Zeitgeschichte
+ Hintergründe
|
Das Manifest von Verona (14. November 1943)
Vorbemerkung: Unlängst veröffentlichten wir an dieser Stelle das Dokument „Der Faschismus als proletarische Errungenschaft“, eine amtliche Darstellung des wirtschafts- und sozialpolitischen Systems des italienischen Regierungsfaschismus der 30er Jahre. Bekanntlich wurde Benito Mussolini im Juli 1943 gestürzt und im September befreit, um am 18. September 1943 die Bildung einer neuen faschistischen Regierung zu verkünden. Aus dem Verrat der einstmals verbündeten Eliten, also des Königshauses, der Armee und des Großbürgertums, zogen Mussolini und seine unentwegten Getreuen die Konsequenzen: Man orientierte sich wieder stärker an den syndikalistischen, sozialistischen und revolutionären Wurzeln des Faschismus. Als Programm der neuen Republik von Saló wurde am 14. November 1943 das Manifest von Verona verabschiedet. Die Aufnahme deutlicher akzentuierter sozialistischer Forderungen wurde durch eine Intervention des unternehmerfreundlichen Hitler-Regimes verhindert. Dem aufmerksamen Leser werden einige weitere Spitzen gegen die imperialistische Außenpolitik des „Dritten Reiches“ hoffentlich nicht entgehen. --- Richard Schapke, im September 2004
Der erste nationale Appell der Republikanisch-Faschistischen Partei erhebt die Gedanken zu den Gefallenen des republikanischen Faschismus an den Fronten des Krieges, auf den Plätzen der Städte und Marktflecken und in den „foibe“ von Istrien, die zu der Schar der Märtyrer der Revolution, zur Phalanx der für Italien Gefallenen, hinzutreten.
Er macht sichtbar, dass die Fortsetzung des Krieges an der Seite Deutschlands und Japans bis zum Endsieg und die schnelle Wiederherstellung der Streitkräfte, die dazu bestimmt sind, neben den tapferen Soldaten des Führers zu kämpfen, die Ziele sind, die wegen ihrer Bedeutung und Dringlichkeit alles andere überragen; er nimmt die Dekrete der Sondergerichte zur Kenntnis, in die die Mitglieder der Partei einen intransigenten Willen zur exemplarischen Gerechtigkeit hineingetragen haben und legt, inspiriert von den Mussolinischen Grundsätzen, die folgenden programmatischen Richtlinien für das Wirken der Partei vor:
Verfassungsmäßige und innere Angelegenheiten
I. Es wird die gesetzgebende Versammlung, eine souveräne, im Volk wurzelnde Macht, einberufen werden, um die Aufhebung der Monarchie zu erklären, den letzten König als Verräter und Flüchtling zu ächten, die Soziale Republik auszurufen und das Staatsoberhaupt zu benennen.
II. Die gesetzgebende Versammlung ist zusammengesetzt aus Vertretern aller Gewerkschaften und aller Verwaltungsbezirke, eingeschlossen die Vertreter der besetzten Provinzen, repräsentiert durch die Delegationen der Frontkämpfer und der Flüchtlinge, eingeschlossen ebenfalls die Vertretungen der Kämpfer und Kriegsgefangenen; die der Italiener im Ausland, die der Justiz, der Universitäten und jeder anderen Körperschaft und Einrichtung, deren Teilnahme dazu beiträgt, aus der gesetzgebenden Versammlung die Synthese aller Kräfte der Nation zu machen.
III. Die republikanisch-faschistische
Verfassung wird den Bürgern, Soldaten, Arbeitern und Steuerzahlern das
Recht der Kontrolle und der verantwortungsbewussten Kritik an den Maßnahmen
der öffentlichen Verwaltung sichern.
Der Bürger wird alle fünf Jahre aufgerufen, sich über die Ernennung
des Staatspräsidenten zu äußern.
Kein Staatsbürger, der auf frischer Tat ertappt oder vorbeugend festgenommen
worden ist, darf ohne Mandat der Gerichtsbehörden länger als sieben
Tage in Haft gehalten werden. Ausgenommen die erstgenannten Fälle, wird
auch für Hausdurchsuchungen ein Mandat der Gerichtsbehörden erforderlich
sein.
In der Ausübung ihrer Funktionen handelt die Magistratur in voller Unabhängigkeit.
IV. Die in Italien bereits gemachte negative Erfahrung mit Wahlen und die teilweise negative Erfahrung mit einer zu starren hierarchischen Methode der Nominierung tragen zu einer Lösung bei, die die entgegen gesetzten Erfordernisse in sich vereinigt. Ein gemischtes System, wie zum Beispiel die Volkswahl der Abgeordneten, die Benennung der Minister durch den Staatspräsidenten und den Regierungschef, die Wahlen des fascio in der Partei - außer der Bestätigung und Ernennung des nationalen Direktoriums durch den Duce - erscheint das ratsamste System.
V. Es gibt nur eine Organisation, der die politische Erziehung des Volkes obliegt. Die Partei, der Orden der Kämpfer und Gläubigen, muss einen Organismus absoluter politischer Aufrichtigkeit darstellen, der würdig ist, Hüter der revolutionären Idee zu sein. Das Parteibuch wird für keinerlei Amt oder Auftrag erforderlich sein.
VI. Die Religion der Republik ist die römisch-katholisch-apostolische. Jeder Kult, der zu den Gesetzen nicht in Widerspruch steht, wird geachtet.
VII. Die Angehörigen der jüdischen Rasse sind Feinde. Während der Dauer des Krieges gelten sie als Angehörige einer feindlichen Nationalität.
Außenpolitik
VIII. Hauptziel
der Außenpolitik der Republik ist die Verteidigung der Einheit, Unabhängigkeit
und territorialen Integrität des Vaterlandes in seinen von der Natur vorgegebenen
Grenzen, durch das Blut und die Geschichte gezeichneten maritimen und alpinen
Grenzen, die durch eine Invasion des Feindes und die Versprechungen einer nach
London geflohenen Regierung bedroht sind.
Ein anderes Hauptziel wird darin bestehen, die Anerkennung der Notwendigkeit
von Lebensraum durchzusetzen, der unentbehrlich ist für ein Volk von 45
Millionen Menschen, die auf einem nahrungsmäßig unzureichenden Boden
leben.
Die Politik wird sich außerdem für die Verwirklichung einer europäischen
Gemeinschaft in Form einer Konföderation aller Nationen einsetzen, die
folgende Grundsätze beachten:
a) Ausschaltung der jahrhundertealten britischen Intrigen auf unserem Kontinent.
b) Abschaffung des kapitalistischen Systems im Inneren und Kampf gegen die Weltplutokratien.
c) Verwertung der natürlichen Rohstoffquellen in Afrika zum Nutzen der
europäischen Völker sowie der Eingeborenen unter absoluter Achtung
jener Völker, insbesondere der Mohammedaner, die, wie etwa in Ägypten,
bereits in zivilisatorischer und nationaler Hinsicht entwickelt sind.
Sozialpolitik
IX. Grundlage und vordringlicher Gegenstand der Sozialen Republik ist die Arbeit, Handarbeit, technische und geistige Arbeit in jeder Erscheinungsform.
X. Das Privateigentum, Ertrag der Arbeit und des persönlichen Sparwillens, integrierende Voraussetzung für den Einzelmenschen, wird durch den Staat gewährleistet.
XI. In der
nationalen Wirtschaft gehört all das, was wegen seines Umfangs oder seiner
Funktion aus dem Privatinteresse ausscheidet und in das Kollektivinteresse übergeht,
zu dem dem Staat vorbehaltenen Aktionsbereich.
Die öffentlichen Einrichtungen und grundsätzlich die Kriegsindustrie
müssen vom Staat durch halbstaatliche Dienststellen verwaltet werden.
XII. In jedem privaten, halbstaatlichen und staatlichen Industriebetrieb arbeiten die Vertreter der Techniker und der Arbeiter mittels eines von der Führung erweiterten Bewusstseinsstandes eng zusammen - bei gleichem Gehalt sowie bei gleicher Verteilung des Gewinns auf einen Reservefonds, die Zinsen des Aktienkapitals und den Gewinnanteil der Arbeiter selbst. Bei einigen Unternehmen muss dies zusammen mit einer Erweiterung der gegenwärtigen Fabrikkommissionen geschehen, in anderen müssen die Verwaltungsräte durch Führungsräte, die aus Technikern, Arbeitern und einem Vertreter des Staates zusammengesetzt sind, ersetzt werden; bei anderen geschieht dies in der Form halbgewerkschaftlicher Genossenschaften.
XIII. In der Landwirtschaft findet die private Initiative des Eigentümers ihre Grenze, wenn sie nachzulassen beginnt. Die Enteignung unbebauten Bodens und schlecht geführter Betriebe soll dazu beitragen, im Wege der Parzellierungen aus den Tagelöhnern Landwirte zu machen und genossenschaftliche halbgewerkschaftliche oder halbstaatliche Betriebe zu bilden, je nach den unterschiedlichen Erfordernissen der Landwirtschaft. Das Übrige ist in den geltenden Gesetzen vorgesehen, bei deren Anwendung die Partei und die gewerkschaftlichen Organisationen die nötigen Impulse geben werden.
XIV. Es ist den Landwirten, den Handwerkern, den Akademikern und Künstlern vollkommen freigestellt, ihre eigene produktive Arbeit individuell einzusetzen und frei zu entfalten, in der Familie oder in der Gruppe, vorbehaltlich der Verpflichtung, die Hauptzahl der Produkte gemäß dem Gesetz abzuliefern und die Preise einer Kontrolle zu unterwerfen.
XV. Das Recht
des eigenen Hauses ist nicht nur ein Recht am Eigentum, sondern ein Recht auf
Eigentum. Die Partei nimmt in ihr Programm die Schaffung einer nationalen Gesellschaft
für das Volkshaus auf, die unter Übernahme der bisher existierenden
Gesellschaften und in Erweiterung von deren Tätigkeitsbereich vorsieht,
den Familien der Arbeiter durch den Bau neuer Wohnungen oder die stufenweise
Schuldabtragung bei den bestehenden Eigentum an einem Haus zu verschaffen.
Als erste Aufgabe wird die Gesellschaft die Probleme angehen, die aus den Kriegszerstörungen
erwachsen, und zwar durch die Requirierung und Verteilung ungenutzter Räume
und durch provisorische Bauten.
XVI. Der Arbeiter
ist von Amts wegen in die Gewerkschaft seiner Kategorie eingeschrieben, ohne
dass es ihm untersagt ist, in eine andere Gewerkschaft einzutreten, wenn er
die erforderlichen Dokumente besitzt. Die Gewerkschaften sind in einem einheitlichen
Verband zusammengeschlossen, der alle Arbeiter, Akademiker und Techniker umfasst,
ausgenommen die Eigentümer, die nicht Leiter und Techniker sind.
Der Verband nennt sich Confederazione Generale del Lavoro, delle Tecinca e delle
Arti. Die Angehörigen der staatlichen Industrieunternehmungen und des öffentlichen
Dienstes bilden, wie jeder andere Arbeiter, Gewerkschaften nach den jeweiligen
Kategorien.
All die sozialen Einrichtungen, die das faschistische Regime in zwanzig Jahren
verwirklicht hat, bleiben unangetastet.
Die Carta del Lavoro enthält in ihrem Text die Bekräftigung dafür,
wie sie auch in geistiger Hinsicht den Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung
darstellt.
XVII. Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt hält die Partei eine Angleichung der Gehälter für die
Arbeiter durch Festsetzung von Mindestlöhnen und schnelle örtliche
Revisionen für unaufschiebbar, und zwar dringlicher für die kleinen
und mittleren staatlichen Angestellten als für die privaten.
Aber damit diese Maßnahme nicht Gefahr läuft, unwirksam und am Ende
schädlich für alle zu sein, ist es nötig, dass man mit genossenschaftlichen
und betrieblichen Verkaufsstellen, mit der Ausweitung der Aufgaben der „Provvida“
(staatliche Organisation zur Beschaffung verbilligter Waren für Staatsangestellte),
mit der Requirierung von Geschäften, die gegen die Preisvorschriften verstoßen
und ihrer halbstaatlichen und genossenschaftlichen Führung dazu gelangt,
einen Teil des Gehalts in Lebensmitteln zum offiziellen Preis zu zahlen, um
dadurch zur Stabilität der Preise und des Geldes und zur Sanierung des
Marktes beizutragen.
Was den Schwarzmarkt angeht, so wird verlangt, dass die Spekulanten ebenso wie
die Verräter und Defaitisten der Kompetenz der Sondergerichte überantwortet
und zum Tode verurteilt werden.
XVIII. Mit
dieser Einleitung zu der gesetzgebenden Versammlung zeigt die Partei, dass sie
nicht nur auf das Volk zugeht, sondern mit ihm zusammensteht.
Das italienische Volk muss sich darüber Rechenschaft ablegen, dass es nur
eine Möglichkeit gibt, die Errungenschaften (Eroberungen?, R.S.) von gestern,
heute und morgen zu verteidigen: Die versklavende Invasion der Anglo-Amerikaner
zurückzuschlagen, die, wie tausend deutliche Zeichen beweisen, das Leben
der Italiener noch übler und elender machen will.
Es gibt nur einen Weg, alle sozialen Ziele zu erreichen: Kämpfen, arbeiten und siegen.