenartige und übergeordnete Wirklichkeit existiert, muss seine eigenen Ziele haben. Diese Ziele sind: 1. Die Wahrung seiner Einheit, 2. Das Wiederaufleben seiner inneren Vitalität, 3. Die Teilhabe mit führender Stimme an den geistigen Weltunternehmen. II. Um diese Ziele zu erreichen, stößt Spanien auf ein großes Hindernis: es ist gespalten. 1. Durch den lokalen Separatismus. 2. Durch den Kampf der politischen Parteien, 3. Durch den Klassenkampf.“ Als organische Grundlagen des spanischen Staates galten Gemeinde, Familie und Arbeitsplatz, nicht die als widernatürlich empfundenen Parteien: „Aber niemand wird geboren oder lebt, naturgemäß, in einer politischen Partei. Die politische Partei ist ein künstliches Gebilde, das uns mit Leuten anderer Gemeinden und anderer Berufe verbindet, mit denen wir nichts zu tun haben. Sie trennt uns von unseren Nachbarn und unseren Arbeitskollegen, mit denen wir wirklich zusammenleben. (…) Der neue Staat wird, da er der Staat aller, totalitär ist, die Zielsetzungen jeder einzelnen und der ihn integrierenden Gruppen als seine eigenen Zielsetzungen betrachten und sich um die Interessen aller sorgen, so als ob es für sich selbst sei. (…) Falange Espanola betrachtet den Menschen als eine Einheit von Leib und Seele, das heißt, als fähig zu einer ewigen Bestimmung, da er Träger ewiger Werte ist. Daher wird der menschlichen Würde, der Integrität des Menschen und seiner Freiheit höchster Respekt gezollt. Aber diese tiefe Freiheit ist kein Freibrief gegen die Grundlagen des öffentlichen Zusammenlebens. Man kann doch nicht zulassen, dass ein ganzes Volk Experimentierfeld für die Kühnheit oder die Extravaganz irgendeines Subjekts wird; wir alle sollen die wahre Freiheit haben, diejenige, welche nur der erlangt, der Teil einer starken und freien Nation ist. Niemand soll die Freiheit haben, zu stören, die Leidenschaften aufzuhetzen und zu vergiften, die Grundlagen jeder dauerhaften politischen Organisation zu unterminieren. Diese Grundlagen sind: AUTORITÄT, HIERARCHIE und ORDNUNG.

Der Aufbau des neuen Staates sollte sich auf die Integrität der Familie, die Autonomie der Gemeinde und die Autonomie der Syndikate von Arbeitnehmern und Arbeitgebern eines Wirtschaftszweiges stützen. Als direkte Staatsorgane der wirtschaftlichen Selbstverwaltung und Steuerung hatten die Syndikate Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz. Zwar galt der Katholizismus als Grundlage der kulturell-geistigen Erneuerung Spaniens, aber dem Staat gebührte der Vorrang vor der Kirche. Beide Bereiche waren strikt voneinander zu trennen, vor allem aber sollte keinerlei Einmischung des Klerus in Angelegenheiten geduldet werden, von denen die Würde des Staates und die nationale Einheit tangiert waren. Die Falange Espanola war als klassische Anti-Partei konzipiert, welche als Instrument der nationalen Einheit dienen sollte. Gesellschaftliche Klassen und Parteien wurden strikt verworfen.

Noch waren die programmatischen Gesichtspunkte nur vage ausformuliert, die JONS stellten sich deutlicher und faschistischer dar. Nicht zu Unrecht bemängelten Beobachter wie Giménez Caballero, im Teatro de la Comedia habe eher ein literarisches Treffen als eine faschistische Kampfveranstaltung stattgefunden. Dennoch konnte die Falange bis Jahresende 2000 Mitglieder rekrutieren, vor allem frustrierte junge Parteigänger alter Rechtsgruppierungen und genuine Faschisten aus der spanischen Studentenschaft. Als erste echte Parteigliederung entstand noch im November 1933 das Sindicato Universitario Espanol SEU, das sich nicht weniger als die gewaltsame Vernichtung der linken und republikanischen Studentenorganisationen zum Ziel gesetzt hatte. Gerade die SEU sollte sich zum militantesten Bestandteil des Falangismus entwickeln. Den Aufbau leitete Manuel Valdés Larranaga, der gezielt versuchte, die katholischen Studentenverbände auf falangistischer Seite in den Dauerkonflikt an den Unis hineinzuziehen. Zugleich war die SEU auch der Motor der Parteiausdehnung, die oftmals über Spaniens Universitäten erfolgte.

Ein weiterer Erfolg war die Wahl José Antonios ins spanische Parlament. Allerdings kandidierte er nicht als Falangist, sondern als Nationalist und Abkömmling seiner Familie auf einer rechten Listenverbindung in Cádiz. Die Kandidatur war eine Schizophrenie der politischen Taktik, denn José Antonio trat auf einer reaktionären Liste an, während er gleichzeitig den Parlamentarismus vehement bekämpfte. Als weiterer Abgeordneter assoziierte sich nun der Marqués de Eliseda mit der Falange. Eigentlicher Wahlsieger war die CEDA, was einen Rückschlag bedeutete, denn nun hatte es den Anschein, als wäre auch mit legalistischen Taktiken etwas zu erreichen. Als Parteiorgan erschien ab dem 7. Dezember 1933 (unter Mitarbeit von Giménez Caballero) wöchentlich die „Falange Espanola“. Das Blatt wurde immer wieder durch die republikanische Zensur und Verbote behindert, zudem griff die Linke laufend die Straßenverkäufer an. Stilistisch war die „FE“ literarisch-ästhetizistisch geprägt und blieb hinter den Erwartungen der Anhängerschaft zurück. Das Propagandaorgan eines aggressiven neuen Nationalismus erinnerte eher an eine Literaturzeitschrift. Trotz aller Dementis und Distanzierungsbemühungen orientierte man sich mehr oder weniger offen an Italien und dem europäischen Faschismus; das nationalsozialistische Vorbild spielte eine deutlich geringere Rolle. Vor allem der Biologismus des NS-Regimes war dem Großteil der Falangisten suspekt.

Die ohnehin durch den Aufstieg der CEDA und die Provokationen der JONS gereizte Linke bekämpfte den erstarkenden Nationalsyndikalismus nunmehr mit Erbitterung. Bis Jahresende wurden 3 Jonsistas ermordet, und auch Ruíz de Alda entkam nur knapp einem sozialistischen Mordkomplott. Der Straßenverkauf der „Falange Espanola“ zog auch die Falangisten in den Strudel der Gewalt hinein und führte zu unablässigen Zusammenstößen. Am 11. Januar 1934 erschossen Linke an der Uni Madrid einen studentischen Leser der „FE“, der fortan als erster Gefallener der Bewegung angesehen wurde. Die Krawalle in Madrid, an denen José Antonio und Ruíz de Alda sich persönlich beteiligten, weiteten sich auf Sevilla und Zaragoza aus.

Bereits im Dezember 1933 führte Ledesma Ramos in „JONS“ die Voraussetzungen für die Eroberung des Staates aus. Die Revolution sollte durch eine militärisch organisierte Partei mit bewaffneten Milizen durchgeführt werden. Im Falle einer Solidarisierung des Militärs war sicherzustellen, dass die Partei den Staat unter Kontrolle hatte und nicht die Generäle. Folgerichtig war die paramilitärische Ausbildung aller tauglichen Aktivisten sicherzustellen. Die Ziele des Aufstandes mussten populär und den Massen bekannt sein, was durch unentwegte Propaganda zu erreichen war. Demgegenüber fiel bei José Antonio die Ambivalenz zur Gewalt auf. Er war zwar "normaler" Gewaltanwendung nicht abgeneigt, hatte jedoch erhebliche Skrupel bei politischem Mord. Offenbar war der Falange-Gründer der irrigen Ansicht, es bedürfe zur Eroberung des Staates nicht der gleichen Dosis Gewalt wie in Italien. Nachdem im Januar 1934 insgesamt 6 Falangisten umgebracht wurden, forderte die radikale Parteibasis direkte Vergeltung Auge um Auge. José Antonios Aufrufe zur Zurückhaltung wurden ignoriert, und sehr bald bereiteten die Militantes sich planmäßig auf eine regelrechte Stadtguerrilla gegen ihre sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Todfeinde vor.

Am 9. Februar 1934 wurde Matías Montero Rodríguez, der Mitbegründer des Studentensyndikates, ermordet. Waren die bisherigen Todesopfer bei Zusammenstößen zu verzeichnen, so handelte es sich hier um den ersten geplanten Mord an einem Falangisten. Die Bewegung richtete ein propagandawirksames Begräbnis aus, der „Tag des gefallenen Studenten“ (el día del estudiante caido) wurde fortan ein offizieller Feiertag des Falangismus. Nach dem Vorbild der spanischen Armee wie der italienischen Faschisten wurde nun ein regelrechter Totenkult um die Gefallenen der Falange geschaffen. Die Verklärung des Todes wirkte gemeinschaftsstiftend, die Toten und die Lebenden wurden durch die Lebendigkeit der Idee zusammengehalten. Der Tod im Kampf für die Bewegung, aber auch die direkte Aktion gegen den politischen Gegner wurden als Dienst für das Vaterland mythologisiert.

An der militanten Basis regte sich heftige Kritik an der Führung, da es keine organisierte Abwehr und Gegenwehr gab. José Antonio reagierte mit dem Hinweis, man werde den Kampf auf einem Gelände der eigenen Wahl annehmen. Die Parteiführung bereitete nun endlich Maßnahmen vor, die über Studentenunruhen oder Zeitungsverkauf hinausgingen. Juan Antonio Ansaldo, Fliegerheld aus dem Marokkokrieg, wurde zum jefe de commandos berufen und organisierte die Falange de la Sangre als Parteimiliz. José Antonio stellte demonstrativ seine von der Basis scharf kritisierten frivolen Freizeitaktivitäten in der High-Society ein, welche den politischen Überlebenskampf der Partei in der Tat konterkarierten. Der Falange-Gründer zeigte sich entmutigt - war das Unternehmen vorzeitig begonnen worden? Auf den Bereichen Kultur und Propaganda hätte man besser vorbereitet sein können, um sich der Links-Rechts-Polarisierung zu entziehen. Ruíz riet zu vermehrter Militanz und direkter Aktion, was ihn in die direkte Nachbarschaft der radikalen Jonsistas brachte.

Mit dem nun einsetzenden Kurswechsel war ein Zusammengehen mit den JONS vorprogrammiert. Die Falange Espanola hatte die Jonsistas an Bedeutung überholt, zudem zog José Antonio weitaus mehr Spendengelder an als etwa Ledesma Ramos. Mit José Antonio verfügte die Falange über die charismatische Führerfigur, während die JONS hingegen ihre überregionale Gefolgschaft, eine etablierte Gesamtheit politischer Symbole und Parolen sowie die klarer umrissene Programmatik einbringen konnten. Redondo Ortega und Giménez Caballero auf jonsistischer und Ruíz de Alda auf falangistischer Seite setzten den Zusammenschluss durch. Ledesma Ramos kritisierte zwar, die Falange sei zu rechtsgerichtet, zu sehr am italienischen Vorbild orientiert und nicht revolutionär genug - aber diese Probleme schienen ihm überwindbar. Vor allem erschien es ihm möglich, die Führungsgruppe der Falange zu verdrängen und die populäre Gruppe als Plattform für den Nationalsyndikalismus zu nutzen.

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