Casino Ohne Deutsche LizenzOnline Casino
��Zeitgeschichte + Hintergr�nde

Stauffenberg - Nationale Opposition im Dritten Reich

von Karlheinz Wei�mann

Vorbemerkung: Allj�hrlich steht der Hitler-Attent�ter Graf Stauffenberg im Kreuzfeuer zwischen bundesrepublikanischer Lebensl�ge und ewiggestriger Verteidigung der kriminellen F�hrungsriege um Hitler; der Mensch und seine Motive finden dabei viel zu wenig Ber�cksichtung. Dieser Aufsatz erschien erstmals im Herbst 1982, und zwar in der Ausgabe 4/82 der Schriftenreihe „Junges Forum“. Die Wiederver�ffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Regin-Verlages als neuem Rechteinhaber; hier erscheint das „Junge Forum“ seit kurzer Zeit wieder: www.regin-verlag.de. Karlheinz Wei�mann ist mittlerweile Mitherausgeber der Zeitschrift „Sezession“, die an dieser Stelle ebenfalls empfohlen sei: www.sezession.de. --- Richard Schapke, im Juli 2004, 60 Jahre danach.

Ich hatte wohl erwartet, dass in der letzten Phase des Ringens um die Marina der Adel in Erscheinung treten w�rde - denn in den edlen Herzen brennt das Leiden des Volkes am hei�esten. Wenn das Gef�hl f�r Recht und Sitte schwindet und wenn der Schrecken die Sinne tr�bt, dann sind die Kr�fte der Eintagsmenschen gar bald versiegt. Doch in den alten St�mmen lebt die Kenntnis des wahren und legitimen Ma�es, und aus ihnen brechen die neuen Sprossen der Gerechtigkeit hervor.“
- Ernst J�nger: Auf den Marmorklippen


Kaum ein anderer Widerstandsk�mpfer ist wie Stauffenberg Verzeichnungen und Fehlinterpretationen ausgesetzt gewesen: als „Verr�ter“, „Reaktion�r“ oder „revolution�ren Querkopf“ wollte man ihn �chten, zum „Antifaschisten“ und „Tyrannenm�rder“ hat man das Bild stilisiert. Doch seine Person und die mit ihr verbundenen politischen Ideen haben sich allen Vereinfachungen entzogen. Die spannungsvolle Einheit seines Denkens, in die Volk und Elite, Konservatismus und Sozialismus, Tradition und Bereitschaft zum revolution�ren Umbruch eingeschmolzen waren, wurde vom Suchen nach neuen Synthesen bestimmt. Mit seinen Vorstellungen stand er ganz im Bannkreis der „Konservativen Revolution“ und Stauffenberg nahm den Weg in den Widerstand, weil die Nation und alle mit ihr verbundenen ethischen und politischen Inhalte im Deutschland Hitlers einer unertr�glichen Verzerrung ausgesetzt waren. Diese Einsicht war f�r ihn der Grund zur Erhebung gegen die Despotie und sie verband ihn mit denen, die die „Nationale Opposition“ gegen das NS-Regime formierten. Ihre Geschichte ist bis heute nicht geschrieben und trotz des gro�en Gewichtes, das ihnen im Kampf gegen Hitlers Herrschaft zukam, wei� man wenig von Karl O. Paetel und Ernst Niekisch, von Arthur Mahraun und Edgar J. Jung, von Ulrich von Hassell und Henning von Tresckow. Vom Exil aus oder in der „inneren Emigration“, mit illegalen Schriften oder durch Subversion in Verwaltung und Armee versuchten sozialrevolution�re Nationalisten und B�rgerliche, „B�ndische Jugend“, Offiziere und einzelne Protagonisten der „Konservativen Revolution“, dem totalit�ren System Widerstand entgegenzusetzen. Viele bezahlten daf�r mit dem Tod, mit Haft oder Folter, und doch haben sie, denen die Nation hoher verpflichtender Wert war, nicht gez�gert, das „Nessushemd“ des Verr�ters anzuziehen: unter die ersten Namen der Gefallenen f�r das „Geheime Deutschland“ geh�rt der Stauffenbergs.

Herkunft und Jugend

Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde am 15. November 1907 im w�rttembergischen Jettlingen geboren. Seine Familie geh�rte zum schw�bischen Uradel, ihre Anf�nge k�nnen bis ins 13. Jahrhundert zur�ckverfolgt werden.

Als j�ngster der drei S�hne des Oberhofmarschalls Alexander von Stauffenberg wuchs er bis 1918 in der Umgebung des k�niglichen Hofes in Stuttgart auf. Nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung verlie� die Familie Stauffenberg gemeinsam mit der Dynastie die Residenz; der Vater, zwar ein n�chterner Mann, konnte sich doch mit den neuen Verh�ltnissen nie befreunden.

Berthold, Alexander und Claus von Stauffenberg kehrten aber bald von dem Landsitz Lautlingen nach Stuttgart zur�ck, um dort das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium zu besuchen. Die Atmosph�re, die dort herrschte, war gepr�gt von jener Mischung aus antikem Humanismus, deutscher Klassik und nationalem Geist, wie sie wohl in jener Zeit typisch f�r h�here Lehranstalten gewesen ist. Im Ganzen lebten die drei jungen Grafen in einer b�rgerlich-konservativen Welt, die adeligem Snobismus durchaus nicht Vorschub leistete: �berhaupt scheint keiner der Br�der je das Bed�rfnis nach hochm�tiger Absonderung gekannt zu haben: f�r die b�uerliche Jugend am Landsitz der Familie geh�rten sie wie selbstverst�ndlich dazu.

Nichtsdestoweniger erwachte in Claus von Stauffenberg schon fr�h das Gef�hl einer besonderen Verantwortung: aristokratische Herkunft und pers�nlicher Charakter sind hier eine tiefe Verbindung eingegangen. M�gen auch die Geschichten aus seiner Jugend - die es bei ihm wie bei den Helden aller Zeiten gibt - wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben, oder doch mindestens im Ged�chtnis derer, die sich erinnerten, unscharf geworden sein: soviel ist ihnen zu entnehmen, dass Stauffenberg auf sehr selbstverst�ndliche Weise hervorragte, sich wohl sogar schon dunkel eines besonderen Schicksals bewusst war.

W�hrend seiner Schulzeit kam Stauffenberg mit der Jugendbewegung in Ber�hrung. An sich eine eher ungew�hnliche Tatsache, denn die B�nde waren eine Dom�ne des B�rgertums - vornehmlich des protestantischen - so dass ein katholischer Adeliger in ihren Reihen sicher die Ausnahme gewesen ist. Aber bemerkenswerter als die Sache selbst, war die Form, in der die Jugendbewegung Stauffenberg entgegentrat: er wurde Mitglied der „Neupfadfinder“, eines kleinen Elitebundes, der zusammen mit anderen aus dem Gro�verband der Pfadfinder ausgeschert war und erheblich an der Umgestaltung der Jugendbewegung nach dem 1. Weltkrieg beteiligt gewesen ist. Sie hatten die Jugendbewegung �berhaupt erst zum „Generationsph�nomen“ gemacht, die eigene Tradition der Pfadfinder und ihre straffe Disziplin mit dem selbstbewussten Individualismus des „Wandervogels“ zu dem, was man „b�ndisch“ nannte, vereinigt. Eine solche Synthese war notwendig geworden, da die Vorkriegs-Jugendbewegung keine neuen Impulse mehr aus sich selbst empfing. Die kleinen Gruppen der Pfadfinder schufen dagegen neue Formen in einer unsicher gewordenen Welt: an die Stelle der „Horde“ trat bei ihnen die Kolonne, die aus M�dchen und Jungen gemischten Gruppen mussten dem „Bund“, der Wiedergeburt des mittelalterlichen Ordens, weichen. Es war auch der F�hrer der Neupfadfinder, der Pfarrer Martin Voelkel, der dies alles - etwa in den Bl�ttern des „Wei�en Ritters“ - gedanklich zu �berw�lben hoffte, mit geheimnisvollen Sentenzen �ber die „Ritter“, das „Neue Reich“, den „heiligen Gral“ und vor allem den „Bund“, Inbegriff der neuen und ewigen Form der Gemeinschaft.

Welchen Eindruck das alles auf Stauffenberg machte, wissen wir nicht, aber es wird wohl vieles an dieser kriegerischen Romantik ihn angesprochen haben, in einer Zeit, in der die Jugend H�lderlin wieder entdeckte, Flex und seinen „Wanderer zwischen beiden Welten“ verehrte und - das ist f�r diesen Zusammenhang noch von Bedeutung - sich mit dem Inhalt der Dichtung Stefan Georges identifizierte. Und �ber all das typische hinaus war es wohl bei Stauffenberg die tiefe �berzeugung von der Notwendigkeit und Berechtigung einer neuen Elite, die man in der B�ndischen Jugend als Keim angelegt sehen konnte.

Der George-Kreis

Der Name Stefan George musste schon im Zusammenhang der Jugendbewegung genannt werden. George und der „Kreis“, die um den Meister gesammelten J�nger, waren ein - wenn auch nie unumstrittenes - Faszinosum. Lange schon hatte sich der Dichter von der Proklamation des „l�art pour l�art“ und der „po�sie pure“, wie sie auch Verlaine und Mallarm� gefordert hatten, zu etwas Neuem gewandt. Seine - in vielem Nietzsche verwandte - unerbittliche Kritik an der Epoche der Massen, ihrer fehlenden Sensibilit�t und ihrem �berheblichen Selbstbewusstsein, f�hrte ihn dazu, die Aufgabe des Dichters nicht mehr nur im �sthetischen zu sehen, sondern dem Verfall etwas entgegenzusetzen: seine Vision eines „Neuen Reiches“ suchte George mit dem durch seinen Kreis verk�rperten „Staat“ vorwegzunehmen. Hier hoffte er den Kern einer werdenden Aristokratie zu erziehen:

Auf neue tafeln schreibt der neue stand
Lasst greise des erworbnen Guts sich freuen
Das ferne wettern reicht nicht an ihr ohr.
Doch alle jugend sollt ihr sklaven nennen
Die heut mit weichen kl�ngen sich bet�ubt
Mit rosenketten �berm abgrund t�ndelt.
Ihr sollt das morsche aus dem munde spein
Ihr sollt den dolch im lorbeerstrau�e tragen
Gem�� in schritt und klang der nahen wal.

Ein tiefes Missbehagen an der eigenen Zeit und das Ungen�gen �ber eine Welt, deren Primat allein das �konomische war, verband George mit der schon lange unruhig gewordenen Jugend: seine „J�nger“ suchten in dem „Meister“ eine Bindung, die ihnen das meist ausgewiesen liberale Elternhaus nicht bieten konnte.

Im Herbst 1924 begegnete Claus von Stauffenberg zum ersten Mal der Person des Dichters - mit seinem Werk war er l�ngst vertraut und hatte unter dessen Eindruck geschrieben:

Nur kleine schar ist zu der sicht berufen
Nur kleine schar hat von dem hehren held getr�umt
Sie schweigen stille haben nichts mit euch gemein
Sie knien gl�ubig an des meisters stufen.

Die Verbindung zu George und seinem Kreis wurde in vieler Hinsicht bestimmend f�r die Pers�nlichkeit Stauffenbergs: sp�ter sollte er sagen, dass er den „gr��ten Dichter seiner Zeit“ zum Lehrmeister gehabt habe. Die N�he Georges zu ihm war au�ergew�hnlich; der Dichter liebte sein ungebrochenes Wesen, verzichtete sogar darauf, ihm wie den anderen „J�ngern“ einen „�bernamen“ zu geben. Dieses letzte ist bezeichnend: es macht deutlich, dass Stauffenberg auch in der N�he und unter der Ausstrahlung des so Verehrten nicht seine Identit�t verlor; er wurde in seinem aristokratischen Selbstbewusstsein ebenso best�rkt wie im Personalismus seines Menschenbildes und dem Glauben an die Mission einer neuen Elite - aber unbeeindruckt blieb sein Wesen von gewissen Ausw�chsen der Esoterik und sein selbstverst�ndlicher Katholizismus von der merkw�rdig sakralen, �sthetisch-paganen Atmosph�re, wie sie den Kreis beherrschte.

Die Begegnung mit Stefan George weckte in Stauffenberg jene Seite seines Wesens, die - wohl das Erbteil seiner Mutter, einer Vertrauten des Dichters Rilke - sehr stark musisch bestimmt war. In seiner Jugend schrieb er Gedichte, mehr als das schon erw�hnte, und spielte Cello - beides gab er erst auf, als er feststellte, dass �ber einen gewissen Dilettantismus nicht hinauszukommen war. Lange Zeit erwog er auch Architektur zu studieren und es �berraschte darum selbst seine engste Umgebung, als er 1926 erkl�rte, Offizier werden zu wollen.

In der Reichswehr

Stauffenberg trat in das Bamberger Reiterregiment Nr. 17 ein; in der folgenden Zeit besuchte er verschiedene Offiziersschulen und wurde am 1. Januar 1930 zum Leutnant bef�rdert. In diesen Jahren hatte sich immer wieder gezeigt, wie sehr seine F�hrungsbegabung und seine geistigen F�higkeiten denjenigen seiner Kameraden �berlegen waren; im Gegensatz dazu gelang es ihm aber erst mit gro�er Selbstdisziplin, seinem von latenter physischer Labilit�t geplagten K�rper die notwendigen Leistungen abzuzwingen.

Die Bestimmungen des Versailler Vertrages hatten die St�rke der Reichswehr auf 100.000 Mann begrenzt; das konnte nicht ohne Folgen f�r deren Struktur bleiben und musste besonders f�r das Offizierskorps von Bedeutung sein. In dessen Reihen war der Adel auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie noch immer stark repr�sentiert. Aber selbst abgesehen von dieser Tatsache trugen viele Faktoren zur Skepsis der Offiziere gegen die Republik bei: nicht zuf�llig blieben die Farben des Heeres auch nach 1918 schwarz-wei�-rot. Allerdings trat an die Stelle des r�ckw�rtsgewandten Blickes auf das wilhelminische Reich seit dem Ende der 20er Jahre immer st�rker etwas Neues: die allgemeine politische Unruhe drang auch in weite Teile des j�ngeren Offizierskorps ein; der Ulmer Reichswehrprozess war da nur deren �u�eres Symptom. Dabei tendierten wohl nur wenige Offiziere zum Nationalsozialismus, verbreiteter waren die Gedanken der „Konservativen Revolution“, jener geistesgeschichtlichen Erscheinung, die am entschiedensten den „Ideen von 1789“ den Kampf angesagt hatte. Stauffenberg selbst war mit diesen Vorstellungen l�ngst in enge Ber�hrung gekommen: mittelbar durch die „B�ndische Jugend“, unmittelbar durch Stefan George. Mochte der Dichter auch eine solche Einordnung seiner Person abgelehnt haben, sachlich war sie unbedingt zutreffend und reichte bis zu der Tatsache, dass George es war, der oft erst in seiner Sprache das Anliegen der „Konservativen Revolution“ formulierte: auf ihn muss wohl ein wesentlicher Teil der ihr eigent�mlichen Verbindung von Politik und Metaphysik zur�ckgef�hrt werden. Bei allen Differenzen in Details war doch den einzelnen Fl�geln der „Konservativen Revolution“ eine scharfe Ablehnung der b�rgerlichen, parlamentarischen Republik gemeinsam und auch hierin unterschieden sich diese politischen Ideen nicht von der Position des Leutnants Stauffenberg: nur hielt er wenig von den fruchtlosen Beschimpfungen, in denen sich seine Freunde gefielen und vermochte in dem Staat von Weimar durchaus eine - wenn auch verzerrte - Gestalt Deutschlands zu erkennen.

Das Jahr 1933

Er teilte deshalb auch nicht die Zustimmung anderer Offiziere zur Machtergreifung der Nationalsozialisten. Zwar wurde lange das Bild vom „jugendlich unreifen Enthusiasten der Hitler-Bewegung“ kolportiert, der sich am 30. Januar 1933 an die Spitze einer begeisterten Menschenmenge gesetzt habe und so durch die Stra�en Bambergs gezogen sei. Doch diese Geschichte beruht ausschlie�lich auf Verwechslung von Personen und Umst�nden. Stauffenberg war niemals Nationalsozialist, weder im formalen Sinne noch als Anh�nger aus irregeleitetem Idealismus. Den jungen Aristokraten aus dem Kraftfeld Georges verband nichts mit der braunen B�rgerkriegsarmee, die das Erbe der ruhmlos zugrunde gegangenen Republik antrat. Er empfand Ekel vor dem Auftreten der SA und ihrer F�hrer, verabscheute Hitler, den er nie anders denn als „Tapezierer“ bezeichnete. Die P�belhaftigkeit und die alles beherrschenden kleinb�rgerlichen Ressentiments waren ihm widerlich: vielleicht sind ihm schon damals Zeilen aus Georges sp�ter so oft zitiertem „Widerchrist“ in den Sinn gekommen:

Der f�rst des geziefers verbreitet sein reich
Kein schatz der ihm mangelt kein gl�ck das ihm weicht
Zu grund mit dem rest der emp�rer!

Ihr jauchzet entz�ckt von dem teuflischen schein
verprasset was blieb von dem fr�heren sein
Und f�hlt erst die not vor dem ende

Dann h�ngt ihr die zunge am trockenen trog
Irrt ratlos wie vieh durch den brennenden hof
Und schrecklich erschallt die posaune

Es war kein in erster Linie politisches Urteil, das Stauffenberg �ber den Nationalismus f�llte, eher die gro�e innere Sicherheit, die es ihm - anders als vielen aus dem „Kreis“ - niemals zweifelhaft werden lie�, wie wenig das „Neue Reich“ des Dichters mit dem „Dritten Reich“ Hitlers zu tun hatte. Dennoch hinderte ihn solche prinzipielle Ablehnung nicht daran, das an dem nationalsozialistischen Deutschland zu bejahen, was ihm als sinnvoll erschien; vielleicht schwang dabei auch etwas von der Hoffnung auf „Metamorphose“ - „L�uterung des D�monischen“ - mit, wie sie George selbst noch bis kurz vor seinem Tod hegte. Der Dichter selbst hatte sich aber, um allen Ehrungen des Staates zu entgehen, der ebenso wenig sein Staat war wie die Republik, in die Schweiz zur�ckgezogen. Obwohl die Zusammenk�nfte mit Claus von Stauffenberg durch dessen Laufbahn in den vergangenen Jahren seltener geworden waren, riss die Verbindung niemals ab: als der so verehrte Meister am 4. Dezember 1933 in Minusio starb, hielten Stauffenberg und seine Br�der die Totenwache.

Vorkriegszeit

In den kommenden Jahren f�hrte Stauffenberg das Leben eines Truppenoffiziers, der sich allein durch Bildung und Pers�nlichkeit von seinen Kameraden unterschied. Am 1. Mai 1933 war er zum Oberleutnant bef�rdert wurden, am 26. September des Jahren heiratete er die Baronesse Nina von Lerchenfeld und endlich 1936 wurde seiner besonderen Begabung Rechnung getragen, als man ihn bis 1938 zur Ausbildung als Generalstabsoffizier an die Berliner Kriegsakademie abkommandierte; danach kam er als Ib zur 1. leichten Division. In dieser „Friedenszeit“ der nationalsozialistischen Herrschaft best�tigten sich Stauffenberg alle d�steren Prophezeiungen �ber den Charakter des Regimes: zwar war er noch bereit, die Morde an den SA-F�hrern vom 30. Juni 1934 als notwendigen Prozess der „Selbstreinigung“ hingehen zu lassen, erwog aber doch schon in einem Gespr�ch mit seinem Eskadronchef die Erfolgschancen eines Milit�rputsches: wie gering diese waren, ist ihm zweifellos bewusst gewesen, auch, dass er - so weit entfernt vom Zentrum der Macht - kaum zum Gelingen der Rebellion beitragen konnte. Stauffenberg erlebte, nach dem Entsetzen �ber die antisemitische Hetze und deren zynisch „Reichskristallnacht“ genannten H�hepunkt vom 9. November 1938, die sog. „Fritsch-Krise“ und die folgende Entmachtung der Armeef�hrung als den Preis, den die Wehrmacht f�r die willige, von ihm stets mit Bedenken verfolgte Kollaboration mit dem Nationalsozialismus bezahlen musste. Ohne Zweifel hat Stauffenberg in diesen Jahren das, was als Wiederaufstieg Deutschlands erschien, begr��t - Aufbau eines neuen starken Heeres, R�ckkehr der Saar, Besetzung des Rheinlandes und schlie�lich die Angliederung �sterreichs - aber das blendete ihn doch nicht f�r die zuk�nftigen Gefahren: das System Hitlers war trotz aller Erfolge gef�hrlich, bedrohte letztlich die Nation.

Vorbild Gneisenau

Es war dieser Impuls, der Stauffenberg zur intensiveren Besch�ftigung mit der M�glichkeit des Umsturzes trieb: auf seine Bitte hielt Rudolf Fahrner - wie er ein fr�heres Mitglied aus dem Kreis Georges - im Januar 1939 vor jungen Offizieren, die Stauffenberg aus seiner Division um sich gesammelt hatte, einen Vortrag �ber Gneisenau. Der gro�e preu�ische Milit�rreformer und General geh�rte seit jeher zu den Vorfahren Stauffenbergs, deren Erbe er sich besonders verpflichtet f�hlte. Es �bte auf ihn Faszination aus, dass ein Offizier an politischen Entscheidungen ma�geblich mitwirken konnte: Stauffenberg war weit entfernt von jenem formalen und nun mehr denn je verantwortungslosen „Nur-Soldat“-Sein, unter dessen Deckmantel der Abstieg der Wehrmacht zum Erf�llungsgehilfen des nationalsozialistischen Regimes begonnen hatte.

Was er suchte und bei Gneisenau fand, war eine Konzeption f�r die Beseitigung des bestehenden politischen Regimes und die Vision eines neuen Beginns. Mehr als die vage Vorstellung von dem Danach konnte es noch nicht geben: die kommende Ordnung sollte eine harmonische Staatsgemeinschaft bringen, beruhend auf korporativem Wirtschaftssystem mit F�rderung von Landwirtschaft und Handwerk, gef�hrt von einer verantwortungsbewussten Aristokratie. Dabei dachte Stauffenberg kaum an eine Restauration seines eigenen Standes, wollte vielmehr die offene Elite, getragen vom ganzen Volk; ihm war unertr�glich, dass „In der Brust von tausend und tausend Menschen...ein gro�er Gedanke (wohnt), dessen aufstrebende Fl�gel seine tiefen Verh�ltnisse formen. W�hrenddem ein Reich in seiner Schmach und Schw�che vergeht, folgt vielleicht in seinem elendsten Dorfe ein C�sar dem Pflug und ein Epameinondas n�hrt sich karg vom Ertrag seiner H�nde.

In dem allem steckte noch viel, das nicht zu Ende gedacht war, viel politisch-unpolitische Romantik. Doch ist das eher bezeichnend als �berraschend. Stauffenbergs Augenmerk richtete sich zuerst auf den Weg und die Mittel, bevor das Ziel in das Blickfeld r�ckte. Er konzentrierte sich auf Gneisenaus Plan einer „deutschen Erhebung“, in der er ein Modell von zeitloser G�ltigkeit fand. Wie f�r den gro�en Preu�en, war auch f�r ihn die Armee - die „Bl�te des Volkes als Heer“ - zentraler Punkt der �berlegungen: ihr sollte die entscheidende Rolle in der Emp�rung gegen die Tyrannei zufallen. In einer wichtigen Frage entfernt sich Stauffenberg aber von Gneisenaus Plan: anders als jener wusste er um die Unm�glichkeit einer das ganze Volk umfassenden Erhebung im Deutschland Hitlers. Scharf hat er formuliert, dass Revolutionen und Erhebungen gegen die Staatsf�hrung nicht einer verantwortungslosen Masse �berlassen werden d�rften, sondern im wirklich notwendigen Fall des Umsturzes Aufgabe einer Anzahl verantwortungsbewusster M�nner seien, die die Kontrolle �ber die Entwicklung behalten m�ssten. Eine „Revolution von oben“ sollte stattfinden, getragen von der die Nation verk�rpernden milit�rischen Elite, durchgef�hrt, die Zwangsherrschaft zu st�rzen und gleicherma�en die Souver�nit�t nach au�en zu sichern. Der Gedanke hat Stauffenberg nicht mehr losgelassen, er wollte das Verm�chtnis Gneisenaus in seiner Zeit vollstrecken. Ahnungsvoll stehen bei Fahrner am Ende die S�tze: „In der Stille aber wirkten seine Sch�pfungen und Taten, sie wirkten noch vieles in sich bergend weiter, zukunftstr�chtig und vielleicht schicksalbestimmend.“

Weltkrieg

Doch der Realisierung seiner Pl�ne standen in den folgenden Jahren immer neue Hindernisse im Weg. Zwar wusste Stauffenberg von der Opposition gr��erer Teile des Offizierskorps, wusste auch von den Umsturzpl�nen im Herbst 1938, aber eine eigene aktive Beteiligung kam f�r ihn, der als Hauptmann einer Heeresdivision so weit vom Mittelpunkt der Macht und der Entscheidung entfernt war, nicht infrage. Stauffenberg hatte zum Zeitpunkt seiner Auseinandersetzung mit Gneisenaus Gedanken l�ngst erfasst, welchen Weg Hitler ging: „Der Narr macht Krieg“ entfuhr es ihm in einem Gespr�ch. Wie die meisten Deutschen f�rchtete er die unabsehbaren Folgen eines milit�rischen Konfliktes mit dem �brigen Europa, verwarf aber auch in solch bedrohlicher Lage den Gedanken, die Nation durch einen Umsturzversuch und nachfolgenden B�rgerkrieg zu gef�hrden.

Als es dann im Herbst 1939 zum Einmarsch in Polen kam, tat Stauffenberg seinen Dienst als Soldat. Die leichten Siege, hier wie im Frankreichfeldzug, verfehlten auch bei ihm nicht die Wirkung. Die Faszination des Erfolges konnte wohl kaum ausblieben: in einem Brief an seine Frau vom 27. Mai 1940 schrieb er: „In unseren K�mpfen bereiten sich die weittragendsten, das Gesicht der alten Welt ver�ndernden Entscheidungen vor...geben sie (die Engl�nder) nicht nach, dann m�ssen wir zum Vernichtungskampf gegen England antreten.“

Auf eine bestimmte Weise war Stauffenberg in dieser Zeit bereit, die nationalsozialistische Herrschaft hinzunehmen, sofern sie Deutschland eine neue Machtstellung eroberte und sicherte. Dabei �bersah er allerdings, dass es kaum irgendwelche �bereinstimmungen in der Frage des Weges, geschweige denn in den Zielvorstellungen zwischen ihm und Hitler gab: Nach der Niederwerfung Frankreichs rechnete Stauffenberg auf einen ma�vollen Frieden, der die Neuordnung Europas unter deutscher Hegemonie erm�glichen sollte. In ihm lebte etwas von dem alten b�ndischen Traum, „dass sich die Gegens�tze zwischen den europ�ischen V�lkern in der Weise von Stammesgegens�tzen austragen und fruchtbar machen lie�en“. Dass Hitler mit solchen Visionen wenig im Sinn hatte, wurde Stauffenberg und vielen anderen, die gleich ihm den Traum vom „Neuen Europa“ getr�umt hatten, rasch und brutal klar gemacht.

Stauffenberg war noch vor Ende der Operationen in Frankreich zum Generalstab des Heeres berufen worden. Das stand durchaus nicht im Einklang mit seinem Wunsch nach Verwendung an der Front, aber es entriss ihn der Bet�ubung durch seinen kriegerischen Aktionismus. Und die Ruhe zum Nachdenken zwang ihn, die sich selbst so lange verheimlichte Wahrheit einzugestehen: Hitler war ein „Sieger ohne Augenma�“, sein mit soviel Erfolg begonnener Weg musste Deutschland in den Untergang f�hren. Das wurde Stauffenberg beim Befehl zum Einmarsch in die Sowjetunion erstmals klar und verdichtete sich bis zur Niederlage in Stalingrad zu ersch�tternder Gewissheit. Mit Hohn bedachte er nun die Gener�le und ihre devote Haltung gegen Hitler, bitter gei�elte er die „Flucht“ an die Front, mit der mancher Generalst�bler die Verantwortung von sich zu w�lzen suchte. Mehr entdeckend als verh�llend f�r den, der noch zu h�ren verstand, zitierte er aus Georges „Spr�chen an die Toten“:

Wenn einst dies geschlecht sich gereinigt von schande
Vom nacken geschleudert die fessel des fr�ners
Nur sp�rt im geweide den hunger nach ehre:
Dann wird auf der walstatt voll endloser gr�ber
Aufzucken der blutschein...dann jagen auf wolken
Lautdr�hnende heere dann braust durchs gefilde
Der schreckliche schrecken der dritte der st�rme
der toten zur�ckkunft!

Wenn je dieses volk sich aus feigem erschlaffen
Sein selber erinnert der k�r und der sende:
Wird sich ihm er�ffnen die g�ttliche deutung
Unsagbaren grauens...dann heben sich h�nde
Und m�nder ert�nen zum preise der w�rde
Dann flattert im fr�hwind mit wahrhaftem zeichen
Die k�nigsstandarte und gr��t sich verneigend
Die hehren als helden!

Doch den Zeitpunkt des Handelns hielt er auch jetzt noch nicht f�r bekommen; der Eindruck von Hitlers Erfolgen auf das Volk war zu gro�. „Noch siegt er zu sehr“ hat Stauffenberg einmal bemerkt und zudem war er davon �berzeugt, man m�sse warten, bis die Zeit gekommen sei, mit „der braunen Pest aufzur�umen“, ohne gleichzeitig die Kriegf�hrung gegen die Sowjetunion und den Kommunismus zu schw�chen.

Auf seinen zahlreichen Reisen als Offizier der Organisationsabteilung im Generalstab hat Stauffenberg aber in dieser Zeit erste Beziehungen zu den Gruppen des Widerstandes gekn�pft: besondere Freundschaft verband ihn mit j�ngeren Offizieren, vor allem mit Henning von Tresckow, dem Herkunft und �berzeugung ebenso Verpflichtung waren wie ihm selbst; unter den zivilen Gruppen war es vornehmlich der „Kreisauer Kreis“ um Graf Moltke, dem er nahe stand. Sein eigener Beitrag zur Opposition war in dieser Zeit vornehmlich die Obstruktion der ihm zu Recht sinnlos erscheinenden Befehle: es steckte darin das letzte Quantum Hoffnung, Hitler von dem milit�risch selbstm�rderischen Weg abzubringen - aber vergeblich.

Wie kaum ein zweiter hatte Stauffenberg von Anfang an erkannt, dass Deutschland allein nie in der Lage sein w�rde, die Sowjetunion niederzuwerfen. Deshalb wollte er den elementaren Widerwillen der unterdr�ckten Nationen gegen das „V�lkergef�ngnis“, in dem zu leben sie gezwungen waren, mobilisieren. Solchen Pl�nen hatte Hitler, befangen in der absurden Vorstellung vom „slawischen Untermenschen“, stets hartn�ckig widersprochen. Trotzdem lie� Stauffenberg in seinen Bem�hungen nicht nach; er war insbesondere an den Vorbereitungen zur Aufstellung der „Russischen Befreiungsarmee“ unter General Wlassow beteiligt, musste aber von einer endg�ltigen Verwirklichung wegen Hitlers unnachgiebiger Haltung absehen. Als die Realisierung der Pl�ne dann aber doch noch zustande kam, nachdem Stauffenberg die Organisationsabteilung l�ngst verlassen hatte, war es zu sp�t: die V�lker unter sowjetischer Zwangsherrschaft standen nach Jahren des Terrors Hitler genauso feindselig gegen�ber wie Stalin.

Widerstand

Nichts konnte mehr verbergen, dass die Kriegf�hrung Deutschlands Untergang bedeutete. Stauffenberg hatte das sp�testens 1942 begriffen. Er l�ste sich von der Vorstellung, den Umsturz bis zum Kriegsende aufzuschieben: „Es gibt nur eine L�sung. Sie hei�t t�ten.“ Der unterschwellig stets pr�sente Gedanke an die „deutsche Erhebung“ Gneisenaus, erg�nz um die eigene Elite-Konzeption, trat erneut an die Oberfl�che: In einem Staatsstreich sollte Hitler abgesetzt und dann hingerichtet werden, die Staatsf�hrung sollte eine Gruppe von Offizieren �bernehmen, die in Verhandlungen mit dem Westen einen Frieden erreichte, der den R�cken f�r die Fortsetzung des Kampfes gegen die Sowjetunion frei machen sollte. Stauffenberg intensivierte seine Kontakte zu den Gruppen des Widerstandes und suchte nach weiteren Verb�ndeten: w�hrend einer Reise an die Ostfront bem�hte er sich, Feldmarschall Manstein f�r seinen Plan zu gewinnen, doch - ohne Erfolg. Gleich allen anderen deutschen Armeef�hrern scheute auch er trotz besserer Einsicht vor einer Entscheidung zur�ck. Resigniert musste Stauffenberg erkennen, dass sein Plan in der urspr�nglichen Konzeption undurchf�hrbar geworden war. Gleichzeitig bedingte auch noch ein �u�erer Umstand die Unterbrechung seiner Vorbereitungen: zum Oberstleutnant bef�rdert, versetzte man ihn Anfang 1943 zur Heeresgruppe Afrika. Bei einem Tieffliegerangriff wurde Stauffenberg schwer verwundet. Es kam einem Wunder gleich, dass er - obzwar verst�mmelt - �berlebte: er verlor ein Auge und die linke Hand, an der rechten blieben ihm nur drei Finger. Stauffenberg hat seine Rettung wohl selbst als Mirakel empfunden, das ihn zur Tat rief. Trotz der von allen Seiten ge�u�erten Bedenken �ber seinen Gesundheitszustand entwickelte er noch im M�nchener Lazarett eine selbst f�r ihn erstaunliche Aktivit�t. Zuerst sagte er General Olbricht, dem Leiter des Allgemeinen Heeresamtes, zu, Stabschef seiner Abteilung zu werden. Dann nutzte er einen kurzen Genesungsurlaub im heimatlichen Lautlingen, um zusammen mit dem Bruder Berthold und dem gemeinsamen Freund Rudolf Fahrner erste Gedanken f�r eine Neuordnung Deutschlands zu sammeln.

Diese „Lautlinger Gespr�che“ waren ihrem ganzen Wesen nach noch provisorisch, kaum vergleichbar etwa den Denkschriften des „Kreisauer Kreises“. F�r Stauffenberg stand die Tat im Mittelpunkt; allein - die ungewollte Mu�e sollte genutzt werden zu gedanklichen Kl�rungen.

Stauffenbergs Ziel war unver�ndert ein neues Deutschland in einem neuen Europa, beruhend auf den eigenen kulturellen Traditionen. F�r seine innenpolitische Konzeption war beherrschend das Bem�hen um eine „Synthese“ von Repr�sentationsprinzip und Korporativismus; eine im Widerstand mit seiner Parteienfeindschaft weit verbreitete Denkfigur. Keinesfalls dachte er an die Restauration der wilhelminischen �ra mit Einsetzung des Adels in seine alten Rechte oder die Wiederherstellung der gescheiterten Weimarer Demokratie. Neben der Vorstellung einer „offenen Elite“ trug das Bild auch unverkennbar patriarchalische Z�ge, verbunden mit gewissen sozialromantischen Vorstellungen: Die Wirklichkeit der industriellen Welt bekam man noch kaum in den Blick. Stauffenberg hoffte, den sozialen Frieden auf eine gro�e Agrarreform, begr�ndet durch freiwilligen Besitzverzicht, st�tzen zu k�nnen und mit besonderer F�rderung des Handwerks zu verkn�pfen. Eine Wiedererrichtung der Gewerkschaften lehnte er ab; sie schienen ihm hinderlich bei der Ausbildung eines Korporativismus mit „neuen sozialen Wirtschaftsformen“, der „humanen Gemeinschaft und gegenseitigen Verantwortung von Unternehmern und Arbeiterschaft“.

Dies alles tr�gt in vielen Teilen den Stempel des Unfertigen; das Bleibende hat Fahrner sp�ter im sog. „Eid“ formuliert: „Wir wollen eine neue Ordnung, die alle Deutschen zu Tr�gern des Staates macht und Gerechtigkeit verb�rgt, verachten aber die Gleichheitsl�ge und beugen uns vor den naturgebenenen R�ngen. Wir wollen ein Volk, das in der Erde der Heimat wurzelt, den nat�rlichen M�chten nahe bleibt, das im Wirken in den gegebenen Lebenskreisen sein Gl�ck und sein Gen�ge findet und in freiem Stolze die niederen Triebe des Neides und der Missgunst �berwindet. Wir wollen F�hrende, die, aus allen Schichten des Volkes erwachsend, verbunden den g�ttlichen M�chten, durch gro�en Sinn, Zucht und Opfer, den anderen vorangehen.“

Sobald sich Stauffenberg einigerma�en von den Folgen der schweren Verwundung erholt hatte, konzentrierte er sich ganz auf die Vorbereitung und Durchf�hrung des Umsturzes. Nachdem der Versuch, Armeef�hrer in die Verschw�rung einzubeziehen, gescheitert war, erarbeitete er zusammen mit seinem Freund Henning von Tresckow im Herbst 1943 einen Plan, der sich auf das Ersatzheer und die Geheimbefehle der Wehrkreise f�r den Fall innerer Unruhen - Kennwort „Walk�re“ - aufbaute. In dieser Zeit kn�pfte er auch immer engere Kontakte zu den einzelnen Kreisen des Widerstandes, ohne sich dabei einem von ihnen anzuschlie�en. Stattdessen sammelte er junge Offiziere, oft adliger Herkunft, in der „Grafengruppe“ um sich. In dieser letzten Phase trat er auch in F�hlungnahme mit Sozialisten wie Leuschner und Reichwein, von besonderer Bedeutung aber war die Begegnung mit dem Sozialdemokraten Julius Leber. Der ehemalige Offizier und Reichstagsabgeordnete der SPD hatte schon 1933 das Fehlverhalten der demokratischen Linken, das seiner Auffassung nach den Aufstieg des Nationalsozialismus wesentlich beg�nstigt hatte, mit Bitterkeit festgestellt. Er h�hnte �ber die grotesken Vorstellungen von „Massenherrschaft“ in seiner fr�heren Partei und forderte eine grundlegende Neubesinnung im deutschen Sozialismus. Was wohl vor allem Leber mit Stauffenberg verband, war das Misstrauen gegen jede lebensfremde Dogmatik und diejenigen, die sich zu Weltanschauungen durchrangen. Gemeinsam spotteten sie �ber die Unfruchtbarkeit von ausschweifenden Neuordnungspl�nen, wie sie die „Verschw�rerkr�nzchen“ produzierten, ohne vergleichbare M�he auf die Frage des Weges zum Ziel zu verwenden. Ein Pragmatismus, nicht zu verwechseln mit Aktionismus, war beiden eigen und lie� sie erkennen, was sich viele f�hrende M�nner des Widerstandes immer noch zu verheimlichen suchten: wollte man zum Erfolg gelangen, musste Hitler get�tet werden. Aber: das Attentat selbst war nicht ihre Aufgabe; im Rahmen des Gesamtplanes sollte eine Gruppe von Offizieren im Hauptquartier den Diktator umbringen.

Das Attentat

Doch der Oktober, der November und der Dezember des Jahres 1943 verstrichen, ohne dass etwas geschehen konnte. Unruhe breitete sich in den Zirkeln des Widerstandes aus und es kam zu Auseinandersetzungen. Dabei brach das stets latente Misstrauen des Kopfes der zivilen Opposition, Goerdeler, gegen den technischen Leiter des Staatsstreiches hervor: Stauffenberg war Goerdeler verd�chtig als ein „politischer Offizier“, der sich - anders als so mancher „Nur-Soldat“ in den Gruppen - einmischte und allen Restaurationspl�nen hartn�ckig widersprach. Der Graf war ein gef�hrlicher „revolution�rer Querkopf“, soviel stand f�r Goerdeler fest. Doch das hinderte Stauffenberg nicht, auch weiterhin den r�ckw�rtsgewandten Blick gro�er Teile der b�rgerlichen Opposition scharf zu kritisieren und sogar die Eignung Goerdelers als pr�sumtiven Reichskanzler anzuzweifeln, um an dessen Stelle den Sozialisten Leber als zuk�nftigen Regierungschef vorzuschlagen. Auf diesen letztgenannten ist es wohl auch zur�ckzuf�hren, dass bei Stauffenberg in der letzten Phase vor dem Attentat eine „�ffnung nach links“ einsetzte. Zweifellos war daf�r urspr�nglich das Motiv ausschlaggebend, einer von der Sowjetunion gesteuerten „nationalbolschewistischen“ Revolte den Boden zu entziehen, doch erkannte Stauffenberg auch allm�hlich, wie notwendig es war, die Wirklichkeit der modernen Industriegesellschaft zu akzeptieren, ohne sich in Agrarromantik zu fl�chten. Die f�r ihn als Aristokraten ungewohnte Begegnung mit der Arbeiterbewegung setzte einen - wenn auch unabgeschlossen gebliebenen - Lernprozess in Gang: die vordem so scharf abgelehnten Gewerkschaften erhielten nun ihren Platz bei der zuk�nftigen politischen Neuordnung. Seine Vorstellungen wandelten sich mehr und mehr zum Korporativismus zu einem Modell des „personalistischen Sozialismus“, wie er auch von Mitgliedern des Kreisauer Kreises verfochten wurde.

Die Rolle des politischen Vordenkers musste Stauffenberg aber rasch v�llig den anderen �berlassen. Seit Anfang 1944 begann er fieberhaft nach M�glichkeiten zu suchen, den Umsturz doch noch zu realisieren. Dabei richtete er sein Augenmerk vor allem auf die au�enpolitischen Bedingungen des Staatsstreiches. Viel Hoffnung setzte er in den Antikommunismus Churchills, und als sich das als Chim�re erwies, glaubte er noch immer, man k�nnte Eisenhowers Unwillen gegen das „unconditional surrender“ mobilisieren und im Westen von „Heeresf�hrer zu Heeresf�hrer“ verhandeln, um eventuell im Osten gemeinsam weiterzuk�mpfen. Solche Gedanken hat Stauffenberg selbst noch nach dem 6. Juni 1944, dem Zeitpunkt der Invasion der Alliierten in der Normandie, vorgetragen und erst als die Aussichtslosigkeit dieser Pl�ne endg�ltig unabweislich wurde, sah er in der Verst�ndigung mit der Sowjetunion eine allerletzte Chance, Deutschland zu retten. Indes, die Kontaktversuche des Widerstandes blieben insgesamt erfolglos, wohl vor allem, weil jeder Landesverrat abgelehnt wurde und die Verbindung mit dem Osten durch die Verhaftung der Saefkow-Gruppe zusammenbrach. So blieb das ganze Unternehmen auch au�enpolitisch ein Sprung ins Dunkle.

Dass dieser Sprung dennoch gewagt werden musste, war f�r Stauffenberg nicht zweifelhaft. Als das Attentat immer wieder verschoben wurde und nach mehreren vergeblichen Anl�ufen keine infrage kommende Person mehr zur Verf�gung stand, �bernahm er im M�rz 1944 auch diese Aufgabe selbst. Dass das kaum die beste L�sung des zentralen Problems war, d�rfte sich Stauffenberg selbst wohl eingestanden haben: seine schwere Behinderung machte den sichersten Weg - das Pistolenattentat - ungangbar, ein Selbstopfer bei Verwendung von Sprengstoff kam nicht infrage, weil seine Anwesenheit in Berlin unbedingt notwendig war, um das Gelingen des Staatsstreiches zu sichern, er zudem in der provisorischen Regierung ein Amt �bernehmen musste.

Als die Alliierten in Frankreich landeten und der Zusammenbruch der Ostfront zu einer schrecklichen Gewissheit wurde, wuchs dem Zeitfaktor eine immer gr��ere Bedeutung zu. Sollte �berhaupt noch etwas gerettet werden, musste man unverz�glich handeln. Hinzu kam auch noch die wachsende Gefahr des Entdecktwerdens, nachdem - nicht zuletzt wegen Goerdelers grotesker Unvorsichtigkeit - dieser und andere f�hrende M�nner des Widerstandes verhaftet worden waren. Im Juli des Jahres 1944 sind dann die Vorbereitungen endlich abgeschlossen, es blieben allerdings zahlreiche Unsicherheitsfaktoren in zentralen Punkten. Stauffenberg machte einen ersten Versuch am 6., einen weiteren am 11. des Monats auf dem „Berghof“ Hitlers in Berchtesgaden. Doch jedes Mal wurde die Ausf�hrung durch unvorhergesehene Zwischenf�lle verhindert. In den letzten Tagen vor dem entscheidenden Datum ist Stauffenberg wohl mehr und mehr zu Bewusstsein gekommen, dass selbst ein Gelingen des Staatsstreiches Deutschland nicht mehr retten konnte. Solcher drohenden Resignation hatte sein Freund Henning von Tresckow schon fr�her entgegnet: „Das Attentat muss erfolgen, coute que coute. Sollte es nicht gelingen, so musste trotzdem in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichg�ltig.

In Stauffenberg wuchs die schmerzliche Gewissheit, dass die Tat keinen unmittelbar praktischen Zweck mehr haben w�rde, dass es vielmehr darum ging, ein Zeichen f�r den ethischen Willen eines anderen, des „geheimen Deutschland“ zu setzen.

Am Abend des 19. Juli befahl Stauffenberg seinem Fahrer, vor einer Kirche zu halten. Er betrat sie, um die Beichte abzulegen, und kehrte dann in sein Quartier zur�ck. Am n�chsten Morgen sollte er als Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres im „F�hrerhauptquartier Wolfsschanze“ Vortrag �ber die sog. „Sperrdivisionen“ - eine letzte Reserve f�r die zusammenbrechende Ostfront - halten. Im Verlauf der Besprechung gelang es Stauffenberg, eine mit Sprengstoff - allerdings nur der halben vorgesehenen Menge - gef�llte Aktentasche in der sog. „Lagebaracke“ unterzubringen. Dann verlie� er das Hauptquartier, in der festen �berzeugung, dass die Sprengwirkung Hitler t�ten w�rde, und flog nach Berlin zur�ck. Dort sollten die Mitverschworenen die Aktion „Walk�re“ anlaufen lassen, mit deren manipulierten Weisungen f�r den Fall „innerer Unruhen“ man der Lage Herr zu werden hoffte. Doch weder General Olbricht, noch Oberst Mertz von Quirnheim, die f�r diesen Teil des Planes verantwortlich waren, hatten das Format Stauffenbergs: sie z�gerten in ihrer Unentschlossenheit mit der energischen Durchf�hrung und rasch konnte sich darum die Nachricht vom �berleben Hitlers verbreiten. Die erste Entscheidung gegen den Umsturz fiel bereits, bevor Stauffenberg mit seinem Flugzeug in Berlin landet. Als er im Amt des Befehlshabers des Ersatzheeres in der Bendlerstra�e eintraf, fand er dort nur Niedergeschlagenheit und Resignation. Mit der ihm eigenen Energie riss er die F�hrung ganz an sich und suchte in fieberhafter Eile einzelne milit�rische Befehlsstellen unter seine Kontrolle zu bringen. Doch in den Abendstunden wurde immer deutlicher, dass der Aufstand gescheitert war, das Regime erneut gesiegt hatte. Die Lage der Verschw�rer war aussichtslos, in ihrem Inneren hatten die meisten schon aufgegeben und nur Stauffenberg blieb ungebrochen: er suchte immer noch nach M�glichkeiten, eine Wende herbeizuf�hren, scheiterte aber endlich ebenso am Defaitismus seiner Umgebung wie an der unerbittlichen Macht der Tatsachen.

Das B�se konnte mit Hilfe des Opportunismus einen weiteren Sieg erringen: nachdem sich die Lage eindeutig zugunsten des NS-Regimes aufgekl�rt hatte, lie� Generaloberst Fromm, der Befehlshaber des Ersatzheeres, Stauffenberg, den Zeugen seiner eigenen schwankenden Haltung, zusammen mit Mertz, Olbricht und Haeften, einem weiteren Verschw�rer, von einem eilig gebildeten Standgericht zum Tode verurteilen. Um Mitternacht des 20. Juli 1944 trat im Innenhof des Bendlerblocks das Erschie�ungskommando an; doch durch das Krachen der Salve brach der Ruf Stauffenbergs: „Es lebe unser heiliges Deutschland!“

Verm�chtnis und Auftrag

Stauffenberg hat erfahren m�ssen, was es bedeutet, wenn die politische Ordnung den Zusammenhang mit ihrem Fundament, ihrer konservativen Substanz, verliert. Er wusste um die Gef�hrdung des Staates durch die Machtergreifung totalit�rer Prinzipien, denen es gelingt, die Mehrheiten hinter sich zu bringen. Doch er reagierte auf das Zeitalter der Massen weder mit Resignation noch mit politischer Nostalgie - nichts schien ihm so absurd wie die Restauration fr�herer Zust�nde, �ber die die Zeit l�ngst das Urteil gesprochen hatte. Darum suchte er neue Antworten auf neue Fragen mit dem Streben nach Bindung, Halt und Identit�t zu verkn�pfen. Das Problem von Ver�nderung und Erhalten in der Dynamik der technischen Welt hat ihn wie alle Denker der „Konservativen Revolution“ bewegt; er wusste, „dass nur der dauernde Kampf und das dauernde Streben nach Erneuerung vor dem Untergang rettet - dies um so mehr, je gr��er das schon Erreichte ist - und dass Beharren, Erhalten und Tod identisch sind“.

Stauffenberg suchte nach dem Standpunkt au�erhalb von Modernismus und Reaktion, um eine �ffnung nach vorn m�glich zu machen, dem Identit�tsverlust im Industrialismus die Nation, die aus ihr erwachsende soziale Verpflichtung und das ihr gem��e System von Werten und Normen entgegenzusetzen. Mit dem Ethos seiner Tat hat er den Anfang gesetzt: als er starb, trug er nur zwei Dinge bei sich, ein Kreuz und einen Ring mit dem George-Zitat „finis initium“ - „ich bin ein end und ein beginn“.

Zur Startseite!