Großdeutschland am Galgen

 

TAG DER RACHE

 

Unter den 55000 Luftkriegstoten Hamburgs war eine Frau Langer mit ihren drei Kindern. Ihr Mann, Gefreiter bei einer Wacheinheit auf Borkum, erschoß aus Rache sieben notgelandete US-Flieger und fiel kurz vor Kriegsende. Aber das C.I.C. brauchte lebende Mörder und klagte 15 an dem Flieger-Mord unschuldige Männer an. Fünf von ihnen wurden zum Tod verurteilt und in Landsberg gehenkt.
Am frühen Morgen des 3. Dezember 1948 stand Erich Wentzel auf der Klappe des Galgens im Gefängnis Landsberg am Lech. Mehrmals war seine Hinrichtung aufgeschoben worden. Seit Wochen kämpften hohe Würdenträger beider Kirchen, Wentzels Familie und deutsche Journalisten und Juristen um sein Leben. Sein Verteidiger hatte Freispruch wegen erwiesener Unschuld gefordert. Aber das Gericht hatte ihn zum Tod durch den Strang verurteilt, als einen der fünf Hauptschuldigen am Tod der amerikanischen Flieger. Wie war es zu so widersprüchlichen Beurteilungen des Tatbestandes gekommen?

Was war an jenem 4. August 1944 auf der Nordsee-Insel Borkum wirklich geschehen?

An diesem Tag flog ein beschädigter US-Bomber des Typs Fortress II die Insel an und wurde von der Flak zur Notlandung gezwungen. Sieben Besatzungsmitglieder überlebten und wurden gefangen genommen. Oberleutnant Wentzel erhielt von dem Inselkommandanten den Befehl, die Amerikaner zu verhören.Während Wentzel das Verhör vorbereitete, erteilte der Kommandant Befehle für den späteren Abtransport der Gefangenen zum Seefliegerhorst. Dort sollten die sieben Flieger dem Luftwaffenkommando zum Weitertransport auf das Festland übergeben werden. Wie ernst es dem Kommandanten mit dem Abtransport wirklich war, muß dahingestellt bleiben: Er legte nachdrücklich Wert darauf, daß den Wachmannschaften, dem Bürgermeister und der Polizei der berüchtigte (?) Goebbels-Erlaß ins Gedächtnis gerufen wurde. Der Erlaß verbot den Wachmannschaften, Übergriffe der Bevölkerung gegen abgeschossene feindliche Flieger mit Waffengewalt zu verhindern. Ein Feldwebel erhielt den Befehl, mit sieben Soldaten den Gefangenentransport zum Seefliegerhafen zu führen.

Auf dem Weg zum anderen Ende der Insel mußten die Gefangenen die Hände hoch oder gefaltet auf dem Kopf halten. Sie gingen. einzeln in weiten Abständen, jeder wurde von einem Marinesoldaten mit geschultertem Gewehr begleitet. Oberleutnant Wentzel und der Feldwebel gingen hinter dem Zug her. Es war sehr heiß. Ein paar Badegäste standen auf und betrachteten die Amerikaner mit feindseligen Blicken. Wentzel begleitete den Feldwebel bis kurz vor die ersten Hotels und erklärte ihm noch einmal den Weg. Dann ging er zu seinem in der Nähe abgestellten Fahrrad und fuhr davon. Als er sich noch einmal umdrehte, bog der Gefangenentransport doch in die falsche Straße ein. Wentzel fuhr zurück und korrigierte die Marschrichtung. Bei dieser Gelegenheit traf er, ebenfalls auf dem Fahrrad, einen anderen Offizier und fuhr mit ihm zusammen in Richtung Bahnhof. Plötzlich sahen die beiden eine Gruppe von Zivilisten, aus welcher der Borkumer Bürgermeister herausragte. Der Transport kam auf die Gruppe zu. Die Leute stürzten sich auf die Gefangenen und schlugen auf sie ein. Auch die Männer der Wachmannschaft schlugen zu.

Wentzel wühlte sich in das Gedränge und brachte es fertig, daß der Transport weitermarschieren konnte.Einer der Gefangenen war niedergeschlagen worden. Wentzel sorgte dafür, daß er Erste Hilfe bekam. Dann fuhr er in Richtung Dorf-Hotel davon, um seinem Chef die Vorfälle zu melden.
Wentzels Chef hatte selber ein paar Jugendliche geohrfeigt, weil sie den Fliegern die Beine gestellt hatten.Als Wentzel das Haus verließ, hörte er vom Rathaus her einen Schuß. Er lief hin und erfuhr, daß ein Soldat den verletzten Flieger erschossen habe.

 

Der Amoklauf des Gefreiten

Als der Gefreite Langer die Amerikaner zum ersten Mal sah, hatte er noch ein paar Minuten Wachdienst im Russenlager Borkum. Der Mann, dem alles genommen worden war - Familie, Beruf, Gesundheit, Lebensfreude -, dieser Mann war dem durch den Anblick der Flieger ausgelösten Ansturm der Gefühle nicht gewachsen. Er vertauschte den Karabiner mit der Dienstpistole und hetzte hinter den Gefangenen her. Am Rathaus sah er eine Gruppe von Zivilisten. Er drängte sich nach vorn und stand plötzlich vor der Trage, auf welcher der verletzte Flieger lag. Langer zog die Pistole und tötete den Mann mit einem Kopfschuß.

Das war der Schuß, der Oberleutnant Wentzel aufgeschreckt hatte. Langer drängelte sich sofort wieder aus dem Menschenknäuel heraus und ging zielstrebig in Richtung Sportplatz. Unmittelbar beim Eingang fand er die übrigen sechs Gefangenen und ihre Bewacher. Sie machten gerade eine kurze Marschpause. Die Amerikaner standen zwanglos zusammen und unterhielten sich. Von Langer nahmen sie kaum Notiz.

Der Rest geschah so schnell, daß niemand später den Verlauf genau beschreiben konnte. Der Amokläufer schoß einen Flieger nach dem anderen nieder. Selbst die Amerikaner kamen offenbar nicht auf die Idee, zu fliehen oder sich zu wehren. Sie müssen vor Entsetzen gelähmt gewesen sein.
Langer hetzte zurück ins Russenlager und dort in den Dienstraum seiner Vorgesetzten. Hier legte er die leergeschossene Pistole auf den Tisch und berichtete stammelnd über seine Tat. Dann brach er zusammen. Sein Geständnis wurde noch am gleichen Tag protokolliert und von ihm unterschrieben.
Angeblich wurde Langer einer Bewährungseinheit zugeteilt und soll im Februar 1945 an der Westfront gefallen sein.

Als später das C.I.C. zu ermitteln begann und kein Mörder aufzutreiben war, mußten Unschuldige zu Mördern gestempelt werden.
Das grausame Verwirrspiel begann allerdings bereits am Tag der Tat. Es erschwerte dem späteren US-Gericht die Wahrheitsfindung und erleichterte ihm die Wahrheitsbeugung. Langer hatte die sieben Morde gestanden, aber der Feldwebel und seine Soldaten behaupteten, die letzten sechs Gefangenen seien von Zivilisten erschlagen worden.

Warum?

Man muß vermuten, daß die Bewacher eine Notlüge brauchten: Wenn Zivilisten die Flieger erschlagen hatten, konnten sie sich auf den Goebbels-Erlaß berufen, der verbot, Zivilisten bei Ausschreitungen gewaltsam zu hindern. Gaben sie aber zu, daß ein Soldat die sechs Männer erschossen hatte, dann traf der Goebbels-Erlaß nicht mehr zu, dann galt wieder, daß Gefangene zu schonen und zu schützen sind. Mit anderen Worten: Dann hatten die Bewacher versagt.
Oberleutnant Wentzel erfuhr den wahren Sachverhalt erst spät abends und meldete ihn am nächsten Morgen seinem Vorgesetzten, der seinerseits den Inselkommandanten benachrichtigte. Dieser verbot noch am gleichen Tag, "über die gestrigen Vorfälle beim Gefangenentransport zu sprechen."
Die Verwirrung wurde totgeschwiegen und auf diese Weise konserviert. Nach Kriegsende kam sie wieder an die Oberfläche. Das C.I.C. übernahm es, für Aufklärung zu sorgen. Aber daraus wurde erst ein Skandal und dann eine Tragödie. Am 26. Mai 1945 wurde der Bürgermeister von Borkum zur englischen Militärregierung bestellt. Er war als Anhänger Hitlers bekannt und rechnete nicht damit, so bald wieder nach Hause zu kommen. Er rechnete aber auch nicht damit, daß die "Einladung" etwas mit der Ermordung der amerikanischen Flieger zu tun hatte. Doch gerade das war der Hauptgrund: Die englische Militärregierung hatte eine Anzeige erhalten, in welcher der Bürgermeister als Haupttäter genannt war.


Eine gute Woche nach der Verhaftung, von der der Bürgermeister nie mehr zurückkommen sollte, trafen Angehörige des C.I.C., das für Mord an US-Staatsbürgern zuständig war, auf Borkum ein. Die nächsten Verhaftungen erfolgten am 12. Juni - vier Männer aus dem Begleitkommando des Gefangenentransports. Aber diese Männer wurden nach einem nächtlichen Verhör wieder nach Hause geschickt. Trotzdem breiteten sich jetzt Angst und Mißtrauen aus. Die vier Soldaten kamen mit Kopf- und Gesichtswunden in ihre Baracken zurück. Über das Verhör verloren sie kein Wort.
Einen Tag später wurde auch Erich Wentzel erstmals vernommen. Weitere drei Tage später wurde er aus einer Geburtstagsfeier heraus verhaftet. Die anderen Offiziere waren schon vorher abgeholt worden. Sämtliche Privatsachen einschließlich der Trauringe wurden ihnen abgenommen. Dabei wurden sie geschlagen und getreten wie bei den ersten Verhören. Aber das war nur die Ouvertüre. Die Eskalation kam sehr schnell. Es konnte eigentlich kein Zweifel daran bestehen, daß zu dieser Zeit die Urteile bereits gefällt waren.

 

Zeitraffer:

16. Juni 1945: Spießrutenlaufen aller Inhaftierten durch eine 500 Meter lange Gasse, mehrere Stich- und Schlagverletzungen.

17. Juni 1945: Erneutes Spießrutenlaufen über 500 Meter bis zu einem Boot. Abtransport zum Festland.

Während der nächsten Tage: Transport mit dem Mastwagen von Emden ins Moorlager Esterwegen; zwei Wochen Einzelhaft in ungeheizten Dunkelzellen; Verlegung in ein Zeltlager, Schlafen auf blankem Moorboden; Trennung der Borkum-Gefangenen voneinander; weitere "harte" Verhöre; Krankheit und Hunger, Gewichtsabnahme bis zu siebzig Pfund in vier Monaten.

22. August 1945: der Feldwebel, inzwischen aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, wird an seinem Arbeitsplatz vom C.I.C. verhaftet; ein Kapitänleutnant wird zweimal verhört, bleibt bis nach Prozeßbeginn inhaftiert und wird schließlich freigelassen.

Der Prozeß gegen die "Verbrecher von Borkum" - als solche waren die Angeklagten längst eingestuft - fand in Ludwigsburg bei Stuttgart statt. Ein Prozeß, in dem es nicht um Schuld und Sühne ging, sondern um nackte, demonstrative Rache, um Schuldbeweise für siebenfachen Mord, die mit legalen Mitteln nicht zu erbringen waren, weil der siebenfache Mörder nicht mehr lebte. Und natürlich auch, weil von Anfang an falsche Aussagen zur Sache gemacht worden waren.

Es ist bittere Ironie, daß ausgerechnet jene, welche die erste Falschaussage gemacht hatten, um sich noch vor der deutschen Militärgerichtsbarkeit zu retten - die Wachmannschaft, in Ludwigsburg sich nur noch einmal retten konnte, wenn sie ihren Vorgesetzten, den Feldwebel, ans Messer lieferte. Er kam an den Galgen, sie kamen "nur" für 4, 5, 6 und 11 Jahre ins Gefängnis.

Es spricht für die klare Zielsetzung der amerikanischen Ermittler und Ankläger, daß sie ausgerechnet jene Leute, die selber die US-Flieger geschlagen hatten, statt die Bevölkerung davon abzuhalten, und die einen einzelnen Mann nicht daran zu hindern vermochten, sieben Gefangene zu erschießen, daß sie ausgerechnet diese Männer als entscheidende Zeugen heranzogen. Diese "Zeugen" belasteten auch Erich Wentzel, jenen Mann, der sich geweigert hatte, den Feldwebel und seine Männer zu belasten, der sich, von den Verhören zermürbt, eher selbst belastete als irgend einen anderen Menschen. Dafür, daß er das nicht tat, ging er zwei Wochen in Dunkelhaft. Danach brach er zusammen und kam ins Lazarett. Von dort aus durfte er endlich seiner Frau auf einer Postkarte schreiben, daß er von den Amerikanern gefangen gehalten werde. Das hatte Wera Wentzel allerdings schon erfahren, als sie Ende August auf der Suche nach ihrem Mann auf Borkum gewesen war.

In der dritten Januarwoche 1946 wurden die Gefangenen ins Militärgefängnis Ludwigsburg verlegt. Dort hörten sie erstmals von einem bevorstehenden Prozeß gegen den Bürgermeister von Borkum und andere. Die Anklage lautete auf Ermordung von sieben kriegsgefangenen US-Fliegern auf der Insel Borkum. Zwei Wochen später begann der Prozeß. Außer den 15 deutschen Verteidigern, die kaum zu Wort kamen, waren drei amerikanische Offiziersverteidiger bestellt. Sie vermieden es, sich auch nur ein einziges Mal mit den deutschen Juristen zu beraten. Und sie waren, wie alle Angehörigen des Gerichts, nicht Juristen, sondern US-Offiziere.


Die deutschen Verteidiger erhielten die Anklageschrift erst, als sie - von einem auf den anderen Tag berufen - zum ersten Mal zu ihren Klienten in die Zellen gebracht wurden. Als der Zivilverteidiger Wentzels in Gegenwart des amerikanischen Verteidigers mit seinem Klienten über die Vorkommnisse auf Borkum sprach und dieser gerade seine eigene Rolle bei den Ereignissen beschreiben wollte, unterbrach der Amerikaner schroff das Gespräch. Er zwang den deutschen Juristen, die Zelle zu verlassen. Ähnliches geschah in fast allen Zellen. Trotzdem sahen Angeklagte wie Verteidiger recht optimistisch in die Zukunft: Was da an Zeugenaussagen stand, war angesichts der sehr vagen Anklage - freilich mit dem ungeheuerlichen Hintergrund des mehrfachen Mordes - kaum dazu angetan, als Beweise gewertet zu werden. Der Prozeß dauerte sechs Wochen und drei Tage, die Verhandlungsdauer betrug pro Tag sieben Stunden. Eine Aussprache unter vier Augen zwischen den deutschen Verteidigern und ihren 15 Klienten war in der ganzen Zeit nicht möglich. Und wenn die Angeklagten vor Gericht zu Wort kamen, dann nur, um Fragen so kurz wie möglich zu beantworten. Jegliche ausführliche Darstellung wurde ihnen schroff untersagt, sofern sie nicht ausdrücklich verlangt worden war. Und das geschah immer dann, wenn eine frühere, unter Faust- und Kolbenhieben entstandene (oft auch "korrigierte") Aussage zum Thema bereits vorlag.

Als Wentzel im Kreuzverhör vom Ankläger gefragt wurde, ob er nicht die moralische Pflicht gehabt habe, den Gefangenen zu helfen, konnte er nur antworten: "Jawohl! Ich habe ja auch ..." Hier unterbrach ihn der Ankläger. Erich Wentzel hatte seine letzte Antwort gegeben.
Dieses Gericht brauchte keine vollständigen Antworten mehr. Ihm lagen für jede Situation unter Folter erpreßte und teilweise auch gefälschte oder falsch übersetzte Antworten vor. Sieben Tote forderten eine angemessene Rache. Und der Mörder war nicht da, war tot. Man brauchte andere Schuldige. Der Sechs-Wochen-Prozeß in Ludwigsburg lieferte sie.

 

General Clay schweigt

Am 20. März 1946 hielten die Ankläger ihre Schlußplädoyers -ohne zeitliches Lmit. Den Verteidigern wurden ganze zehn Minuten zugestanden. Außerdem wurde ihnen zur Auflage gemacht, ihre Plädoyers in englischer Sprache und in achtfacher Ausfertigung für Richter und Ankläger vorzulegen.
Der Vertreter der Anklage, Captain John A. May, forderte nach einer Rede, die ein Gemisch aus Melodram und zügelloser Beschimpfung war, die Todesstrafe für alle Angeklagten.

Vielleicht war der Antrag ein letzter Versuch, dem Prozeß einen dünnen Mantel von Objektivität umzuhängen. Denn im Vergleich zu diesem schauerlichen Antrag erschien das Urteil großmütig: Fünfmal Tod durch Erhängen; lebenslängliches Gefängnis; 25 Jahre; 20 Jahre; 18 Jahre; 11 Jahre; 6 Jahre; 5 Jahre; 4 Jahre; 2 Jahre. Ein 15. Angeklagter wurde sogar freigesprochen.

Wentzels Frau Wera und sein Bruder Kurt hatten schon während des Prozesses, als das eindeutige Ziel der Gerichtstaktik erkennbar wurde, einen verzweifelten Kampf um Gerechtigkeit und Wahrheit begonnen. Jetzt, nach dem skandalösen, unfaßbaren Urteil, kannten sie kein anderes Ziel mehr, als den unschuldig Verurteilten vor dem Galgen zu retten, nachzuweisen, daß in Ludwigsburg nicht Gerechtigkeit geübt, sondern Rache verübt worden war.
Die Verurteilten wurden nach Landsberg am Lech gebracht. Die dortige staatliche Strafanstalt war als Hinrichtungsstätte für in den Kriegsverbrecher-Prozessen zum Tod Verurteilte vorgesehen.
Wera und Kurt Wentzel schöpften immer wieder Hoffnung. Immerhin hatte selbst der US-Richter Simpson nach genauer Prüfung des Falles erklärt:
"Der Borkum-Prozeß bedarf eingehender Prüfung, die zu einer Änderung des Urteils führen muß. Im Fall Wentzel scheint ein Freispruch möglich."
Deutlicher konnte diese Rachejustiz kaum gekennzeichnet werden: "Freispruch möglich" hier, "Tod durch den Strang" da - die erste Äußerung freilich stammt von einem Juristen, das Urteil fällten juristisch absolut ungebildete Militärs. "Der Ruf des amerikanischen Volkes", sagte ein anderer US-Richter, "steht auf dem Spiel".


Erich Wentzel hatte von dem verzweifelten Tauziehen nichts weiter als unendliche Qual. Man zog ihm das rote Hemd - in dem alle Delinquenten hingerichtet wurden - an und wieder aus. Es wurde allgemeiner Hinrichtungsstop angeordnet und wieder aufgehoben. So zweifelhaft erschien allen Deutschen wie Amerikanern das Todesurteil gegen Wentzel, daß sein Fall bis vor das Oberste Bundesgericht der USA kam. Aber es erklärte sich als nicht zuständig.
Wentzel wartete weiter. Seine Frau und sein Bruder kämpften weiter. Sogar einige Amerikaner taten alles, um ihnen zu helfen. Aber General Lucius D. Clay, Mitglied des Alliierten Kontrollrats in Deutschland und Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone, lehnte gegenüber Leuten, die abgeschossene US-Flieger ermordet hatten, jegliche Nachsicht ab.

Das mag verständlich sein. Unverständlich bleibt, daß er sich nicht einmal um einen Fall kümmerte, in dem - sehr vorsichtig ausgedrückt - beträchtliche Zweifel bestanden, daß der Betroffene, Erich Wentzel, mit dem Tod der US-Flieger auch nur das geringste zu tun hatte. General Lucius D. Clay antwortete auf keine Petition. Schließlich ließ er sich verleugnen, bis das Urteil an Erich Wentzel vollstreckt war. Das geschah am Morgen des 3. Dezember 1948. Seine letzten Worte vor dem Tod drücken aus, daß er die Lehren einer unheilvollen Zeit begriffen hatte:


"... was meinen Kindern mitgegeben werden soll, ist das Bewußtsein der menschlichen Unzulänglichkeit und die Notwendigkeit, unablässig an der Verbesserung der Gemeinschaft der Menschen zu arbeiten."

Fritz Langour

Das III. Reich, Nachkrieg, Nr. 58 (ca. 1976), S. 246 ff.

 

SS-Gruppenführer Otto Ohlendorf

SS-Gruppenführer und Polizei-General Otto Ohlendorf war einer der letzten Landsberger Todeskandidaten. Nach sechs Jahren der körperlichen und seelischen Martern wurde er am 7. Juni 1951 hingerichtet. Im Angesicht des Todes sagte Otto Ohlendorf:
"Was ich in dieser Stunde zu sagen habe, habe ich schon andernorts getan und brauche es nicht zu wiederholen. Ich möchte nur eines wünschen, daß die Saat des Hasses, der Lüge und des Urrechts, die hier gesät worden ist, keine bitteren Früchte trage. Möge aus dem heutigen Geschehen nichts erwachsen, was die Verständigung in unserem Volk und zwischen den Völkern verhindert! Es ist mein Wunsch, daß sich die gutwilligen Menschen aus unseren Völkern zusammenfinden, damit der breiten Flut der Zerstörung, die über uns hereingebrochen ist, Einhalt geboten werde.
Und ein letztes: Es soll sich keiner auf mein Leben oder mein Sterben berufen anders als zum Guten!"

Nach: Große Prüfung, hrsg. v. Dr. Hans Severus Ziegler, National-Verlag, Hannover 1972, S. 145

 

Das Martyrium von Oswald Poh1

SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Oswald Pohl, seit 1926 Nationalsozialist, leitete von 1942 bis 1945 das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt. Oswald Pohl wurde bereits in Nürnberg der Prozeß der Sieger vor einem amerikanischen Militärtribunal gemacht, nachdem man ihn schrecklich gefoltert und u.a. mit Rasierklingen das Gesicht zerschnitten hatte. Als ihm auch noch Salz in die Wunden gestreut worden war, unterzeichnete Pohl wahrheitswidrige Erklärungen, die er vor Gericht widerrief. Dennoch wurde Oswald Pohl von den Amerikanern zum Tode verurteilt und am 7. Juni 1951 in Landsberg als "Kriegsverbrecher" hingerichtet. Seine letzten Worte unter dem Galgen lauteten:

"Deutschland, hüte dich vor deinen Freunden!"

Die sterblichen Überreste von Oswald Pohl ruhen auf dem Friedhof in Landsberg-Spötting.

Das Bild zeigt Oswald Pohl (in der hellen Jacke) mit seinem Verteidiger Dr. Alfred Seidl bei einem Verhör durch Vernehmungsoffiziere us-amerikanischer Staatsangehörigkeit

Nach: Deutsche National-Zeitung, Nr. 27 vom 01. Juli 1983, Seite 3

 

Oberst Hans-Ulrich Rudel bei den Toten von Landsberg

... und es scheint mir wie eine Bestätigung dieser Gespräche, als ich am nächsten Morgen mit Roesch und Hack in Landsberg ankomme, der Stadt, in der so viele Märtyrer eines aufrechten Deutschtums tapfer und gefaßt unter dem Galgen standen oder heute noch in der Festung gefangengehalten werden. Sind wir es nicht diesen Männern schon schuldig, daß wir endlich alles Trennende überwinden und nur noch Deutschland sehen, nichts weiter als Deutschland? Roesch zeigt mir von außen die Stelle, wo der Galgen gestanden hat, an dem noch 1957 sieben Opfer einer verspäteten Siegerrache in vorbildlicher Haltung gestorben sind.
Wir stehen eine Weile und sprechen kein Wort. Aber ich habe mich seit meiner Heimkehr nirgendwo Deutschland so nahe gefühlt wie hier.

Hans-Ulrich Rudel, Trotzdem, Kriegs- und Nachkriegszeit, Verlag K. W. Schütz, Göttingen 1966 (Neuauflage), S. 472

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