Zeitgeschichte + Hintergründe

 

Johann Gottlieb Fichte���(1762 - 1814)

aus Rammenau (Oberlausitz)

 

studierte zuerst Theologie, dann Philosophie

Seine ersten Schriften noch ganz im Rahmen der Aufkl�rung

1792��������������� “Versuch einer Kritik aller Offenbarung”

1793��������������� “Zur�ckforderung der Denkfreiheit von den F�rsten Europas, die sie bisher unterdr�ckt haben.”

1793��������������� “Beitr�ge zu einer Berichtigung der Urteile des Publikums �ber die franz�sische Revolution.”

1793��������������� Professor in Jena, 1799 entlassen

ab 1794���������� seine Hauptwerke �ber “Wissenschaftslehre” wie er die Philosophie nennt

1806��������������� “Anweisungen zum seligen Leben”

 

Politische Schriften

1810��������������� “Der geschlossene Handelsstaat” (Staatssozialismus)

1812��������������� “Rechtslehre”, mit Erg�nzungen von 1813. Nur der Staat hat Recht auf Grundeigentum.

Ab 1806��������� stellte er sich in den Dienst der Erhebung gegen Napoleon.

1807��������������� “Der Patriotismus und sein Gegenteil”: f�r Volksbewaffnung.

1807/1808���� “Reden an die deutsche Nation” an der “Akademie der Wissenschaften” in Berlin.

 

Geschichtsphilosophie

1800��������������� “Die Grundz�ge des gegenw�rtigen Zeitalters”

 

Fichtes Herkunft und Anf�nge

Fichte war die “Entdeckung” eines Freiherrn von Miltitz, der die Rammenauer Kirche oft zum Gottesdienst besuchte, einmal zu sp�t kam und die Predigt nicht mehr h�ren konnte. Man verwies ihn an einen Jungen, der die G�nse h�tete und f�r sein gutes Ged�chtnis bekannt war. Dieser konnte ihm zu seinem Erstaunen die ganze Predigt haargenau wiederholen. Miltitz brachte den jungen Fichte an die F�rstenschule in Mei�en, dann nach Schulpforta.

Auf der Schule w�hlte sich Fichte den Vers von Horaz:

��������������� “Si fractus illabatur orbis impavidum ferient ruinae”

��������������� “Wenn die Welt zerschlagen zusammenst�rzt, werden die Ruinen den Unerschrockenen tragen.”

als Wahlspruch.

Miltitz erm�glichte ihm auch sein Studium. Als der G�nner gestorben war, schlug sich Fichte k�mmerlich durch. Um eine Stelle als Hauslehrer anzutreten, wanderte er zu Fu� nach Z�rich.

In Z�rich wurde Fichte durch Lavater bekannt mit dem Waagemeister Hartmann Rahn, der mit einer Schwester Klopstocks verheiratet war. Rahns Tochter Johanna wurde Fichtes Braut, Rahns Haus war in Z�rich ein Zentrum geistigen Lebens.

Nachdem 1791 sein Schwiegervater Rahn bankrott gemacht hatte, ging Fichte nach Warschau, um f�r den Sohn des Grafen Platen Hauslehrer zu werden. Nicht nur dieser Plan zerschlug sich (die Gr�fin meinte, Fichtes Franz�sisch w�re nicht gut genug), ebenso wurde Fichte der Zugang zu einem Predigeramt in Sachsen wegen seiner freireligi�sen Anschauungen verweigert.

Von Warschau aus ging Fichte nach K�nigsberg, um Kant zu besuchen. Er hatte sich mit Kant befassen m�ssen, als er einem Studenten Privatstunden gab, und dieser ihn nach Kant fragte. Fichte war schnell begeistert.

Um Kant f�r sich zu interessieren, schrieb er 1792 in wenigen Tagen “Versuch einer Kritik aller Offenbarung”. Die Schrift erschien anonym, der Druck wurde von Kant erm�glicht, darum wurde sie irrt�mlicherweise� (vielleicht auch eine Buchh�ndlerspekulation?) f�r ein erwartetes Werk Kants gehalten. Als Kant den Irrtum aufgekl�rt hatte, war Fichte gleichsam �ber Nacht ein ber�hmter Mann geworden.

1793 war Fichte wieder in Z�rich und heiratete Johanna Rahn. Auch die Lage ihres Vaters hatte sich gebessert. Fichte plante in Z�rich als Schriftsteller zu leben. Da wurde er als Professor nach Jena berufen, obwohl seine positive Einstellung zur franz�sischen Revolution bekannt war. Auch Goethe hatte ihn trotzdem f�r geeignet erkl�rt. Geheimrat Voigt meinte - und der Herzog dachte �hnlich -, Fichtes “demokratische Phantasterei werde sich m��igen.

 

Der “Atheismus-Streit”

1798 ver�ffentlichte Fichte in seinem “Philosophischen Journal” einen Aufsatz des Schulrektors Forberg:

“Entwicklung des Begriffes der Religion”

und schrieb dazu eine Einleitung

“�ber den Grund unseres Glaubens an eine g�ttliche Weltregierung”

Fichte beendete diese Abhandlung, wie Mauthner schreibt,

“um sich und seinem Journal den Magen warm zu halten mit den deistischen

Glaubensbekenntnissen zweier ‘vortrefflicher Dichter’ Goethe und Schiller!”

Fichtes Einleitung war gem��igt im Gegensatz zu Forbergs Aufsatz, den Fichte zuerst z�gerte, zu ver�ffentlichen.

 

Fichtes Einleitung:

In dieser dachte er dar�ber nach, ob es dem Glauben zutr�glich sei, wenn die Religion und ihre Repr�sentanten mit dem Prinzip von Lohn und Strafe arbeiteten. Wer einem strengen strafenden Gott das Wort rede, habe allenfalls das Verdienst, mangelhaften “Polizeyanstalten nachzuhelfen”.

Der Herzog Carl August dr�ngte Goethe, Fichte und andere “Sch�kers”, “die uns� die Universit�t ruinieren” zu ermahnen.

Der vorsichtige Herzog h�tte die Frage gerne diplomatisch gel�st. Das wurde durch einen “Drohbrief” Fichtes verhindert. Die gute Gesellschaft Weimars und auch die anderen kleinen s�chsischen F�rstent�mer stellten sich gegen Fichte. Man nannte ihn einen “Ketzer einer ganz neuen Gattung”.

Auch Schiller, der 1795 Fichte vor Goethe gewarnt hatte:

“Der kann nicht gerecht gegen Sie sein. Der taugt nicht, Ihre Partei zu ergreifen”

trat nicht f�r Fichte ein.

Da griff der m�chtige Nachbar Weimars, der Kurf�rst Friedrich August von Sachsen, ein. Er konfiszierte das “Journal” und forderte “ernstliche Bestrafung” der Verfasser. Er drohte, s�chsischen Studenten den Besuch der Universit�t Jena zu verbieten (es waren hunderte). F�r Weimar, das auf die Kollegiengelder angewiesen war, eine Erpressung. Andere Regierungen schlossen sich dem an, auch Hannover.

Nur der sonst sehr christliche Friedrich Wilhelm III. Schrieb:

“Ich besorge indessen hiervon keine gemeinsch�dlichen Folgen, weil der Glaube an Gott durch ihn selbst so fest und unersch�tterlich gegr�ndet ist, da� alle Angriffe gegen denselben ewig so ohnm�chtig bleiben werden, als sie es bisher geblieben sind.”

Fichte antwortete darauf mit seiner Schrift:

“Appellation an das Publikum”

In deren Einleitung stand:

“Eine Schrift, die man erst zu lesen bittet, bevor man sie konfisziert.”

Doch Fichtes Drohbrief wurde als amtliche Demission aufgefa�t und Fichte ohne Untersuchung entlassen.

F�r Goethe war Fichtes Entlassung ein Triumph. Er sagte, der Entlassene sei zwar “einer der vorz�glichsten K�pfe, aber f�r sich und seine Welt verloren”, Fichte sei nun “aus einer Existenz hinausgeworfen, die er in seinem ganzen Leben nicht wieder finden” werde.

Fichte hatte darauf bestanden, da� der Geheimrat ihm pers�nlich die Entlassungsurkunde �berreiche. Goethe konnte sich dem nicht entziehen, beseitigte dann aber alle, seine pers�nliche Mitwirkung beurkundenden Dokumente. Aber in einem Privatbrief vom 30. 8. 1799 bekundete er, Fichte sei der staatlichen Macht mit “t�riger Anma�ung” begegnet.

Als Fichte des Atheismus beschuldigt wurde, hatte er im M�rz 1799 der Weimarer Regierung einen “Drohbrief” geschrieben, er w�rde im Falle auch nur eines �ffentlichen Verweises Weimar verlassen und mit anderen Professoren einen anderen Wirkungskreis suchen.

Das war nicht geflunkert. Der neue Wirkungskreis w�re Mainz gewesen, wo in der zweiten “Rheinischen Republik” eine Universit�t gegr�ndet werden sollte. Gerade als Fichte dann seine Entlassung erhielt, hinderten politische und milit�rische R�ckschl�ge Frankreich, diesen Plan auszuf�hren. Mauthner: “sonst w�re Fichte wohl der erste Rektor einer franz�sischen rheinischen Universit�t geworden.

Fichte war erst viel sp�ter bereit, seinen “Republikanismus” und seinen “Atheismus” als Jugendirrt�mer gelten zu lassen.

 

Goethe und Fichte

Goethe hat mitgeholfen, aus der “Drohung” Fichtes einen Strick zu drehen und diese als K�ndigung anzusehen.

Im Entlassungsbrief hie� es heuchlerisch, philosophische Spekulationen w�ren kein Gegenstand einer Rechtsentscheidung.

In den “Annalen” schreibt Goethe von Fichte,

�

an seinen Gesinnungen sei “in h�herem Betracht” nichts auszusetzen gewesen, doch Fichte h�tte durch sein Verhalten keinen anderen Ausweg gelassen, als “den gelindesten”, n�mlich die Entlassung.

�ber Fichtes Philosophie hat Goethe sich oft lustig gemacht, besonders auch in der Baccalaureus-Szene (Faust, II. Teil)

“Original, fahre hin in deiner Pracht!”

In Goethes Ur-Xenien (1795) findet sich ein auf Fichte anspielendes Distichon:

“Wer nicht Ich ist, sagst Du, ist nur ein Nicht-Ich. Getroffen, Freund. So dachte die Welt l�ngst und so handelte sie.”

Wilhelm Stapel:

“Da Fichte sich zuweilen nach Osmannst�dt zur�ck zog, pflegten

Goethe, Schiller und Wieland ihn ‘das gro�e Ich von Osmannst�dt’ zu nennen.

So oft Goethe auf Fichte, auch schon vor der Atheismus-Katastrophe, zu sprechen kommt, schreibt der Verehrer Goethes, Fritz Mauthner

“fehlt es nicht an grimmigen und fast billigem Spott �ber Fichtes aus dem Ich erschaffene Welt.”

Mauthner:������������ Goethe stand “zum Atheismus und Materialismus, weil sie ihm zu farblos waren, ganz anders als Fichte oder gar als Forberg, mochte er auch dem positiven Christentum wom�glich noch feindseliger sein.”

Sp�ter wandelte sich Goethes Einstellung zu Fichte wieder. Als Goethe Fichtes “Reden an die deutsche Nation” las, lobte er ihren guten Stil. Als Goethe 1810 Fichte auf der Kurpromenade von Teplitz wiedersah, l�ftete er seinen Hut und sagte zu seinem Begleiter:

“Da geht der Mann, dem wir alles verdanken.”

Goethe war immer beeindruckt von Leuten, die es zu etwas gebracht hatten.

Friedrich Karl Forberg�������� 1770 - 1848�������� Schulrektor, der Ausl�ser des Atheismusstreites

Er stand am Anfang des “Atheismus-Streites” durch seinen Aufsatz

“Entwicklung des Begriffs der Religion” 1798

Mauthner r�hmt Forberg, der sogar Voltaire, d’Alembert, Diderot und Holbach �berlegen sei.

“W�re er nach dieser einen Tat nicht wieder f�r immer verstummt, er h�tte der Stimmf�hrer einer deutschen Revolution werden k�nnen.”

 

Aus dem Leben Forbergs

1770��������������� in Altenburg / Sachsen geboren.

1792��������������� Habilitation in Jena

�����������������������Schulleiter in Saalfeld

�����������������������Vor seinem ber�hmten Artikel, hatte er schon mehrere andere f�r das “Philosophische Journal”geschrieben. Er nahm den Verweis der Regierung geduldig hin, blieb in seinem Schulamte.

1840��������������� Lebenserinnerungen: “Lebenslauf eines Verschollenen”

1848��������������� starb er als “Geheimer Kirchenrat”

1821��������������� schrieb er:

������������������������ “Des Glaubens habe ich in keinerlei Lage des Lebens bedurft und gedenke in meinem entschiedenen Unglauben zu verharren bis ans Ende, was f�r mich ein totales Ende ist.”

 

Fichtes weiteres Leben

Als Fichte 1799 in Jena entlassen war, ging er nach Berlin. Friedrich Schlegel hatte ihn dazu bewogen. Als die Berliner Polizei Ermittlungen �ber den verd�chtigen Fremdling anstellte, entschied Friedrich Wilhelm III

“ist es wahr, da� der Fichte mit dem lieben Gott in Feindseligkeiten begriffen ist, so mag das der liebe Gott selber mit ihm ausmachen. Mir tut das nichts.”

Fichte wurde 1805 Professor im damals preu�ischen Erlangen, 1806 durch die Franzosen vertrieben. Nach dem Zusammenbruch 1806 ging er mit dem K�nig nach K�nigsberg, wo er einige Zeit an der Universit�t wirkte, Dort schrieb er eine Verteidigung Macchiavellis, von der die K�nigin Luise ein Dutzend Exemplare bestellte.

Stapel:������������ “eine radikale Abfertigung eines Pazifismus, der die bequeme Unterwerfung mit moralischen Phrasen rechtfertigt. Es ist die preu�ischste Schrift des Wahlpreu�en Fichte.”

Als Napoleon nach Ostpreu�en vordrang, ging Fichte �ber Memel nach Kopenhagen, kehrte erst nach dem Friedensschlu� nach Berlin zur�ck.

1807��������������� Fichtes Vorlesungen an der Berliner Akademie der Wissenschaften “Reden an die deutsche Nation” fanden unter den Augen der franz�sischen Besatzungsmacht statt.

Ziel:���������������� Das gesunkene deutsche Volkstum wieder aufrichten durch Erziehung zum Geist der Gemeinschaft, zur Aufopferung

Fichte������������� schrieb w�hrend der “Reden” an den Minister Beyme:
“Ich wei�, da� ebenso wie Palm ein Blei mich treffen kann. Aber dies ist es nicht, was ich f�rchte, und f�r den Zweck, den ich habe, w�rde ich gerne auch sterben.”

Stapel:������������ Spitzel sa�en in den Vortr�gen. Zuweilen “wurde die Stimme des Redners von den Trommeln der drau�en vor�ber ziehenden franz�sischen Truppen �bert�nt.”

Immanuel Hermann Fichte (Fichtes Sohn):

“Mehrmals lief sogar das Ger�cht in der Stadt, er sei vom Feinde ergriffen und abgef�hrt.”

1810��������������� wurde Fichte zum Rektor der neugegr�ndeten Universit�t in Berlin gew�hlt (1808 noch hatte die preu�ische Akademie seine Aufnahme mit 15 gegen 13 Stimmen abgelehnt).
Als seine Reformpl�ne am Widerstand der Kollegen scheiterten, trat er als Rektor zur�ck.

 

Aus den “Reden an die deutsche Nation”

Es h�ngt von euch ab, ob ihr das Ende sein wollt und die letzten eines nicht achtungsw�rdigen und bei der Nachwelt gewi� sogar �ber die Geb�hr verachteten Geschlechtes, bei dessen Geschichte die Nachkommen - falls es in der Barbarei, die da beginnen wird, zu einer Geschichte kommen kann, - sich freuen werden, wenn es zu Ende ist, und das Schicksal preisen werden, da� es gerecht sei, - oder ob ihr der Anfang sein wollt und der Entwicklungspunkt einer neuen, �ber alle eure Vorstellungen herrlichen Zeit, und diejenigen, von denen� an die Nachkommenschaft die Jahre ihres Heils z�hle. Bedenkt, da� ihr die letzten seid, in deren Gewalt die gro�e Ver�nderung steht. Ihr habt doch noch die Deutschen als eins gesehen, oder davon vernommen, unter euch haben noch von Zeit zu Zeit Stimmen sich h�ren lassen, die von dieser h�heren Vaterlandsliebe begeistert waren. Was nach euch kommt, wird sich an andere Vorstellungen gew�hnen, es wird fremde Formen, und einen anderen Gesch�fts- und Lebensgang annehmen, und wie lange wird es dann nach dauern, da� keiner mehr lebe, der Deutsche gesehen, oder von ihnen geh�rt habe?

 

Deutschtum

Fichte: “Charakter haben und deutsch sein, ist ohne Zweifel gleichbedeutend

Sonderstellung des deutschen Volkes

Im Gegensatz zu Franzosen und Engl�ndern hat Deutschland seine Ursprache behalten. Das hilft ihm, seine Eigenart und sein Gem�tsleben zu bewahren.

Fichte:�� “Nicht die Gewalt der Arme noch die T�chtigkeit der Waffen, sondern die Kraft des Gem�tes ist es, welche Siege erringt.”

 

Ende und Tod Fichtes

1813, als Fichte seinen Schreibtisch zusammenr�umte, um in die Truppe einzutreten, machte er den letzten Eintrag in sein Tagebuch:

“Und nun alles gereinigt, - geheiligt!”

Der 62j�hrige trat als Landsturmmann in die Truppe ein zur - modern gesprochen - Truppenbetreuung.

Stapel:�� “eine Art philosophischer Feldprediger”

Doch dazu kam es nicht. Vom August 1813 f�llten sich in Berlin die Spit�ler mit Verwundeten. Die Krankenpflegerin Johanna Fichte wurde vom “Lazarettfieber” (Typhus) angesteckt, �bertrug die Krankheit auf ihren Mann. Sie genas, Fichte starb am 29. 1. 1814.

 

Fichte, der gef�rchtete Revolution�r

Als 1824 (in der Metternichzeit) eine Neuauflage der “Reden an die deutsche Nation” in Berlin erscheinen sollte, verweigerte die preu�ische Zensur die Druckerlaubnis.

 

Fichtes Philosophie

Nach Mauthner “ein Spiel mit Begriffen, die einer Sprachcharakteristik nicht standhalten”. Sie ist als zeitbedingt aufzufassen. Fichte versuchte, seinen Anschauungen, die auf das Praktische, die Tat, ausgerichtet waren, eine theoretische Grundlage zu schaffen.

Die starke Tat Kants, die kritische Aufl�sung aller Metaphysik, drohte verloren zu gehen, weil Fichte (und nach ihm Schelling und Hegel) ... ein neues metaphysisches System auf “das Absolute” ... gr�ndeten. (nach Mauthner)

 

Metaphysische Begriffe Fichtes:

Identit�t von Glauben und Erkennen im sittlichen Willen.

Fichte f�hlt sich den “Altkantianern” �berlegen (“Der vollst�ndige Idealismus”, “Die Freiheit des Ich”) Daf�r erntet er in Jena auch “Buh-Rufe” bei den sonst begeisterten Studenten, wenn er Kant einen “gem��igten Idealisten” nennt.

“Das Ich setzt das Nicht-Ich”��������� “Das Ich setzt sich selbst”

Ein An-sich-sein der Dinge au�er uns selbst (Kants “Ding-an-sich”) gibt es nicht

 

Rudolf Eucken:

“Ebenso wie die Kantische Philosophie mit

��������������� ihrer St�rkung des Subjekts,

��������������� ihrer Verwandlung der Kausalit�t in ein eigenes Erzeugnis des Denkens,

��������������� ihrer Vorstellung der praktischen Vernunft

Fichte von der Denkweise Spinozas, im Menschen ein blo�es Glied einer strengen Kausalverkettung zu sehen, befreite, f�hrte ein solcher Anschlu� unmittelbar �ber Kant hinaus.

Wo das Verlangen nach Selbst�ndigkeit der �berzeugung das Streben ausschlie�lich beherrscht, da wird die Kantische Beherrschung der T�tigkeit durch eine entgegengesetzte Welt zu einer unertr�glichen Hemmung, nunmehr wird die praktische Vernunft zur Wurzel aller Vernunft.”

Folgerichtig daher Fichte:

“Von dem Bed�rfnis des Handelns geht das Bewu�tsein der wirklichen Welt aus, nicht umgekehrt vom Bewu�tsein der Welt das Bed�rfnis des Handelns

dieses ist das Erste, nicht Jenes.

Wir handeln nicht, weil wir erkennen, sondern wir erkennen, weil wir zum Handeln bestimmt sind.

Die praktische Vernunft ist die Wurzel aller Vernunft.”

Entgegen aller Kritik w�rdigt der Philosoph Rudolf Eucken (1846-1926) auch Fichtes Fr�hwerk (“Wissenschaftslehre”) in “Lebensanschauungen gro�er Denker”:

“Fichtes Gedankenarbeit ist in hervorragendem Ma�e pers�nliche Tat, Entfaltung des eigenen Wesens; an sich selbst hat er sein Wort bew�hrt:

‘Was f�r eine Philosophie man w�hle, h�ngt davon ab, was f�r ein Mensch man ist; denn ein philosophisches System ist nicht ein alter Hausrat, den man annehmen oder ablegen k�nnte, wie es uns beliebte, sondern es ist belebt durch die Seele des Menschen, der es hat.”

 

Ernst Bergmann �ber “Idealismus” und Kritik an Fichte

Drei Formen:

1.)�������������������������������� der erkenntnistheoretische Idealismus

������������������������������������� (Die Welt existiert nur als meine Idee.)

��������������� Bergmann: “eine Verirrung des philosophischen Denkens, namentlich in der extremen Form, wie sie bei Fichte auftritt” in seiner “Wissenschaftslehre” (1794)

2.)�������������������������������� der metaphysische Idealismus

������������������������������������� (Das Wesen der Welt ist Idee)

��������������� Bergmann: “bildet meist die Grundlage f�r den ethischen Idealismus. Er tritt besonders in Fichtes sp�terer Philosophie stark hervor, ist aber f�r unser heutiges Denken fraglich geworden.”

3.)�������������������������������� der ethische Idealismus

������������������������������������� (Verwirkliche ein Ideal!)

��������������� Bergmann�� schl�gt vor, f�r den praktischen Idealisten den Ausdruck “Idealgl�ubigen” zu gebrauchen, nicht mehr “Idealist” und “Idealismus”, da zu vieldeutig.

 

Kritik an Fichtes Philosophie durch Karl Immermann (1796 - 1840)

Jurist, Dichter, B�hnenleiter

in seinen “Memorabilien”:

Fichte geh�re zu

“den denkw�rdigsten Geistern, in welchen sich ein Urzwiespalt zwischen dem, wonach zu streben, und ihren Mitteln befindet.”

“In Fichte ist von Anfang an ein Krieg zwischen Charakter und Erkenntnisverm�gen. Der Charakter will das Erkennen zwingen, zu sehen, was ihm beliebt, verwirrt es dadurch und treibt es in Widerspr�che, die er dann aber auch rechtschaffen genug ist, geradezu einzubekennen. Fichtes ganze geistige Erscheinung hat etwas gewaltsames, aber freilich etwas heroisch-gewaltsames. Wenn es m�glich w�re, mit dem Willen in das Allerheiligste der Wahrheit einzudringen, so h�tte es ihm gelingen m�ssen, denn gewi� war nie ein Wille st�rker und reiner.”

Fichtes Philosophie sei durch seinen Charakter “pertubiert” worden.

 

Ausgesprochene Gegner Fichtes sind u.a.:

Der evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher.

Der Rationalist Friedrich Nicolai

 

Neue von Fichte eingef�hrte Begriffe:

System der Philosophie

vorher sprach man von “Kritik”, “Methode”, “Theorie”, “Betrachtungen”, “Ideen” usw.

Der dialektische Dreischnitt

These, Synthese, Antithese

�bernommen von Hegel, Marx und vielen anderen

v�lkisch

Bergmann: “v�lkisch, ein Wort das Fichte geschaffen hat”

Stapel:�� “In einem Gutachten, das Fichte 1811 �ber einen Plan zu Studentenvereinen abgab, findet sich der denkw�rdige Satz:

“Deutsch sein hei�t schon der Wortbedeutung nach v�lkisch, als ein urspr�ngliches, nicht als zu einem Anderen geh�riges und Nachbild eines Andern.”

Es d�rfte hier zum erstenmal das Wort ‘v�lkisch’ erklungen sein.”

 

Fichtes religi�se Anschauungen

Kritik der christlichen Theologie,

“Was sie Gott nennen, ist mir ein G�tze.” “... da� mein Atheismus lediglich darin besteht, da� ich meinen Verstand behalten m�chte.”

Was Fichte ablehnt: Ein pers�nlicher Gott als substantielles Wesen. F�r Fichte ist Gott nur in der sittlichen Weltordnung erkennbar.

Fichte �ber eine Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit im Dresdner Gesangbuch:

“ein alter Mann, ein junger Mann und eine Taube”

Religion ist nichts anderes als praktischer Glaube an eine moralische Weltordnung.

David Friedrich Strau�:

“Kant und Fichte machten Gott zu einem theoretisch unbeweisbaren und unerkennbaren Postulate der praktischen Vernunft, oder, was die Wahrheit dieser Wertung war, zu dem Allgemeinen einer moralischen Weltordnung” (Strau�: “Die christliche Glaubenslehre”, Band I, S. 63)

 

Fichte und das Christentum

Maria Grunewald in “Fichtes Deutscher Glaube” �ber die Schrift Fichtes:

“Anweisungen zum seligen Leben” (1806)

“Fichte f�hlt sich als Christ, aber in anderem Sinne als allgemein �blich; seine Stellung wird deutlich durch seine Beurteilung des Johannes-Evangeliums. Es ist ihm das wichtigste der Evangelien, weil es am wenigsten geschichtlich ist. Denn nicht das geschichtliche Verst�ndnis einer g�ttlichen Tatsache macht selig, sondern nur das metaphysische, das geistige Verstehen!”

Fichte:�� “Nur mit Johannes kann der Philosoph zusammenkommen, denn dieser allein hat Achtung f�r die Vernunft und beruft sich auf den Beweis, den der Philosoph allein gelten l��t, den inneren ... Die anderen Verk�ndiger des Christentums aber bauen auf die �u�ere Beweisf�hrung durch Wunder, welche, f�r uns wenigstens, nichts beweiset.”

��������������� Man k�nnte sagen: Fichte m�chte den Begriff des Christentums (f�r das Volk?) retten, obwohl seine religi�sen Ansichten nicht nur dem offiziellen, sondern auch dem rein evangelischen Christentum widersprechen.

Seine Gottesauffassung

��������������� ist nicht transzendent, sondern immanent.

Der zentrale Begriff des Christentums, die Erl�sung

��������������� ist f�r Fichte ohne Bedeutung.

Der christliche S�ndenbegriff

��������������� ist f�r Fichte eine Wahnidee.

Die christliche Moral von Lohn und Strafe, die alle Evangelien durchzieht

��������������� ist f�r Fichte unsittlich.

��������������� Fichte lehnt jede heteronome Moral ab, fordert autonome Moral.

Die Zehn Gebote

sind f�r Fichte fragw�rdig, positiv sind nur Luthers Erkl�rungen dazu (aber sind das nicht Umdeutungen?)

Nur Ironie

hat Fichte f�r “j�dische Tr�ume von einem Sohn Davids und einem Aufheber eines alten Bundes und Abschlie�er eines neuen.”

Das gleiche gilt f�r die christliche Idee der “Auferstehung der Toten”

Fichte fragt:

“Wer sind die Toten? Etwa die, die am j�ngsten Tage ich ihren Gr�bern liegen werden? Eine rohsinnliche Deutung.”

War Fichte nun ein Christ oder Nicht? Tatsache ist zwar, da� Fichte sich in der “Anweisung zum seligen Leben” auf das Johannes-Evangelium beruft, Tatsache ist aber auch, da� er dabei sich gezwungen sah, das Wichtigste umzudeuten.

Fichte:��� “Jesus ist bei Johannes zwar ein Lamm Gottes, das der Welt S�nde wegtr�gt, keinesfalls aber ein solches, das sie mit seinem Blute einem erz�rnten Gott abb��t. Er tr�gt sie weg.”

Ob da Fichte noch das Recht hat, von Christentum zu sprechen oder sich einen Christen zu nennen? Man m��te die Christlichen Theologen fragen. Die aus der Zeit des “Atheismus-Streites” glaubten jedenfalls, in Fichte einen “Ketzer einer ganz neuen Gattung” zu erkennen.

 

Fichtes Sittenlehre

Fichtes kategorischer Imperativ:

“Handle stets nach bester �berzeugung von deiner Pflicht!

Handle nach deinem Gewissen

(oder auch, mehr an Kant erinnernd)

Handle so, da� du die Maxime deines Willens als ewiges Gesetz f�r dich denken kannst.”

Der Endzweck der Sittenlehre ist die Realisierung der Vernunft in einer Gemeinschaft freier Menschen.

“Beschr�nke deine Freiheit so, da� alle anderen neben dir auch frei sein k�nnen.”

Der Soll-Begriff

stammt von Kant, dem gro�en Erwecker und Lehrmeister Fichtes.

Tue, was alle k�nnen und sollen!

Tue, was nur du kannst und sollst!

Der Opfergeist

ist f�r Fichte verk�rpert in dem Schweizer Heinrich Pestalozzi, an dem er “die Grundz�ge des deutschen Gem�ts” darlegt (in den “Reden an die deutsche Nation”) Seite 278

Fichte �ber Pestalozzi: “der letzte Retter und Heiland der Menschheit”

 

Freimaurerei

Als Fichte in Jena entlassen war, versuchte er nach Rudolstadt zu gehen, da der dortige F�rst in der gleichen Loge war wie er.

Stapel:��� “Fichte war einige Jahre Freimaurer, aber als er die Logen nicht nach seinen Ideen umbilden konnte trat er aus.”

Fichte:�� “Die Freimaurerei hat mich so ennuyiert und zuletzt indigniert, da� ich ihr g�nzlich Abschied gegeben habe.”

Obwohl Fichte 1800 aus der Loge austrat, berufen sich Freimaurer heute noch auf ihn, oder versuchen jedenfalls seinen Ruhm f�r sich zu verwerten; er habe vorbildlich Vaterlandsliebe und Weltb�rgersinn miteinander verbunden.

(Freimaurerlexikon von Eugen Lennhoff-Oskar Posner, 1932, Nachdruck 1980)

 

Fichte �ber Juden

Auf die Judenfrage speziell geht Fichte nicht ein. Nur im Zusammenhang mit anderen Beobachtungen und Themen kommt Fichte auf Juden zu sprechen.

1.)���������� Ende April 1791 auf der Reise nach Warschau vergleicht er den �u�eren Eindruck, den polnische Milit�rpersonen und Juden auf ihn machen:

“Sie selbst meistens sch�ne, wohlgewachsene Leute, mit schwarzen Augen; ihre Z�ge mit einem Anflug von Orientalismus, und doch welch ein Unterschied zwischen ihnen und den Judengesichtern! Sie stammen freilich aus dem n�rdlichen Asien, diese aus dem s�dlichen; aber sollte nicht diese Gesichtsvergleichung im gro�en durchgef�hrt �ber die V�lker - Origenes und ihre Verwandtschaft Licht geben k�nnen?”

(Reisetagebuch, nach Stapel)

2.)���������� Ausf�hrlicher erkennt man Fichtes Meinung in

“Beitr�ge zur Berichtigung der Urteile des Publikums �ber die franz�sische Revolution” 1793

Diese Stelle vollst�ndig wiederzugeben, erscheint unter den gesetzlichen Gegebenheiten der BRD nicht ratsam.

Man findet sie im Auszug in

Theodor Fritsch, Handbuch der Judenfrage, Leipzig 1943, Seite 478,

Nachdruck von 1991, Seite 439, 440

vollst�ndig in

Consid�rations destin�es � rectifier les jugements du public sur la R�volution francaise, 1974 Paris, Seite 160/161

Fichte kommt darin zu sprechen auf die M�glichkeiten und Gefahren, die daraus entstehen k�nnen, da� sich Staaten im Staate bilden k�nnen

z.B.

im Milit�r
im Adel
in Priesterschaften

Fichte sieht eine Gefahr in diesen Staaten im Staate nur, wenn ihr Interesse ein besonderes, von dem der Allgemeinheit getrenntes ist oder sogar ein dem der anderen Mitb�rger widersprechendes.

Als Beispiel daf�r spricht er vom Judentum.

Einige Ausz�ge (R�ck�bersetzung aus dem Franz�sischen, da eine deutsche Ausgabe heute nicht greifbar.)

“Inmitten fast aller L�nder Europas befindet sich ein m�chtiger Staat, der den anderen feindlich gesinnt ist, sich st�ndig mit ihnen im Krieg befindet und in einigen die B�rger schwer bedr�ckt. Ich spreche von den Juden.” Dieser Staat ist gef�hrlich “nicht weil er einen getrennten und in sich fest geeinten Staat darstellt, sondern weil er gegr�ndet ist auf den Ha�, gegen die gesamte Menschheit.”

Fichte beklagt die j�dische �berheblichkeit,

“die wir sogar unter die Artikel unseres Glaubensbekenntnisses aufgenommen haben.”

“In einem Staat, in dem der K�nig, so absolut er auch ist, mir die von meinem Vater vererbte Kate nicht wegnehmen kann, und ich mein Recht gegen�ber einem allm�chtigen Minister behaupten kann, ist der n�chstbeste Jude, dem der Sinn danach steht, im Stande, mich auszurauben.”

Fichte wendet sich gegen religi�se Intoleranz. Es ist ihm gleichg�ltig, ob die Juden an Jesus Christus oder an Gott glauben, aber man darf nicht dulden, “da� sie sich auf zwei verschiedene Morallehren berufen und einen Gott, der der Feind der (anderen) Menschen ist.”

 

Toleranz nicht nur f�r Juden

Fichte:�� “Ich will nicht sagen, man sollte die Juden ihres Glaubens wegen nicht verfolgen, sondern ich sage, man sollte aus diesem Grunde �berhaupt keinen Menschen verfolgen.”

 

Das Lexikon des Judentums von John F. Oppenheimer, 1971

verweist auf die Stelle in den

��������������� “Consid�rations ... sur la R�volution Francaise”

und schreibt, Fichtes Stellung zum Judentum sei “uneinheitlich” gewesen, denn er habe den j�dischen Philosophen Salomon Maimon (1754 - 1800) hochgesch�tzt, habe pers�nliche Beziehungen zu Dorothea Schlegel (Frau Friedrich Schlegels, �lteste Tochter von Moses Mendelsohn) gehabt und sei als Rektor der Berliner Universit�t “f�r den unschuldig verfolgten j�dischen Studenten Brogi” eingetreten.

Ernst Bergmann (geb. 1881) sah Fichte als Vorl�ufer des Nationalsozialismus.

Fichte:��� “Der Glaube des edlen Menschen an die ewige Fortdauer seiner Wirksamkeit auf dieser Erde gr�ndet sich auf die Hoffnung der ewigen Fortdauer des Volkes aus dem er selber sich entwickelt hat und die Eigent�mlichkeit desselben.”

Aber auch andere hatten sich auf Fichte berufen. Neuentdecker Fichtes war Lassalle.

Lassalle �ber Fichte:���������� “einer der gewaltigsten deutschen Geister”. Er schrieb an Karl Marx �ber “Fichtes politisches Verm�chtnis” und nannte es einen “Trompetensto� ins Gegenw�rtige.”

(Nachkriegsausgabe der “Gro�en Deutschen”,

Aufsatz “Fichte” von Heinz Heimsoeth

Wilhelm Stapel �ber Fichtes “Der geschlossene Handelsstaat” 1810

“Das ist der erste Entwurf eines deutschen Sozialismus. Er zielt auf einen autarkisch geschlossenen Staat mit Planwirtschaft. Als Grundbegriff der Wirtschaft nimmt er nicht die G�ter, nicht das Kapital, nicht die “Bed�rfnisbefriedigung”, sondern die Arbeit. Fichte stellt hier einen ethisch fundierten Wirtschaftsbegriff auf.

Aus “Anweisung zum seligen Leben”:

“Wir haben Vorrat an Mute; und f�r einen l�blichen Zweck, sei es sogar vergebens, sich angestrengt zu haben ist auch der M�he wert.”

 

Wandlungen Fichtes

W�hrend Fichte in Jena noch “jedes Gef�hl einer schlechthinnigen Abh�ngigkeit” (Schleiermacher) von Gott ablehnte und noch 1800 schrieb:

“Nichts ist mir unausstehlicher, als nur an einem Anderen, f�r ein Anderes und durch ein Anderes zu sein”

(in “Bestimmung des Menschen”)

dr�ckt er sich 1806 milder aus:

“Solange der Mensch noch irgend etwas selbst zu sein begehrt, kommt Gott nicht zu ihm.”

Ohne zum dogmatischen Christentum zur�ckzukehren berief er sich 1806 in

“Anweisung zum seligen Leben”

auch auf die gnostischen Elemente des Johannes-Evangeliums, nannte das Christentum ein “Vehikel” zu h�herer Einsicht.”

Unter dem Eindruck des Zusammenbruchs Deutschlands und der franz�sischen Besetzung wandelt sich Fichtes Kosmopolitismus zu dem Bekenntnis zum eigenen nationalen Staat.

 

Fichte an jeden Deutschen

Du sollst an Deutschlands Zukunft glauben,
an deines Volkes Aufersteh’n.
La� diesen Glauben Dir nicht rauben,
trotz allem, allem was gescheh’n.
Und handeln sollst Du so, als hinge
von dir un deinem Tun allein
das Schicksal ab der deutschen Dinge
und die Verantwortung w�r’ dein.

Wem sind nicht diese eindringlichen Verse bekannt? Doch wer kann den Namen des Dichters nennen? Verf�hrt durch die �berschrift wird oft Joh. Gottlob Fichte genannt. Doch der wahre Verfasser ist Albert Matth�i, der 1853 (oder 1855) in Preu�isch-Stargard geboren, 25 Jahre an der Zeitschrift “Jugend” in M�nchen als Redakteur gewirkt hat. Er starb 1924. Die �berschrift des Gedichts erkl�rt sich daraus, da� Albert Matth�i die Gedanken daf�r bei Fichte gefunden hatte. In Fichtes 14. Rede an die deutsche Nation (an der Berliner Universit�t am 23. 10. 1808 als Abschlu� der am 13. 12. 1807 begonnenen Vorlesungsreihe) stehen die zwei S�tze, die Albert Matth�i zu seinen zwei Versen verdichtete: “Ob aber jemals es uns wieder wohl gehen soll, h�ngt ganz allein von uns ab, und es wird sicherlich nie wieder irgendein Wohlsein an uns kommen, wenn wir nicht selbst es uns verschaffen: und insbesondere, wenn nicht jeder Einzelne unter uns in seiner Weise tut und wirket, als ob er allein sei, und als ob lediglich auf ihn das Heil der k�nftigen Geschlechter beruhe.”

Eine unerwartete �berraschung: Der zweite Satz stand nicht in dem Text, den Fichte der preu�ischen Zensurbeh�rde einreichte, sondern wurde erst auf deren Veranlassung von Fichte hinzugef�gt. Die Zensur war damals also nicht nur ein Instrument der Geistesknechtung, sondern konnte auch, wie in unserem Falle, zu einer genialen Verbesserung des �berpr�ften Textes f�hren. Ob das bei den heutigen “Bundespr�fstellen” auch m�glich w�re?

Matth�is Gedicht wurde zuerst zu Neujahr 1922 als einer der im Verlag von Wilhelm Gerstung, Offenbach/Main, erschienenen “Deutschen Weinspr�che” ver�ffentlicht.

In der dunkelsten Zeit der Weimarer Republik verfa�te Albert Matth�i noch eine Zusatzstrophe zum Deutschland-Lied

Deutschland, Deutschland �ber alles
und im Ungl�ck nun erst recht!
Nur im Ungl�ck kann sich zeigen,
ob die Liebe wahr und echt.
Uns so soll es weiter klingen
von Geschlechte zu Geschlecht:
Deutschland, Deutschland �ber alles
und im Ungl�ck nun erst recht!

Der Anfang dieser Strophe wurde auch ver�ffentlicht mit einer kleinen bedeutsamen Ver�nderung, die aber durchaus logisch in den Gedankengang pa�t

��������������� Deutschland geht uns �ber alles

w�hrend es am Ende der Strophe dann wieder, wie �blich, hei�t,

��������������� Deutschland, Deutschland �ber alles

Dem Vorbild Matth�is folgend entstand nach dem zweiten Weltkrieg eine 2. Zusatzstrophe, deren Verfasser uns leider immer noch umbekannt geblieben ist. Kennt jemand seinen Namen?

�ber L�nder, Grenzen, Zonen
hallt ein Ruf, ein Wille nur,
�berall wo Deutsche wohnen
zu den Sternen dringt der Schwur:
Niemals werden wir uns beugen,
nie Gewalt als Recht ansehn!
Deutschland, Deutschland �ber alles,
und das Reich wird neu erstehn!

 

Der posthume Streit um Fichte

Vom Jahr 1935 ab erschien das von Willy Andreas und Wilhelm von Scholz herausgegebene f�nfb�ndige Sammelwerk

“Die gro�en Deutschen”

Im zweiten Band stand, wie nicht anders zu erwarten, ein umfangreicher Aufsatz �ber Fichte, verfa�t von Wilhelm Stapel, dem Herausgeber der Hamburger Monatsschrift “Deutsches Volkstum”.

Nach dem Kriege erschien ab 1953 eine neue Ausgabe des Werkes, das im Dritten Reich einen gro�en Erfolg gehabt hatte. Doch in ihr war vieles ver�ndert, schon die Herausgeber waren andere: Theodor Heu�, der damalige erste Pr�sident der BRD, und Hermann Heimpel, die in der ersten Ausgabe nur Mitarbeiter waren. Das wirkte sich nat�rlich auf den Inhalt aus. Im Zuge der Umerziehung waren viele Pers�nlichkeiten der Vorkriegsgeschichte

“als gro�e Deutsche gestrichen”,

darunter unter vielen anderen

Heinrich I, Heinrich IV, Heinrich der L�we, Hans Sachs, Arminius, Widukind, K�nigin Luise, Turnvater Jahn, York, Bl�cher, Spitzweg, Ludwig Uhland, Fritz Reuter, Theodor Storm, Paul de Lagarde, Hofprediger St�cker, Hagenbeck, der Kampfflieger Richthofen, Ernst Moritz Arndt, Hindenburg, Ludendorff, nat�rlich auch Albert Leo Schlageter und Horst Wessel.

Neu aufgenommen wurden, als dem Reeducations-Zeitgeist n�her stehend u.a.

Bonifatius, Elisabeth von Th�ringen, Karl V, Heinrich Heine, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Reichspr�sident Ebert, Karl Marx, Thomas Mann und – Theodor Heu�’ Schwiegervater Georg Friedrich Knapp

Hans W. Hagen sagt �ber Knapp, seine national-�konomische Geldtheorie w�re “f�r Fachleute interessant.”

 

Fichte in “Die gro�en Deutschen”

In der Nachkriegsausgabe sucht man Fichte an der alten Stelle im zweiten Band vergeblich. Auch er war dem Zeitgeist zum Opfer gefallen. Doch in jenem ersten Jahrzehnt der BRD hatte die Reedukation noch nicht voll gegriffen. Vielleicht hatte die aufgekommenen harte Kritik die Herausgeber bewogen, einen “Erg�nzungsband” zu schaffen. Hier konnten sie allzu grobe Fehlgriffe berichtigen, einige Pers�nlichkeiten durch die Hintert�r wieder einschmuggeln. Hans W. Hagen sprach treffend von einer “Aktion �berpr�fter Papierkorb”.

So wurde ein neuer Fichte-Artikel eines anderen Verfassers aufgenommen, der aber gegen�ber dem Stapelschen sehr matt geriet. Der Verfasser, Heinz Heimsoeth, versuchte, die Entwicklung Fichtes psychologisch zu erkl�ren. Interessant zu lesen, aber kein Vergleich mit dem eindrucksvollen Aufsatz Stapels in der Vorkriegsausgabe.

 

Quellen zu Fichte

Ernst Bergmann, Fichte und der Nationalsozialismus, 1933, 48 Seiten
Maria Grunewald, Fichtes Deutscher Glaube, 1927, 105 Seiten
Fritz Mauthner, Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande 1923 (1963), 4 B�nde, Band IV, Seite 56 ff.
Tilman Jens, Goethe und seine Opfer, 1909, 152 Seiten, Seite 93 ff.
J. G. Fichte, Reden an die Deutsche Nation, 1912, 288 Seiten�Consid�rations sur la R�volution Francaise 1974, 280 Seiten
Wilhelm Stapel� Fichte in die “Gro�en Deutschen” 1935, Band 2, Seite 434 ff.

 

Das M�rchen

In seinem Fichte-Aufsatz hatte Wilhelm Stapel gesagt, man k�nne die Jugendgeschichte Fichtes erz�hlen wie ein M�rchen und hatte selbst angefangen: “Es war einmal ein armer Knabe, der h�tete seines Vaters G�nse. Da kam ein K�nig des Weges gefahren.”

Das sollte man einmal versuchen!

G.S.

 

Das M�rchen “Vom armen G�nsehirten der ein weiser Mann wurde”

zugleich eine R�tselgeschichte

Es war einmal ein armer Hirtenjunge, der h�tete seines Vaters G�nse. Da kam in einer pr�chtigen Kutsche der neue Graf gefahren, den der K�nig �ber das Land gesetzt hatte. Er frug den Knaben nach dem Weg in das n�chste Dorf und verwunderte sich �ber die genaue Auskunft, die er erhielt.

Im Dorf angekommen, h�rte er, da� der Knabe Tann hie�, und da� es eine besondere Bewandtnis mit ihm habe. Die Leute r�hmten vor allem sein vortreffliches Ged�chtnis.

Als am Abend der junge Tann mit seinen G�nsen ins Dorf zur�ckgekommen war, lie� der Graf ihn kommen und stellte eine Probe mit ihm an. Der Graf kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als Tann ihm die Predigt des Dorfpfarrers vom letzten Sonntag mit allen Gesten und Betonungen hersagen konnte.

Der Graf sagte zu Tanns Vater, der um seinen Sohn besorgt herbeigeeilt war: “Solche Leute k�nnen wir gebrauchen” und nahm Tann mit auf sein Schlo�, wo er mit den S�hnen des Grafen unterrichtet wurde.

Alles schlug bei Tann gut an. Sein Verstand und sein Wissen nahmen st�ndig zu. Doch als der Graf starb, begann f�r Tann eine schwere Zeit. K�mmerlich mu�te er sich durch’s Leben schlagen.

In seinen Wanderjahren hatte Tann Kunde von der sch�nen Schweiz erhalten, wo es auch die sch�nsten M�dchen geben sollte. Er machte sich sofort zu Fu� auf den Weg und kam in eine gro�e Stadt, die an einem noch gr��eren See gelegen war. Dort fand er gute Freunde und, wie er vielleicht schon geahnt hatte, eine Braut. Zu beider Leidwesen war Tann aber zu arm, um sie auch heiraten zu k�nnen. Wie sollte er eine Frau ern�hren? So zog er wieder hinaus in die Welt. Er kam nach Polen, in die Stadt Warschau in eine deutsche Familie, wo er Hauslehrer werden sollte. Aber, verstehe es, wer es verstehen mag, er konnte dort nicht bleiben, weil sein franz�sisch nicht gut genug war. So zog er wieder weiter.

Dann h�rte Tann von einem weisen alten Mann, der in einer gro�en Stadt lebte, in der es viele kluge Lehrer gab. Den besuchte er und wurde sein bester Sch�ler. So wurde er selbst vieler Dinge kundig, und konnte �berall guten Rat geben.

Als ein fremder Eroberer das Land schwer bedr�ckte, versammelten sich viele Leute um Tann, die wissen wollten, was nun zu tun w�re. Er sprach zu ihnen, erkl�rte Ihnen ihre Pflichten und welche Opfer sie auf sich nehmen m��ten, um das Land wieder zu befreien. Sogar die sch�ne und kluge K�nigin lie� Tann kommen und war ihm von da an huldvoll zugetan; ebenfalls der m�chtige Kaiser des gro�en Nachbarlandes, der auch von dem fremden Eroberer bedroht wurde, hatte von Tann vernommen und erkundigte sich bei der K�nigin nach ihm. So gab es bald niemanden im ganzen Lande, der noch nichts von Tann geh�rt hatte.

Als Tann so ein ber�hmter Mann geworden war, zog es ihn wieder in die ferne Schweiz, in die gro�e Stadt, wo seine Braut immer noch auf ihn wartete. Im Hause seines Schwiegervaters, der ein geachteter Wagemeister war, gab es eine glanzvolle Hochzeit. Tann und seine Frau blieben ihr ganzes Leben zusammen und, obwohl Tann ein hochgesch�tzter weiser Mann und Lehrer geworden war, hatten sie noch manchen Schicksalsschlag gemeinsam zu bestehen, bis der Tod sie ereilte.

Doch die Meinungen der Leute �ber Tann blieben immer unterschiedlich. Die meisten waren f�r, andere aber gegen ihn.

Noch 200 Jahre nach seinem Tode war der Streit um Tann nicht zu Ende. Die einen r�hmten ihn �ber alle Ma�en, sagten sogar er sei ein Dichter gewesen, der sich in einem sehr bekannten Gedicht an jeden seiner Landsleute gewandt habe, obwohl niemand wei�, ob Tann jemals Reime geschmiedet hatte.

Die anderen aber h�rten nicht auf, ihn zu schm�hen und behaupteten sogar, Tann w�re ein Vorl�ufer der Nazis gewesen. Das waren besonders b�se Menschen, die nun Gottseidank meist schon tot sind, von denen einige aber immer noch in Gef�ngnissen sitzen oder sich sogar versteckt halten, ohne da� man hoffen k�nnte, da� sie sich jemals besserten, Es wird sogar - v�llig unglaubw�rdig - behauptet, sie h�tten wieder Nachfolger gefunden, Neo, wie es hei�t, die sich schon vielerorts gezeigt h�tten. Aber das konnte Tann ja nicht ahnen.

 

Hinweise eines R�tsel-Lotsen

Der Graf: Freiherr von Miltitz
Das Dorf: Rammenau (Oberlausitz)
Die gro�e Stadt am See: Z�rich
Die Braut: Johanna Rahn
Die deutsche Familie in Warschau: von Platen
Der weise alte Mann: Kant
Die K�nigin: Luise
Der m�chtige Kaiser: hie� genau so, wie der Besieger des Landes, das heute Iran genannt wird.
Tann:� Name nach einem Nadelbaum

Wer den getannten Tann noch nicht erkannt hat, frage den Weihnachtsmann, welche Baumart er meistens verwendet.

G.S.

 

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