Befreiungsnationalismus
und Antiimperialismus
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Vorbemerkung:
Diesen Aufsatz des lateinamerikanischen Revolutionärs Ernesto Che
Guevara entnehmen wir der Homepage www.karlsruhernetzwerk.org,
um ihn aus gegebenem Anlass erneut zu veröffentlichen. Wir betrachten
diese erneute Veröffentlichung als Tausch für die Verwendung unserer
Aufsätze über die Brigade Ehrhardt
und Horst Wessel. "Schaffen wir zwei,
drei, viele Vietnam" wurde 1967 in Habana unter dem "Titel Mesaje
a la Tricontinental" veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung
besorgten im selben Jahr Rudi Dutschke und Gaston Salvatore.
--- Richard Schapke, im März 2003
Ernesto "Che" Guevara - "Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam"
"Es
ist die Stunde der Weißglut und nichts anderes als das Licht soll zu
sehen sein." - José Marti
Seit dem
Ende des letzten Weltkrieges sind bereits 21 Jahre vergangen, und verschiedene
Veröffentlichungen in vielen Sprachen feiern als Symbol hierfür
das Ereignis der japanischen Niederlage.
Es gibt einen trügerischen Optimismus in vielen Gruppen der verschiedenen
Lager, in die die Welt sich teilt. Einundzwanzig Jahre ohne Weltkrieg scheinen
in diesen Zeiten größter Auseinandersetzungen, gewaltiger Zusammenstöße
und plötzlicher Umwälzungen eine sehr lange Zeit zu sein. Aber ohne
die praktischen Resultate dieses Friedens weiter zu analysieren, eines Friedens,
für den wir uns alle entschieden zu kämpfen bereit erklärten,
sollte wegen der stets größer werdenden Misere, Erniedrigung und
Ausbeutung von großen Teilen der Welt gefragt werden, ob dieser Friede
real ist.
Es ist nicht die Absicht dieser Bemerkungen, die verschiedenen Konflikte lokalen
Charakters, die sich seit der Kapitulation Japans ereignet haben, historisch
einzuordnen. Es ist auch nicht unsere Aufgabe, von den zahlreichen und immer
größer werdenden bürgerkriegsartigen Kämpfen, die in
diesen Jahren scheinbaren Friedens ausgetragen wurden, zu berichten. Die Kriege
von Korea und Vietnam reichen, um maßlosem Optimismus zu widersprechen.
Im Korea-Krieg, nach Jahren gewaltigen Kampfes, blieb der nördliche Teil
in der furchtbarsten Verheerung zurück, die die Annalen des modernen
Krieges kennen: durchlöchert von Bomben, ohne Fabriken, Schulen und Krankenhäuser,
ohne Wohnungen für die 10 Millionen Einwohner.
In diesem Krieg intervenierten unter der trügerischen Fahne der Vereinten
Nationen Dutzende von Ländern. Diese Länder wurden militärisch
von den Vereinigten Staaten geführt, gestützt durch die massive
Teilnahme amerikanischer Soldaten und unter Benutzung der zu den Waffen gerufenen
südkoreanischen Bevölkerung als Kanonenfutter.
Auf der anderen Seite konnten die Armee, das Volk von Korea und die Freiwilligen
der chinesischen Volksrepublik mit dem Nachschub und dem Rat des sowjetischen
Militärapparates rechnen. Von den Nordamerikanern wurde der Einsatz der
verschiedensten Vernichtungswaffen unternommen, einschließlich der begrenzten
Anwendung bakteriologischer und chemischer Waffen, lediglich mit Ausnahme
thermonuklearer Waffen.
In Vietnam
führten die patriotischen Kräfte des Landes fast ununterbrochen
militärische Aktionen gegen drei imperialistische Mächte: gegen
Japan, dessen Macht nach den Bomben von Hiroshima und Nagasaki vollkommen
zusammengebrochen war; gegen Frankreich, das sich von den besiegten Japanern
seine indochinesischen Kolonien zurückeroberte, indem es die in Zeiten
der Bedrängnis gemachten Versprechungen ignorierte; und gegen die Vereinigten
Staaten, die in der letzten Phase dieser Auseinandersetzung stehen.
In allen Kontinenten gab es begrenzte Konfrontationen. Auf dem amerikanischen
waren es lange Zeit nur Putsche und Versuche von Befreiungskämpfen. Dann
gab die kubanische Revolution die Signale, die die Bedeutung dieses Gebietes
unterstrichen. Sie zog sich dadurch aber den Haß der Imperialisten zu
und mußte ihre Küsten, zunächst in Playa Giron und dann während
der Oktoberkrise verteidigen. Dieser letzte Zwischenfall, die Konfrontation
der Amerikaner und Sowjetrussen vor Kuba, hätte einen Krieg unermeßlichen
Ausmaßes verursachen können.
Aber offensichtlich befindet sich im Augenblick der Schnittpunkt der Widersprüche
in den Territorien der indochinesischen Halbinsel und deren Nachbarländern.
Laos und Vietnam werden von Bürgerkriegen erschüttert. Sie nehmen
einen neuen Charakter an, wenn der nordamerikanische Imperialismus mit seiner
gesammelten Macht auftritt und damit das ganze Gebiet zu einem gefährlichen
Zeitzünder wird. In Vietnam hat die Auseinandersetzung einen Grad extremer
Zuspitzung erreicht. Wir möchten aber auch diesen Krieg nicht historisch
einordnen, vielmehr werden wir nur einige Phasen seiner Entwicklung aufzeichnen.
Nach der verheerenden Niederlage von Dien Bien Phu im Jahre 1954 wurde das
Genfer Abkommen unterschrieben. Das Abkommen teilte das Land in zwei Zonen
und ordnete die Abhaltung von Wahlen innerhalb von 18 Monaten an, um die Regierung
Vietnams zu wählen und die Form der Wiedervereinigung zu bestimmen. Die
Nordamerikaner unterschrieben dieses Dokument nicht und begannen ein Intrigenspiel,
um den französischen Marionetten-Kaiser Bao Dai durch einen ihren Absichten
entsprechenden Mann zu ersetzen. Das Resultat war Ngo Djen Diem, dessen tragisches
Ende allen bekannt ist: die vom Imperialismus ausgepreßte Orange.
Im Lager der Befreiungskräfte herrschte in den Monaten nach der Unterzeichnung
des Abkommens Optimismus. Im Süden des Landes wurden antifranzösische
Kampfzentren aufgelöst und man erwartete die Erfüllung des Vertrages.
Bald aber verstanden die Patrioten, daß es keine Wahlen geben würde,
es sei denn, die Vereinigten Staaten wären in der Lage, ihren Willen
in die Wahlurnen zu zwingen. Das aber hätte nicht einmal bei Anwendung
aller ihnen bekannten Methoden des Betrugs geschehen können.
Von neuem begannen im Süden des Landes die Kämpfe und nahmen bis
heute ständig an Intensität zu. Die nordamerikanische Armee besteht
aus fast einer halben Million Invasoren, während die Marionettenkräfte
an Zahl abnehmen und darüber hinaus vollständig ihren Kampfgeist
verloren haben.
Zwei Jahre nach der Eskalation
Vor zirka
zwei Jahren begannen die Nordamerikaner die systematische Bombardierung der
Volksrepublik Vietnam als weiteren Versuch, den Kampfgeist des Südens
zu lähmen und eine Konferenz mit für sie günstigen Ausgangspositionen
zu erreichen. Zunächst waren es einzelne Bombardements unter der Maske
von Repressalien für angebliche Provokationen des Nordens. Dann nahmen
sie an Intensität und Methode zu. Jetzt sind sie eine von den amerikanischen
Luftstreitkräften durchgeführte gigantische Treibjagd, die von Tag
zu Tag mit der Absicht stattfindet, jede Spur von Zivilisation im Norden des
Landes zu zerstören. Es ist eine Episode der in trauriger Weise berühmten
Eskalation.
Die materiellen Erwartungen der amerikanischen Machtelite haben sich trotz
der äußersten Verteidigung der vietnamesischen Luftabwehreinheiten,
der mehr als 1700 abgeschossenen Flugzeuge und der militärischen Hilfe
des sozialistischen Lagers zu einem großen Teil erfüllt.
Es gibt eine peinliche Realität: Vietnam, jenes Land, das die Erwartungen
und Hoffnungen der verlassenen Völker vertritt, ist in tragischer Einsamkeit.
Dieses Volk muß die wilden Angriffe der US-Technologie fast ohne eine
Möglichkeit der Abwehr im Süden und mit geringen Verteidigungsmöglichkeiten
im Norden ertragen, aber immer allein.
Die Solidarität der fortschrittlichen Mächte der Welt mit dem vietnamesischen
Volk ähnelt der bitteren Ironie, die der Beifall des Pöbels für
die Gladiatoren im römischen Zirkus bedeutete.
Es geht nicht darum, den Opfern der Aggression Erfolg zu wünschen, sondern
an ihrem Schicksal teilzunehmen, sie bis zum Tode oder bis zum Sieg zu begleiten.
Wenn wir die vietnamesische Einsamkeit analysieren, so wirkt dieses Moment
der Unlogik innerhalb der Menschheit beängstigend.
Der nordamerikanische Imperialismus ist der Aggression schuldig, seine Verbrechen
sind ungeheuer und überziehen die ganze Welt. Das wissen wir bereits,
meine Herren!
Aber schuldig sind auch die, die in der Stunde der Entscheidung zögerten,
Vietnam zu einem unverletzlichen Teil des sozialistischen Lagers zu machen.
Zwar hätte die Gefahr eines weltweiten Konflikts bestanden, aber andererseits
wäre der Imperialismus zur Entscheidung gezwungen worden. Schuld haben
auch die, die einen Krieg von Beschimpfungen und Zänkereien aufrechterhalten,
der schon vor langer Zeit von den Vertretern der beiden größten
Mächte des sozialistischen Lagers begonnen wurde.
Fragen wir, um zu einer ehrlichen Antwort zu gelangen: Ist Vietnam isoliert
oder nicht? Steht es nicht im gefährlichen Balanceakt zwischen diesen
konkurrierenden Mächten? Und was für ein großes Volk! Welche
Ausdauer und welcher Mut! Und welch eine Lektion wird der Welt mit diesem
Kampf erteilt! Erst nach langer Zeit werden wir erfahren, ob Präsident
Johnson wirklich ehrlich daran dachte, einige der notwendigen Reformen für
sein Volk zu beginnen, um die Klassengegensätze, die mit explosiver Kraft
und immer häufiger auftreten, zu mildern. Tatsache ist, daß die
unter dem pompösen Titel des Kampfes um die "Große Gesellschaft"
angekündigten Verbesserungen in die vietnamesische Kanalisation gefallen
sind.
Die Strategie des Imperialismus
Die größte
imperialistische Macht fühlt in ihren Eingeweiden die Blutung, die ein
armes und zurückgebliebenes Land verursacht. Seine fabelhafte Ökonomie
schwankt unter den Anstrengungen des Krieges. Töten hört auf, das
bequemste Geschäft der Monopole zu sein.
Verteidigungswaffen, und die nicht einmal in genügender Zahl, sind alles,
was diese wunderbaren vietnamesischen Soldaten haben außer ihrer Liebe
zur Heimat, zu ihrer Gesellschaft und zu unbeugsamer Tapferkeit. Der Imperialismus
hingegen versumpft in Vietnam. Er sucht verzweifelt einen Ausweg, der es ihm
ermöglicht, die gefährliche Situation, in der er sich befindet,
mit Anstand zu überwinden. Aber die Zange der "vier Punkte"
des Nordens und der "fünf Punkte" des Südens ergreift
ihn und fordert der Konfrontation immer mehr die Entscheidung ab.
Alles scheint darauf hinzudeuten, daß der Friede, dieser prekäre
Friede, dem man diesen Namen gegeben hat, nur weil keine weltweite kriegerische
Auseinandersetzung stattgefunden hat, wieder in Gefahr ist. Der unwiderrufliche
und inakzeptable Schritt der Nordamerikaner droht ihn zu zerstören.
Und wir, Ausgebeutete der Welt, welches ist die Rolle, die auf uns zukommt?
Die Völker dreier Kontinente sehen und lernen ihre Lektion in Vietnam.
Da die Imperialisten die Menschheit mit der Drohung eines Krieges erpressen,
ist die richtige Antwort, den Krieg nicht zu fürchten. Die Taktik dieser
Völker muß sein, hart und ununterbrochen in jeder Phase der Auseinandersetzung
anzugreifen.
Aber in den Gebieten, in denen dieser miserable Friede, den wir erleiden,
gebrochen worden ist, welche Aufgabe werden wir dort haben? Uns um jeden Preis
zu befreien!
Die Situation
der Welt zeigt eine große Vielfalt an Aufgaben. Sogar die Länder
des alten Europa warten noch auf die Aufgabe der Befreiung. Sie sind zwar
genügend entwickelt, um alle Widersprüche des Kapitalismus fühlen
zu können, aber zu schwach, um imperialistische Ziele verfolgen oder
diesen Weg jetzt noch beschreiten zu können. In den nächsten Jahren
werden dort die Widersprüche einen explosiven Charakter annehmen. Ihre
Probleme aber und darum letzten Endes auch deren Lösung sind verschieden
von denen unserer abhängigen und ökonomisch zurückgebliebenen
Länder. Der wichtigste Schauplatz der Ausbeutung durch den Imperialismus
umfaßt die drei zurückgebliebenen Kontinente Amerika, Afrika und
Asien. Jedes Land hat seine Besonderheiten, die sich dennoch auch in den Kontinenten
als Gesamtheit darstellen.
Amerika bildet mehr oder weniger eine homogene Gesamtheit, und beinahe im
ganzen Territorium behaupten die amerikanischen Kapitalisten die absolute
Vorherrschaft. Die Marionettenregierungen oder die im besten Falle schwächlichen
und ängstlichen Regierungen können den Befehlen des Yankeeherrn
nicht zuwiderhandeln.
Die Nordamerikaner haben fast den Höhepunkt ihrer politischen und ökonomischen
Herrschaft erreicht. Sie können nur wenig mehr vorankommen. Jeder Wechsel
der Situation könnte sich in einen Rückgang ihrer Vorherrschaft
verwandeln. Ihre Politik besteht darin, das Eroberte zu halten. Die Leitlinie
reduziert sich im gegenwärtigen Moment darauf, durch den brutalen Gebrauch
der Macht, Befreiungsbewegungen jeden Typs zu verhindern.
Hinter der
Losung "wir werden kein anderes Kuba erlauben" versteckt sich die
Möglichkeit der Aggression ohne eigenes Risiko, wie die gegen Santo Domingo
oder das Massaker von Panama. Dahinter steht die klare Warnung, daß
die Yankeetruppen bereit sind, in jedem Gebiet, in jedem Ort Amerikas, wo
die etablierte Ordnung in Frage gestellt wird, wo ihre Interessen gefährdet
sind, zu intervenieren. Diese Politik rechnet mit einer fast absoluten Straflosigkeit.
Die OEA [Organisation amerikanischer Staaten] ist eine bequeme Maske, auch
wenn sie an Prestige verloren hat. Die UNO ist von einer Unfähigkeit,
die am Rande des Lächerlichen oder Tragischen steht. Die Armeen aller
Länder Amerikas stehen bereit zur Intervention, um ihre Völker zu
unterjochen. Es hat sich in der Tat die Internationale des Verbrechens und
des Verrats gebildet.
Andererseits haben die nationalen Bourgeoisien ihre ganze Widerstandskraft
gegen den Imperialismus verloren. Wenn sie überhaupt je eine hatten,
bilden sie nur das letzte Rad am Wagen des Imperialismus. Reformen sind nicht
mehr möglich: entweder sozialistische Revolution oder Karikatur einer
Revolution.
Asien ist ein Kontinent mit einer Reihe von Besonderheiten. Die Befreiungskämpfe
gegen eine Kette von europäischen Kolonialmächten brachten als Resultat
die Etablierung mehr oder weniger fortschrittlicher Regierungen. Ihre spätere
Entwicklung führte in manchen Fällen zu einer Intensivierung der
anfänglichen Ziele der nationalen Befreiung und in anderen Fällen
zu einem Rückzug auf proimperialistische Positionen. Vom ökonomischen
Standpunkt aus hatten die Vereinigten Staaten in Asien wenig zu verlieren
und viel zu gewinnen. Die dortigen Veränderungen begünstigten die
Vereinigten Staaten. Sie kämpfen um die Ablösung anderer neokolonialistischer
Mächte und um neue ökonomische Einflußsphären zu erobern,
manchmal direkt, oder auf dem Umweg über Japan. Aber es existieren spezielle
politische Bedingungen, vor allem auf der indochinesischen Halbinsel, die
Asiens Eigenarten fundamentale Bedeutung geben und die eine wichtige Rolle
in der globalen Militärstrategie des nordamerikanischen Imperialismus
spielen, die einen Zaun um China, von Südkorea über Japan, Taiwan,
Südvietnam und Thailand gezogen hat.
Diese Doppelsituation, das heißt einmal ein so wichtiges strategisches
Interesse wie der militärische Zaun um die Volksrepublik China, und andererseits
das Kapitalinteresse, in diese von ihm noch nicht beherrschten Märkte
einzudringen, machten Asien zu einem der explosivsten Orte der gegenwärtigen
Welt. Darüber kann auch die scheinbare Stabilität außerhalb
des vietnamesischen Bereichs nicht hinwegtäuschen.
Der Mittlere
Osten, der geographisch zu diesem Kontinent gehört, aber seine eigenen
Widersprüche hat, ist in höchster Spannung. Man kann nicht voraussehen,
wohin dieser kalte Krieg zwischen Israel, von den Imperialisten unterstützt,
und den progressiven Ländern dieser Zone führen wird. Der Mittlere
Osten ist ein weiterer, die Welt bedrohender Vulkan.
Afrika bietet Eigenarten eines jungfräulichen Gebietes für die neokolonialistische
Invasion. Dort haben sich Veränderungen ereignet, die in gewisser Weise
die neokolonialistischen Mächte zwangen, ihre alten Vorrechte absoluten
Charakters aufzugeben. Aber mit dem Fortdauern dieser Prozesse wird der Kolonialismus
durch einen gewaltlosen Neokolonialismus abgelöst. Er hat, was die ökonomische
Beherrschung anbelangt, die gleichen Konsequenzen.
Die Vereinigten Staaten hatten in dieser Gegend keine Kolonien. Jetzt kämpfen
sie darum, in die abgeschlossenen Jagdgründe ihrer Partner einzudringen.
Man kann mit Sicherheit sagen, daß auf lange Sicht Afrika das Reservoir
der strategischen Pläne des nordamerikanischen Imperialismus bildet.
Seine jetzigen Investitionen sind nur in Südafrika von Bedeutung. Er
beginnt, den Kongo, Nigeria und andere Länder, wo eine gewaltige Konkurrenz
(bis jetzt friedlichen Charakters) mit anderen imperialistischen Mächten
herrscht, zu durchdringen.
Der nordamerikanische Imperialismus hat dort noch keine großen Interessen
zu verteidigen, wenn man vom angemaßten Recht absieht, an jedem Ort
der Welt, wo seine Monopole gute Gewinne erzielen oder die Existenz großer
Rohstoffvorräte wittern, zu intervenieren.
Alle diese
Vorgänge legen es nahe, die Frage nach der Möglichkeit der Befreiung
der Völker in kurzer oder mittlerer Frist zu stellen.
Wenn wir Afrika analysieren, sehen wir, daß mit einer gewissen Intensität
in den portugiesischen Kolonien von Guinea, Mozambique und Angola gekämpft
wird, mit besonderem Erfolg in der ersten und mit unterschiedlichem Erfolg
in den beiden anderen. Im Kongo kann man noch immer den Kampf zwischen den
Nachfolgern Lumumbas und den alten Komplicen Tschombes beobachten. Der Kampf
scheint zur Zeit die letzteren zu begünstigen, die zu ihrem eigenen Nutzen
einen großen Teil des Landes "befriedet" haben, obwohl der
Krieg latent bleibt.
In Rhodesien ist das Problem anders: der englische Imperialismus benutzte
alle in seiner Hand befindlichen Mittel, um seine Herrschaft der weißen
Minorität, die gegenwärtig an der Macht ist, zu übergeben.
Der Konflikt ist vom Gesichtspunkt Englands aus absolut inoffiziell. Diese
Macht hat nur mit der ihr eigenen diplomatischen Fähigkeit - was auf
gut deutsch Heuchelei heißt - eine Fassade der Verstimmung über
die Maßnahmen der Regierung Ian Smith aufgerichtet. In dieser schlauen
Haltung wird England von einigen folgsamen Commonwealth-Ländern unterstützt.
Ein guter Teil der Länder Schwarz-Afrikas, seien es die zahmen oder die
unwilligen wirtschaftlichen Vasallen des englischen Imperialismus, greift
diese Einstellung an.
In Rhodesien
könnte die Situation sehr explosiv werden, wenn die Bemühungen der
schwarzen Patrioten, sich bewaffnet zu erheben, erfolgreich wären und
diese Bewegung wirksam von den benachbarten afrikanischen Nationen unterstützt
würde. Aber zunächst werden diese Probleme in so unfähigen
Organisationen wie UNO, Commonwealth oder OUA (Organisation of United Africa)
erörtert.
Dennoch läßt die politische und soziale Entwicklung Afrikas eine
kontinentale revolutionäre Situation nicht erwarten. Die Befreiungskämpfe
gegen die Portugiesen müßten wohl erfolgreich enden, aber Portugal
bedeutet nichts in der imperialistischen Namensliste. Die Auseinandersetzungen,
die revolutionäre Möglichkeiten enthalten, sind die, die den ganzen
imperialistischen Apparat in Schach halten. Dessenungeachtet sollten wir nicht
den Kampf um die Befreiung der drei portugiesischen Kolonien und um die Vertiefung
ihrer Revolutionen einstellen. Wenn entweder die schwarzen Massen Südafrikas
oder Rhodesiens ihren wirklichen revolutionären Kampf beginnen, oder
wenn die verarmten Massen eines Landes sich anschicken, das Recht auf ein
ehrliches Leben den Händen der regierenden Oligarchien zu entreißen,
dann wird in Afrika eine neue Epoche begonnen haben.
Bis jetzt folgt ein Putsch dem anderen. Eine Gruppe von Offizieren löst
eine andere ab. Sie lösen einen Regierungschef ab, der nicht mehr ihren
Cliqueninteressen oder den Interessen der Mächte, die sie in hinterhältiger
Weise manipulieren, dient. Aber es gibt keine vom Volk getragenen Aufstände.
Im Kongo ergaben sich kometenhaft günstige Umstände, die durch die
Erinnerungen an Lumumba vorangetrieben wurden. Sie haben aber in den letzten
Monaten an Kraft verloren.
In Asien,
wie wir gesehen haben, ist die Situation explosiv - und nicht nur in Vietnam
und Laos, wo gekämpft wird, gibt es Reibungsflächen. Auch in Kambodscha,
wo jeden Augenblick die direkte nordamerikanische Aggression beginnen kann,
in Thailand, Malaysia und, natürlich, Indonesien, von dem wir nicht meinen
sollten, daß dort durch die Liquidierung der KP und die Übernahme
der Macht durch die Reaktionäre das letzte Wort gesprochen worden sei,
gibt es Reibungsflächen. Und selbstverständlich im Mittleren Osten.
In Lateinamerika kämpft man mit der Waffe in der Hand in Guatemala, Kolumbien,
Venezuela und Bolivien. Es tauchen schon die ersten Anzeichen des Kampfes
in Brasilien auf. Auch andere Zentren des Widerstandes erscheinen kurz und
verschwinden schnell wieder.
Fast alle Länder des Kontinents sind für einen Kampf reif, der,
um siegreich sein zu können, sich nicht mit weniger als der Einsetzung
einer Regierung sozialistischen Typs begnügen darf.
In diesem Kontinent wird praktisch nur eine Sprache gesprochen, mit Ausnahme
Brasiliens, mit dessen Volk die spanisch sprechenden Völker sich infolge
der Ähnlichkeit beider Sprachen verständigen können. Es gibt
in diesen Ländern eine so große Identität zwischen den Klassen,
daß sie die Solidarität eines "international-amerikanischen"
Typs erreichen, vollkommener als in anderen Kontinenten. Sprache, Sitten,
Religion und der gleiche Herr vereinigen sie. Das Ausmaß und die Formen
der Ausbeutung sind in ihren Konsequenzen für Ausbeuter und Ausgebeutete
in vielen Ländern Amerikas ähnlich. Die Rebellion reift immer schneller
heran. Wir können uns fragen: Diese Rebellion, was wird sie befruchten?
Welche Form wird sie annehmen? Wir haben seit langer Zeit behauptet, daß
der Kampf in Amerika auf Grund ähnlicher Bedingungen in den einzelnen
Ländern - wenn es dazu kommt - kontinentale Dimensionen annehmen wird.
Es wird der Schauplatz vieler großer Schlachten für die Befreiung
der Menschheit werden.
Fahnen der Völker
Im Rahmen
dieses Kampfes kontinentalen Ausmaßes sind die gegenwärtigen Kämpfe,
die in aktiver Form geführt werden, nur Episoden. Die ersten Märtyrer
aber sind bereits vorhanden. Sie werden in die amerikanische Geschichte eingehen
als diejenigen, die bereits ihr Blut in dieser letzten Etappe für die
totale Befreiung des Menschen gegeben haben.
So werden die Namen des Kommandanten Turcios Lima, des Pfarrers Camillo Torres,
der Kommandanten Fabricio Ojeda, Lobaton und Luis de la Puente Uceda herausragende
Gestalten in den revolutionären Bewegungen von Guatemala, Kolumbien,
Venezuela und Peru sein.
Aber die aktive Mobilisierung des Volkes schafft neue Führer: Cesar Montes
und Yon Sosa erheben die Fahne in Guatemala, Fabio Vasquez und Marulanda tun
es in Kolumbien, Douglas Bravo und Americo Martin in Venezuela, im Westen
des Landes und in El Bachiller.
Neue Keime des Krieges werden in diesem und in anderen amerikanischen Ländern,
wie schon in Bolivien, auftauchen. Sie werden mit allen den Wechselfällen
wachsen, die jener gefährlichen Tätigkeit, ein moderner Revolutionär
zu sein, innewohnen. Viele werden ihren Irrtümern erliegen, andere werden
im harten Kampf, der immer näher kommt, fallen. Neue Kämpfer und
neue Führer werden aus der Glut des revolutionären Kampfes entstehen.
Das Volk wird seine Kämpfer und Führer im Krieg und aus dem Krieg
bilden.
Die Yankee-Agenten
der Repression werden zunehmen. Heute gibt es schon Berater in all den Ländern,
in denen der bewaffnete Kampf stattfindet. Die peruanische Armee führte
anscheinend eine erfolgreiche Schlacht gegen die Revolutionäre jenes
Landes durch - beraten und trainiert von den Yankees. Aber wenn die hauptsächlichen
Kampfgruppen mit genügender politischer und militärischer Schlagkraft
geführt werden, werden sie praktisch unbesiegbar sein. Sie werden neue
Verstärkungen der Nordamerikaner erforderlich machen. Mit Zähigkeit
und Stärke reorganisieren in Peru neue noch kaum bekannte Führer
den Guerillakampf. Stück für Stück werden die altmodischen
Waffen, die für die Niederhaltung kleiner bewaffneter Banden genügten,
von modernen Waffen abgelöst. Das wird so bleiben bis zu dem Punkt, an
dem man sich gezwungen sieht, zunehmende Mengen regulärer Truppen zu
schicken, um die relative Stabilität einer Macht zu sichern, deren nationale
Marionettenarmee sich durch die Kämpfe der Guerillas auflöst. Es
ist der Weg Vietnams; es ist der Weg, dem die Völker folgen müssen.
Und es ist der Weg, dem Amerika in gleicher Weise folgen muß; die bewaffneten
Gruppen müßten sich als lose Koordinationszentren formieren, um
die repressive Aufgabe des Yankee-Imperialismus zu erschweren und die eigene
Sache zu erleichtern.
Amerika ist in der Zeit der jüngsten politischen Befreiungskämpfe
der Welt ein vergessener Kontinent gewesen. Es beginnt, sich durch die Stimme
der Avantgarde seiner Völker, der kubanischen Revolution, mittels der
Trikontinentalen Konferenz Gehör zu verschaffen. Es wird eine viel größere
Aufgabe zu erfüllen haben: die Schaffung des zweiten oder dritten Vietnam
in der Welt.
Man muß
endlich berücksichtigen, daß der Imperialismus ein Weltsystem,
die letzte Stufe des Kapitalismus ist. Er muß in einer großen,
weltweiten Auseinandersetzung besiegt werden. Das strategische Ziel muß
die Zerstörung des Imperialismus sein. Die Aufgabe, die uns, den Ausgebeuteten
und Zurückgebliebenen der Welt, gestellt ist, besteht in der Eliminierung
der Ernährungsbasen des Imperialismus. Diese Ernährungsbasen sind
unsere unterjochten Völker, aus denen Kapitalien, Rohstoffe, Techniken
und billige Arbeitskräfte herausgezogen werden und wohin neue Kapitalien,
Instrumente der Beherrschung, Waffen und Güter aller Art exportiert werden.
Das alles läßt uns in absolute Abhängigkeit geraten.
Die reale Freiheit der Völker ist also der grundlegende Faktor dieses
strategischen Zieles, eine Freiheit, die in den meisten Fällen erst der
bewaffnete Kampf bringen wird. Dieser Kampf wird in Amerika fast unabwendbar
die Eigenschaft haben, sich in eine sozialistische Revolution zu verwandeln.
Setzt man sich die Zerstörung des Imperialismus zum Ziel, muß man
dessen Kopf identifizieren. Dieser Kopf ist kein anderer als die Vereinigten
Staaten. Wir müssen eine Aufgabe allgemeiner Natur erfüllen, mit
dem taktischen Ziel, den Feind aus seiner Umwelt herauszudrängen, ihn
zu zwingen, in Gegenden zu kämpfen, in denen seine Lebensgewohnheiten
gegen die dort herrschenden verstoßen. Man darf allerdings den Feind
nicht unterschätzen: Der nordamerikanische Soldat verfügt über
technische Fähigkeiten und Mittel solchen Ausmaßes, daß er
stets gefährlich bleibt.
Hingegen
fehlt ihm die ideologische Motivation, die seine heute unbarmherzigsten Rivalen
- die vietnamesischen Soldaten - im höchsten Grad haben. Wir werden nur
in dem Maße eine solche Armee besiegen können, in welchem wir ihre
Moral unterminieren. Und man unterminiert sie, indem man der Armee Niederlagen
zufügt und ständige Strapazen aufnötigt.
Aber dieser knappe Entwurf einer Strategie schließt immense Opfer der
Völker ein, Entbehrungen, die von heute an in aller Öffentlichkeit
gefordert werden müssen. Sie sind immerhin vielleicht weniger schmerzhaft
als die, die wir ertragen müßten, wenn wir kontinuierlich den Kampf
vermieden und versuchten, andere für uns die Kastanien aus dem Feuer
holen zu lassen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich das letzte Land ohne bewaffneten
Kampf befreien. Die Leiden eines so langen und grausamen Krieges wie der,
den die Imperialisten führen, wird diesem Volk erspart bleiben.
Wahrscheinlich
aber wird es unmöglich sein, diesen Kampf oder seine Auswirkungen in
einer Auseinandersetzung weltweiten Charakters zu vermeiden, und man wird
dann gleichermaßen oder noch stärker darunter leiden. Wir können
die Zukunft nicht voraussagen, aber wir dürfen nie der Versuchung verfallen,
Fahnenträger eines Volkes sein zu wollen, das sich zwar nach der Freiheit
sehnt, aber den Kampf, den sie erfordert, vermeiden will in der Meinung, die
Freiheit werde als Brosamen vom Tisch der Sieger fallen.
Es ist vollkommen richtig, jedes unnütze Opfer zu vermeiden. Deswegen
ist es so wichtig, sich über die tatsächlichen Möglichkeiten
des abhängigen Amerika, sich in friedlicher Form zu befreien, klarzuwerden.
Für uns ist die Lösung dieser Frage klar: Es mag sein, daß
der jetzige Moment der richtige ist, um den Kampf zu beginnen - oder auch
nicht. Wir dürfen uns aber weder der Illusion hingeben, die Freiheit
ohne Kampf erreichen zu können, noch haben wir ein Recht darauf. Und
die Kämpfe werden nicht bloße Straßenkämpfe mit Steinen
gegen Tränengas sein, nicht friedliche Generalstreiks und auch nicht
der Kampf eines empörten Volkes, das in zwei oder drei Tagen das repressive
Gerüst der regierenden Oligarchien stürzt. Es wird ein langer, blutiger
Kampf, dessen Front die Stützpunkte der Guerillas in den Städten,
in den Häusern der Guerilleros sein werden. Dort, wo die Repression die
wehrlosen Opfer unter Familienangehörigen suchen wird. Der Kampf wird
inmitten der massakrierten Bauernbevölkerung stattfinden, in den von
feindlichen Bombardements zerstörten Dörfern und Städten.
Der Haß als Faktor des Kampfes
Sie treiben
uns in diesen Kampf hinein. Es gibt keinen anderen Ausweg, als ihn vorzubereiten,
sich zu entscheiden, ihn zu unternehmen. Am Anfang wird es nicht leicht, vielmehr
extrem schwer sein. Die ganze Leistungsfähigkeit der Repression, das
ganze Ausmaß an Brutalität und Demagogie der Oligarchien wird sich
in den Dienst der Unterdrückung stellen. In der ersten Stunde haben wir
die Aufgabe zu überleben. Dann wird das fortdauernde Beispiel der Guerilla
zu wirken beginnen. Sie wird die bewaffnete Propaganda in der vietnamesischen
Bedeutung des Satzes betreiben, das heißt die Propaganda der Schüsse,
der Kämpfe, die gewonnen oder verloren, aber gegen die Feinde geführt
werden: die große Lehre der Unbesiegbarkeit jenes Krieges, der in den
Massen der Entrechteten sich mehr und mehr entzündet. Hinzu kommt die
Festigung des nationalen Bewußtseins, die Vorbereitung auf die härtesten
Aufgaben, um die gewaltsamsten Repressionen abzuwehren.
Der Haß als Faktor des Kampfes, der unbeugsame Haß dem Feinde
gegenüber, der den Menschen über seine physischen Grenzen hinaus
antreibt und ihn in eine wirksame, gewaltsame, selektive und kalte Tötungsmaschine
verwandelt. Unsere Soldaten müssen so sein; ein Volk ohne Haß kann
über einen brutalen Feind nicht siegen.
Der Krieg
muß dorthin gebracht werden, wohin der Feind ihn bringt: in sein Haus,
in seine Vergnügungsviertel - der absolute Krieg. Man muß den Feind
hindern, auch nur eine Minute Ruhe zu finden, eine Minute Ruhe außerhalb
seiner Kasernen und sogar innerhalb derselben. Man muß ihn angreifen,
wo immer er sich befindet. Man muß erreichen, daß er sich wie
ein gehetztes Tier fühlt, wo immer er sich bewegt. Seine Moral wird damit
mehr und mehr schwinden. Er wird noch bestialischer werden, aber es mehren
sich die Zeichen für das Nachlassen seiner Kräfte. Dann wird sich
ein wahrer proletarischer Internationalismus herausbilden: mit internationalen
proletarischen Armeen, in denen gekämpft wird unter der Fahne einer heiligen
Sache, der Erlösung der Menschheit. Unter den Feldzeichen von Vietnam,
Venezuela, Guatemala, Laos, Guinea, Kolumbien, Bolivien, Brasilien zu sterben
- um nur die gegenwärtigen Schauplätze der bewaffneten Auseinandersetzung
zu zitieren -, müßte gleich ehrenvoll und wünschenswert für
einen Amerikaner, einen Asiaten, einen Afrikaner, ja sogar einen Europäer
sein.
Jeder vergossene Tropfen Blut in einem Territorium, unter dessen Fahne man
nicht geboren wurde, ist Erfahrung, die der Überlebende sich aneignet,
um sie dann im Kampf um die Befreiung seines Geburtslandes anzuwenden. Und
jedes Volk, das sich befreit, ist eine gewonnene Etappe in der Schlacht um
die Befreiung des eigenen Volkes. Dies ist die Stunde, unsere Differenzen
zurücktreten zu lassen und alles in den Dienst des Kampfes zu stellen.
Daß
große Differenzen die Welt, die für die Freiheit kämpft, erschüttern,
wissen wir alle, und wir können sie nicht verheimlichen. Daß sie
einen solchen Charakter, eine solche Zuspitzung erfahren haben, die den Dialog
und die Versöhnung äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich
machen, wissen wir ebenfalls. Methoden zu suchen für einen Dialog, dem
die Kontrahenten aus dem Wege gehen, ist eine nutzlose Aufgabe. Der Feind
hingegen ist da, er schlägt jeden Tag und von neuem zu, und diese Schläge
werden uns einen, heute, morgen oder übermorgen. Diejenigen, die dies
begreifen und sich auf die notwendige Einigung vorbereiten, werden die Anerkennung
der Völker finden!
Die Boshaftigkeit und die Unbeugsamkeit, mit der jeder seine Position verteidigt,
machen es uns, den Entrechteten, unmöglich, Partei für die eine
oder andere Fraktion zu ergreifen, auch wenn wir mit manchen Problemstellungen
der einen oder der anderen Seite, oder überwiegend mit denen einer Seite
als mit denen einer anderen, übereinstimmen. Im Augenblick des Kampfes
bilden die aktuellen Differenzen in der Form, in der sie sichtbar werden,
eine Schwäche. Aber die Differenzen im augenblicklichen Stadium durch
Worte lösen zu wollen, ist eine Illusion: Die Geschichte wird sie allmählich
auslöschen oder ihre wirkliche Erklärung geben.
In unserer
Welt, die sich im Kampf befindet, müssen alle unterschiedlichen Auffassungen
in Fragen der Taktik, der Aktionsmethoden zur Erreichung begrenzter Ziele
mit der Rücksichtnahme, die die Vorstellungen von Dritten verdienen,
analysiert werden. Aber in bezug auf das große strategische Ziel, die
totale Vernichtung des Imperialismus durch den Kampf, müssen wir unbeugsam
sein.
Fassen wir unsere Siegeshoffnungen folgendermaßen zusammen: Vernichtung
des Imperialismus durch die Eliminierung seiner mächtigsten Basis, die
imperialistische Herrschaft der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die stufenweise
Befreiung der Völker, eines nach dem anderen oder gruppenweise, muß
als taktische Aufgabe angesehen werden. Dadurch wird der Feind zu einem komplizierten
Kampf außerhalb seines Terrains gezwungen, und seine Ernährungsbasen,
die abhängigen Territorien, werden liquidiert.
Das bedeutet einen langen Krieg, und wir wiederholen es noch einmal: einen
grausamen Krieg. Niemand soll sich darüber täuschen, wenn er ihn
beginnt, und niemand darf schwanken, ihn zu beginnen, aus Angst vor den Folgen,
die für sein Volk entstehen könnten. Das ist fast die einzige Hoffnung
auf den Sieg.
Wir können
den Ruf der Stunde nicht überhören. Das lehrt uns Vietnam mit seiner
permanenten Lektion des Kampfes und des Todes, an deren Ende der Sieg steht.
Dort finden die Soldaten des Imperialismus, gewöhnt an den Lebensstandard
der nordamerikanischen Nation, die nötige Unbequemlichkeit, dort werden
sie mit einem feindlichen Land konfrontiert, dort erfahren sie die Unsicherheit
dessen, der keinen Schritt tun kann, ohne das Bewußtsein, feindlichen
Boden zu betreten, dort finden diejenigen den Tod, die die befestigten Stützpunkte
verlassen, dort begegnen sie der permanenten Feindschaft der ganzen Bevölkerung.
Und dies alles hat wieder Rückwirkungen in den Vereinigten Staaten selbst,
indem es die Folge des Imperialismus erst in vollem Umfang sichtbar macht:
den Klassenkampf sogar innerhalb des eigenen Territoriums.
Zwei, drei, viele Vietnam
Wie glänzend
und nah wäre die Zukunft, wenn zwei, drei, viele Vietnam auf der Oberfläche
des Erdballs entstünden, mit ihrer Todesrate und ihren ungeheuren Tragödien,
mit ihren alltäglichen Heldentaten, mit ihren wiederholten Schlägen
gegen den Imperialismus, mit dem Zwang für diesen, seine Kräfte
unter dem heftigen Ansturm des zunehmenden Hasses der Völker der Welt
zu zersplittern.
Und wenn wir fähig wären, uns zu vereinen, um unsere Schläge
fester und gezielter durchführen zu können, um den kämpfenden
Völkern Hilfe jeder Art noch wirksamer leisten zu können, wie groß
wäre dann die Zukunft und wie nah. Wenn wir auf einem winzigen Punkt
der Weltkarte die Aufgabe erfüllen, die wir vertreten, und wenn wir das
wenige, was wir opfern können, unser Leben und unser Leiden, für
den Kampf hingeben, an einem beliebigen Ort, schon von uns besetzt und mit
unserm Blut getränkt, und wenn wir an einem dieser Tage unseren letzten
Atemzug tun, so sind wir uns der Tragweite unseres Tuns bewußt und halten
uns für nichts anderes als für Menschen in der großen Armee
des Proletariats; aber wir sind stolz darauf, von der kubanischen Revolution
und von ihrem höchsten Chef die große Lehre gelernt zu haben, die
aus seiner Haltung in diesem Erdteil resultiert: Was bedeuten die Gefahren
oder Opfer eines Mannes oder eines Volkes, wenn das Schicksal der Menschheit
auf dem Spiele steht.
Unsere ganze Aktion ist eine Kampfansage an den Imperialismus und ein Ruf
nach der Einheit der Völker gegen den großen Feind des Menschengeschlechts:
die Vereinigten Staaten von Nordamerika. An welchem Ort uns der Tod auch überraschen
mag, er sei willkommen, wenn unser Kriegsruf nur aufgenommen wird und eine
andere Hand nach unseren Waffen greift und andere Menschen bereit sind, die
Totenlieder mit Maschinengewehrsalven und neuen Kriegs- und Siegesrufen anzustimmen.