Zeitgeschichte + Hintergründe

 

Die amerikanischen Dachauer-Prozesse von 1945 bis 1948

 

"Portrait" des Henkers Woods, wie er kurz vor der Hinrichtung der "Hauptkriegsverbrecher" im Oktober 1946 für die Presse mit seinem Werkzeug posierte. Wakaki, Shigetoshi (Hrsg.): Terror - Tribunal. München 1996

 

Inhalt:

I. Vorgeschichte
II. Konzentrationslagerverfahren
III. Fliegerprozesse
IV. Malmedy - Prozeß

V. Bilanz
VI. Fazit und Ausblick

 

I. Vorgeschichte

Vorwurfsvoll und anklagend ist an verschiedenen Stellen der gegenwärtigen zeitgeschichtlichen Publikationen der Hinweis zu lesen, die Gründung des ersten, später berühmt-berüchtigten Konzentrationslagers im oberbayrischen Dachau am 20. März 1933, sei offiziell in der Presse bekannt gegeben worden und hätte dadurch zwangsläufig einer breiteren Öffentlichkeit bewußt sein müssen.
Oftmals wird damit der moralische Vorwurf verknüpft, das Kollektiv des deutschen Volkes hätte sich durch die Kenntnis des Vorhandenseins solcher Konzentrationslager eines Unrechtscharakters des Regimes bereits 1933 vollauf bewußt sein müssen und habe durch das Ausbleiben eines umfassenden Protestes gegen die zwölfjährige Herrschaft des NS-Staates alle begangenen Untaten gebilligt oder geflissentlich übersehen, dadurch gefördert und unterstützt.

Dieser schwerwiegenden Anschuldigung ist zu erwidern, daß allein die Bekanntgabe der Begründung eines Konzentrationslagers Dachau im Jahre 1933 keinerlei Bedenken in der Bevölkerung auslösen konnte.
Erstens stellte die Einrichtung von Konzentrationslagern keineswegs ein politisches Novum des nationalsozialistischen Regimes dar. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben in Südafrika nach dem Burenkrieg von 1899 britische Konzentrationslager bestanden, in welchen arretierte burische Kriegsgefangene und Zivilisten gesammelt wurden.
Zweitens, die Pressemeldung stand im Schatten eines weitaus prägenderen Ereignisses, nämlich des kommunistischen Brandanschlags auf den Deutschen Reichstag durch Marinus van der Lubbe am 27. Februar.
Bekanntlich zog die Kampfansage der KPD die unter dem Schlagwort "Reichstagsbrandverordnung" geläufige"Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat" am darauffolgenden Tage nach sich.
Diese Maßnahme hatte eindeutig defensiven Charakter, da sie einen gesetzlichen Ausnahmezustand begründete, welcher die Außerkraftsetzung der Grundrechte, allein zu dem Zweck zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit, sämtliche Funktionäre der KPD unter eine unbefristete Schutzhaft zu stellen und die umstürzlerischen Drahtzieher des Brandanschlages zu bestrafen, vorsah.
Unmittelbar nach Verabschiedung der Verordnung kam es zu Massenverhaftungen von Anhängern der KPD, aber auch der SPD, letztere unter dem Verdacht, mit den Kommunisten gegen den Staat zu konspiriert zu haben.

Gegenüber der ausländischen Presse versicherte Reichskanzler Hitler:

"Wenn die kommunistische Gefahr beseitigt ist, wird die normale Ordnung der Dinge zurückkehren."

Welche Veranlassung sollte die einfache deutsche Bevölkerung gehabt haben, anderer Ansicht als Beobachter im Ausland zu sein ?
Durch die Anzahl der Inhaftierten, die rasch ins tausendfache anstieg, wurde eine Überfüllung der Haftanstalten bedingt, so daß schließlich die Einrichtung einiger Konzentrationslager unter der Aufsicht der SA-Hilfspolizei beschlossen wurde. Auch hier gab es keine gegenteiligen Äußerungen, daß es sich dabei um eine ausschließlich provisorische Maßnahme handelte.
Das erste sollte Dachau sein, mit einem vorgesehenen Fassungsvermögen zur Sicherstellung von 5000 Häftlingen, es folgten Oranienburg bei Berlin und die sogenannten "Emslandlager", so Esterwegen u.a. Der erste Kommandant des Lagers in Dachau war Hilmar Wäckerle.

Es ist nicht Gegenstand dieses Artikels, die weitere Entwicklung des Konzentrationslagers Dachau aufzuzeigen, welche insbesondere in den 40er Jahren einen Fortgang nahm, der durchaus den berüchtigten Charakter, der mit dem Namen "Dachau" heute verbunden wird, gerechtfertigt erscheinen läßt. Aber auch hier wäre unbedingt notwendig, zahlreiche, aus Übertreibung oder blanker Lüge hervorgerufene, hartnäckige Legenden, welche auch durch die fundierteste widerlegende Beweisführung nicht restlos zu tilgen sind, von den tatsächlichen und erwiesenen Fakten zu scheiden.

Am 29. April 1945 nahmen amerikanische Soldaten des 157. Infanterieregiments das Dachauer Lager ein, wobei dem ein Schußwechsel mit der SS-Bewachung vorausging. Nachdem die Soldaten die Kontrolle über das Lager erlangt hatten, erschossen sie-aus Eifer des Gefechtes, unter dem Eindruck der Zustände innerhalb des Lagers, oder wie auch immer man diese Tat zu rechtfertigen wünscht -einige hundert Gefangene der entwaffneten und mit erhobenen Händen aufgestellten SS-Wachmannschaft. Dies wird an anderer Stelle noch näher zu berücksichtigen sein.

Unabhängig von den Vorbereitungen der Siegermächte, ein interalliiertes Militärgericht einzuführen, um die Aburteilung der "Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse" vorzubereiten, dessen Statut am 8. August 1945 in London begründet worden war ("Londoner Charta"), sollten die vier alliierten Mächte in ihren Besatzungszonen weitere eigenständige Prozesse durchführen.
Bezeichnenderweise waren die Hauptakteure des "Londoner Abkommens" in Personalunion die späteren Hauptankläger vor dem interalliierten Tribunal in Nürnberg. Nicht minder bezeichnend ist ferner die Tatsache, daß zwei Tage zuvor der erste atomare Schlag gegen Hiroshima erfolgt war.
Der Überzeugung der Amerikaner von ihrer edlen Gesinnung, die in den Weltverbesserungsplänen in London zum Ausdruck kam, schien diese Tatsache nicht im geringsten abträglich gewesen zu sein.

Den parallel anlaufenden Vorbereitungen von weiteren Prozessen in der amerikanischen Besatzungszone wurde hingegen von der Weltöffentlichkeit weitaus weniger Beachtung gewidmet.

Das Konzentrationslager Dachau war inzwischen zu einem Internierungslager für "Verdächtigte" umfunktioniert worden, während amerikanische Kommandos bereits eifrig nach potentiellen Beklagten fahndeten. Mit pathetischem Hang zur Symbolik sollte mit Standort im Lager Dachau auch das amerikanische Militärgericht errichtet und in einem großen Verfahren das Personal des ehemaligen Konzentrationslagers abgeurteilt werden.

Dachauer Gerichtssaal, aus dem Hauptverfahren des Lagers Dachau; Lessing, Holger: Der erste Dachauer Prozeß (1945/46). Baden Baden 1993; Bildteil S. 313 ff.

 

II. Konzentrationslagerverfahren

Dieses erste "Konzentrationslagerverfahren" vor einem US-Gericht fand vom 15. November bis zum 13. Dezember 1945 unter der Bezeichnung "Vereinigte Staaten gegen Martin Gottfried Weiss et al." statt.
Außer dem Hauptangeklagten Weiss wurden 39 weitere Angehörige des Lagers angeklagt. Die zentrale Beschuldigung war die Teilnahme an einer gemeinsamen "Verschwörung" (Conspiracy) zwischen den Personen, bevorzugt als "Gemeinsames Vorhaben" (Common Design) umschrieben,
für deren Nachweis allein die Tatsache einer Funktion im Konzentrationslager (dessen Bestehen an sich bereits als verbrecherisch galt !) ausreichte. Ein Beweis von individueller Schuld brauchte den einzelnen Beklagten für diesen Straftatbestand nicht erbracht zu werden, er galt damit praktisch als vorausgesetzt.
Trotzdem produzierte die amerikanische Anklagebehörde zusätzlich zahlreiche "Affidavits" -ein bevorzugtes Beweismittel, um den obigen Tatbestand noch zu ergänzen. Dabei handelt es sich um Auszüge oder Zusammenfassungen eidesstattlicher Vernehmungen von Zeugen, die immer passend genau das beinhalteten, was die Ankläger wünschten.
Die Schwierigkeit dieser papierenen Zeugen war der, daß die Umstände ihrer Entstehung ebenso ungewiß waren, wie überhaupt nicht überprüfbar war, ob der Inhalt noch viel mit der eigentlichen Aussage des Zeugen gemein hatte, d. h. ob einschränkende oder entlastende Bemerkungen möglicherweise entfernt wurden oder der gesamte Inhalt in einer Weise paraphrasiert wurde, so daß der ursprüngliche Sinn der Aussage nicht mehr stimmte.

Eine böse Panne war bereits englischen Klagevertretern mit diesen "Affidavits" in ihrem Bergen Belsen-Verfahren in Lüneburg unterlaufen, welcher rund einen Monat vor dem amerikanischen Verfahren eröffnet worden war. In diesem Prozeß wurde ein Oskar Schmitz angeklagt, der bei Ankunft der Briten im Lager Belsen in SS-Uniform angetroffen worden war. Seine Beteuerungen, er sei ein Häftling gewesen, der erst am 10. April nach Belsen verlegt wurde und ihm in den chaotischen Zuständen während der Übergabe des Lagers seine Häftlingskleidung von einem Pöbel polnischer Insassen, die ihren deutschen Mithäftling lynchen wollten, vom Leib gerissen und er diese später gegen eine gefundene Uniform ausgetauscht habe, schenkte niemand Glauben.
Nach Prozeßbeginn war auch rasch eines dieser nützlichen "Affidavits" zur Hand, mit dem die Kläger Schmitz überführen konnten, tatsächlich ein langjähriger Angehöriger des SS-Wachpersonals gewesen zu sein und dazu noch dabei beobachtet wurde, wie er Häftlinge, welche versuchten Steckrüben aus der Küche zu stehlen, kaltblütig erschossen habe.
Schließlich aber gelang es Schmitz, ehemalige Mithäftlinge dem Gericht vorzuweisen, die glaubhaft bekundeten, daß dieser keineswegs zum Wachpersonal gehörte, sondern wenige Tage vor der Übernahme des Lagers durch die Briten als Gefangener nach Belsen gekommen sei. Das britische Militärgericht konnte angesichts der Aussagen nicht anders handeln, als Oskar Schmitz freizusprechen. Nach diesem Entschluß dürfte das unglückliche "Affidavit" schleunigst im Ofen gelandet sein!

Lagerkommandant v. Dachau, Martin Gottfried Weiss während seiner Zeugenaussage

Neben Martin Gottfried Weiss als Lagerkommandant von Dachau zwischen 1942 und 1943 waren Vertreter aus sämtlichen Bereichen des Konzentrationslagers, aus der Lagerverwaltung bis zum einfachen Bewachungspersonal (das mit dem Innenleben des Lagers überhaupt nichts zu tun hatte) und sogar drei Funktionshäftlinge als Beschuldigte aufgeführt. Für Weiss boten sich freiwillig eine Reihe ehemaliger Inhaftierter des Lagers Dachau an, um zu bezeugen, daß dieser sich in Ausübung seines Amtes ihnen gegenüber stets human und anständig verhalten habe.
Daran aber war das Gericht überhaupt nicht interessiert, denn gerade für den Kommandanten Weiss mußte, sozusagen als Kopf der unterstellten "Verschwörung", das Urteil bereits von vornherein feststehen.
Die Beklagten bekamen eine numerierte Tafel um den Hals und mußten, sobald ihr Name in der Klageführung fiel oder ein Zeuge sie belastete, zackig von ihrem Stuhl aufspringen, damit das Militärgericht die Beschuldigungen ihrer Nummer zuordnen konnten.

SS - Oberscharführer Franz Boettger (stehend) mit dem Schild "18", während er gerade von einem Belastungszeugen (links) identifiziert wird


Nach Weiss kam in der Rangordnung der Klageführung

Friedrich Wilhelm Ruppert (ztw. Schutzhaftlagerführer),
Josef Jarolin, Franz Xaver Trenkle,
Engelbert Niedermeyer,
Josef Seuss,
Leonhard Eichberger,
Wilhelm Wagner,
Johann Kick,
Dr. Fritz Hintermayer (Lagerarzt),
Dr. Wilhelm Witteler (Lagerarzt),
Johann Baptist Eichelsdorfer,
Otto Förschner,
Dr. Hans Kurt Eisele (Lagerarzt),
Dr. Klaus Karl Schilling,
Christoph Ludwig Knoll (Kapo),
Dr. Fridolin Puhr (Lagerarzt),
Franz Boettger,
Peter Betz,
Anton Endres,
Simon Kiern,
Michael Redwitz (ztw. Schutzhaftlagerführer),
Wilhelm Wolter,
Rudolf Heinrich Suttrop (Adjutant des Lagerkommandanten),
Wilhelm Tempel,
Hugo Lausterer,
Fritz Becher (Kapo),
Alfred Kramer,
Sylvester Filleboeck,
Vinzenz Schoettl,
Albin Gretsch (Wachmann),
Johann Viktor Kirsch,
Emil Erwin Mahl (Kapo),
Walter Adolf Langleist,
Johann Schoepp (Wachmann),
Arno Lippmann,
Fritz Degelow,
Otto Moll,
Otto Schulz
und Friedrich Wetzel.

Am 13. Dezember wurden sämtliche Beklagte aufgrund der von ihnen bekleideten Funktionen in Dachau der Teilnahme an der unterstellten "Verschwörung" für schuldig befunden. Mit schnarrender Stimme wurden einzeln die Strafen verkündet:

Peter Betz sollte eine lebenslange,

Lausterer, Gretsch und Schoepp eine zehnjährige Haftstrafe erhalten.

Für die 36 weiteren lautete das Urteil auf "Tod durch den Strang".

Hinrichtungsprotokoll der Verurteilten des Dachauer Prozesses vom 28./29. Mai 1946, abgezeichnet vom Assistenten des Henkers Woods, Stanley Tilles

Alle Verurteilten wurden darauf von Dachau in die Haftanstalt nach Landsberg verbracht, die als Hinrichtungsstätte des amerikanischen Scharfrichters John C. Woods diente. Woods empfahl sich der US-Besatzungsregierung nicht nur durch eine langjährige Berufserfahrung, sondern ferner durch einen ausgesprochenen Deutschenhaß für seine Aufgabe, welchen er auf die Vorfälle in Malmedy 1944 zurückführte.
Am 28. / 29. Mai 1946 durfte Woods seine erste Massenexekution an den Dachauer Verurteilten in Landsberg vollziehen. Amerikanische Pressevertreter waren anwesend und das Spektakel durfte sogar gefilmt werden. Die Leichen, sofern sie nach den Vorgängen nicht unmittelbar von ihren Angehörigen bei der Gefängnisverwaltung beansprucht worden waren, wurden auf dem Friedhof Spötting nahe der Haftanstalt verscharrt.
Dieses erste Dachauer Konzentrationslagerverfahren hatte in erster Linie die Funktion, die Grundlagen für alle weiteren Prozesse gegen das Personal von Konzentrationslagern festzulegen und hier insbesondere den Straftatbestand einer "Verschwörung" zu etablieren, um diesen für alle weiteren Verfahren gegen das Lager Dachau, aber auch gegen andere Lager, mustergültig anwendbar und nutzbar zu machen. Alle kommenden Kläger vor amerikanischen Militärgerichten sollten sich rückwirkend auf dieses Verfahren berufen können.

Auch das Strafmaß sollte Vorbildcharakter haben: Von vierzig Angeklagten sollten nur vier, also genau 1/10 mit dem Leben davonkommen. So unterschiedlich die Funktionen der verschiedenen Beklagten im Lager Dachau gewesen waren, so einmütig fiel das Urteil aus: Da nicht durch individuelle Taten, sondern durch eine Beteiligung an einer verbrecherischen "Verschwörung" jeder einzelne gleichermaßen kollektiv schuldhaft sein sollte, mußte auch das Strafmaß entsprechend einheitlich ausfallen.
Nach dieser Logik hätte es genau genommen gar keine Abweichungen im Strafmaß geben dürfen, scheinbar aber sollte aus formellen Gründen, um den Anschein einer Siegerjustiz im Sinne stalinistischer Prozesse zu vermeiden, ein geringfügiger (austauschbarer !) Prozentsatz milder beurteilt werden als das Gros der Beklagten.
Interessant ist hier der Vergleich zum Urteil des oben genannten Bergen Belsen-Verfahrens vor einem britischen Militärgericht. Hier gab es 44 Beklagte, das Urteil fiel aber weitgehend nuancierter aus als in Dachau: Vierzehn Angeklagte wurden freigesprochen, elf zum Tode und vierzehn zu unterschiedlichen Haftstrafen verurteilt, hauptsächlich von zehn Jahren.
Es scheint naheliegend, daß in diesem ersten alliierten Nachkriegs-Konzentrationslagerverfahren überhaupt noch entschieden vorsichtiger vorgegangen wurde, in Bezug auf Nachweis und Anerkennung von Schuld und Unschuld der einzelnen Personen. Der windige angelsächische Verschwörungstatbestand wurde hier noch nicht derartig großzügig angewandt und vielmehr versucht, individuelle Verantwortlichkeiten zu ermitteln. Daraus ergibt sich das, verhältnismäßig, wesentlich mildere Urteil.

Nach dem gleichen Schema verlief das Dachauer Verfahren gegen Dienstangehörige des Konzentrationslagers Mauthausen. Obwohl das Lager Mauthausen sich in Österreich (bei Linz) befand, fühlte sich die amerikanische Besatzungsmacht berufen, auch gegen die Angehörigen dieses Lagers eigenständig verhandeln zu müssen - plausible Gründe dafür, sich in die Aburteilung potentieller Täter einzumischen und diese nicht österreichischen Behörden zu überlassen, gab es keine, zumal gegen zwölf Österreicher verhandelt werden sollte. Das Verfahren wurde am 29. März 1946 in Dachau eröffnet und gegen 61 Beklagte geführt. Offiziell hieß es "Vereinigte Staaten gegen Hans Altfuldisch et al.", der eigentliche Hauptbeschuldigte war hingegen der oberösterreichische Gauleiter August Eigruber (Gau Oberdonau), der in seiner Funktion mit der inneren Verwaltung des Konzentrationslagers nichts zu tun hatte.
Zur Last gelegt wurde ihm allein die Tatsache, daß Mauthausen in seinem Gau gelegen hatte. Nach Kriegsende war der ehemalige Gauleiter schwer gefoltert, verstümmelt und sogar kastriert worden, hatte sich aber scheinbar ausreichend erholt, daß er nun vor Gericht gestellt werden konnte.
Hervorzuheben an diesem Konzentrationslagerverfahren ist eines seiner vorgelegten Hauptbelastungsdokumente:

Wiederum ein "Affidavit", diesmal vom ehemaligen Lagerkommandanten von Mauthausen Franz Ziereis. Ziereis war, obwohl auch dies noch nicht als zweifelsfrei erwiesen gilt, von amerikanischen Soldaten nach Übernahme von Mauthausen "auf der Flucht erschossen worden". Obwohl lebensbedrohlich verletzt - Ziereis hatte u.a. mehrere Bauchschüsse erhalten - soll der Kommandant noch einem umfassenden Verhör unterzogen worden sein, in welchem er ein, eine ganze Reihe von hohen NS-Funktionären (Himmler, Pohl, von Schirach, Kaltenbrunner) bis zu sämtlichen Dienstangehörigen des Lagers Mauthausen im einzelnen, besonders schwerwiegend belastendes Zeugnis ablegt habe.
Ziereis soll zwar in der Lage gewesen sein, dieses mehrstündige Geständnis abzulegen, hingegen aber nicht, das Protokoll zu unterschreiben oder auch nur in irgendeiner denkbaren Form schriftlich zu bestätigen (womit begründet wurde, warum die Erklärung nicht von Ziereis unterzeichnet worden war !). Bleibt noch zu ergänzen, daß das eigentliche Protokoll auf einer Niederschrift basierte, welche nicht erst einige Tage, sondern Monate später von einem ehemaligen Häftling des Konzentrationslagers Mauthausen, der dem Verhör Ziereis' zugegen war, angefertigt wurde. Dieses ominöse "Schlüsseldokument" hatte bereits zuvor im Hauptkriegsverbrecherprozeß in Nürnberg Verwendung gefunden. Am 13. Mai 1946 erging das Urteil:

Alle 61 Angeklagten wurden für schuldig erklärt, 58 zum Tode, drei zu lebenslanger Haft verurteilt.

Landsberger Gefängnishof mit den beiden Galgengerüsten, welche die amerikanische Besatzungsregierung zur Hinrichtung der Dachauer Verurteilten nutzte.
Aus den Memoiren des Henkersgehilfen Stanley Tilles: By the neck until dead. The gallows of Nuremberg. Bedford / Indiana 1999; S. 77


Deutlich ist der Armeephotograph zu erkennen (mit dem Rücken zur Aufnahme), welcher, jenseits jeder Pietät, die Hinrichtungen filmte.

Obwohl auf Grundlage einer Eingabe der Verteidiger an den Oberkommandierenden der amerikanischen Streitkräfte General Lucius Clay durch die Verteidiger, die Umwandlung der Todesurteile einiger ihrer Mandanten in lebenslange Haftstrafen erwirkt werden konnte, wurde dennoch der überwiegende Teil der Urteile (darunter auch Gauleiter Eigruber) in einer weiteren Massenexekution durch Woods in Landsberg am 27. / 28. Mai 1947 vollstreckt.
Am zweiten Tag dieser Massenexekution äußerte sich unter dem Eindruck des Geschehens, dessen Unrechtscharakter er scheinbar intuitiv erfaßte, ein amerikanischer Soldat gegenüber dem Gefängnisgeistlichen Karl Morgenschweis, dem die Aufgabe der Betreuung der Inhaftierten von Landsberg zukam, in gebrochenem Deutsch:

"Herr Pfarrer, das, was hier geschieht, nicht gut, auch nicht besser als bei Hitler. Deutschland wird das nie vergessen."

Es folgten weitere Prozesse bezüglich der Konzentrationslager

Flossenbürg -"Vereinigte Staaten gegen Friedrich Becker et al. " (12.6.46-22.1.47),
Buchenwald-"... gegen Prinz Josias zu Waldeck et al." (11.4.-14.8.47),
Mühldorf-"... gegen Franz Auer et al." (1.4.-13.5.47)
und Nordhausen-"... gegen Kurt Andrae et al.".

Obwohl auch in diesen Verfahren die Militärgerichte nur in Ausnahmefällen zu einzelnen Freisprüchen gelangten, muß dennoch festgestellt werden, daß die Strafen milder ausfielen.
So wurden beispielsweise im Buchenwald-Prozeß 1947 von 31 Beklagten "nur" 22 zum Tode, die übrigen neun zu Haftstrafen verurteilt. Dies ist jedoch wohl kaum auf den Verfahrensgegenstand, sondern vielmehr auf den Kontext der fortschreitenden historischen Situation des Kalten Krieges zurückzuführen, welcher die Wichtigkeit dieser Prozesse zunehmend in den Hintergrund rückte.

Hinzuzurechnen sind die zahlreichen Nachfolgeverfahren, welche in Ergänzung zu dem jeweiligen der sechs Konzentrationslager-Hauptprozesse geführt wurden. In der Regel verhandelten solche gegen eine kleinere Auswahl von Beklagten, meist zwei bis sechs. Paradoxerweise traten hier wiederrum die vermeintlichen individuellen Taten der einzelnen Betroffenen, nicht ihre "Kollektivschuld" in den Vordergrund der Beschuldigungen, welche sich nun von den Klägern nicht selten als die "Schlimmsten der Schlimmen" apostrophieren lassen mußten.

 

III. Fliegerprozesse

Obwohl diese Art von Verfahren weitaus weniger Aufmerksamkeit und öffentliches Interesse fand als die Konzentrationslagerprozesse, bildeten die sogenannten "Fliegerprozesse" jedoch den Hauptanteil der Tätigkeit der amerikanischen Militärgerichte in Dachau. Von den zwischen 1945 - 48 durchgeführten 489 Verfahren waren rund 250 diesem Komplex zugehörig. Verhandlungsgegenstand war unkorrektes Verhalten (einschließlich Beraubung, Mißhandlung, bis hin zu Mord) gegenüber abgesprungenen oder notgelandeten amerikanischen Fliegerbesatzungen während ihrer Bombardements auf die deutsche Zivilbevölkerung.
Daß es sich dabei aber nur um Einzelfälle handeln konnte, beweist allein die Tatsache, daß Hitler im März 1944 unter dem Eindruck der systematisch betriebenen Ausrottung der deutschen Zivilbevölkerung durch den anglo-amerikanischen Bombenterror, Generalfeldmarschall Keitel den Befehl erteilte, Vorbereitungen für Prozesse zu treffen, in welchem aufgegriffene Terrorflieger ordnungsgemäß nach völkerrechtlichen Maßstäben abzuurteilen waren.
Die interessante Frage hingegen, ob eine, zumindest teilweise Verantwortlichkeit für eine solche Lynchjustiz auch bei jenen zu suchen ist, welche die unerbittliche und gezielte Bombardierung der Zivilbevölkerung angeordnet haben, sollte in den Nachkriegsverfahren ebenso offenbleiben, wie ferner die Frage, ob beabsichtigte Luftangriffe auf Zivilstädte, ohne weder militärische, noch rüstungsindustrielle Ziele zu verfolgen - also namentlich die gezielte Ausrottung von Zivilisten und verwundeten Soldaten - überhaupt völkerrechtlich vertretbar ist.

Die Beschuldigten der Fliegerprozesse umfaßten Gau- und Kreisleiter in deren Gau- bzw. Kreisgebiet die jeweiligen Flieger verschollen oder umgekommen waren, militärische Befehlshaber der Wehrmacht, aber auch einfache Zivilisten, denen die unmittelbare Mißhandlung der Flieger vorgeworfen wurde.

Bereits vor dem öffentlichkeitswirksamen ersten Verfahren gegen Konzentrationslager - Personal hatten in Dachau Fliegerprozesse stattgefunden. Auch diese endeten hauptsächlich mit Todesurteilen, ein geringerer Anteil der Beklagten erhielten lebenslängliche Haftstrafen. Begnadigungen der Besatzungsmacht zu erwirken, war in derartigen Fällen aus Gründen eines verpflichtenden Patriotismus praktisch unmöglich, da die vermeintlichen Opfer solcher Verfahren amerikanische Soldaten waren.
Gerade in den Fliegerprozessen muß aber die größte Anzahl von Justizirrtümern vermutet werden, da in vielen Fällen die bloße Beschuldigung eines Zeugen, der vorgab den Beklagten als Anstifter, Zuschauer (Mitwisser !) oder Beteiligten eines Falles von Lynchmord gesehen zu haben, als Verurteilungsgrundlage ausreichte.

Schlimmstenfalls waren dies auch hier wieder die unanfechtbaren papierenen Zeugen, die sogenannten "Affidavits", aber auch Vertreter des Berufszeugentums, welches insbesondere in Dachau eifrig seiner Erwerbstätigkeit nachging.

Diese meineidigen Zeugen, bestehend vorwiegend aus DPs ("Displaced Persons") - widerrechtlich Verschleppte, die aber kurioserweise auch nicht nur erwogen, aus Deutschland in ihre Heimat (es handelte sich hauptsächlich um Polen) zurückzukehren - sagten und beschworen alles, was erwünscht war, um durch ihren Status als Zeugen von der Besatzungsregierung zusätzlich verpflegt zu werden. So war es erwiesenermaßen, wie Untersuchungen von amerikanischer Seite (!) ergaben, kein Sonderfall, wenn einzelne Belastungszeugen in bereits fünf Verfahren mit unterschiedlichsten Verhandlungsgegenständen in Dachau als Kronzeugen aufgetreten waren und sich auch unbeirrt weiteren Verfahren zur Verfügung stellten.

Bezeichnenderweise konnten die Anschuldigungen in Fliegerprozessen auch in vielen Fällen weder von den Belastungszeugen, den Klagevertretern, noch schließlich von dem Militärgericht, trotz einer Verurteilung, näher konkretisiert werden. So besagte der Vorwurf solcher Verfahren oftmals formell nur die Mißhandlung und / oder Tötung eines "Unknown member of the United States Army" - und ebenso wie das potentielle Opfer namenlos blieb, sollte auch die Straftat zeitlich nicht genauer fixiert werden: "Between ..." oder "on or about ..." umrissen nur außerordentlich grob den zeitlichen Rahmen, in welchem das jeweilige Delikt sich zugetragen haben könnte.

Einer der frühsten durchgeführten Dachauer Prozesse überhaupt war das Verfahren gegen den Polizeipräsidenten von Langenselbod (Kreis Hanau, bei Frankfurt) Albert Bury und den Polizeibeamten Wilhelm Häfner am 15. Juli 1945:

Der Polizeipräsident soll dem diensthabenden Beamten befohlen haben, einen aufgegriffenen Terrorflieger zu erschießen. Nach eintägiger Verhandlungsdauer wurden beide verurteilt und zählten zu den ersten Todeskandidaten in Landsberg, die am 19. November 1945 hingerichtet wurden.

Zu prominenteren Gau - / Kreisleitern, welche in Einzelverfahren abgeurteilt wurden, zählen

Franz Xaver Strasser, Kreisleiter von Kaplitz,
Richard Drauz, Kreisleiter von Heilbronn und
Friedrich Hildebrandt, Gauleiter von Mecklenburg.

Sie wurden in dieser Reihenfolge am 10. Dezember 45, dem 4. Dezember 46 und am 5. November 48, indem sie für Fälle von angeblichen Mißhandlungen amerikanischer Flieger in ihren Gau- bzw. Kreisgebieten von den Militärgerichten für verantwortlich erklärt wurden, in Landsberg hingerichtet.

Ein umfangreicherer Fall dieser Art wurde unter amerikanischer Jurisdiktion in Ludwigsburg, nicht in Dachau verhandelt, so daß der Prozeß nur marginal zu der Dachauer Justiz zu zählen ist. Es handelte sich dabei um das Verfahren "Vereinigte Staaten gegen Dr. Kurt Goebell et al." vom 6. Februar bis 23. März 1946, bekannter unter der Bezeichnung: "Borkum - Fliegerprozeß", welches im Ordensschloß von Ludwigsburg als provisorischem Gerichtsgebäude abgehalten wurde.
Verhandlungsgegenstand war folgender: Am 4. August 1944 war der Abschuß einer viermotorigen US - Maschine über der Insel Borkum durch die dortige Marine - Flak erfolgt. Der Flieger setzte zur Notlandung an und die siebenköpfige Bomberbesatzung begab sich in Kriegsgefangenschaft. Der Kommandant der Insel Borkum, Dr. Kurt Goebell, ordnete daraufhin an, die amerikanischen Gefangenen seien in den Fliegerhorst zu überführen. Angesichts der vorherrschenden Brennstoffknappheit, bedingt durch die Krisenlage des Deutschen Reiches (1944 !), glaubte der Inselkommandant einen Eisenbahntransport der Kriegsgefangenen volkswirtschaftlich nicht verantworten zu können und ordnete gegenüber dem Batterieführer Oberleutnant Jakob Valentin Seiler an, eine Marschkolonne zur Sicherstellung der amerikanischen Flieger zusammenzusetzen. Dieser Entscheid sollte nach Kriegsende sein Todesurteil bedeuten, da angeblich ein Fußmarsch von Kriegsgefangenen über eine Länge von fünf Kilometern mit der Genfer Konvention nicht zu vereinbaren seien. Seiler beauftragte als Transportführer seinen Untergebenen Oberfeldwebel Johann Schmitz und instruierte diesen kurz über die Marschroute vom nord-östlichem Ende der Insel Borkum in den Fliegerhorst. Johann Pointer war Spitzenmann der Kolonne, der Verantwortungsträger des Kriegsgefangenentrupps, Schmitz, marschierte am Ende und hatte die ordentliche Zugordnung zu wahren. Der langjährige Adjutant des Fregattenkapitäns Walter Krolikowski, Oberleutnant Erich Wentzel, begleitete den Zug - obwohl er bereits Dienstschluß hatte - noch eine Weile, da Transportführer Johann Schmitz später gegenüber Wentzel zugestanden hatte, daß er, Schmitz, erst seit kurzem auf Borkum stationiert sei, er aber sich geniert habe, seinem Vorgesetzten Seiler anzugeben, er sei noch nicht hinreichend ortskundig.
Nachdem Wentzel die kürzeste Route nach einmal minutiös dargelegt hatte, fuhr dieser mit seinem Dienstfahrrad heimwärts. Dort noch nicht angekommen, bemerkte der Adjutant große Unruhen in der Umgebung.
In böser Vorahnung kehrte Wentzel unmittelbar zum Gefangenentransport zurück und bemerkte, daß sich große Teile der Zivilbevölkerung Borkums am Straßenrand aufgestellt hatten, um die vorbeiziehenden amerikanischen Kriegsgefangenen zu beschimpfen, im vorbeigehen zu treten, zu bespeien u.ä.
Wentzel griff sofort ein und mußte entsetzt feststellen, daß auch einzelne Soldaten der Wachmannschaft des Transportes, sich an den Mißhandlungen beteiligten.
Wentzel trat an den, in dieser Situation vollkommen überforderten Transportführer Schmitz heran und instruierte diesen in einem deutlichen Ton, sofort Ordnung zu schaffen, das Marschtempo zu erhöhen, um aus der Menschenmenge heraus zu gelangen und endlich einen bereits gestürzten amerikanischen Flieger, dem ein Bürger ein Bein gestellt hatte und darauf unglücklich gestürzt war, angemessen medizinisch zu versorgen.
Daraufhin suchte er seinen Dienstvorgesetzten Krolikowski auf, um ihm Bericht über den peinlichen Vorfall zu erstatten. In der Zwischenzeit trug sich das eigentliche Unglück zu: Der Gefreite Langer erblickte spontan den Gefangenentransport, erkannte die amerikanischen Fliegeruniformen und erlag dabei einem Affekt. Seine gesamte Familie zählte während des anglo-amerikanischen Bombardements auf die Stadt Hamburg, die sogenannte Aktion "Gomorrha" zwischen dem 24.-30. Juli 1943, zu den insgesamt 30482 Opfern, welche die Stadt zu beklagen hatte.
Er verfolgte den Transport und, nachdem er eine gewisse nähere Entfernung erreicht hatte, feuerte der geübte Schütze seine Dienstpistole noch im Laufschritt ab und innerhalb nur weniger Sekunden waren alle sieben amerikanischen Kriegsgefangenen erschossen. Johann Schmitz, der bereits während des ersten, in seiner Bedeutung aber in keiner Form vergleichbaren Zwischenfalles mit den Zivilisten, die Nerven verloren hatte und minutenlang außerstande war, angemessen zu regieren, schien nun wie gelähmt. Langer suchte daraufhin das Dienstzimmer seines Vorgesetzten auf, schilderte den Vorfall wahrheitsgemäß, gab seine Dienstwaffe ab und äußerte dem Sinne nach, er sei sich voll und ganz bewußt, für diesen Übergriff zur Verantwortung zwangsläufig gezogen zu werden und erklärte, dennoch erkenne er jede Strafe, die ihn nun zu treffen habe, an, da nun endlich die getötete Familie gerächt sei! Langer wurde sofort arretiert und noch am gleichen Tage mehrmals scharf von der Borkumer Polizei verhört.
Schließlich traf auch Wentzel am Tatort ein - er war mit der Abfassung eines offiziellen Protokolls zu dem Ereignis beauftragt worden, um möglichst genaue Klarheit in diesem Zwischenfall zu schaffen und die Inselkommandantur von Borkum nicht mit höchsten militärischen Stellen des Deutschen Reiches in Konflikt zu setzen. Schmitz war noch immer nicht imstande, eine sachliche, zusammenhängende Stellungnahme zu dem Hergang abzugeben und stammelte nur bruchstückhaft etwas von "Erschlagen, erschlagen - Alle tot !". Wentzel konnte hinsichtlich seines Berichtes dem nur entnehmen, daß die Kriegsgefangenen erschlagen, nicht erschossen, worden seien und tatsächlich war den blutüberströmten Leichen nicht zweifelsfrei anzusehen, ob diese unter der Einwirkung von Schlägen oder Schußverletzungen erlegen waren.

Daraus resultierte der (auf einem Mißverständnis beruhende) verfälschte Tatbericht Oberleutnant Erich Wentzels.
Nach Kriegsende wurden alle, die peripher und unmittelbar an dem Gefangenentransport der sieben Flieger teilgenommen oder mitgewirkt hatten, auf Borkum von amerikanischen Militärpolizisten festgenommen und scharfen Verhören unterzogen. Das geplante Verfahren vor einem amerikanischem Militärgericht befand sich bereits in eiligen Vorbereitungen - eigentlich nur ein einzelner der vielen Fliegerprozesse, in einer Eigenschaft dennoch aus diesen hervorstechend - Waren die Prozesse immer nach bestimmten Typen von Angeklagten sortiert und getrennt, (s.o.) dann sollten hier in der Auswahl der insgesamt fünfzehn Beklagten, Beteiligte aller militärischen und zivilen Gruppen gemeinsam abgeurteilt werden. Der Inselkommandant Kurt Goebell war der Hauptangeklagte in Ludwigsburg. Zur Gruppe der "Offiziere" sind noch zu zählen: Korlikowski, Seiler, Wentzel und Weber.
Die Gruppe "Wachmannschaft" umfaßte naturgemäß an erster Stelle den Verantwortungsträger des Transportes, Johann Schmitz, dann den Spitzenmann Pointer, ferner die Soldaten Albrecht, Geyer und Witzke. Möchte man den Posten eines Bürgermeisters mit einem solchen eines parteilichen Gau - oder Kreisleiter gleichsetzen, dann füllte der Bürgermeister der Insel Borkum, Jan Varus Akkermann, diesen zivilen Verantwortungssektor innerhalb des Verhandlungskomplexes des Prozesses aus. Als weitere Zivilpersonen, welchen die direkte Mißhandlung ihrer gefangenen Soldaten vor dem amerikanischen Militärgericht angelastet wurde, zählten: Meyer-Gerhards, Rommel, Mamenga und Heinemann. Eine weitere Reihe von Personen waren in der Anklageschrift aufgeführt, gegen die in Abwesenheit verhandelt wurde. Unter anderem war darunter der Gefreite Langer, also der eigentlich alleinige Schuldige an der Tötung der Flieger, welcher aber 1945 gefallen war.

An den abwesenden Beklagten war allerdings die Klageführung praktisch überhaupt nicht interessiert, denn auch für Ludwigsburg galt genau wie für Nürnberg das bekannte Sprichwort: "Die Nürnberger hängen niemanden, sie hätten ihn denn"!

Der Prozeß wurde am 6. Februar 1946 eröffnet und endete nach sechs Wochen Verfahrensdauer am 23. März. Zwei Beschuldigungspunkte wurden verhandelt: Erster bezog sich auf die Tötung der sieben Kriegsgefangenen, der Zweite auf die vorangegangene Mißhandlung ("Angriffe"). Für einige der Beklagten lag der Fall zu Aspekt II vollkommen klar, denn verschiedene der beschuldigten Angehörigen der Wachmannschaft des Transportes und der schaulistigen Zivilisten hatten faktisch Beschimpfungen geäußert und getreten, waren auch in dieser Hinsicht durchaus geständig.
Weitaus schwieriger gestaltete es sich hingegen, einem Hauptanteil von Personen, welche teilweise noch nicht einmal dem zweiten Zwischenfall persönlich zugegen waren, die Tötung strafrechtlich anzulasten. Unschwer zu erraten, bediente sich die amerikanische Anklage erneut des altbekannten Schachzuges:

Der, in zahlreichen Verfahren bereits hochgradig abgenutzte und verschlissene Tatbestand eines unterstellten "Verschwörungsdeliktes" mußte einmal wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt und dem Militärgericht als Verurteilungsgrundlage angeboten werden. Zwischen allen beteiligten Personen habe bereits seit Notlandung und Gefangennahme der sieben Flieger ein "Gemeinsamer Plan" oder eine "Verschwörung" bestanden, die Flieger erst zu mißhandeln und darauf zu ermorden.

Daraus resultierte "Tod durch den Strang" für:

Inselkommandant Dr. Kurt Goebell,
Oberleutnant Jakob Valentin Seiler,
Oberleutnant Erich Wentzel,
den Transportführer Oberfeldwebel Johann Schmitz und schließlich den
Bürgermeister Jan Varus Akkermann, weil er angeblich die Menschenmenge "aufgereizt" habe, die Gefangenen zu mißhandeln.
Korvettenkapitän Walter Krolikowski erhielt eine lebenslängliche Haftstrafe,
Kapitänleutnant Karl Weber eine solche von 25,
Gustav Mamenga von 20,
Heinrich Heinemann von 18,
Soldat Heinz Witzke von 11,
Soldat Günther Albrecht von sechs,
Soldat Johann Pointer von fünf,
Soldat Karl Geyer von vier und der
Polizeimeister von Borkum Heinrich Rommel von zwei Jahren.

Insbesondere die Verurteilung von Erich Wentzel kann - vor allem weil noch mit der Verhängung der Höchststrafe verbunden - nur wieder als ein besonders krasser Fall amerikanischer Siegerjustiz angesehen werden. Denn weder sind die spärlichen Indizien, sowohl bezüglich des ersten, als ferner des zweiten Beschuldigungspunktes, auch überhaupt nur nachvollziehbar, Wentzel sei ein wissentlicher Teilnehmer der meuchelmörderischen "Verschwörung von Borkum" gewesen:
Die Gefangenenkolonne hatte Wentzel zeitweise nur aus Zuvorkommenheit begleitet, nicht zuletzt auch im Interesse der Gefangenen, damit diese nicht eine unnötige Irreise durch Borkum mit dem orientierungslosem Schmitz zu erdulden haben und schnellstmöglich zu ihrem Bestimmungsort gelangten. Dann war es wieder Wentzel gewesen, welcher später lautstark auf die Zivilisten und Wachmänner einwirkte, sich nicht an der Fliegerkolonne zu vergreifen. Die Fehlerhaftigkeit des Tatberichtes war nur durch eine -menschlich bedingte- Falschaussage von Schmitz hervorgerufen, welchem aber insbesondere später von Wentzel außerordentliche moralische Vorwürfe zu dem Vorfall gemacht werden sollten - also keine nachträgliche Vertuschungsarbeit als letzter Beitrag zur Komplizenschaft einer verbrecherischen "Verschwörung", denn was würde es im übrigen an der Sachlage ändern, seien die sieben Kriegsgefangenen nun erschlagen, anstelle erschossen worden?

Die angeführten Belastungsmomente wider Wentzel basierten nicht nur auf einem vollkommen absurdem Gedankenkonstrukt, sondern standen zudem - schlimmer noch - im Widerspruch zu einer Schuld im Sinne der Anklage!

Ausnahmslos alle Todeskandidaten des "Borkum - Fliegerprozesses" von Ludwigsburg wurden, entgegen zahlreichen Begnadigungseingaben an die amerikanische Militärregierung in Landsberg hingerichtet. Der Transportführer Johann Schmitz bspw. am 15. Oktober , Oberleutnant Erich Wentzel am 3. Dezember 1948, übrigens gemeinsam mit einem gewissen Sepp Remmele, Justifizierter eines weiteren Fliegerverfahren, mit welchem Wentzel sich in seinen letzten Tagen noch angefreundet hatte.

Hinrichtung von Justus Gerstenberg vom 12. September 1946. Zwischen Gerstenberg und dem Pfarrer ist im Hintergrund deutlich
der Henker John C. Woods zu erkennen


Zwei exemplarische Fliegerfälle sind noch hervorzuheben: Der Soldat Justus Gerstenberg war in Deutschland als Wachposten zum Schutz seines Heimatdorfes eingesetzt. In einem späteren Gefecht mit einem abgesprungenen amerikanischem Flieger reagierte Gerstenberg schneller und erschoß den Gegner. Resultat: Justus Gerstenberg wurde durch amerikanische Gerichtsbarkeit als "Kriegsverbrecher" verurteilt und am 12. September 1946 durch Woods hingerichtet.

Der Leutnant Karl Kirchner nahm das zehnköpfige Personal eines notgelandeten Bombers in Kriegsgefangenschaft. Der besagte Flieger hatte zuvor im Tiefflug einen PKW mit verwundeten deutschen Soldaten, deutlich markiert mit dem Rotem Kreuz, beschossen, so daß die Insassen starben. Angesichts einer derartigen eklatanten Verletzung selbst der elementarsten Gebräuche des Krieges, berief Leutnant Kirchner ein Kriegsgericht ein, welches den verantwortlichen Täter aus der Fliegerbesatzung ermittelte und daraufhin erschießen ließ. Am 26. November 1948 mußte Karl Kirchner dafür den unsoldatischen Tod am Landsberger Galgen erleiden.

An solchen Verurteilungen wird ganz klar ersichtlich, daß selbst Tötungen in der Kampfsituation und standrechtliche Aburteilungen tatsächlicher Kriegsverbrecher mit Fällen von Lynchjustiz vielfach pauschal gleichgesetzt wurden.
Zumindest letzterer Fall erscheint nachvollziehbar: Denn es gab bekanntlich während des Zweiten Weltkrieges keine völkerrechtlichen Vergehen auf alliierter Seite und am allerwenigsten auf der amerikanischen!

 

IV. Malmedy - Prozeß

Die Darstellung des Malmedy - Prozesses als Bestandteil der Prozesse von Dachau wurde bewußt an das Ende dieses Artikels gestellt. Es wird häufig behauptet, dieses Verfahren würde von Kritikern der Dachauer Prozesse bevorzugt vorgeschoben, um die amerikanische Rechtspflege in Deutschland insgesamt (ungerechtfertigt !) zu diskreditieren.

Robert Sigel geht sogar einen Schritt weiter und stellt die Behauptung auf, der mißglückte Prozeß "diente hierbei als Hebel, mit dem man die bisherige amerikanische Besatzungspolitik in wesentlichen Bereichen aus den Angeln zu heben und zu revidieren versuchte." [1]

Um ersterem Vorurteil vorsorglich entgegenzuwirken, soll der Malmedy - Prozeß hier an letzter Stelle behandelt werden.

Das Verfahren "Vereinigte Staaten gegen Valentin Bersin et al." fand zwischen dem 18. Mai und 18. Juli 1946 statt. Von der Anzahl der Anklagten her gesehen, stellte es den größten Prozeß von Dachau dar.

73 Soldaten der Kampfeinheit Peiper aus der I. SS - Panzerdivision (Leibstandarte "Adolf Hitler") wurde vorgeworfen, während der Ardennenoffensive, am 17. Dezember 1944 in der belgischen Stadt Malmedy, mindestens 78 bis 80 amerikanische Soldaten, die sich in Gefangenschaft zu begeben beabsichtigten, erschossen zu haben. Ferner fiel die Beschuldigung, die Truppe habe die belgische Zivilbevölkerung mißhandelt.

Dem eigentlichem Prozeß ging eine bedeutsame Vorgeschichte voraus. Da es für die genannten Anschuldigungen keine Beweise gab, mußten die Angehörigen der Kampftruppe zu entsprechenden Geständnissen "bewegt" werden. Eigens zu diesem Zweck wurden 1945 einige hundert Divisionsangehörige in ein Gefängnis in Schwäbisch Hall überführt und unter strenge Einzelhaft gestellt. Die folgenden Wochen und Monate wurden die Inhaftierten systematisch Praktiken unterzogen, welche darauf hinzielten, die Soldaten zunächst in seelischer Hinsicht zu brechen, dann gegeneinander auszuspielen und schließlich zu eidesstattlichen Versicherungen zu veranlassen, mit denen sich die einzelnen Mitglieder der Kampfgruppe insgesamt gegenseitig an den Galgen bringen sollten.

Worin diese Praktiken im einzelnen bestanden, konnte bislang noch nicht unmißverständlich geklärt werden.

Die Schwierigkeiten, die angewandten Terrormethoden historisch genau zu beweisen und zu bestimmen, sollen weiter unten dokumentiert werden.

Die ehemals hartgesottenen Angehörigen der Kampftruppe Peiper waren bei Prozeßeröffnung nervlich völlig erschüttert, der Großteil der Beschuldigten war noch unter dreißig Jahre, teilweise erst Anfang zwanzig.

Die einzige Beweisgrundlage des Verfahrens waren die "Geständnisse" der Angeklagten aus Schwäbisch Hall. Selbst ein blutiger Laie hätte es als hochgradig unglaubwürdig empfinden müssen, hätte die Klageführung einen DP - Berufszeugen vorgeführt, welcher dann vorgeblich "zufällig" den Vorfällen von Malmedy im Zuge der Ardennenschlacht zugegen gewesen sein sollte. Zur Auswahl der Beklagten reihten sich zusätzlich einige höhere Militärs der Waffen - SS ein, deren zweifelsfrei prominentester Joseph - "Sepp" - Dietrich, Kommandierender General der I. SS - Panzerdivision und Oberbefehlshaber der VI. SS - Panzerarmee, war.

Die Maßnahmen, die auf die Gefangenen von Schwäbisch Hall Anwendung fanden, umfaßten:

Zunächst die militärische Demütigung durch die Entfernung aller Kriegsauszeichnung der Inhaftierten, unmittelbar nach Überführung in die Einzelhaft. [2]

 Jeden Gang außerhalb der Zelle, vorwiegend auf dem Weg zu ihrer Vernehmung, mußten die Arretierten unter einer schwarzen, blutverschmierten Kapuze über dem Kopf vornehmen. Joachim Peiper berichtete, auf diesen Wegen von den begleitenden Wachen mehrmals herum gestoßen und geschlagen worden zu sein. [3]

Während der Vernehmungen wurden die SS - Männer beschimpft, geschlagen und bedroht, mit besonderer Vorliebe wurde angekündigt, deren Angehörige an die Sowjetunion auszuliefern und / oder diesen ihre Lebensmittelkarten zu entziehen (Beides kam damals einem Todesurteil gleich!). [4]

Um die Beschuldigten gegeneinander auszuspielen, wurden ihnen gefälschte "Affidavits" anderer Angehöriger der Kampfeinheit vorgelegt, in welchem dem jeweilig Betreffenden einstimmig alle Schuld am Zwischenfall von Malmedy zugeschoben wurde. Dies mißlang allerdings, da ein granitener Ehrenkodex innerhalb der Truppe herrschte und die "Aussagen" dadurch schnell als Fälschungen erkannt waren.

Ferner wurden in Schwäbisch Hall Scheinverfahren durchgeführt, in welchem einzelne Angeklagte ihrer "Verbrechen" überführt und verurteilt, nach dem Ausspruch des Todesurteils in einen, als "Todeszelle" apostrophierten, neuen Kerker verlegt wurden. Die amerikanischen Untersuchungsbeamten erdreisteten sich sogar, als Gefängnisgeistliche getarnte Spitzel in die "Todeszellen" zu schicken und diese mit dem Hinweis, daß die Hinrichtung unmittelbar bevorstehe, die Beichte des Delinquenten entgegenzunehmen, um auf diesem Wege endlich ein "Geständnis" zu erlangen.

Die Verpflegung im Gefängnis war mehr als unzureichend. Es gab dreimal täglich nur ein Stück Brot, Wasser - wenn überhaupt - nur unregelmäßig. Heinz Rehagel: "Zum Durststillen blieb nur der Ausweg, mit dem Schuh Wasser aus dem Abort zu schöpfen." [5]

Problematischer hingegen sind die Anschuldigungen der Eidesstattlichen Erklärung von Otto Eble.

Er führte Praktiken der amerikanischen Ermittler an, welche nur als "inquisitorisch" angemessen charakterisiert werden können. Nach mehrmaligen, ergebnislosen Verhören seien ihm von den Verhörenden die Hände an einem Tisch festgebunden worden.

"Nun wurden mir angespitzte Zündhölzer 5-7 Millimeter unter die Fingernägel getrieben, von einem der vernehmenden Amerikaner angezündet, so daß die Hölzer bis unter die Fingernägel durchglühten." [6]

Acht Tage später wurde Otto Eble einem der genannten "Scheinverfahren" unterzogen. Nach dem Urteilsspruch sollte seine Hinrichtung direkt ausgeführt werden:

"Am Boden stehend wurde mir an einem im Flur vorbereitetem Galgen ein Strick um den Hals gelegt, und man zog mich langsam ca. 60 cm hoch. Ich blieb solange am Strick hängen, bis ich bewußtlos war.

Als ich wieder zu mir kam, bemerkte ich, daß ich in meiner Zelle liegend von einem amerikanischem Soldaten mit Wasser übergossen wurde. Essen konnte ich die nächsten acht Tage nichts, da mein Hals fast zugeschwollen war. Ärztliche Behandlung wurde abgelehnt." [7]

Die Schwierigkeit der Angaben Eble's besteht darin, daß scheinbar kein weiterer der inhaftierten Waffen-SS Soldaten von Schwäbisch Hall und auch den späteren Angeklagten von Dachau, derartig radikalen Maßnahmen ausgesetzt worden war. Es wäre hingegen voreilig, daraus pauschal abzuleiten, daß die Beschuldigungen unwahr sein müßten - es kann durchaus auch nur in diesem Einzelfall zu solchen Mißhandlungen gekommen sein.

Nach Prozeßeröffnung am 18. Mai 1946 in Dachau hatten sich nahezu alle Angeklagten mit dem bevorstehenden Todesurteil abgefunden. Daher sagten nur neun der insgesamt 73 Beschuldigten als Zeugen zu ihrer Rechtfertigung aus, darunter Joachim Peiper.

Die Klageführung oblag den gleichen Persönlichkeiten, welche den Ermittlungsstab von Schwäbisch Hall geleitet hatten, als Belastungsmaterial dienten die, unter den oben ausgeführten Umständen zustande gekommenen, "Geständnisse" der Kampfeinheit. Die neun Zeugen in eigener Sache deuteten vorsichtig an, ihre "Geständnisse" seien erzwungen worden und daher unwahr - eine direkte Beschuldigung der amerikanischen Vernehmungsoffiziere vor einem amerikanischen Militärgericht hätte eine zusätzliche Strafverschärfung provozieren können.

Das Gericht ignorierte derartige Einwände, erklärte die vorprozessualen Aussagen für wahrheitsgemäß und fällte auf dieser Grundlage am 18. Juli 48 folgendes Urteil:

Alle 73 Angehörigen der Kampfeinheit "Joachim Peiper" wurden für schuldig befunden, 43 wurden zum "Tod durch den Strang" (Darunter Joachim Peiper und Heinz Rehagel), 22 zu lebenslanger Haft (Darunter Joseph Dietrich), zwei zu zwanzigjähriger, einer zu fünfzehnjähriger, fünf zu zehnjähriger Haft verurteilt. [8]

Aus diesem, völlig haltlosen Urteil des Malmedy - Prozesses resultierte eine Entwicklung, ausgelöst durch eine umfassende Protestkampagne der Verteidigung und später auch klerikaler und staatlicher Kreise, welche schließlich mit dem einzigen, deutschen (Pyrrhus-) Sieg in Dachau enden sollte.

Die Verteidiger ließen sich die Drohungen und Schikanen von Schwäbisch Hall in eidesstattlichen Versicherungen (Aus denen bereits oben zitiert wurde) minutiös darlegen, um diese als Beweismaterial zur Urteilsüberprüfung vorzulegen.

Die amerikanische Besatzungsmacht reagierte außergewöhnlich raffiniert und berief ihrerseits eine Kommission zur Überprüfung der Anschuldigungen ein.

Während die Kampftruppe bereits ihre Landsberger Todeszellen bezogen hatte, setzten am 20. August 48 unter Gordon Simpson [9] ("Simpson - Kommission") die Nachforschungen ein.

Die Besatzungsmacht konnte in dieser Hinsicht gewiß sein, daß solche Ergebnisse, welche der Dachauer Rechtsprechung nachhaltig hätten schaden können, von der Kommission "widerlegt", oder aber hinreichend relativiert werden würden.

So besagte der abschließende Bericht vom 14. September 48, an der Fairness des Malmedy - Prozesses und seiner Urteilssprüche bestehe kein Zweifel.

Da die Protestbewegung in Deutschland, als deren maßgeblicher Wortführer der Rechtsanwalt Dr. Rudolf Aschenauer fungierte, keineswegs nachließ, berief der US - Senat 1949 einen zusätzlichen Untersuchungsausschuß., um das angekratzte Ansehen der weiterhin fortgesetzten Dachauer Prozesse endgültig wiederherzustellen und die lästigen Kritiken aus deutscher Öffentlichkeit endlich zu einem Ende zu bringen.

In den Ergebnissen des Ausschusses werden zwar die, für die amerikanischen Vernehmungsbeamten am schwerwiegendsten Belastungspunkte für "unhaltbar" erklärt, einigen einzelnen der Anschuldigungen aber - und dies ist von eminenter Bedeutung - wurde von dem Ausschuß Wahrheitsgehalt beigemessen - vermutlich um den Anschein einer Überparteilichkeit der Untersuchungen zu gewährleisten.

Zugestanden wurde der Einsatz von Spitzeln und gefälschten Aussagen von Mitgefangenen in Schwäbisch Hall, nur seien die Spitzel nicht als Gefängnisgeistliche kostümiert gewesen.

Ferner hätten auch "Scheinverhandlungen" einschließlich Urteilssprüchen stattgefunden, aber es sei in ausschließlich keinem Fall, auch nicht in jenem des Otto Eble, ein getürktes Hinrichtungsszenario vollzogen worden.

Auch Kapuzen seien den Inhaftierten auf dem Weg zur Vernehmung übergezogen worden, dies jedoch ausschließlich aus "Sicherheitsgründen". Waren die Gefangenen in dieser Situation Schlägen und Tritten ausgesetzt, könne es sich nur um Einzelfälle gehandelt haben. Der Essensentzug von einzelnen Häftlingen stellte hingegen eine legitime Disziplinarmaßnahme des amerikanischen Gefängnispersonals dar.

Als gänzlich unwahr wurde naturgemäß die unmenschliche Vernehmungspraxis mit den Zündhölzern erklärt. [10]

Es fällt auf, daß die Beschuldigungen bezüglich der Haftbedingungen und Verhörmethoden von Schwäbisch Hall immer nur bis zu einem solchen Punkt als wahrheitsgemäß anerkannt wurden, wo die Grenze einer vermeintlich strafrechtlichen Relevanz für die Vernehmungsoffiziere zu ziehen ist: "Scheinverhandlungen" hätten zwar stattgefunden, nur eben eine vorgetäuschte Exekution nicht. Spitzel seien eingesetzt, nur nicht betrügerisch als Geistliche getarnt worden usw.

Dadurch konnte ein wahrer Kern der Vorwürfe zugestanden, zugleich aber eine schützende Hand über die vernehmenden Beamten gehalten werden. Keiner der verantwortlichen Beteiligten von Schwäbisch Hall wurde daher jemals in diesem Zusammenhang zur Rechenschaft gezogen.

Aber - auf der anderen Seite wagte die amerikanische Besatzungsregierung hingegen auch nicht, die Todesstrafen der 43 Divisionsangehörigen zu bestätigen und in Landsberg vollstrecken zu lassen. 1951 ließ der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, Thomas T. Handy die Todesurteile in lebenslängliche Haftstrafen abwandeln. Allerdings mit der bitterbösen Kommentierung :

"Die Umwandlung dieser Todesstrafen bedeutet nicht, daß auch nur der geringste Zweifel an der Schuld irgendeines der Angeklagten für die zur Last gelegten Vergehen besteht." [11]

Nachträglich wurden also die Erkenntnisse einer rechtswidrigen Behandlung der Gefangenen und den bedenklichen Entstehungsumständen der "Geständnisse", welche noch drei Jahre zuvor von dem Untersuchungsausschuß eingeräumt worden waren, von offizieller Stelle wieder zurückgezogen. Die Begnadigung zu lebenslanger Haft stellte sich demgegenüber nun als Gnadenakt der nachsichtigen amerikanischen Besatzer dar, als seien die Urteile des Malmedy - Prozesses nur aus moralischen, nicht aus rechtlichen Gründen wiederholt aufgeschoben und endlich aufgehoben worden.

Zum Abschluß möchte ich noch folgendes zu bedenken geben:

Die Vernehmungstechnik mit den glühenden Zündhölzern wird immer wieder als unglaubwürdigstes Moment der genannten Vorwürfe der Inhaftierten von Schwäbisch Hall angeführt - nur allzu gerne werden dann die Grenzen zu weiteren (erwiesenen) Fakten verwischt, um schließlich daraus abzuleiten, daß alle Angaben der Waffen-SS Soldaten, einschließlich sämtlicher ihrer Inhalte als Lügen und Schutzbehauptungen zu betrachten seien.

Oswald Pohl, der Leiter des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes der SS wurde nach seiner Verhaftung im Mai 46 erwiesenermaßen von amerikanischen Vernehmungsbeamten an einen Stuhl gebunden, bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen und getreten; dann schließlich fügten ihm die Verhörer mit einer Rasierklinge Schnittwunden im Gesicht zu und rieben dieses mit Salz ein, bis Pohl schließlich "einwilligte", ein bereits abgefaßtes "Affidavit", welches den damals, als Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg angeklagten Reichswirtschaftsminister Walter Funk bedrohlich belastete, abzuzeichnen. [12]

Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt wurde: Wenn mit hohen und prominenten nationalsozialistischen Staatsmännern derartig verfahren wurde, warum sollten ausgerechnet rangniedere Chargen, wie die Waffen-SS Soldaten der Kampfgruppe Peiper bevorzugt behandelt werden? Ist die Mißhandlung im Fall des Otto Eble, so unvorstellbar sie innerhalb einer zivilisierten Gesellschaft auch erscheint, daher tatsächlich so grundsätzlich abwegig?

Im übrigen, wird einmal rein hypothetisch unterstellt, daß tatsächlich nicht "auch nur der geringste Zweifel" an der vermeintlichen Ermordung von ca. 70 kriegsgefangenen amerikanischen Soldaten in Malmedy durch Einheiten der Waffen-SS bestehen könne (was nicht der Fall ist !) - wie verhält es sich im Vergleich dazu mit der, oben genannten, erwiesenen Ermordung von ca. 480 wehrlosen Angehörigen des SS - Bewachungspersonals des Lagers Dachau durch amerikanische Soldaten? Kriegsverbrechen gegeneinander "aufzurechnen" ist moralisch verwerflich und keineswegs soll die Anmerkung in diese Richtung zu verstehen sein. Aber zeigt die Parallelität beider Vorfälle nicht sehr anschaulich, daß gegen derartige, in der Kriegssituation scheinbar unvermeidbare, Affektreaktionen auch alliierte Streitkräfte nicht gefeit waren?

 

V. Bilanz

1948 endeten die Prozesse in Dachau, die Massenexekutionen in Landsberg gingen weiter.

Sie erreichten sogar erst jetzt - 1948 - ihren eigentlichen Höhepunkt, denn diese besatzungspolitische Schraube sollte spürbar angezogen werden:

Es wurden nunmehr, ab Oktober 48, systematisch einmal wöchentlich jeweils zwischen zehn bis hauptsächlich fünfzehn Delinquenten in Landsberg exekutiert.

Der bereits angeführte Gefängnisgeistliche Karl Morgenschweis, der alle anstehenden Todeskandidaten seelsorgerisch zu betreuen hatte, befürchtete keineswegs zu Unrecht, angesichts dieser, verständlicherweise auch für den Pfarrer ungeheuerlichen menschlich-seelischen Belastung, allmählich den Verstand zu verlieren. [13]

Warum aber endete die Dachauer Gerichtsbarkeit so abrupt ?

Der sogenannte "Wilhelmstraßenprozeß" von Nürnberg, ebenfalls unter amerikanischer Jurisdiktion, ging noch bis Ende 1949 weiter, die Militärgerichte in Dachau sollten aber bereits am 30. Juni 1948 aufgelöst werden. [14]

Daß die amerikanische Besatzungspolitik dahingehend einen Wandel erfuhr, daß man im Zuge des Kalten Krieges in Deutschland einen neuen Verbündeten zu finden hoffte, den es zu umwerben galt, dürfte die Dachauer Prozesse so unmittelbar nicht betroffen haben, da zwar diese Prozesse endeten - die damit verbundenen Hinrichtungen in Landsberg aber noch drei weitere Jahre hindurch unbeirrt weitergeführt werden sollten.

Ausschlaggebend scheint hingegen ein allmählich eingetretenes Desinteresse der Besatzer selbst an ihrer Dachauer Justiz gewesen zu sein. Es entwickelten sich scheinbar im Zuge des Kalten Krieges andere, entscheidendere Anliegen heraus, als durch die Fortführung der Dachauer Rechtsprechung die eigene politische Integrität zu erhalten. Auch die Schlappe, welche die amerikanische Siegerjustiz durch ihren mißlungenen Malmedy - Prozeß erlitten hatte, lag zeitlich hinter den Beschlüssen zur Auflösung der Militärgerichte von Dachau.

In der Nacht vom 7. / 8. Juni 1951 wurden die letzten sieben Deutschen in Landsberg hingerichtet.

Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland von 1949 erklärte die Todesstrafe ausdrücklich für abgeschafft. Jede weitere durchgeführte Landsberger Exekution mußte auf die Bundesregierung wie ein Hohn der amerikanischen Besatzer auf das Grundgesetz der neu begründeten Republik wirken. Entsprechend hartnäckig fielen die Versuche der Regierung Adenauer aus, die letzten Sieben noch zu retten. Vielleicht ist in dieser Frage etwas zu forsch vorgegangen worden - Die Besatzungsmacht, nunmehr verkörpert durch den Hochkommissar John Jay McCloy [15] , wollte nun unmißverständlich zeigen, wer auch noch in der zweiten Hälfte des Säkulums der "Herr im Hause" sei und überging alle Einwände und Proteste, die von sämtlichen Seiten des öffentlichen Lebens in Deutschland eintrafen.

Zwei dieser Delinquenten waren vor Dachauer Militärgerichten, die übrigen in verschiedenen Nürnberger Nachfolgeverfahren abgeurteilt worden. Hans Schmidt war noch ein später Nachzügler der 22 Todeskandidaten des Buchenwald - Hauptverfahrens von 1947 (s.o.), die Aburteilung des Rapportführers Georg Schallermair in Dachau hatte im Zusammenhang mit einem Nachfolgeprozeß zum Lager Mühldorf stattgefunden.

Als Exekutionszeugen waren der Vizekanzler Franz Blücher (FDP) und Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (CDU) verpflichtet worden - eine zusätzliche, gezielte Demütigung der Bundesregierung durch die süffisante Besatzungsmacht, nicht nur durch diese letzten Hinrichtungen noch einmal ihre uneingeschränkte Autorität im okkupierten Deutschland zu demonstrieren, sondern dies auch zudem vor den Augen hoher staatlicher Vertreter aus Bonn.

Oswald Pohl, Leiter des SS - Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes (WVHA), der ebenfalls zu den letzten Sieben zählte, äußerte auf dem Schafott eindringlich:

"Deutschland, hüte dich vor deinen Freunden!" [16] Gemeint waren die amerikanischen Besatzer.

Die genaue Anzahl der Exekutionen von Landsberg bilanzierend festzustellen, ist problematisch.

Die Zahlen, die in der Forschungsliteratur angegeben werden, weichen voneinander ab.

Irreführend ist ferner, daß einige der Dachauer Verurteilten später an ein anderes Land ausgeliefert, einem weiteren Verfahren unterzogen und darauf dort hingerichtet worden waren. Dies betrifft bspw. SS - Obergruppenführer Jürgen Stroop, welcher nach dem Dachauer Urteilsspruch eines Fliegerprozesses nach Polen gebracht wurde.

Sigel spricht in seinem Standardwerk zu den Dachauer Prozessen von einer "Gesamtzahl von 268 vollstreckten Todesurteilen" [17] , Werner Maser nennt die Zahl von 255 Delinquenten in Landsberg [18] , Lucius D. (ubignon) Clay, dem schließlich als Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone die Aufgabe oblag, den Exekutionsurteilen der Militärgerichte stattzugeben und daher zweifellos am besten wissen mußte, wie viele Personen er selbst während seiner Amtszeit (1947-49) in Landsberg auf Schafott geschickt hatte, führte in seinen Memoiren "299 Hinrichtungen" an. [19]

Auf dem Friedhof Spötting bei Landsberg, unweit der Haftanstalt, zeugen noch heute 130 Gräber von der Dachauer Rechtsprechung und amerikanischer Gerechtigkeitsauffassung.

 

VI. (Fazit und Ausblick)

Anzunehmen, ausnahmslos alle Verurteilten der Dachauer Prozesse seien, wie dies mit Beklagten des Malmedy - oder auch des Borkum - Verfahrens erwiesenermaßen der Fall war,

gänzlich frei von Schuld, ist natürlich töricht und zumindest teilweise sind Verantwortliche an tatsächlichen Mißhandlungen in Konzentrationslagern auch mit Berechtigung deswegen belangt worden.

Die Durchführung solcher Nachkriegsverfahren hätte hingegen in einzig angemessener Form durch deutsche Behörden erfolgen dürfen und die ersten Ansätze der Aufrichtung einer solchen Gerichtsbarkeit nach Kriegsende von deutscher Seite sind geschichtlich belegbar. An welcher Stelle dieses Vorhaben letztendlich scheitern sollte, muß nicht weiter verwundern.

Großadmiral Karl Dönitz, der durch Hitler testamentarisch zum Staatsoberhaupt ernannt wurde, erinnerte sich zu dieser Frage in seinen Memoiren:

"Am 6. Mai enthob ich Himmler aller seiner Ämter. Daß ich ihn gehen ließ, bereute ich, als ich in der folgenden Zeit von den KZ - Greueln erfuhr.

Denn ich war der Ansicht, daß diese Dinge eine deutsche Angelegenheit seien, daß wir selbst alles, was an unmenschlichem geschehen war, zu klären hatten und die Schuldigen zur Verantwortung ziehen sollten.

Graf Schwerin - Krosigk und ich waren uns in der Betrachtung dieses Problems einig. Er legte mir alsbald eine Anordnung vor, wonach das Reichsgericht die Untersuchung und Aburteilung all dieser Greueltaten durchführen habe. Ich sandte den Text mit einem eingehenden Bericht an Eisenhower und bat darin, das Reichsgericht für diese Aufgabe arbeitsfähig zu machen. Bei einem Gespräch, das ich mit dem amerikanischen Botschafter Murphy, dem politischen Berater Eisenhowers hatte, wies ich nochmals ausdrücklich auf diesen Antrag hin und bat ihn um Hilfe. Er sagte mir auch seine Unterstützung zu. Ich hörte aber nichts mehr von der Angelegenheit." [20]

Bekanntlich war das weitere, das der Reichsregierung Dönitz widerfuhr, daß diese am 23. Mai - völkerrechtswidrig - wie ein bolschewistisches Partisanennest von britischen Soldaten ausgehoben und sämtliche ihrer Mitglieder unter den unwürdigsten Umständen arretiert wurden.

Eine Aburteilung des Konzentrationslagerpersonals von deutscher Seite war schlichtweg unerwünscht, warum ist offenkundig: Es hätte geschichtlich der Kollektivschuldthese des Deutschen Volkes in hohem Maße entgegengestanden, welche propagandistisch unbedingt aber aufrechtzuerhalten war, um u.a. damals noch geplante Maßnahmen, wie sie im "Morgenthau - Plan" deutlich gemacht wurden, welcher vorsah, das Deutsche Reich in den Status eines vor-industrialisierten Staates rückzuversetzen, (Dessen Umsetzung ungefähr den Tod von 40 % der deutschen Gesamtbevölkerung bedeutet hätte) legitimieren zu können.

Genau nach diesem Prinzip einer kollektiven Schuldhaftigkeit des Deutschen Volkes waren die Dachauer Prozesse folgerichtig auch ausgerichtet - es wurden nicht tatsächliche Verbrechen (wie die deutschen Gerichte gegen sie verhandelt hätten), sondern unterstellte geheime "Pläne" und "Vorhaben", düstere "Verschwörungen" abgeurteilt - Tatbestände, welche eine weitaus höhere Zahl an Verurteilungen gewährleisten sollten und dies auch taten, ferner, in einem nahezu grenzenlosen Maße rechtlich ausdehnbar waren.

Der ehemalige Lagerkommandant Martin Gottfried Weiss, Todeskandidat des ersten Dachauer Konzentrationslagerverfahrens, traf genau die Kernproblematik als er am Tage seiner Exekution, am 29. Mai 46, dem Gefängnispfarrer Karl Morgenschweis, ob im Lager Dachau tatsächlich die unterstellten Greueltaten vorgekommen seien, entgegnete:

"Solche Verbrechen sind geschehen. Aber von denen, die heute hingerichtet werden, sind nicht alle schuldig, nur ein Teil. Ich hatte mich bemüht, Verbrechen, wie sie begangen worden sind, abzustellen, es war aber einfach unmöglich, überall nach dem Rechten zu schauen, weil ich so viele Lager (Gemeint sind die zahlreichen Außenlager von Dachau, darunter die elf "Kauferinger Lager") unter mir gehabt habe. Ich übernehme aber dafür die Verantwortung und sterbe heute." [21]

Weiss bewahrte eine vollkommen stoische Haltung - er lebte in dem Irrglauben, daß, wenn er sich zu einer umfassenden Verantwortlichkeit bekenne, weitere Verfahren gegen das ehemalige Lagerpersonal durch die amerikanischen Militärgerichte ausbleiben würden. Daß seine Exekution erst den Auftakt einer Vielzahl weiterer Prozesse wider das Lager Dachau darstellte, verbunden mit Hinrichtungswellen, welche erst fünf Jahre nach dem Tod des zeitweisen Lagerkommandanten, ein Ende finden sollten, konnte er damals nicht ahnen.

Welcher Geist innerhalb der amerikanischen Anklagebehörde vorherrschend war, erhellte bspw., daß in deren Diensträumen eine Tafel zu finden war, auf welcher fortwährend sogenannte "Rennergebnisse der neuesten Verurteilungen und Strafmaße von Dachau eingetragen waren. Unter "I. Preis" wurden die Todesstrafen, unter "II. Preis" lebenslange Haftstrafen, dann die zeitlich begrenzten Haftstrafen und unter der Bezeichnung "Ferner liefen", die geringeren Haftstrafen aufgeführt. Der Erfolg durchgeführter Prozesse wurde unter den Klageführern am prozentualen Anteil der ausgesprochenen Höchststrafen unter den Verurteilten gemessen. [22]

Welche geschichtlichen Erkenntnisse lassen sich aus der Gegebenheit der amerikanischen Dachauer Prozesse heute ziehen ? Sie stellen nur ein einzelnes Phänomen des umfassenden Gesamtzusammenhanges amerikanisch - alliierter Besatzungspolitik unter vielen dar. Ihre politische Wirkungskraft reicht demgegenüber bis in die Gegenwart.

Der weitere Verlauf der Geschichte straft die pathetischen Beteuerungen der Amerikaner, hier insbesondere in Nürnberg,

sie hätten eine revolutionär neue Rechtsprechung kreiert, welche letztendlich ihnen selbst einmal zum Verhängnis werden könne (Da sich die Amerikaner damals wie selbstverständlich anmaßend als Pars pro toto einer Weltgemeinschaft darzustellen vorgaben), deutlich Lügen.

Trotz kapitaler Verbrechen ist nämlich nichts dergleichen geschehen. Betrachtet man die unbeschreiblichen Greueltaten der Amerikaner in Vietnam, aber auch Korea, zweifelsfrei hervorgerufen durch das übersteigerte Überlegenheitsbewußtsein eines amerikanischen "Herrenmenschentums" hätten diese doch geradezu dazu verpflichtet, zumindest nur die unmittelbar Verantwortlichen angemessen zu bestrafen.

Es soll an dieser Stelle keineswegs bestritten werden, daß sogar ein einziges Verfahren in den USA stattfand, in welchem zähneknirschend der amerikanische Oberleutnant William Calley angesichts nicht widerlegbarer Beweise für seine Greueltaten im süd-vietnamesischen My Lai verurteilt wurde.

Der Urteilsspruch zu lebenslänglichem Arrest war jedoch aus rein formellen Gründen gefällt worden, denn er wurde auch nie vollstreckt und Calley verblieb in Freiheit, avancierte später sogar bezeichnenderweise zu einer Art von Volkshelden in den USA und wurde noch nicht einmal aus der US - Armee ausgeschlossen. [23]

Wo blieben die amerikanischen Idealisten des Londoner Abkommens vom August 1945 nun, um die "abscheulichen Taten" zu ahnden? Was soll man aus ihrem Schweigen über diese "Menschheitsverbrechen" folgern ? - Waren es patriotische, opportunistische, waren es gar rassistische Motive, welche die Amerikaner abhielten, hier einzuschreiten ?

Der Einwand von Telford Taylors daß, historisch, im Falle Vietnams, ein eindeutiger Aggressor, ähnlich wie während des Zweiten Weltkrieges definiert, nicht feststünde, überzeugt keineswegs. [24]

Denn abgesehen von der rechtlichen Frage des Deliktes eines Angriffskrieges seitens Amerika gegen Nordvietnam ("Verschwörung" / "Verbrechen Gegen den Frieden" - deren Gegebenheit Taylor in diesem Fall bestreitet) wären ferner konkrete Greueltaten - teilweise angeordnet von höchsten staatlichen und militärischen Stellen - wie der Abwurf von Brandbomben auf die Zivilbevölkerung [25] , Massenerschießungen der Zivilbevölkerung (einschließlich Frauen und Kinder) und Kriegsgefangenen durch amerikanischen Soldaten u. ä., abzuurteilen gewesen, die gegen herkömmliches Kriegsrecht verstießen. Weder handelte es sich hier um Einzelfälle, noch um Exzesse rangniederer Untergebener. Der Erfolg einer militärischen Aktion bestand intern in der Quote der gefallenen Gegner ("Body Count"). Um sich durch eine möglichst hohe Quote profilieren zu können, ordneten die amerikanischen militärischen Befehlshaber ausdrücklich an, daß ihre Soldaten keine Gefangenen zu machen hätten. [26]

Nichts dergleichen ist jemals strafrechtlich geahndet worden.

Gegenwärtig ist wieder die Tendenz gegeben, an die "Rechtsprechung" von Nürnberg und Dachau anknüpfend, neue entsprechende Verfahren, namentlich gegen jugoslawische Staatsmänner durchzuführen.

Vergleichbar mit den Dachauer Prozessen wurde u.a. 1996 der Kommandant eines serbischen Konzentrationslagers, Dusko Tadic, in Den Haag angeklagt und verurteilt.

Es fällt dem aufmerksamen Beobachter auf: So vehement der Vorwurf, die Grundlage all jener Verfahren von Nürnberg, Dachau bis Den Haag sei eine "Siegerjustiz," auch abgestritten wird, er ist dennoch objektiv ohne Ausnahme zutreffend. Es waren faktisch bisher immer Sieger, welche über besiegte (oder zumindest weitgehend militärisch unterlegene) Mächte zu Gericht gesessen haben und es gibt auch keinerlei Anzeichen dafür, daß sich dies noch einmal grundlegend ändern sollte.

Denn die federführende Macht sind auch hinter dem Tribunal von Den Haag die USA - nur ist die amerikanische Regierung hingegen heute intelligent genug, weitgehend politisch aus dem Hintergrund dergestalt zu agieren, den Anschein einer "Internationalität" des Tribunals zu wahren. Kennzeichnend werden in Den Haag nur, gemäß des amerikanischen Interesses, politische Gegner der USA belangt - momentan steht die Aburteilung von Slobodan Milosevic bevor, ein weiterer Kandidat wäre der irakische Diktator Saddam Hussein.

Letzterem würde wahrscheinlich vor dem Tribunal mit aller heuchlerischen Entschiedenheit das Elend im Irak als "Verbrechen wider die Menschlichkeit" zur Last gelegt werden, für welches insbesondere die Amerikaner durch das Embargo, sowie ihre Bombardements, die seit den 90er Jahren bis heute unbeirrt weitergeführt werden und dadurch das Bestehen einer funktionierenden Infrastruktur gänzlich unmöglich machen, eine umfassende Verantwortung tragen.

Milosevic wird zwangsläufig als "Verbrecher" verurteilt werden müssen, um den Einfall amerikanischer Soldaten in das jugoslawische Kriegsgebiet, ohne den Rückhalt des "Weltsicherheitsrates", nachträglich als historisch gerechtfertigt erscheinen lassen zu können.

Nur allzu gern wird, aus verständlichen Gründen, Immanuell Kant als geistige Legitimation solcher Tribunale von Nürnberg und Den Haag angeführt. Kant hatte, und in dieser Hinsicht ist er noch deutlich als Philosoph der Aufklärung zu lesen, in seiner Schrift "Zum ewigen Frieden" (1795) sich für die Errichtung eines Völkerbundes ausgesprochen.

Man würde Kant aber größtes Unrecht zufügen, unterstellte man dem Philosophen, er sei Vordenker der genannten monströsen Gerichtshöfe, wo der Entscheid von Schuld und Unschuld,

nur ausgesuchter Fälle von vermeintlichen Genozid-Verbrechen von politischen Abwägungen maßgeblich bestimmt wird - zudem noch offensichtlich in ihrer Entscheidungsfindung zusätzlich beeinträchtigt von den bekannten rassistischen Ressentiments des amerikanischen Spießbürgers! Denn das, was Kant als "Weltbürgerrecht" verfocht - das muß hier ausdrücklich feststellt werden - wird in Den Haag zuallerletzt eingeklagt!



[1] Zitiert nach: Aschenauer, Rudolf : Zur Frage der Revision der Kriegsverbrecherprozesse. Nürnberg 1949; S. 17ff

[2] Keineswegs eine, zumindest für den amerikanischen Sieger, ungewöhnliche Praxis. Selbst hochgradigen Militärs der Wehrmacht wurden alle Orden und Auszeichnungen abgenommen. Zu nennen sind hier an erster Stelle: Reichsmarschall Göring, Generalfeldmarschall Keitel, Großadmiral Dönitz, Großadmiral Raeder und Generaloberst Jodl.

Daß vergleichsweisen unteren Chargen, wie den Angehörigen des I. SS - Panzerregiments, ebenso verfahren wurde, dürfte als erwiesen gelten. Übrigens stellt der Raub von Kriegsauszeichnungen gefangener Soldaten einen deutlichen Verstoß wider die Genfer Konvention dar !

[3] Eidesstattliche Erklärung von Oberst Joachim Peiper vom 15.1.48, nach: Sigel, Im Interesse der Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1992; S. 132 f.

[4] Eidesstattliche Erklärung von Leutnant Heinz Rehagel, nach: Sigel, Im Intersse der Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1992; S. 133-35.

[5] Zitiert nach: Sigel, Im Interesse der Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1992; S. 134.

[6] Eidesstattliche Erklärung von Otto Eble, zitiert nach: Hammerstein, K. W. : Landsberg. Henker des Rechts. Wuppertal 1952

[7] S.o; S. 214.

[8] Zu den Urteilssprüchen des Malmedy - Prozesses im einzelnen, siehe: Willing, Vergangenheitsbewältigung, Coburg 1992; S. 243 f.

[9] Gordon Simpson war zuvor Richter am Obersten Gerichtshof von Texas.

[10] Siehe: Sigel, Im Interesse der Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1992; S. 155.

[11] Zitiert nach:Sigel, Im Interesse der Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1992; S. 180.

[12] Zur Mißhandlung Oswald Pohls, siehe: Irving, David: Der Nürnberger Prozeß - Die letzte Schlacht. München 1979; S. 81f. und: Maser, Werner: Nürnberg. Düsseldorf 1988; S. 176.

[13] Aus der Rede des Monsignore Karl Morgenschweis vom 25. 11. 1966,

in: Willing, Vergangenheitsbewältigung, Coburg 1992; S. 214.

[14] Nach: Sigel, Robert: Im Interesse der Gerechtigkeit. Frankfurt a. M. 1992; S. 160.

[15] John Jay McCloy, zuvor Rechtsanwalt aus New York und Präsident der Weltbank, war US - Hochkommissar von 1949 - 52, fungierte als einer der wesentlichen Architekten der Nürnberger Prozesse. Für die Bestätigung der Dachauer Urteile war allerdings, nach dem Weggang Clays, nicht McCloy, sondern der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, Thomas T. Handy zuständig.

[16] Zitiert nach: Willing, Vergangenheitsbewältigung, Coburg 1992; S. 221.

[17] Zitiert nach: Sigel, Robert: Im Interesse der Gerechtigkeit. Frankfurt a. M. 1992; S. 39.

[18] Nach: Maser, Werner: Nürnberg. Düsseldorf 1988; S. 611. Bei Maser ist nicht unmißverständlich klar, ob in der angeführten Zahl von 255 die insgesamt 12 Delinquenten aus Nürnberger Prozessen enthalten sind oder nicht.

[19] Nach: Clay, Lucius D.: Entscheidung in Deutschland. Frankfurt a. M. 1950; S. 284

[20] Zitiert nach: Dönitz, Karl: Zehn Jahre und zwanzig Tage. Bonn 1997 (11. Auflage).

[21] Zitiert nach: Willing, Vergangenheitsbewältigung, Coburg 1992; S. 209 f.

[22] Nach: Aschenauer, Rudolf: Zur Frage einer Revision der Kriegsverbrecherprozesse. Nürnberg 1949; S. 20

[23] Nach: Taylor, Telford: Nürnberg und Vietnam. München / Wien / Zürich 1971; S. 179

[24] Siehe: Ebenda; S. 117

[25] Zur völkerrechtlichen Frage der Luftbombardements auf Nordvietnam,

siehe: Ebenda; S. 162-64.

[26] Nach: Ebenda; S. 174

zurück

 

Zur Startseite!