Repression und Überwachung

 

Karlsruhe kippt EU-Haftbefehl

 

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer viel beachteten Entscheidung das bundesdeutsche Gesetz zum Europäischen Haftbefehl für nichtig erklärt. Die Karlsruher Richter stellten fest, dass die Bundesregierung und der Bundestag den Rahmenbeschluss der Europäischen Union (EU) nicht grundgesetzkonform umgesetzt haben. Daher dürfen bundesdeutsche Staatsangehörige vorerst nicht mehr an andere EU-Staaten ausgeliefert werden. Der Deutsch-Syrer Mamoun Darkazanli hatte somit mit seiner Verfassungsbeschwerde Erfolg. Darkazanli sollte wegen angeblichen Terrorismusbezugs an Spanien ausgeliefert werden. Er wurde umgehend aus der Auslieferungshaft entlassen. Die mündliche Urteilsbegründung wirkte wie eine schallende Ohrfeige für die im Zuhörerraum anwesenden Bundestagsabgeordneten. Schon bei der mündlichen Verhandlung am 13. und 14. April 2005 war das Mitglied des Bundestages Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) ungewohnt kleinlaut aufgetreten. Als Mitglied des Rechtsausschusses des Bundestags hatte der Berliner Rechtsanwalt vor dem höchsten Gericht behauptet, das Parlament habe gar nicht anders gekonnt, als die von der Bundesregierung in Brüssel im EU-Ministerrat beschlossenen Regelungen abzunicken. Schon damals wurde Ströbele von den Verfassungsrichtern abgebügelt, der Bundestag habe offensichtlich versäumt, der eigenen Regierung klare Direktiven für die Verhandlungen mit Brüssel zu erteilen und es versäumt, den EU-Rahmenbeschluss an die Grundrechte des Grundgesetzes anzupassen. Nun fügte Karlsruhe hinzu, der Bundestag sei sich seiner Verpflichtung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wohl nicht bewusst gewesen. Ausnahmen vom Grundrecht auf Auslieferungsfreiheit dürfe es nur geben, wenn für den Betroffenen ein absolut rechtsstaatliches Verfahren gesichert sei. Hierfür habe der Bundestag keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen. Durch das jetzt aufgehobene Gesetz wäre die Auslieferung von BRD-Staatsbürgern an andere EU-Staaten möglich gewesen - auch wenn die Tat, die dem Beschuldigten vorgeworfen wird, nach bundesdeutschem Recht gar nicht strafbar ist. Im Fall von Mamoun Darkazanli war der Tatbestand „Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ zur maßgeblichen Zeit noch gar nicht im deutschen Strafgesetzbuch enthalten: „Jeder Bürger muss sicher sein, dass sein rechtmäßiges Verhalten nicht plötzlich später in einem anderen Staat für rechtswidrig erklärt wird. (...) Wer als Deutscher im eigenen Rechtsraum eine Tat begeht, muss grundsätzlich nicht mit einer Auslieferung an eine andere Staatsgewalt rechnen. Anders fällt die Beurteilung hingegen aus, wenn die vorgeworfene Tat einen maßgeblichen Auslandsbezug hat. Wer in einer anderen Rechtsordnung handelt, muss damit rechnen, hier auch zur Verantwortung gezogen zu werden.“

Quelle: http://www.die-kommenden.net/dk/wochen/05/jul_16_22.htm#7

 

 

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