Politische
Theorie
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Quelle: Europakreuz Nr. 20, Juni 1997
Einleitung
Wie jeder denkende Mensch bemerkt hat, ist das Leben in Deutschland zunehmend unheimlicher und irrwitziger geworden. Die Warteschlangen in den Banken und Postämtern nehmen ständig zu, obwohl man uns stets erzählt, die Zahl der Deutschen ginge zurück. Diese und andere schwer wiegende Falschinformation bewirkt eine große Verirrung, auch bei Menschen, die sich nur für die Öffnungszeiten ihrer Bank interessieren. Doch trotz aller Beteuerungen der Regierenden, „es“ ginge bald aufwärts, merken bereits viele, dass irgendetwas nicht stimmen kann. Der Wunsch, zu entdecken, „was zum Teufel wirklich los ist“ (so eine Definition von Wissenschaft eines amerikanischen Physikers) lässt sich mit dem Umlauf von Hoffnungsmeldungen absolut nicht in Einklang bringen. Wir alle sollten zumindest in groben Zügen wissen, was zum Teufel wirklich los ist, falls wir nicht wie blinde Roboter umherstolpern wollen.
Der „Untergang des Abendlandes“, dieser Buchtitel von Oswald Spengler kann als Prophezeiung, als Drohung oder als Hoffnung verstanden werden. Man mag persönlich dazu stehen, wie man möchte, aber wir alle miteinander befinden uns mitten drin in diesem Untergang. Allenthalben wird offenbar, dass sich das materialistisch-kapitalistische System im Endkampf befindet. Staatlich sanktionierte Verbrecherhorden mit demokratischer Parteisatzung plündern unser Land aus. Die neuen Steuererhöhungen sind nichts anderes als staatlich geförderter Raub. Großfirmen zerstören die Mitwelt. Eine weltumspannende Unkultur zerstört alle menschlichen Werte. Der Abschaum aus der ganzen Welt lungert in den Städten des Abendlandes herum und zuckt im Rausch der Drogen zu äffischen Rhythmen. Und es herrscht Krieg in den Städten. Organisiertes Verbrechen, Gangs und Vandalismus nehmen beständig zu. Das alles sind die Kennzeichen von dem, was Intellektuelle und andere überflüssige Gestalten als „postmoderne Gesellschaft“ bezeichnen.
Man macht sich etwas vor, wenn man glaubt, es herrsche Frieden und Freiheit in unserem Lande, nur weil wir immer noch unsere Brötchen holen können, ohne von einem Heckenschützen abgeknallt zu werden!
Wir sind mitten drin im Untergang und können nicht von einer bequemen Position im Sessel analysieren. Machen wir uns gleich zu Beginn mit der Vorstellung vertraut, dass wir es sind, die den Untergang des Abendlandes erleben werden, und dass wir es sind, die ihn überleben müssen. Das System mit Politikern und Wirtschaftsbossen, deren Machtgier mit keinerlei geistigem Gebrechen zu entschuldigen ist, und sei es ein fehlendes Hirn, dieses System sorgt selbst für seinen Untergang. Für die Zeit nach dem Untergang, für das Neue Aeon, müssen wir aber gerüstet sein. Und dabei hilft es, wenn man einige der Gedanken Spenglers etwas genauer betrachtet.
„Es wird in wenigen Jahrhunderten keine westeuropäische Kultur, keine Deutschen, Engländer, Franzosen mehr geben“, heißt es bei Spengler und dieser Satz, der den Untergang des Abendlandes zu besiegeln scheint, ist eigentlich das, was von diesem Monumentalwerk am bekanntesten ist. Doch wollte Spengler gar nicht, dass sein Werk als reine Untergangsprophezeiung bekannt wird, sondern er wollte, dass es auch zum Umdenken anregt. Doch das wird oft übersehen. Pech gehabt, so scheint es. Ist ja auch kein Wunder, bei dem Buchtitel. Und bei der hohen Seitenanzahl, ohne Bilder. Spengler, bekannt als scharfer Kritiker demokratisch-dekadenter Zivilisation, hat noch ein zweites, eher unbekannteres Anliegen: seine kosmisch-energetische Sicht der Geschichte.
Zunächst aber, sozusagen als Einstimmung, zwei Einzelheiten aus dem Leben Oswald Spenglers: Als Jugendlicher hatte Spengler bereits eine lebhafte Vorstellungskraft und dachte sich enorme Traumwelten aus. So schuf der 16jährige die Reiche Afrikasien und Großdeutschland. Seitenlang notierte Spengler in Schulheften Bevölkerungsdichte und Industrieproduktion, entwarf Verfassungen und erließ Richtlinien für Handel, Banken und Verkehrswesen. Zu seinen Reichen entwarf er weltgeschichtliche Dramen vom Entscheidungskampf des Doppelkontinentes gegen die alten Kolonialmächte. Verbündet mit Deutschland, schlug Afrikasien seine Widersacher und schritt zur Neuordnung Europas und der übrigen Welt.
Seine Doktorarbeit schrieb Spengler zu dem Thema „Heraklit“ - eine Studie über den energetischen Grundgedanken seiner Philosophie.
In diesen beiden frühen Schöpfungen des Spenglerschen Geistes findet sich bereits alles wieder, was später dann im Untergang in bisher beispielloser Ganzheit dargelegt wird: das Werden und Vergehen von Weltreichen, der Zusammenhang von Geschichte mit Wirtschaft und Kultur und eine energetische Geschichtssicht.
Spenglers kosmisch-energetische Geschichtssicht
Vorbemerkung: Die Seitenangaben für die Zitate beziehen sich auf die dtv-Ausgabe von Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ aus dem Jahre 1983.
Alles Geschehen im Kosmos und auf dieser Erde ist abhängig von Energiekreisläufen. Das Werden und Vergehen von Sternen, Leben und Tod, das Wetter und die psychische Befindlichkeit eines Menschen - alles das wird betrieben und beeinflusst von der allgegenwärtigen Lebensenergie. Diese Lebensenergie ist zu allen Zeiten unter verschiedensten Namen bekannt gewesen: Od, Prana, Orgon, Freie Energie oder auch Vril. Wer um diese Zusammenhänge weiß, der weiß auch um kosmische Zusammenhänge und den ewigen Kreislauf der Geschichte.
„Geschichte besitzt einen heiligen Doppelsinn: Sie ist kosmisch oder politisch. Sie ist das Dasein oder sie bewahrt das Dasein (S. 964)...Daraus folgt, dass Geschichte nicht Kulturgeschichte in dem Sinne ist, wie er...heute beliebt ist, sondern Rassegeschichte,...das Schicksal von Daseinsströmen...Politik im höchsten Sinne ist Leben, und Leben ist Politik. Jeder Mensch, mag er wollen oder nicht, ist Glied dieses kämpfenden Geschehens, als Objekt oder Subjekt, etwas Drittes gibt es nicht (S. 977)...“ und „Das Leben ist hart, wenn es groß sein will. Es lässt nur die Niederlage zwischen Sieg und Niederlage, nicht zwischen Frieden und Krieg (S. 1099)...“
Diese Sätze stellen Spenglers Grundgedanken dar: Geschichte ist ein kosmischer Strom, ein beständiger Kampf, und jeder Mensch ist unbedingter Teil dieses Kampfes und dadurch untrennbar mit dem kosmischen Geschehen verbunden. Politik ist Leben und kann daher nur sinnvoll sein, wenn sie sich des kosmischen Geschehens besinnt.
„Das ganze Leben ist Politik, in jedem triebhaften Zuge, bis ins innerste Mark. Was wir heute als Lebensenergie bezeichnen, jenes „Es“ in uns, das vorwärts und aufwärts will um jeden Preis, der kosmische, sehnsüchtige Drang nach Geltung und Macht, der mit der Heimat verbunden bleibt, das Gerichtetsein ist es, was überall unter höheren Menschen als politisches Leben die großen Entscheidungen sucht und suchen muss, um ein Schicksal entweder zu sein oder zu erleiden. Es gibt keine dritte Möglichkeit (S. 1109).“
Mit dieser Passage wird deutlich, dass für Spengler das Leben, der Mensch angetrieben wird durch die Lebensenergie, durch Vril. Das Leben ist Politik, also ist die Lebensenergie, ist Vril Motor der Politik. Spengler sieht dieses politische Wirken der Lebensenergie stets im Zusammenwirken mit Volk, Rasse und Heimat. Die Kulturlandschaften sind die des Bodens, in dem die Völker wurzeln und „zur Energie des Blutes und der Macht des Bodens...tritt noch jene...kosmische Kraft des gleichen Taktes eng verbundener Gemeinschaften (S. 706).“ Diese Gemeinschaft ist das Volk. „Völker sind seelische Einheiten..., in welchen zusammengefasst der Mensch einer Kultur sein Schicksal erfüllt (S. 759ff.).“ Kultur, Boden und Volk bilden eine beseelte Einheit bei Spengler, ganz so, wie es heutzutage der Bioregionalismus sieht. Die Menschen müssen wieder eine innere Beziehung zu dem Ort haben, an dem sie leben.
Damit sind die Grundbegriffe der energetischen Geschichtsauffassung bei Spengler alle gefallen: Kultur, Volk, Boden, von ihnen allen geht eine vorwärts strebende Politik, geht das Leben selbst aus, worin sich die Lebensenergie als „kosmisches Dahinströmen“ offenbart. In der Lebensenergie liegt unser Werden und Streben, sie ist Urheber der „kosmischen Flutungen, die wir Leben nennen (S. 961).“
Die Kultur, so kann nunmehr als erster gewichtiger Schluss festgehalten werden, die Kultur ist erfülltes Wirken der kosmischen Lebensenergie.
Doch Spengler hätte sein Buch anders betitelt, wenn er diesem hoffnungsfrohen energetischen Dasein nicht eine Macht entgegenhalten würde: „Jede Kultur steht in einer mystischen Beziehung zum Raume, in der sie sich verwirklichen will. Ist dieses Ziel erreicht, so erstarrt die Kultur plötzlich, sie stirbt ab, ihr Blut gerinnt, ihre Kräfte zerbrechen - sie wird zur Zivilisation (S. 143). Die Zivilisation ist das unausweichliche Schicksal einer Kultur...Zivilisationen sind ein Ende, unwiderruflich...(S. 43).“ Nun aber ist Zivilisation nicht der glorreiche Höhepunkt, sondern der Tiefpunkt menschlichen Daseins. Die Verbundenheit des Menschen mit der kosmischen Lebensenergie wird zerstört: „...die Zivilisation mit ihren Riesenstädten verachtet die Wurzeln...und löst sich von ihnen (S. 661).“ Sinnbild der Zivilisation ist bei Spengler die kosmopolitische Weltstadt: „Ein grauenvolles Elend, eine Verwilderung aller Lebensgewohnheiten, haust in jeder dieser...Massenstädte (S. 676).“ Die Weltstadt-Zivilisation löst sich von den drei Grundlagen des kosmischen energetischen Wirkens, sie verbraucht die Kulturlandschaft und ihre Bewohner (S. 451) und wird „wurzellos, dem Kosmischen abgestorben und ohne Widerruf dem Sein und dem Geiste verfallen (S. 684).“ In der Weltstadt-Zivilisation entsteht eine neue Menschheit: „zeitlose, geschichtslose, literarische Menschen, Menschen der Gründe und Ursachen, nicht des Schicksals, welche, dem Blut und dem Dasein innerlich entfremdet, ganz denkendes Wachsein, für den Begriff Volk keinen vernünftigen Inhalt mehr entdecken (S. 780).“
Stadtmenschen gehören Volk und Kultur nicht mehr an, sie sind „unkriegerisch und rasselos“ (S. 781), sie sind „geistige Fellachen“ (S. 781). „Es ist der formlos durch die Großstädte flutende Pöbel an Stelle der Völker, die wurzellose städtische Masse anstelle des mit der Natur verwachsenen Menschentums...Es ist...der moderne Zeitungsleser, der Gebildete, jener Anhänger eines Kultes des geistigen Mittelmaßes und der Öffentlichkeit als Kultstätte..., es ist der...abendländische Mensch der Theater und Vergnügungsorte, des Sports und der Literatur des Tages (S. 460).“ Ihre Führer, die Politiker, Journalisten, Intellektuellen, sind nach Ansicht Spenglers „vom Standpunkt der wirklichen Geschichte aus betrachtet, minderwertig (S. 781).“ Das, wie gesagt, sind Spenglers Worte. Man könnte das Ganze auch etwas beleidigender ausdrücken.
Alles in diesem Spektakel sondert sich vom Kulturland ab und wird ihm fremd (S. 664 und 667). „Demokratie, das Parlament sind die Form, in welcher der...städtische Geist dem Lande mitteilt, was es zu wollen und wofür es zu sterben habe (S. 667).“ Am Ende schließlich steht „das Zurücktreten des kosmischen Taktes in seinem Dasein“ (S. 677) und damit die Abkehr von den energetischen Grundlagen des Lebens. Stattdessen tritt an seine Stelle ein „Sichverstehen-Können“, ein kulturelles Aufeinanderzugehen und eine Vermischung. „Mit diesem Sich-verstehen-Können hat diese Menschheit aufgehört, in Nationen zu leben, sie hat aufgehört, historisch zu sein (S. 763).“ An die Stelle des Volkes treten „die Kotseelen, der Pöbel“ als Zeichen „wertlos und überflüssig gewordenen Lebens“, der außerhalb der geschichtlichen Welt und damit außerhalb des Lebens steht (S. 983).
Spengler zeigt, so kann als zweiter gewichtiger Schluss festgehalten werden, dass die Zivilisation den Menschen von Boden, Volk und Kultur absondert und damit der Lebensenergie die Möglichkeit nimmt, sich auszuwirken.
Durch Zivilisation in den Untergang
Der moderne Zivilisationsmensch wirkt also nicht mehr im kosmischen Strom des Lebens, sondern wird getrieben vom alltäglichen Einerlei belangloser Aftertrends und immer ausgefeilter Sinneskitzelei. Der einzelne Mensch wird herausgelöst aus dem Rahmen des Volkes und der kosmischen Kreisläufe, er verliert jedes Gefühl für größere Zusammenhänge und sein Leben ist gekennzeichnet durch die ratlose Hatz zwischen Geldverdienen und Geldausgeben, zwischen Dabeisein und etwas mitbekommen. Der Mob, der Pöbel, die breite Masse, ist egoistisch, dumm und faul, nicht, weil der Mensch von Natur aus faul ist, sondern weil die weltweit alles beherrschende und beeinflussende großstädtische Zivilisation ihn dazu macht. Seit den Tagen der Jungsteinzeit sind Kulturen gekommen und in einer Zivilisation vergangen, der Mensch aber hat sich biologisch kaum verändert. Vom Verhalten her, von den Reaktionen unseres Körpers und vom Aufbau unserer Sinnesorgane her sind wir Steinzeitjäger, die in einer spätkapitalistischen Zivilisation leben. Einige kurze Beispiele: Unser Sehsystem ist für Geschwindigkeiten ausgelegt, die denen eines gehenden oder laufenden Menschen entsprechen - beim Autofahren mit wesentlich höheren Geschwindigkeiten sind die Sinne überfordert, es kommt zu Unfällen. Oder: Bei Neandertals war der Speiseplan unausgewogen und unregelmäßig, gab es mal viel zu essen, wurde kräftig reingehauen und der Körper bildete Fettreserven für schlechtere Tage. Uns heute sind das Reinhauen und der Fettansatz geblieben. Und schließlich: in der Steinzeit war es wichtig, Tiere schon in Entfernung erkennen zu können. Tiger oder Zebra sind von unterschiedlicher Bedeutung für die eigene Funktion in der Nahrungskette. Heutzutage können wir bei weiter entfernten Autos die Automarken unterscheiden. Selbst das Fernsehen als abschließendes Beispiel ist mit seinem Flimmern Ersatz für das zentrale Feuer, um das man sich schart und seine Geschichten ersetzen die Alten, die ihre Erfahrungen weitergeben.
Bleibt der Mensch seinem Boden und den kosmischen Energien verbunden, so bleibt die daraus entstehende Kultur im Rahmen der biologischen Möglichkeiten. Irgendwann aber entwickelt sich jede Kultur über diese biologischen Grenzen hinaus und wird zur Zivilisation. Das geschieht, wenn der Materialismus die Oberhand gewinnt. Was dann geschieht, hat der Medizinalrat Bachmann, Herausgeber der „Blätter für Biologische Medizin“, dort 1922 wie folgt beschrieben: „Die Fäden hängen also hier zusammen: Intellektualismus und Monismus - unbiologische Wissenschaft - internationales Freimaurertum - Zersetzung des religiösen und sittlichen Gedankens sowie des Familiensinns - Heranbildung der Sozialdemokratie auf dem Wege des städtischen Freisinns und der so genannten fortschrittlichen Aufklärungsarbeit - scheinwissenschaftliche Irrlehren und ein Tiefstand der Volksgesundheit..., Misswirtschaft und schließlich Zusammenbruch der Staatsmaschine.“ (S. 180f.)
Anstelle des kosmisch-energetischen Schicksals tritt der Selbstzweck in den Vordergrund: Fortschritt um des Fortschritts willen, Erkenntnis um der Erkenntnis willen. Anstelle der kosmischen Lebenskraft tritt der Sog des Immer-weiter-Müssens. Immer mehr, immer ausgefeilter, immer schneller. Die Zivilisation wird zum Selbstläufer, unabhängig von den Menschen, die die Entwicklung nicht mehr nachvollziehen können, entwurzeln und verpöbeln. Durch diese Vermassung und Vermischung von allen mit allem verwischen schließlich die Unterschiede zwischen den Völkern, zwischen Stadt und Land und zwischen Mann und Frau. Es entsteht eine gleichförmige globale Meute.
Diese globale Meute, deren Zustand Spengler mit dem Wort „Verpöbelung“ zutreffend kennzeichnet, jenes Absinken des einzelnen Menschen zum Mitglied einer geschichtslosen Masse, geht einher mit Dekadenz, Agonie und Degeneration oder welche anderen Bezeichnungen dafür bereitstehen. Es gibt eine Bezeichnung, die den ganzen Vorgang am treffendsten benennt: Entartung. Seit altersher gibt es einige ins Auge fallende Anzeichen, die den Verfall, ja den Tod ganzer Völker verkünden - sowohl zu den Zeiten Spenglers wie auch in heutiger Zeit.
Folgende Liste, mit einigen aktuellen Bemerkungen versehen, wurde 1926 in der „Zeitschrift für Volksaufklärung und Erbkunde“ des schwedischen Professors Lundborg veröffentlicht:
1) Das Anwachsen
der Städte und Orte. Man denke daran, wie ausufernd Städte und Gemeinden
heute sich in die Landschaft fressen und immer mehr Ackerland zu Bauland und
Straße wird.
2) Längere Lebensdauer bei gleichzeitiger Zunahme chronischer und entartender
Krankheiten. Die Stichworte Alkoholismus, Krebs und Allergien mögen hier
genügen.
3) Unsittlichkeit, Rohheit, Verbrechen sowie die Anzahl der Selbstmorde nehmen
zu. Selbst liberale Geister beklagen schon den Verfall aller Werte, es muss
dann wohl was dran sein.
4) Übertriebener Individualismus, Egoismus und Mammondienst herrschen vor,
auch in den unteren Klassen der Gesellschaft. Diese Gesellschaft nennt sich
selber pluralistisch. Pluralismus heißt gemäß Philosophielehrbuch
nichts anderes als die Lehre, dass ein Staat aus vielen selbständigen Gruppen
besteht, die keine Einheit bilden.
In der ebenfalls angesehenen „Zeitschrift für Neurologie und Psychiatrie“ (begründet übrigens von einem Herrn Alzheimer, dessen Name heute eine Krankheit benennt) schrieb 1920 der Wiener Professor Erwin Stransky einen Artikel mit dem bezeichnenden Titel „Zum seelischen Wiederaufbau des deutschen Volkes“. Stransky beklagt, das deutsche Volk sei allgemein kulturverarmt, verstumpft und versumpft in den Niederungen täglicher Notdurft. Es fehle an Aufklärern, die das deutsche Volk aus diesem Sumpf aufs Trockene führen. Stattdessen haben die Pseudointellektuellen einen keineswegs wünschenswert großen Einfluss. Seelisch Entartetes und der Lotterluxus seien zum Vorbild geworden. Stransky kommt zu dem Schluss: „Der extreme Individualismus...mitsamt den Tochtererscheinungen, dem Doktrinarismus..., sie haben sich als verhängnisvoll erwiesen...Ein Volk, das in seinem Bestande stets so sehr gefährdet war wie das deutsche dürfte sich den Luxus individualistischer Eigenart seiner Einzelglieder nur im allerbescheidensten Maße gönnen...“ Nur psychologisch fundierte Aufklärung über diese Entartungen bewirke die seelische Wiederaufrichtung der geschändeten Volksseele und des geschändeten Volksbewusstseins und könne Deutschland wieder empor führen aus Wahn zur Wahrheit.
Diese beiden Beispiele belegen, dass zur Zeit, in der Spengler seinen Untergang schrieb und veröffentlichte, durchaus fähige Wissenschaftler in Europa die Bedrohung der Kultur durch die Zivilisation ähnlich einschätzten.
Hier soll der Reigen der genannten Entartungen noch um eine moderne bereichert werden: Das Fernsehen! Das Hocken vor dem Fernseher ist die mit Abstand häufigste Freizeittätigkeit der Deutschen! Stundenlang lassen sich über 90 % unseres Volkes Tag für Tag mit Werbung, Hans Meiser, Krimis, noch mehr Werbung, Lindenstraße, Nachrichten und noch mehr Werbung berieseln.
Es ist recht unverständlich, was an all diesen Sendungen so anziehend sein soll. Entweder sind die so genannten „anspruchsvollen“ Filme eine staubtrockene Aufarbeitung der Lebenskrise irgendeines Filmemachers, oder man bekommt „Progressives“ vorgesetzt. Ferkeleien am laufenden Band, alle Vorgesetzten und Bullen sind Idioten und ordinär, der Rest ist schmuddelig und extrem tolerant - die rot-grüne Szene und die 68er lassen grüßen. Die Lindenstraße hat von allem etwas. Arg wird es dann in den Talkshows, wo sich Kinderschänder, Kotesser und anderes Gesocks die Hände reichen - das ist die in den Redaktionen der Sender liebevoll gepflegte Pissoir-Kultur.
Bis auf wenige Ausnahmen sind alle im Fernsehen gezeigten Sendungen absolut überflüssig und nutzlos. Von den Nachrichten haben die meisten Zuschauer kurz nach der Sendung schon über zwei Drittel vergessen und Lernen durch Fernsehsendungen, so sie denn einmal etwas behaltenswertes zeigen, findet ebenfalls kaum statt. Das einzige, wozu der Fernseher taugt, ist trendgemäße Themen der Zeit verpackt in schicken modischen Anglizismen unters Volk zu bringen. Man will ja schließlich mitreden können und zu allen wichtigen Themen wie Sado-Masochismus, Juhnkes Sauftouren oder dem neuesten Hollywood-Kinofilm eine Meinung haben. Heutzutage glaubt jeder, sich über alles eine Meinung bilden zu müssen, ob man nun über das entsprechende Thema etwas weiß oder nicht. Unglücklicherweise kennen aber nur sehr wenige Leute den Unterschied zwischen Meinung und bewiesenem Wissen. Noch schlimmer: Im Fernsehen wird kaum noch über ein Ereignis berichtet, sondern über die Meinung, die man dazu zu haben hat. Und um nicht selber nachdenken zu müssen, geht der Bundesbürger den bequemen Weg und hängt vor der Glotze. Dieses Rumhängen wird dann zur Sucht. Weltweit hocken die Menschen vor der Kiste, lassen sich berieseln und verstumpfen zu einer formlosen Masse, die ohne zu Murren weltweit die gleichen Massenprodukte kauft. Das ist die One World der Zukunft.
Mit dieser One World ist das Ende der menschlichen Geschichte erreicht. Spengler schreibt: „Wäre alles Leben ein gleichförmiger Daseinsstrom, so würden wir die Worte Volk, Staat, Krieg, Politik nicht kennen. Aber das ewige und gewaltige Verschiedensein des Lebens, das durch die Gestaltungskraft der Kulturen bis aufs Äußerste gesteigert wird, ist eine Tatsache, die mit all ihren Folgen geschichtlich schlechthin gegeben ist (S. 1007).“ Eine multikulturelle Gesellschaft wird diese Unterschiede vernichten, denn es gibt keine Kultur mehr, in der sich ein Volk unbeeinflusst ausbilden kann.
Die Vorstellung der „Einen Welt“, jenes ganzjährigen multikulturellen Straßenfestes, dient also nicht der Kultur, dem Menschen, sondern einzig und allein den multinationalen Konzernen, die eine willenlose Masse weltweit gleicher Konsumenten brauchen, um ihre Produkte loszuwerden. Hier verbirgt sich reines Profitstreben hinter der perfiden Fratze weltoffener Lebensart und umfassendem Weltwissen. Sicher, in einer Welt, in der kein Volk mehr isoliert leben kann und das auch nicht sollte, ist es nötig, etwas über weltweite ökologische, klimatische und wirtschaftliche Zusammenhänge zu wissen. Und sicherlich dient es einem ganzheitlichen Bewusstsein, wenn man weiß, wie bunt und vielseitig unsere Erde noch ist. Aber Wissen ist nur die eine Seite der Medaille.
Der Mensch vor Tausenden von Jahren wusste nicht viel von seiner Welt, aber er konnte und durfte sich fühlen als Teil eines übergeordneten Ganzen. Die jetzige massenhafte Menschheit weiß etwas mehr, kennt vielleicht auch mehr, aber ihr fehlt das Gefühl für die kosmischen und energetischen Zusammenhänge. Nicht mehr Gefühl und Sinnhaftigkeit sind in der Zivilisation gefragt, sondern Wissen und Alles-verstehen-Wollen. Um mit Spenglerschen Begriffen zu sprechen: Anstelle des Mythos und der Ahnung treten Theorie und Erklärung. Selbst unsere Sprache macht das mit. Wenn man heute sagt, der hat keine Ahnung davon, meint man, er wisse viel und nicht, er vermutet viel, wie es des Wortes ursprüngliche Bedeutung war.
Moderne wissenschaftliche Theorien lehnt Spengler ab, er fordert stattdessen das „Dogma von der Kraft...Die Kraft ist eine mythische Größe, die nicht aus wissenschaftlicher Erfahrung stammt... (S. 532f.)“, ihre Behandlung in der modernen Wissenschaft ist dagegen eine Fiktion. Wenn Wissenschaft und Technik im kosmischen Strom bestehen wollen, müssen sie sich an diesem Mythos von der Kraft orientieren. Die Orientierung in der Welt durch das reine Wissen oder Kennen ist vergleichbar mit einem Autofahrer, der bei Tempo 100 über eine kurvenreiche regennasse Gebirgsstraße rast und dabei durch die beschlagene Windschutzscheibe ahnt, wo der Abgrund ist. Ein fühlender Kulturmensch hat längst gemerkt, dass es Zeit zum Anhalten ist, ein wissender Mensch sucht so lange nach einem Wischtuch, bis er, das Auto und das Wischtuch in den Abhang stürzen. So, vielleicht etwas grob ausgedrückt, kann man die von Spengler als zerstörerisch gesehene Macht der Zivilisation energetisch und anthropologisch deuten.
Losgelöst von allen Ursprüngen und durch die ihr innewohnende Zersetzung geht dann jede Zivilisation und also unsere westlich-materialistische Zivilisation unter. Noch ist der Zeitpunkt nicht gekommen. Noch nicht. Doch er wird kommen. Und dann heißt es handeln, bevor das Abendland untergeht. Wenn wir der Welt helfen wollen, dann müssen wir uns schon persönlich aufmachen - es genügt nicht, wohlwollend einige Artikel oder Bücher zu lesen und alles richtig und wichtig zu finden. Es liegt an jedem selber, ob etwas passiert. Nur wer sich von den banalen Denk- und Seinszwängen der heutigen Massen befreit, kann unbeschränkt denken. Helft dann vor allen Dingen, die Dummheit in diesem Land zu besiegen: Macht Euch weniger Sorgen und denkt mehr!
Der Materialismus der Gegenwart ist freilich solchem Handeln nicht sehr zugetan, aber jetzt muss endlich die Zeit beginnen, wo nicht wir es sind, die Schritt um Schritt zurückweichen. Für uns, die das Schicksal in diese Zivilisation und diesen Augenblick ihres Werdens gestellt hat, in welchem das Geld und der Materialismus seine letzten Siege feiert, ist damit in einem eng umschriebenen Kreise die Richtung unseres Wollens und Müssens gegeben. Wir haben nicht die Freiheit, dieses oder jenes zu tun. Wir haben nur die Freiheit, das Notwendige für das Neue Aeon zu tun oder nichts zu tun. Und die Aufgabe, welche die Notwendigkeit der Geschichte gestellt hat, wird gelöst, mit dem Einzelnen oder gegen ihn!
Es
weiß hoffentlich eine Jede und ein Jeder, was zu tun ist!!!