Repression und Überwachung

 

Karlsruhe urteilt gegen Großen Lauschangriff

 

Unter dem Aktenzeichen Bundesverfassungsgericht 1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99 erklärte das höchste bundesrepublikanische Gericht den Großen Lauschangriff für zu erheblichen Teilen verfassungswidrig und verlangte von der Bundesregierung zahlreiche Nachbesserungen (umzusetzen bis zum 30. Juni 2005). Karlsruhe gab der Beschwerde von drei linksliberalen FDP-Politikern gegen die 1998 eingeführte heimliche akustische Wohnraumüberwachung teilweise statt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wollte die Abkehr von Bürgerrechtsgrundsätzen nicht mitmachen und trat seinerzeit von ihrem Amt zurück. Zusammen mit den FDP-Innenpolitikern Burkhard Hirsch und Gerhart Baum erhob sie Verfassungsbeschwerde. Zwar wurde die 1998 eigens für den Großen Lauschangriff beschlossene Grundgesetzänderung akzeptiert, aber der Handlungsspielraum der Strafverfolgungsbehörden erfuhr erhebliche Einschränkungen. Die Wohnraumüberwachung nach § 110c StPO darf künftig nur noch angeordnet werden, wenn es um schwere Straftaten geht, für die eine Höchststrafe von mehr als 5 Jahren droht. Zudem sind Lauschaktionen sofort abzubrechen, wenn in der Wohnung Gespräche mit engen Angehörigen geführt werden und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Tatbeteiligte sind. Das gilt auch für Gespräche mit Ärzten, Pfarrern oder Strafverteidigern. Nach dem Karlsruher Urteil müssen sie die Überwachungsanordnungen künftig sehr viel konkreter begründen. Auch Verlängerungen der Überwachungsmaßnahme werden in Zukunft von ihnen entschieden. Bisher ist dafür keine richterliche Genehmigung nötig. Staatsanwaltschaft und Polizei entschieden über die Verlängerung. Das Gericht stärkte weiters die Rechte der Überwachten. Ihre Benachrichtigung darf nur in solchen Fällen zurückgestellt werden, wenn dadurch das Leben einer Person gefährdet ist. Die bisherige pauschale Regelung, dass auch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder der Einsatz eines verdeckten Ermittlers für eine Aussetzung der Benachrichtigungspflicht ausreicht, erklärten die Richter für verfassungswidrig. Die Auflagen wurden damit begründet, dass der Schutz der Privatwohnung in engem Bezug zur Menschenwürde steht. Bundesjustizministerin Zypries (SPD) kündigte die Umsetzung des Karlsruher Urteils an und erklärte, der Große Lauschangriff sei als „Ultima Ratio“ nur in 119 Fällen angewendet worden. Presseberichten zufolge waren von den Überwachungsmaßnahmen nach § 110c StPO 400 Personen betroffen - davon 36 % Unverdächtige. Seit 1990 stieg die Zahl der im Rahmen des Kleinen Lauschangriffes abgehörten Telefongespräche von jährlich 1200 auf mindestens 14.000.

Quelle: http://www.die-kommenden.net/dk/wochen/04/feb_28_maer_05.htm#6

 

 

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