Zeitgeschichte + Hintergründe

 

„Die Kommenden“ - Geschichte einer bündischen Zeitschrift

Verfasser: Richard Schapke, im September 2004

Bereits um die Wende zum 20. Jahrhundert existierte in der Berliner Bohéme ein lebensreformerischer Kreis namens „Die Kommenden“, der sich um den Dichter Peter Hille und nicht zuletzt um den Anthroposophen Rudolf Steiner scharte. Die Bestrebungen, jenseits der bürgerlichen Konventionen nach neuen Lebens- und Organisationsformen zu suchen, blieben bekanntlich nicht ohne Einfluss auf die entstehende Jugendbewegung.

Um die Jahreswende 1925/1926 wurde im thüringischen Mühlhausen die Zeitschrift „Die Kommenden. Großdeutsche Zeitung und Nachrichtenblatt der deutschen Jugendbewegung“ etabliert. Maßgeblich beteiligt waren die zur Bündischen Jugend gehörenden „Adler und Falken“ unter ihrem Bundesführer Wilhelm Kotzde sowie der Bund der Geusen. Um die Zeitung formierte sich nach und nach ein Kreis nationalsozialistischer und nationalrevolutionärer Jugendgruppen, die sich nicht in die entstehende Hitler-Jugend eingliedern wollten. Unter den wechselnden Chefredakteuren dieser Jahre ist vor allem Erich Müller zu nennen, 1933 Herausgeber einer auch heutzutage relativ bekannten Broschüre über den „Nationalbolschewismus“. Der Verlag „Die Kommenden“ wurde damals als „Waffenlager für den Kampf um das Dritte Reich“ beworben. Im Mai 1927 war die Gruppe um „Die Kommenden“ in eine Revolte innerhalb der norddeutschen HJ gegen die Plauener Reichsjugendführung verwickelt: „Alle aktivistischen revolutionären Elemente der deutschen Jugend rufen wir auf, sich endlich freizumachen von der Bevormundung durch reaktionäre und marxistische Verbände. Euer Platz ist in den Reihen derer, die in leidenschaftlichem Kampf um die Neugestaltung des deutschen Volkes und Staates in nationalem und sozialistischem Geiste stehen. Zerreißt die Fesseln bürgerlicher Feigheit und marxistischer Lüge!

Ungeachtet dessen bewegte das Blatt sich auch weiterhin im Dunstkreis der NSDAP. Verstärkt wurde diese Tendenz, als sich im Sommer 1929 Werner Lass und Hans-Gerd Techow mit ihrer Freischar Schill der Zeitschrift annäherte. Bei Werner Lass handelte es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter des „Vormarsches“ und engen Bekannten Ernst Jüngers. Techow wiederum war seinerzeit als Mitglied der Organisation Consul in den Mord Reichsaußenminister Rathenau verwickelt; 1928/29 stand er in Kontakt zu Joseph Goebbels und veröffentlichte einige Aufsätze im „Angriff“. Die Freischar, eine Abspaltung der Schill-Jugend des populären Freikorpsführers Gerhard Roßbach, strebte damals - ähnlich wie die Gruppe um „Die Kommenden“ - nach der Bildung einer von der als reine Parteijugend empfundenen HJ unabhängigen bündischen Organisation im Geiste des Nationalsozialismus. Der anfänglich durch NS-Studentenführer Baldur von Schirach, Alfred Rosenberg und nicht zuletzt durch den Berliner Gauleiter unterstützte Plan zur Bildung einer „intellektualisierten“ und elitären NS-Jugendbewegung führte immerhin zu Verhandlungen mit Hitler persönlich, die allerdings im Sande verliefen. Das Ergebnis war eine jahrelange publizistische Fehde zwischen den Bündischen und der Hitlerjugend; ungeachtet dessen blieben „Die Kommenden“ Führerorgan bei der HJ, und den Geusen gelang es, nicht unerheblichen Einfluss auf den NS-Schülerbund zu gewinnen.

Im Herbst 1929 schaltete sich in den „Kommenden“ kein Geringerer als Ernst Jünger in die Debatte ein, die sich nicht zuletzt um den Legalitätskurs Adolf Hitlers drehte. Jünger übte scharfe Kritik an der ablehnenden Haltung der NSDAP zur rechtsterroristischen Landvolkbewegung und machte sich gar über Antisemitismus und Antikommunismus lustig. Der Antisemitismus war in seinen Augen keine wesentliche Fragestellung für einen revolutionären Nationalisten. Jüngers Angriffe setzten sich auch in Ernst Niekischs „Widerstand“ fort. Den Vorkämpfern des Neuen Nationalismus sollte die geistige Vorbereitung des neuen Staates zukommen. Schriften wirken laut Jünger auf Dauer besser als die auf der Rednergewalt beruhende Massenpropaganda der NSDAP. Lehre und Verkündigung durch den Neuen Nationalismus sollte die praktische Verwirklichung durch den Nationalsozialismus gegenüberstehen. Die Kritik sollte als aufbauend begriffen werden, Jünger wünschte der NSDAP „von ganzem Herzen“ den Sieg. „Aber wir wissen auch, dass er seinen Sieg nur dann erfechten kann,...wenn er auf jeden Zusatz aus den brüchigen Resten einer vergangenen Zeit verzichten wird.“ Es handelte sich um eine deutliche Absage an den Kurs des bereits damals mit reaktionären Elementen kokettierenden Hitler.

Folgerichtig übernahmen am 3. Januar 1930 Ernst Jünger und der vorübergehend wegen des Verdachts auf Verwicklung in die Bombenanschläge der Landvolkterroristen inhaftierte Werner Lass die Herausgeberschaft der „Kommenden“, die kurz zuvor durch den Thüringer Verleger Erich Röth aufgekauft worden waren. Die neuen Herausgeber strebten die Bildung einer nationalevolutionären Einheitsfront von Frontsoldaten und Bündischer Jugend an, ihre Agitationsbasis waren die zahlreichen bündischen Jugendverbände mit ihren rund 56.000 Mitgliedern, die NS-Parteilinke und die Überbleibsel der „Vormarsch“-Leserschaft. Als Chefredakteur fungierte bisher Kotzdes Schwiegersohn Hans Teichmann, der seinen Sessel nun an Karl O. Paetel abgab, einen sowohl durch den Neuen Nationalismus wie auch durch die „Deutsche Glaubensbewegung“ Jakob Wilhelm Hauers beeinflussten bündischen Intellektuellen. Sein Stellvertreter wurde Hans-Gerd Techow. Jünger und Lass ließen ihrem Chefredakteur völlig freie Hand, was dieser dazu nutzte, „Die Kommenden“ zum Vehikel der Bildung einer neuen Bewegung aus Bünden, Nationalrevolutionären und NSDAP-Parteilinker zu machen. Phasenweise diskutierten Paetel, Teichmann und das Redaktionsmitglied Heinz Gollong auch den Beitritt zur KPD, da die NSDAP unter Hitlers Führung zur Beseitigung des kapitalistischen Systems vollkommen unfähig sei. Ein weiterer Mitarbeiter war übrigens der nach dem Krieg als marxistischer Intellektueller zu Ansehen gelangte Wolfgang Abendroth.

Paetel brachte „Die Kommenden“ auf einen scharf nationalrevolutionären Kurs, unterstützte aber zugleich auch die Bestrebungen Otto Strassers innerhalb der NSDAP. An dem von Paetel herausgegebenen „Handbuch der deutschen Jugendbewegung“ beteiligte sich die HJ bereitwillig mit einer Selbstdarstellung. Der Kreis um „Die Kommenden“ war im März 1930 an der „Aktion der Jugend“ beteiligt, als in allen größeren Städten Deutschlands die nationalsozialistischen und nationalrevolutionären Jugendverbände unter der schwarzen Fahne der Landvolkbewegung gegen den Young-Plan und die Reparationszahlungen protestierte. Nach wüsten Angriffen auf Reichspräsident Hindenburg (an der Kampagne beteiligte sich auch das Goebbels-Hausorgan „Der Angriff“) und entsprechenden Gegenreaktionen konstatierte Paetel zufrieden, dass sich die Trennung von nationaler Bourgeoisie und Revolutionärem Nationalismus immer weiter vollziehe. Kurz darauf meldete sich in den „Kommenden“ auch Fritz Kloppe als Bundesführer des „Wehrwolf“ zu Wort und erklärte nicht den Bolschewismus, sondern die internationale Hochfinanz und ihre deutschen Verbündeten zum Hauptfeind: „Schlagt sie, wo ihr sie trefft!“ Prompt kam es seitens der NS-Parteirechten zu ersten Angriffen gegen Paetel und „Die Kommenden“. Angesichts der Radikalisierung warnte Reichswehrminister Groener die Truppe vor den linksnationalistischen Tendenzen der Zeitschrift.

Die „Nationalsozialistischen Briefe“ Otto Strassers veröffentlichten am 15. Mai 1930 den ursprünglich in „Die Kommenden“ erschienenen Artikel „Literaten“ von Wolf Lerson (Pseudonym Paetels), der hier noch einmal die Haltung der Nationalrevolutionäre zur NSDAP verdeutlichen soll. Lerson führte aus, die Literatenverachtung vieler jüngerer NS-Führer sei ein Fehler. Sie beweise „ein völliges Missverstehen dessen, was als Deutsche Revolution vor uns als Aufgabe, Verpflichtung und Tatsache steht. Es sollte sich doch langsam herumgesprochen haben, dass immer, wenn in der Weltgeschichte sich Umwälzungen vorbereiten, die Literaten ein halbes Jahrhundert vorher die Dynamik des Zeitalters in Worte zu fassen...versuchten. Die französische Revolution brach aus, als die Ideen der Enzyklopädisten die alte Gesellschaft sturmreif gemacht und die Bourgeoisie mit neuen Forderungen erfüllt hatten. Rousseau und Voltaire sind ebenso ihre Väter wie Robespierre und Danton. Und die Väter der russischen Revolution haben nicht nur Bomben geworfen, sondern fast ein Jahrzehnt in den Schweizer Emigrantencafés diskutiert und Flugschrift über Flugschrift geschrieben. Ist es ein Zufall, dass die russische Revolution schließlich von einem Schriftsteller wie Lenin, die faschistische von einem Journalisten wie Mussolini durchgeführt wurde? Die Deutsche Revolution als geistig-seelische Umwandlung unseres Jahrhunderts kündigt sich an in den Schriften Moeller van den Brucks, Spenglers, Niekischs, Winnigs, Ernst Jüngers und vielen anderen ebenso wie in den Blutzeugen von München, Leuna, Berlin...

An Pfingsten gründete Paetel zusammen mit u.a. Teichmann und Gollong die Gruppe Sozialrevolutionärer Nationalisten GSRN. Die Gruppe war in die Abspaltung von Otto Strassers „Revolutionären Nationalsozialisten“ von der NSDAP im Juli 1930 verwickelt, wollte man doch das Landvolk, die Parteilinke und die nationalrevolutionären Gruppen zu einer neuen revolutionären Front zusammenschließen. Unter der Prämisse, dass Strasser eine eindeutig sozialistische Richtung einzuschlagen hatte, wollten „Die Kommenden“ seinen Anhängern ihre Zeilen öffnen. Dieser Versuch war jedoch infolge der taktischen, strategischen und menschlichen Inkompetenz Otto Strassers zum Scheitern verurteilt. Interessant ist die Spekulation, was geschehen wäre, wenn man stattdessen auf den ebenfalls mit Hitler unzufriedenen Berliner Gauleiter Goebbels gesetzt hätte.

Der Historiker Gerhard Schulz bemerkt hierzu: „Doch die Gefahr, dass aus diesen Ansätzen eine Bewegung erwachsen könne, blieb angesichts des begrenzten Kreises der Anhänger dieser Gruppen gering...Offensichtlich versuchten diese Gruppen..., größeren Einfluss auf Führer und Anhänger des Nationalsozialismus zu gewinnen und in eine von der Parteileitung unabhängige Richtung zu drängen.(...) „Wahrscheinlich fühlten sich manche nationalrevolutionäre Intellektuelle den Führern der NSDAP auch nicht ohne Grund weit überlegen, so dass sich in ihre Verachtung der zu parlamentarischen Wahlen antretenden Parteien auch eine Unterschätzung Hitlers einmischte. Viele wähnten sich eher berufen, an die Spitze der nationalen Bewegung zu treten.“

Paetels radikaler Kurs führte „Die Kommenden“ in eine ernste Krise. Die Abnehmerzahlen gingen zurück, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, dass die Zeitschrift von der Reichsjugendführung als Feindblatt eingestuft wurde. Seine einseitige Favorisierung parakommunistischer Elemente sorgte zudem für Verärgerung bei Mitarbeitern, Leserschaft und Herausgebern. Ende August musste Paetel auf Druck des Verlegers Erich Röth die Hauptschriftleitung der „Kommenden“ niederlegen (er gab ab Januar 1931 „Die sozialistische Nation“ heraus). Nach seinem Ausscheiden rückten Jünger und der neue Chefredakteur, Paetels bisheriger Vize Hans-Gerd Techow, die Zeitschrift wieder etwas mehr in die Nähe der NSDAP. Dieser Kurs wurde auch ab Mitte November unter dem Chefredakteur Theodor Adamheit, einem ehemaligen Kommunisten, beibehalten. Die begrenzte Wiederannäherung an die NSDAP zeigt sich darin, dass Goebbels im Oktober 1930 mit Ernst Jünger und Franz Schauwecker Verhandlungen um die gemeinsame Herausgabe eines Feuilletons für den „Angriff“ führte. Zudem beteiligten sich Angehörige des Jünger-Kreises aktiv an der NS-Kampagne gegen den Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ und an Radauszenen während einer Rede Thomas Manns, während Aktivisten der Freischar Schill zusammen mit nationalsozialistischen Studenten in SPD-Versammlungen randalierten. Dennoch betonte Werner Lass noch im Dezember 1930, dass die NSDAP lediglich ein notwendiges Durchgangsstadium auf dem Wege zur nationalen Revolution darstellte.

Den nächsten Tiefschlag brachte der Februar 1931, als der ehemalige Freikorpsführer Gerhard Roßbach die zum Kreis um „Die Kommenden“ gehörenden Gebrüder Hoven aus seinem Bund Ekkehard herauswarf und den gesamten Gau Westmark wegen angeblicher kommunistischer Unterwanderung auflöste. Auch Roßbach erklärte die Zeitschrift nun zur Feindpublikation. Zur gleichen Zeit sprach die Redaktion sich für bedingungslose Katastrophenpolitik aus: „Wir wollen das Chaos, weil wir es bändigen werden.“ Anfang Juni gab Adamheit die Hauptschriftleitung wegen grundsätzlicher Bedenken an Röth ab, der „Die Kommenden“ wieder in ein gemäßigteres überbündisches Fahrwasser steuerte. Als Reaktion auf Konturlosigkeit und politische Unzuverlässigkeit legten Ernst Jünger und Werner Lass die Herausgeberschaft am 4. Juli 1931 nieder. Mit ihnen verließen Jupp Hoven und Hans Ebeling die Redaktion. Röth setzte die Arbeit mit der Zeitschrift trotz finanzieller Probleme fort. Um ihn formierte sich jungkonservative „Kreis der Kommenden“ mit dem Wandervogel, dem Bund Adler und Falken sowie Admiral von Trothas Freischar junger Nation. Teile der Jungdeutschen sympathisierten ebenfalls mit dem Blatt, das nun als „Kampfblatt der bündisch-politischen Front“ firmierte. Als nunmehrige intellektuelle Stichwortgeber sind Artur Moeller van den Bruck („Das dritte Reich“) und Edgar J. Jung („Die Herrschaft der Minderwertigen“) zu nennen.

Während Ernst Jünger sich nun weitestgehend aus dem journalistischen Leben zurückzog, begründete Werner Lass im September 1931 zusammen mit Aktivisten seiner Freischar Schill das Blatt „Der Umsturz. Kampfblatt für die deutsche soziale Revolution“. Der Name sollte Programm sein: „Der Umsturz“ vertrat ähnlich wie Paetels GSRN eine äußerst radikale nationalbolschewistische Richtung. Als Kaderorganisation der Freischar Schill fungierten die „Eidgenossen“, deren Göttinger Gruppe um Arno Deutelmoser durch Banküberfälle Geld für den geplanten bewaffneten Kampf gegen die Weimarer Ordnung beschaffte und Sprengstoff- und Waffenlager anlegte.

Nach der Machtergreifung Hitlers gingen die Wege der Protagonisten in unterschiedlichste Richtungen. „Die Kommenden“ stellten im August 1933 ihr Erscheinen ein. Ernst Jünger zog sich in die Innere Emigration zurück, während die Freischar Schill und die Eidgenossen als terroristische Organisationen verboten wurden. Werner Lass brachte es dennoch fertig, eine mittlere Führerposition in der HJ zu übernehmen, ehe er (wie ironischerweise auch Roßbach) im Sommer 1934 in die Mühlen der Säuberungen im Zusammenhang mit der Röhm-Affäre geriet. Zwar überlebten Lass und Roßbach, doch Hans-Gerd Techow verschwand spurlos. Die ultraradikale Fraktion der Eidgenossen fand den Weg zur Widerstandsgruppe um Friedrich Hielscher. Deutelmoser nahm - wie die gesamte Hielscher-Gruppe - allerdings eine zwiespältige Haltung ein, denn mit seinem Buch „Luther - Staat und Glaube“ (1937) erhob er diesen zum Vorläufer von Friedrich Nietzsche und des Dritten Reiches. Nicht von ungefähr wurde die Arbeit vom SS-Ahnenerbe begeistert aufgenommen. Hans Ebeling widmete sich ebenso wie Erich Müller oder die Gruppe um Paetel entschieden dem Widerstand gegen Hitler. Theodor Adamheit wiederum avancierte zum antisowjetischen Propagandisten der Antikomintern.

Tauchte der Name „Die Kommenden“ Ende 1933 als anarcho-syndikalistische Untergrundzeitschrift in Kassel wieder auf, so gab der Erich Röth-Verlag ab dem 15. Juli 1934 das Blatt „Wille zum Reich“ als Nachfolgeorgan heraus. Eine mutige Entscheidung, denn bekanntlich wurde Edgar Jung 14 Tage vorher von der SS umgebracht. Hier handelt es sich (ähnlich wie Niekischs „Widerstand“ bis zum Verbot) um eine merkwürdig anmutende Mischung von Anpassung und Widerstand: Einerseits lag die Zeitschrift auf der Linie völkisch-esoterischer Denker wie Jakob Wilhelm Hauer und huldigte antisemitischem und eurofaschistischem Gedankengut, andererseits schrieben hier unter Pseudonym Karl O. Paetel und Harro Schulze-Boysen verdeckt regimekritische Aufsätze in der „Sklavensprache“ (Jünger). Man kann allerdings kaum davon sprechen, dass es sich bei der Redaktion um reine Strohmänner für die GSRN oder den Gegner-Kreis gehandelt hat. Schon am 1. Dezember 1934 untersagte die Reichsjugendführung allen Angehörigen der HJ den Bezug von Veröffentlichungen des Röth-Verlages. Das „SS-Leitheft Verlagswesen“ vom März 1937 betrachtete die Gruppe um die Zeitschrift als nahezu perfekt getarnte Regimekritiker und Anhänger konservativ-revolutionärer Gedanken. Im Röth-Verlag erschien 1934 auch das Buch „Deutscher Geist zwischen Westen und Osten“, in welchem Hans Joachim Neitzke dem als entartet verfemten Bildhauer und Schriftsteller Ernst Barlach ein Denkmal setzte. Der „Wille zum Reich“ wurde nach mehreren Konflikten mit der Gestapo im März 1941 eingestellt; grundsätzlich wurde gegen die Gruppe weitaus weniger hart vorgegangen als beispielsweise gegen den bündischen Günther Wolff-Verlag in Plauen.

Nach der Katastrophe von 1945 regten sich bald Bestrebungen zur Wiederbelebung der Bündischen Jugend. Die Aktivisten zerfielen jedoch in unentwegte Hitler-Anhänger, Sozialdemokraten, Demokraten, Nationalkommunisten, National-Neutralisten usw. Inwieweit durch die bündischen „autonomen Jungenschaften“ (d.j. 1.11.) die Gründung der - westdeutschen - Freien Deutschen Jugend beeinflusst wurde, erscheint regional unterschiedlich. Zumindest in Nordrhein-Westfalen wies die KPD-Jugendorganisation einen starken bündischen Einschlag auf, ehe sie im parteikommunistischen Sinne gleichgeschaltet wurde.

„Die Kommenden“ erlebten im Jahre 1946 eine Wiederbelebung, und zwar durch den gleichnamigen Verlag in Freiburg/Breisgau, französische Besatzungszone. Allerdings hatte die Neuauflage nur wenig mit den alten „Kommenden“ oder dem „Willen zum Reich“ gemeinsam: Es handelte sich, an die Ursprünge um 1900 anknüpfend, um ein anthroposophisches Organ, setzte sich aber beispielsweise auch mit wirtschaftlichen Alternativen wie den Ideen Silvio Gesells auseinander. Der Untertitel lautete auf „Zeitschrift für geistige und soziale Erneuerung“. Im Jahre 1991 wurde die Zeitschrift in „Novalis. Unabhängige Zweimonatszeitschrift auf der Grundlage der von Rudolf Steiner ins Leben gerufenen Geisteswissenschaft“ umbenannt.


 

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