Großdeutschland am Galgen

 

DIE MORD-JUSTIZ VON NÜRNBERG

 

Nürnberger Todesurteile vollstreckt

Hinrichtung in den frühen Morgenstunden -Göring verübt Selbstmord

Nürnberg, 17. Oktober (DANA, Reuter)

Am Mittwoch, dem 16. Oktober, zwischen 1 und 4 Uhr morgens, sind zehn der vom Internationalen Militärtribunal in Nürnberg zum Tode verurteilten Hauptkriegsverbrecher in der Turnhalle des Nürnberger Gefängnisses durch den Strang hingerichtet worden. Hermann Göring hat am Dienstagabend um 10.45 Uhr mit Zyankali Selbstmord begangen. Die Viermächtekommission für Hauptkriegsverbrecher hat folgendes amtliches Kommunique herausgegeben:
"Die vom Internationalen Militärtribunal am ersten Tag des Oktober 1946 über die nachfolgend aufgeführten Kriegsverbrecher ausgesprochenen Urteile, wurden heute in unserem Beisein vollstreckt: Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Alfred Rosenberg, Ernst Kaltenbrunner, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher, Fritz Sauckel, Alfred Jodl, Arthur Seyß-Inquart. Hermann Wilhelm Göring beging um 22.45 Uhr am 15. Oktober 1946 Selbstmord.
Der Ministerpräsident von Bayern, Dr. Wilhelm Högner, und der Generalstaatsanwalt von Nürnberg, Dr. Jakob Leistner, wohnten in ihrer offiziellen Eigenschaft als Zeugen für das deutsche Volk den Hinrichtungen bei und sahen Hermann Wilhelm Görings Leichnam.
Gezeichnet: Die Viermächtekommission für Kriegsverbrecher."

Die Verurteilten hatten die Zeit ihrer Hinrichtung erfahren, als der Chef der Sicherheitsabteilung in Nürnberg, Oberst B. C. Andrus, eine halbe Stunde vor Mitternacht ihre Zellen betrat, um das Todesurteil zu verlesen. Außer den acht Berichterstattern, die als Vertreter aller Korrespondenten in Nürnberg der Exekution beiwohnten, waren vier Vertreter der Alliierten Kontrollkommission zugegen. Die Vollstreckung der Todesurteile verlief ohne Zwischenfälle.Alfred Rosenberg und Julius Streicher hatten geistlichen Zuspruch bis zuletzt abgelehnt. Nachdem der Tod des letzten Verurteilten, Seyß-Inquart, um 2.57 Uhr festgestellt worden war, wurde Görings Leiche in die Hinrichtungskammer gebracht, damit sich die Anwesenden von seinem Tod überzeugen konnten.


DIE NEUE ZEITUNG, Nr. 83 v. 18. Oktober 1946, S. 1

 

Shylock als Henker

... Das IMT hatte seine Hauptaufgabe verfehlt, künftigen Kriegen dadurch vorzubeugen, daß man den Krieg und die Kriegführenden als verbrecherisch verurteilte. Die jahrtausendealte Friedenssehnsucht der Menschheit, gipfelnd in Kants Postulat "Vom Ewigen Frieden", wurde 1946 noch bitterer enttäuscht als 1919 die Hoffnungen auf einen Völkerbund und seine Friedensaufgabe.
Seit man 1945 in Nürnberg beteuerte, den Frieden für immer sichern, den Krieg für immer verhindern zu wollen, sind über 130 Kriege in 40 Ländern verbrochen worden, an denen die Nürnberger Anklagemächte mittelbar oder unmittelbar beteiligt waren. Noch während des Nürnberger Prozesses hat eine der anklagenden Supermächte, die Sowjetunion, das niederbrechende Japan mit einem Angriffskrieg überfallen. Daß man in Nürnberg deutsche Politiker und Generale dennoch wegen "Verbrecher gegen den Frieden" beschuldigt und gehenkt hat, belastet das Internationale Militär-Tribunal mit dem größten Justizskandal der Weltgeschichte.

 

Angreifer als Ankläger

Das IMT hat beim Anklagepunkt "Verbrechen gegen den Frieden" nirgends klar unterschieden zwischen Verteidigungs-, Präventiv- und Angriffskrieg. Nur der letztere, der Angriffskrieg, hätte als "Verbrechen" gelten können. Einer der mutigsten Verteidiger in Nürnberg, Rechtsanwalt Dr. Kranzbühler, hat eindeutig festgestellt: "Weder der Krieg mit England, noch der mit Frankreich, noch der mit den USA ist von dem Internationalen Militär-Tribunal als deutscher Angriffskrieg gekennzeichnet worden." ("Rückblick auf Nürnberg", Seite 346) Da aber nach den Gesetzen der Logik in jedem Krieg eine Seite der Angreifer gewesen sein muß, sind bereits in Nürnberg indirekt England, Frankreich und die USA des Angriffskrieges überführt worden.
Dieses Verbrechen der Aggression, begangen durch Daladier, Churchill und Roosevelt, wiegt weit schwerer als die Schuld einzelner Kriegsverbrecher. In jedem Krieg gibt es Entartungserscheinurgen, und die Kriegsgesetze reichen aus, um sie zu bestrafen. Eine gerechte Bestrafung aber wäre nur eine gleiche Bestrafung aller Kriegsverbrecher in allen kriegführenden Mächten. Die größten Kriegsverbrechen, der Bombenterror und der atomare Massenmord, blieben in Nürnberg tabu.
Mit verdächtigem Pathos hatte Morgenthaus Jackson vor dem IMT verkündet: "Dieses Gesetz wird hier zwar zunächst auf deutsche Angreifer angewandt, es schließt aber ein und muß, wenn es von Nutzen sein soll, den Angriff jeder anderen Nation verdammen, nicht ausgenommen die, die jetzt hier zu Gericht sitzen."


Wäre dies ehrlich gewesen, hätte Jackson sofort die Sowjetunion wegen des gleichzeitigen Angriffskrieges gegen Japan anklagen müssen.
Sir Hartley Shawcross, der die vom IMT konstruierten postfactum-Gesetze als "Meilenstein in der Geschichte der Menschheit" 1946 hochgejubelt hatte, mußte 21 Jahre später, 1967 eingestehen: "Noch trauriger stimmen die zynischen Verletzungen des in Nürnberg geschaffenen Völkerrechts, die wir inzwischen erleben mußten: Korea, Ungarn, Kaschmir, Algerien, Kongo, Vietnam. Unsere Hoffnungen von Nürnberg, wir hätten beim Übergang in eine friedliche Welt unter der Herrschaft des Rechts mitgeholfen, haben sich nicht erfüllt."

(Vergleiche Gründler/Maninowski, "Das Gericht der Sieger", Seite 20)


Kriegsverbrecher als Richter

In den über 130 militärischen Aktionen seit 1945, die jeweils von Aggressionen ausgingen, wurde auch ein Vielfaches jenen Terrors verübt, den man in Nürnberg als Kriegsverbrechen verurteilte, allerdings nur gegenüber Deutschen. Und fast überall waren Amerikaner direkt oder indirekt beteiligt.
Einer der Hauptschuldigen an den Nürnberger Justizverbrechen, Telford Taylor, hat über seine Geständnisse im Washingtoner Kongreß hinaus in seinem Buche "Nürnberg und Vietnam" gebeichtet: "Wir haben es irgendwie nicht geschafft, die Lektionen zu lernen, die wir in Nürnberg lehren wollten" (Seite 241). Dieser ambivalente Gentleman unterschlug nur, daß man dort nicht nur "Lektionen" erteilt, sondern Justizmorde verübt hatte.

Am 16. Oktober 1946 endete Shylocks Rache-Tribunal mit der makaberen Hinrichtungsszene. Die Sowjets hatten die Vollstreckung den Amerikanern überlassen. Der amerikanische Armee-Henker, Sergeant Woods, war ihr Büttel. Er prahlte damit, bereits 347 Menschen exekutiert zu haben. Woods mußte aber zugeben, er habe nie Männer tapferer sterben gesehen als jene Deutschen.
Der trainierte Henker indessen hatte bei der Ermordung deutscher Offiziere und Politiker versagt. Oder war das Absicht? Die meisten der Toten von Nürnberg lagen mit Verletzungen und zerschlagenen Gesichtern auf ihren Bahren. Der Gerichtsberichterstatter des Londoner "Star" verrät, "daß für die Hingerichteten nicht genug Fallraum vorhanden gewesen war, so daß ihr Genick nicht richtig gebrochen und sie langsam erwürgt wurden". Der Galgen des amerikanischen Henkers war also ein Würgegalgen. Unter anderen war der Reichsaußenminister von Ribbentrop erst nach 14 Minuten tot, die Erwürgung des Generalobersten Jodl dauerte 16 Minuten...

 

"... alles für Deutschland!"

Die letzten Worte der ermordeten:

Ribbentrop: "Gott schütze Deutschland! Mein letzter Wunsch ist, daß Deutschland wieder einig werde ..."

Generalfeldmarschall Keitel: "Ich folge meinen Söhnen, alles für Deutschland! ..."

Dr. Seyß-Inquart: "Ich glaube an Deutschland!"

Reichsinnenminister Dr. Frick: "Es lebe das ewige Deutschland!"

Dr. Kaltenbrunner: "... Ich habe nach den Gesetzen meines Landes meine Pflicht getan ... Ich kämpfte ehrenhaft!"

Julius Streicher rief den Würgern grimmig zu: "Heil Hitler -Purimfest 1946 !"

Fritz Sauckel: "Ich sterbe unschuldig, mein Urteil ist ungerecht. Gott beschütze Deutschland!"

Generaloberst Jodl in soldatischer Haltung: "Ich grüße dich, mein Deutschland!"

Als Alfred Rosenberg das Schafott bestieg, fragte ihn der amerikanische Gefängnisgeistliche Henry F. Gerecke: "Darf ich jetzt für Sie beten?" Rosenberg erwiderte lächelnd: "Nein, danke!" Mit schweigender Verachtung ging er zum Würgegalgen. "Dieser Mann starb wie ein Stoiker", anerkannte der Geistliche.

Die Leichen wurden verbrannt und die Asche nach alttestamentarischem Ritual verstreut. Man warf sie in Solln bei München in den Conventz-Bach. Am Schandplatz hängt noch heute ein Schild: "Betreten dieses Grundstückes verboten!"


Von den toten Helden konnte man auch noch die Asche zerstören. Ihr geistiges Vermächtnis aber lebt und wird bis in alle Zukunft ihre Ankläger anklagen.

Heinrich Härtle, KLÜTER BLÄTTER, 32. Jg. (1981) , Heft 10, S. 6 ff.


Dr. Wilhelm Frick

Dr. Wilhelm Frick erklärte am 31.8.1946 in seinem Schlußwort vor dem Nürnberger Tribunal:

"Der Anklage gegenüber habe ich ein reines Gewissen. Mein ganzes Leben war Dienst am Volk und Vaterland. Ihnen habe ich meine besten Kräfte in treuester Pflichterfüllung gewidmet. Ich bin überzeugt, daß kein patriotischer Amerikaner oder Angehöriger eines anderen Landes anders gehandelt hätte; denn jede andere Handlungsweise wäre Bruch meines Treueides, wäre Hoch- und Landesverrat gewesen."

DIE NEUE ZEITUNG, Nr. 70 v. z. September 1946, S. 1

Dr. Wilhelm Frick als Reichsinnenminister im Jahre 1934


Alfred Rosenberg

Alfred Rosenberg führte in seinem Schlußwort vor dem Nürnberger Tribunal am 31.8.1946 u.a. aus:

"Der Nationalsozialismus vertrat den Gedanken einer Überwindung des volkzersetzenden Klassenkampfes und der Einheit aller Stände in einer großen Volksgemeinschaft. Er stellte zum Beispiel durch den Arbeitsdienst die Ehre der Handarbeit an der Muttererde wieder her und richtete die Augen aller Deutschen auf die Notwendigkeit eines starken Bauerntums. Er bildete im Winterhilfswerk eine Kameradschaft der ganzen Nation für alle in Not geratenen Volksgenossen, ohne Rücksicht auf frühere Parteizugehörigkeit. Er baute Mütterheime, Jugendherbergen, Gemeinschaftshäuser in den Fabriken und führte Millionen an noch ungekannte Schätze der Kunst heran. Dem allen diente auch ich. Nie aber habe ich neben meiner Liebe zu einem freien und starken Reich die Pflicht gegenüber dem ehrwürdigen Europa vergessen. Zu seiner Erhaltung und friedlichen Entwicklung rief ich schon 1932 in Rom auf, und für den Gedanken der inneren Gewinnung der Völker Osteuropas kämpfte ich, als ich 1941 Ostminister wurde, solange ich es vermochte. Ich kann deshalb in der Stunde der Not der Idee auch meines Lebens, dem Ideal eines sozial befriedeten Deutschlands und eines seiner Werte bewußten Europas nicht abschwören und bleibe ihr treu.
Der bei allen menschlichen Unzulänglichkeiten ehrliche Dienst für diese Weltanschauung war keine Verschwörung, mein Handeln niemals ein Verbrechen, sondern ich verstand auch meinen Kampf, wie den Kampf der vielen Tausenden von Kameraden, geführt für die edelste Idee, um die seit über 100 Jahren gerungen und eine Fahne erhoben wurde."

Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 14. November 1945 - 1. Oktober 1946, hrsg. vom Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 1948, Bd. 22, S. 436

Alfred Rosenberg als Reichsleiter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei


Julius Streicher

Im Sommer 1945 zirkulierte in der amerikanischen Armee eine Fotografie, die Julius Streicher nackt zeigte, mit einem über die Schulter geworfenen Militärmantel, von Schlägen geschwollenen Hoden, einer Stacheldrahtkrone auf dem Kopf und einem Schild mit der Aufschrift: "Julius Streicher, König der Juden". Trotz dieser Tortur und ständiger Quälereien seitens seiner Bewacher im luxemburgischen Mondorf bekannte er sich in seinem Testament am 3.8.1945 zum Nationalsozialismus und zum Führer. Julius Streicher schrieb:

"Der Führer ist nicht tot! Er lebt weiter in der Schöpfung seines gottnahen Geistes. Sie wird überdauern das Leben derer, die vom Schicksal dazu verdammt waren, den Führer nicht zu verstehen, als er noch lebte. Sie werden ins Grab sinken und vergessen werden. Der Geist des Führers aber wird hinauswirken in die Zeit und seinem versklavten Volk und einer verführten Menschheit zum Erlöser werden."

Dieses Bekenntnis brachte Julius Streicher in Nürnberg den Tod.

Julius Streicher in seiner Nürnberger Todeszelle


Nach: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 26. Jg. (1978) , Nr. 4, S. 662 u. S. 693

 

Albert Speer berichtet

1. Oktober 1946

Kurz darauf (nach der Verkündung des Urteils) befahl mir ein amerikanischer Leutnant schroff, Bettzeug, Tisch und meine wenigen Habseligkeiten in eine neue Zelle im oberen Stockwerk zu bringen. Auf der engen eisernen Wendeltreppe begegnete ich Heß, als er gerade seinen Tisch hochstemmte: "Was haben Sie bekommen, Herr Heß?" Er sah mich abwesend an: "Keine Ahnung, wahrscheinlich die Todesstrafe. Ich habe nicht hingehört."

16. Oktober 1946

Zu unbestimmter Stunde wachte ich auf. Im unteren Flur hörte ich Schritte und unverständliche Worte. Dann Stille, und dahinein der Aufruf eines Namens: "Ribbentrop!" Eine Zellentür wird aufgeschlossen, dann Unruhe, Wortfetzen, Scharren von Stiefeln und hallende Schritte, die sich langsam entfernen. Ich bekomme kaum Luft, sitze jetzt aufrecht auf meiner Pritsche, ich höre mein Herz laut schlagen, gleichzeitig wird mir bewußt, daß meine Hände ganz kalt sind. Schon kommen die Schritte zurück, jetzt der nächste Name: "Keitel!" Wieder geht eine Zellentür auf, wieder Unruhe, und wieder verliert sich der Nachhall der Schritte. Name auf Name wird genannt. Mit einigen verband mich gemeinsame Arbeit und wechselseitige Achtung, einige standen mir fern und haben kaum meinen Weg gekreuzt. Wieder Schritte: "Streicher!" Eine laute, erregte Erklärung folgt. Aus unserem Geschoß ruft es: "Bravo, Streicher!" Der Stimme nach ist es Heß. Unten geht der Aufruf der Namen weiter. Ich kann die Zeit nicht abschätzen; es mögen Stunden gewesen sein. Ich saß mit gefalteten Händen.

17. Oktober 1946

Wir Übriggebliebenen sind heute morgen in das untere Geschoß gezogen. Dort mußten wir die Zellen der Gehenkten aufräumen. Die Eßgeschirre standen noch auf den Tischen, ein paar Reste der kargen Henkersmahlzeit, Brotkrümel, halb geleerte Blechnäpfe. Papiere lagen zerstreut, die Decken waren in Unordnung. Nur die Zelle von Jodl war aufgeräumt, die Bettdecke sauber zusammengefaltet. An einer Zellenwand der Kalender von Seyß-Inquart, auf dem er selbst seinen letzten Lebenstag, den 16. Oktober, mit einem Kreuz versehen hat.
Nachmittags wurden Schirach, Heß und mir Besen und Scheuertücher ausgehändigt. Wir wurden aufgefordert, einem Soldaten zu folgen, der uns in eine leere Turnhalle führte. Es war der Raum, in dem die Hinrichtungen stattgefunden haben. Aber der Galgen war bereits abgebaut, die Stätte gesäubert und aufgeräumt. Trotzdem sollten wir den Boden fegen und aufwischen. Aufmerksam verfolgte der Leutnant unsere Reaktion. Ich bemühte mich, Fassung zu bewahren, Heß nahm vor einer dunklen Stelle auf dem Boden, die wie ein großer Blutfleck aussah, Haltung an und erhob die Hand zum Parteigruß.

Albert Speer, Spandauer Tagebücher, Propyläen Verlag, Berlin 1975, S. 15, 24 u. 25

 

Als Zeuge in Nürnberg

Bei uns im Nürnberger Gefängnis waren schon viele gehängt worden, und weitere Prozesse gingen ihrem Abschluß entgegen. Viele aus unserem Zeugenflügel wurden zu Angeklagten.
Ein Mann, der als Zeuge unter uns saß und früher einen höheren Posten in der Ernährungswirtschaft innehatte, schickte dem ehemaligen Staatssekretär Backe in die Einzelhaft einen Brief, in dem er ihn bat zu bestätigen, daß er stets ein Gegner Hitlers gewesen sei. Backe sollte ihm das möglichst ausführlich und "an Eides statt" erklären. Backe schrieb zurück, er sei bereit, ihm an Eides statt nur eine einzige Erklärung abzugeben - eine andere könne er nicht verantworten - und diese laute: er habe noch nie einen charakterloseren Lumpen gekannt als ihn.
Backe war zweifellos ein hervorragender Fachmann und ein makelloser Mensch gewesen. Leider starb er kurz darauf bei uns im Gefängnis als ein Opfer von Feiglingen und Denunzianten.
Manche der Besten verloren die Nerven, erhängten sich auf irgendeine raffinierte Art oder sie sprangen vom obersten Stockwerk hinunter auf das Pflaster des großen Korridores. Ich selbst erlebte gerade in jenen Tagen wie ein angesehener deutscher General, der mit den anderen Generalen des Generalsprozesses durch unseren Bau geführt wurde, plötzlich und blitzschnell aus der Reihe ausbrach - die eiserne Wendeltreppe hinaufjagte - bis oben unters Dach, zirka achtzehn Meter hoch - dort eine Leiter ergriff und sie an den von da aus noch hochaufragenden Drahtzaun legte - auf ihr mit rasender Geschwindigkeit hinaufkletterte - und dann aus höchster Höhe - im Hechtsprung - herunterschoß. Er landete dicht neben mir, vor den Füßen eines Postens, der ihn hätte bewachen sollen und nun fast von ihm erschlagen worden wäre. Der General war bald tot. Einer von uns.Wir hatten schon manchen Toten in diesem Hause sehen müssen und jedesmal gab es uns wieder einen Ruck. Als an diesem Abend alle in ihre Zellen eingeschlossen waren -so wie es immer um einundzwanzig Uhr geschah -, hörte man bald in unserem Wing von ganz oben ein Lied, das wir alle kannten. Einer hatte es angestimmt und bald sangen es viele. Mächtig schallte der Gesang durch alle Flügel des großen Zuchthauses. Es war das Treuelied der SS "Wenn alle untreu werden - so bleiben wir doch treu". Wir merkten nicht, daß sich einige davon ausgeschlossen hatten. Am nächsten Morgen wurden dann alle die, bei denen der Gesang vermutlich angefangen hatte, in jenen Wing abgeführt, in dem es nur strenge Einzelhaft gab.
Ich glaube, kein Staatsbegräbnis hätte dem General ein würdigeres Ehrengeleit geben können - als diese Demonstration - als das von uns gesungene Lied.

Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe, Zwischen Krone und Kerker, Limes Verlag, Wiesbaden 1952, S. 423 f.

 

Nürnberg 1946

Ihr nennt euch Richter, doch ihr seid nur Henker
Und gegen des Gewissens Stimme taub.
Ihr haßt das Volk der Dichter und der Denker.
Mit uns soll Deutschland knien vor euch im Staub.
Ihr tut so stolz, ihr großen Wortemacher.
Ihr sprecht von Gott, vor Freiheit und von Recht
Und treibt mit Gott und Recht und Freiheit Schacher,
Indem ihr die Besiegten schuldig sprecht.
Laßt euer Urteil ruhig in der Tasche.
Wir wissen längst, es ist um uns geschehen.
Doch werden einmal noch aus unsrer Asche
Die Rächer dieses Mordes auferstehn.
Ihr seid Gefang'ne eures eignen Tuns.
Es wird auch dafür einen Zahltag geben.
Wir haben unser Nürnberg hinter uns.
Ihr müßt das eure noch erleben.

Deutsche Wochenzeitung vom 14. Oktober 1966, Zit. nach: Deutsche Stimme, Nationaldemokratische Zeitung, Nr. 10/1980 - Vermutlich stammt das Gedicht von dem finnlandschwedischen Dichter Hans Berndtson

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