Zeitgeschichte + Hintergründe

 

Nachlese von der 20. Juli-Diskussion 2003

Antwort auf Beiträge von Horst Mahler und Richard Schapke

 

Leitsätze:

zum 20. Juli 1944: Der Putsch war im Kern nicht die verzweifelte Folgerung patriotischer Offiziere aus der militärischen Lage, sondern vielmehr der zuvor immer wieder verschobene Höhepunkt eines jahrelangen Landesverrats, der u.a. mit ursächlich für den Kriegsausbruch war.
zur Kriegsschuldfrage: Es gibt nur wenige komplexe Sachverhalte in der Geschichte, die besser belegt sind als die Tatsache, daß der Zweite Weltkrieg Adolf Hitler und dem Deutschen Reich aufgezwungen wurde.
zum Sozialismus im Dritten Reich: Das Dritte Reich war nicht sozialistisch im marxistischen Sinne der Verstaatlichung der Produktionsmittel, sehr wohl aber im entscheidenden nationalpolitischen Sinne der staatlichen Richtlinien- und Lenkungskompetenz für Wirtschaft und Kapital.

Anläßlich der Stellungnahme Horst Mahlers (bzw. des „Deutschen Kollegs“) vom 19. Juli und meines Beitrages vom 21. Juli zum diesjährigen 20. Juli-Gedenken hat sich ein gewisser Richard Schapke mit einem „Gegenstandpunkt“ zu Wort gemeldet und vor allem Mahler scharf kritisiert, weil dieser vom Zweiten Weltkrieg als einem „von den Westmächten aufgezwungenen Mehrfronten-Krieg“ und von einer deutschen Verteidigung Europas gegen „die Zinsknechtschaft der westlichen Verwertungsgemeinschaft“ gesprochen hatte. Alle drei Beiträge sind unter http://www.die-kommenden.net/dk/artikel/index.html#juli44 zu finden.

Bei allen Vorbehalten meinerseits gegenüber Mahler muß ich doch zugeben, daß er mir in diesem Fall sympathischer ist als sein Kritiker Schapke. Denn sehr im Gegensatz zu diesem probiert er etwas, was die Deutschen nur selten wagen: eine Versöhnung mit der eigenen Geschichte. Er unternimmt nämlich den Versuch, seine kritische Aufgeschlossenheit gegenüber dem Dritten Reich und seine Ablehnung der ritualisierten „Vergangenheitsbewältigung“ mit einer versöhnlichen Würdigung des den konservativ militärischen, adeligen und großbürgerlichen Oberschichten entstammenden, heute für eine unglaublich verlogene „staatstragende Tradition“ mißbrauchten, sogenannten „Widerstandes“ gegen Hitler zu verbinden. Darin könnte man eine gut gemeinte, wenn auch m.E. unrealistische Strategie zur Stärkung der heutigen nationalen Opposition sehen. Denn Mahler geht von der Annahme aus, daß es sich bei den Putschisten des 20 Juli 1944 tatsächlich um Patrioten handelte, die wegen der prekären Kriegslage in Sorge um das Reich waren und den Krieg deswegen beenden wollten. Er unterstellt offenbar auch, daß dies 1944 ohne totale Kapitulation (insbesondere an der Ostfront) überhaupt möglich war oder zumindest aus damaliger Sicht so gesehen werden konnte. Unter diesen Prämissen nennt er den Umsturzversuch immer noch Verrat, ja Landesverrat, stellt ihn aber gleichzeitig als patriotisch begründete Gewissensentscheidung dar, die - nach meinem Verständnis seines Textes - im Erfolgsfall etwa mit dem eigenmächtigen Vorgehen des Generals York von Wartenburg bei Tauroggen im Dezember 1812 vergleichbar gewesen wäre. So will er den, seiner Meinung nach, durchaus deutschnational motivierten „Widerstand“ gegen Hitler offenbar der heutigen Tradition der Schande entreißen und ihn, trotz aller tragischen inneren Widersprüche und Verstrickungen, in ein echtes nationales Traditionsverständnis mit einbeziehen.

Ich will nicht leugnen, daß diese Betrachtungsweise in bezug auf bestimmte Putschteilnehmer oder Mitwisser, die erst unter dem Eindruck der immer bedrohlicheren Kriegslage zum „Widerstand“ gestoßen waren, tatsächlich eine gewisse Berechtigung haben könnte. Doch die eigentlichen Hintermänner und Drahtzieher, wie Admiral Canaris, Generaloberst Beck, der Reichskanzler in spe Goerdeler u.s.w., konspirierten sowohl vor dem Kriegsausbruch als auch danach mit dem Landesfeind, d.h. mit der angloamerikanischen Kriegspartei bzw. dem Kriegsgegner. Diese landesverräterischen Aktivitäten, die unter Einbeziehung verschiedener deutscher Verschwörerkreise, v.a. der Verräterclique um Ernst von Weizsäcker im Auswärtigen Amt, betrieben wurden, sollten zunächst diplomatisch-militärische Provokationen fremder Mächte gegen das Reich heraufbeschwören, um damit den schon vor dem Krieg geplanten Putsch zu begünstigen. Später ging es darum, mitten im Krieg die direkte Unterstützung der Kriegsgegner für eine Rebellion der Streitkräfte gegen die eigene Staatsführung zu erheischen. Dabei zögerte man nicht einmal, der kämpfenden Truppe in den Rücken zu fallen und bewußt eine deutsche Niederlage herbeizuführen: Der Verschwörer Generalmajor Henning von Tresckow gestand nach dem Krieg ganz offen und ungeniert, die Verschwörer hätten es als ihre Aufgabe angesehen, „Hitlers Erfolge unter allen Umständen und mit allen Mitteln zu verhindern, auch auf Kosten einer schweren Niederlage des Dritten Reiches“.

Diese Tatsachen ziehen der Mahlerschen Geschichtsinterpretation enge Grenzen. Aber auch die politische Intention Mahlers, die sich m.E. hinter seinen Ausführungen zum 20. Juli verbirgt, halte ich im Hinblick auf den nationalen Kampf für kontraproduktiv. Es ist nämlich nicht zu übersehen, daß Mahler selbst der antidemokratisch-elitären Staatsauffassung einiger führender Männer des „Widerstandes“ ziemlich nahe steht. Mir scheint es naheliegend, anzunehmen, daß der Monarchist Horst Mahler eine Art ideologischer Frontbegradigung vornehmen möchte, um mit seiner monarchistischen „Reichsverfassung“ etc. an vermeintliche Vorbilder anknüpfen zu können. Da ich selbst die politischen Schwerpunkte ganz wo anders sehe, hielte ich aber genau dies für politisch verfehlt, ja töricht. Andererseits kann ich durchaus verstehen, daß Mahler diese konservativen, preußisch geprägten Eliten des Reiches für die Tradition des nationalen Widerstandes in Anspruch nehmen und nicht den heutigen Machthabern überlassen möchte. Sein - unser - Pech ist m.E. nur, daß es sich um eine heute weitgehend ausgestorbene Klasse handelt, die sich also schlecht als Verbündete eignet, und deren Verhalten im Dritten Reich und im Zweiten Weltkrieg, also in der Schicksalsstunde Deutschlands und Europas, tatsächlich alles andere als ein Ruhmesblatt für Deutschland war. Doch, darüber kann man - und sollte man ruhig auch - streiten.

Unabhängig davon bin ich aber, was die Glaubwürdigkeit von Horst Mahler und seinem politischen Engagement betrifft, von seinem 20 Juli-Beitrag positiv beeindruckt, denn ich erblicke darin erstmalig (Entschuldigung, könnte an mir selbst liegen!) bei ihm eine gewisse Rationalität und einen konstruktiven, ehrlich gemeinten und deswegen diskutablen strategischen Ansatz für den nationalen Kampf.

Ganz anders bei Richard Schapke. Dieser versucht zwar ebenfalls, den „Widerstand“ zu rechtfertigen, aber offenbar nicht um eine Versöhnung zwischen verschiedenen, mutmaßlich nationalen Kräften zu erreichen, sondern weil es zu den Kriegsschuldvorwürfen gegen Hitler und damit gegen Deutschland so schön paßt. Im übrigen bezeichnet Schapke den historischen Nationalsozialismus als „Interessenvollstrecker des deutschen Großkapitals“. Dieser, in Anbetracht der tatsächlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik Hitlers perfide Vorwurf wird neben den Kriegsschuld- und Kriegsgreuellügen immer wieder von verschiedenen Seiten erhoben, offenbar um die enormen wirtschaftlichen und sozialen Erfolge in Frage zu stellen, die das Dritte Reich nicht etwa durch Verstaatlichung der Wirtschaft, sondern mittels konsequenter Durchsetzung des Führungsanspruchs der Reichsregierung gegenüber Wirtschaft und Kapital errang. Durch diese Politik brachen die Nationalsozialisten die MACHT des Kapitals, ohne die an sich unentbehrlichen volkswirtschaftlichen Funktionen der Eigeninitiative und der Kapitalströme auszuschalten. Man könnte von einem Sozialismus der überlegenen politischen Führung - im Gegensatz zum marxistischen Sozialismus der Enteignungsexzesse - sprechen. Um diesen deutschen Sozialismus in Verruf zu bringen und gleichzeitig die so beliebte antideutsche Mär vom deutschen „Weltherrschaftskartell“ aus Großkapital, Militarismus und Nationalsozialismus aufzuwärmen, wird dem Dritten Reich immer wieder eine Abhängigkeit vom Großkapital angedichtet, die es in Wirklichkeit GERADE NICHT gab. Leider gehören die unbegründeten Sprüche von Richard Schapke voll in diese traurige Kategorie.

Aber bevor ich auf diese Wirtschafts- und Kapitalfragen etwas näher eingehe, will ich mich zuerst noch einmal mit der Kriegsschuldfrage befassen, denn in diesem Punkt dürfen Schapkes Behauptungen auf keinen Fall unwidersprochen bleiben. Daraus wird sich auch eine vertiefte kritische Auseinandersetzung mit Horst Mahler bezüglich seines Bildes vom 20. Juli ergeben. Denn, wie oben schon angedeutet und im folgenden genauer ausgeführt, spielte gerade der „Widerstand“ gegen Hitler im Zusammenhang mit dem Kriegsausbruch 1939 eine besondere Rolle und war insofern indirekt - und durch spätere Sabotage gegen die deutsche Kriegsführung auch direkt - für die militärische Lage 1944 mitverantwortlich.

ZUR KRIEGSSCHULDFRAGE

An den Anfang stelle ich folgendes Zitat von Richard Schapke aus seinem oben erwähnten Beitrag:

„ (...) Auf der einen Seite ist diese Fortsetzung des Ersten Weltkrieges wohl beinahe unausweichlich gewesen, was einsichtigen Geistern schon bei Abschluß der Verhandlungen um den Diktatfrieden von 1919 deutlich vor Augen stand. Auf der anderen Seite jedoch wurde dieser Konflikt durch die imperialistischen Weltherrschaftspläne Hitlers und diverser Helfershelfer ausgelöst, welche im übrigen selbst innerhalb der Führungsriege des Dritten Reiches alles andere als unumstritten waren. Daß Hitler hierbei letztendlich als Interessenvollstrecker des deutschen Großkapitals und revanchistischer Militärkreise fungierte, ist unzweifelhaft. (...)“

Schapke meint also, der Krieg sei ohnehin unausweichlich gewesen, und zwar wegen Versailles, seine Auslösung aber durch Hitlers „Weltherrschaftspläne“ erfolgt. Damit hätte letzterer u.a. den Interessen „revanchistischer Militärkreise“ gedient. - Das ist Unsinn, und zwar in mehrfacher Hinsicht.

Erstens können Pläne, welcher Art auch immer, grundsätzlich nicht einen Krieg auslösen, sondern ihn höchstens vorbereiten und damit u.U. unvermeidbar machen.

Zweitens hätte es aber gerade für letzteres nach Schapkes eigener Einschätzung Hitlers Pläne gar nicht bedurft, weil der Zweite Weltkrieg als „Fortsetzung des Ersten Weltkrieges wohl beinahe unausweichlich gewesen“ sei.

Drittens hatte Hitler in bezug auf Polen gar keine derartigen Pläne. Ganz im Gegenteil, er verfolgte seit der Regierungsübernahme 1933 konsequent eine polenfreundliche Politik, an der er bis kurz vor der aufgezwungenen Kriegsentscheidung im Spätsommer 1939 eisern festhielt, und zwar trotz wiederholter schwerster Provokationen und militärischer Drohgebärden der polnischen Regierung. Im Rahmen seiner außenpolitischen Strategie strebte er ein enges Zusammengehen mit England und Polen an, also gerade mit den späteren Kriegsgegnern, und zwar zum Schutz gegen den sowjetischen Bolschewismus, also gegen den späteren improvisierten Bündnispartner. Wer behauptet, daß der Kriegsausbruch im September 1939 Hitlers strategischen Plänen oder gar „Welteroberungsplänen“ entsprach, redet also ganz offensichtlich Unsinn. Die tatsächliche Kriegskonstellation im Jahre 1939 entsprach eindeutig NICHT Hitlers Plänen, sondern war seinen strategischen Vorstellungen geradezu diametral entgegengesetzt. Also kann man, ganz unabhängig von der ohnehin unsinnigen Behauptung, Hitlers „Welteroberungspläne“ hätten den Krieg ausgelöst, feststellen, daß es zwischen Hitlers langfristigen Plänen, wie auch immer diese in anderer Hinsicht gewesen sein mögen, und dem Ausbruch des Krieges 1939 kaum einen ursächlichen Zusammenhang gegeben haben kann, schon gar nicht dergestalt, daß Hitler als Verursacher anzusehen sei.

Viertens war Adolf Hitler selbst keineswegs „Revanchist“, wofür er schon in seinem Buch „Mein Kampf“ deutlich Zeugnis abgelegt hatte. Siehe z.B. Kapitel 14: „Die Forderung nach Wiederherstellung der Grenzen des Jahres 1914 ist ein politischer Unsinn von Ausmaßen und Folgen, die ihn als Verbrechen erscheinen lassen.“ Bekanntlich offerierte er am 24. Oktober 1938 den Polen sogar die endgültige deutsche Anerkennung der polnischen Westgrenze, also der polnischen Hoheit über die nach dem Ersten Weltkrieg annektierten deutschen Gebiete Westpreußen, Posen und Ost-Oberschlesien. Die Weimarer Republik hatte Polen dieses sogenannte „Ost-Locarno“ stets beharrlich verweigert. Im Zusammenhang mit der Sudetenkrise konnten die Polen dank der Unterstützung Hitlers auch das überwiegend polnisch besiedelte, aber nach dem Ersten Weltkrieg von den Tschechen coupartig geraubte Olsagebiet zurückgewinnen, obwohl die dortige deutsche Minderheit lautstark protestierte und der Reichsregierung sogar mit einem Volksaufstand drohte. Auch Hitlers Politik in bezug auf die westlichen Grenzfragen war ausgesprochen unrevanchistisch, siehe Südtirol, Elsaß-Lothringen und Nordschleswig (Sönderjylland).

Fünftens waren es gerade die sogenannten „Widerstandskreise“, die Schapke - und auf andere Weise auch Mahler - offenbar rechtfertigen möchte, die entschiedene Gegner von Hitlers Friedenspolitik gegenüber Polen waren. Nicht zuletzt für den militärischen „Widerstand“ um Ludwig Beck, Wilhelm Canaris, Franz Halder, Erich Höppner u.v.a. traf dies zu. Dem militärischen „Widerstand“ stand der zivile keineswegs nach, besonders erwähnenswert darunter die Clique um den Staatssekretär im Auswärtigen Amt und stellvertretenden Außenminister, Ernst von Weizsäcker. Diese Kreise sahen schon 1938 in Hitlers Polenpolitik eine Möglichkeit, ihn bei der Wehrmacht und beim konservativen Bürgertum zu diskreditieren und dadurch einem Putsch den Boden zu bereiten. So weit handelte es sich um Hochverrat. Aber zur selben Zeit boten sie der Regierung in London und den Vertretern der englischen Kriegspartei den Putsch gegen die eigene Regierung schamlos an, während sie die Engländer gleichzeitig anflehten, mittels einer diplomatisch-militärischen Provokation gegen die Reichsregierung die Voraussetzungen für den Umsturz zu schaffen. Hitler sollte vor die Wahl gestellt werden, einen Krieg anzufangen oder eine nach Einschätzung der Verschwörer innenpolitisch tödliche diplomatische Schlappe zu erleiden. Eine geradezu klassische Kriegsprovokation feindlich gesinnter fremder Mächte, fatalerweise von höchsten deutschen Amtsträgern maßgeblich unterstützt, ja gefordert. Das war zweifelsohne schwerer Landesverrat. Das Motiv der Verräter ist bekannt: In beiden Fällen, Krieg oder diplomatischer Demütigung Hitlers, wollten sie die Situation für einen Putsch ausnutzen. Um gerade innerhalb „des deutschen Großkapitals und revanchistischer Militärkreise“ (Zitat Schapke) die Akzeptanz für den Putsch zu verbessern, wollten sie zusätzlich die Unterstützung der Engländer für die deutschen Ansprüche auf den Korridor, also Westpreußen, Posen und Oberschlesien, aushandeln. So erklärte z.B. der deutsche Geschäftsträger in London, Dr. Theo Kordt, im Auftrag von Ernst von Weizsäcker (aber in Abwesenheit des Botschafters Dirksen) am 7. September 1938 dem britischen Außenminister, Lord Halifax, die Wehrmacht wäre bereit, gegen Hitler zu putschen, würde aber erwarten, daß England als Vorleistung Hitler in der erwähnten Weise provoziere und außerdem zur Stärkung der innerdeutschen Stellung des „Widerstandes“ den deutschen Anspruch auf den Korridor unterstütze. Ähnlich äußerte sich auch der Weizsäcker-Emissär Kleist-Schmenzin am 19. August 1938 gegenüber Churchill und Vansittart. Churchill antwortete hierauf sinngemäß: Ehe Hitler an die Regierung kam, habe er das Problem mit dem Korridor genau so gesehen wie die Vertreter des deutschen „Widerstandes“. Aber jetzt, nachdem Hitler selbst auf den Korridor praktisch verzichtet habe, sei es sicherlich nicht der richtige Augenblick, darüber zu sprechen. Es würde lediglich Polen auf die Seite Hitlers zwingen. Die deutschen „Widerstands“-Kreise sollen diesen Standpunkt angeblich verstanden haben. Dabei hätte Churchill gar nicht deutlicher einräumen können, daß Hitler auch nach seinem, Churchills, Verständnis in Wirklichkeit Frieden und Zusammenarbeit mit Polen wünschte - mit England sowieso! - und für dieses Ziel bereit war, sehr weitgehende Zugeständnisse zu machen, während hingegen die angloamerikanischen Kriegstreiber und die deutschen Landesverräter dies zum Schaden Deutschlands - und letztlich auch Englands und Polens - unter allen Umständen verhindern wollten. Denn sie alle wollten vor allem die als Bedrohung der eigenen Stellung empfundenen Erfolge des nationalsozialistischen Dritten Reiches zunichte machen, und wenn es zum Preis eines selbstmörderischen Bruderkrieges der europäischen Staaten geschehen mußte.

Daß der Krieg gegen Polen und damit auch dessen Ausweitung zum Zweiten Weltkrieg Deutschland aufgezwungen wurde, und zwar anfänglich in der von den deutschen Landesverrätern geschürten Erwartung, das Dritte Reich würde quasi beim ersten Schuß oder sogar schon beim Auftauchen eines „englischen Generals mit dem Reitstock bei Hitler“ (v. Weizsäcker) zusammenbrechen, ist eine Tatsache, die in einer objektiven, faktengestützten Diskussion gar nicht geleugnet werden kann. Sie ist in einer ganzen Reihe von in- und ausländischen historischen Untersuchungen schon seit Jahrzehnten ausführlichst nachgewiesen und niemals, auch nur andeutungsweise von Fachhistorikern oder Zeitzeugen widerlegt worden. Hier sei nur hingewiesen auf die angelsächsischen Fachhistoriker A. J. P. Taylor („The Origines of the second world war“, London 1961) und David L. Hoggan („Der erzwungene Krieg“, Garbert-Verlag 1974) sowie auf die Arbeiten von Udo Walendy (z.B. „Wahrheit für Deutschland“, Taschenbuchausgabe 1970), Karl Balzer („Verschwörung gegen Deutschland“, K. W. Schütz-Verlag 1978) und nicht zuletzt auf die äußerst akribischen, wissenschaftlich fundierten Untersuchungen Annelies von Ribbentrops („Verschwörung gegen den Frieden“ 1963, „Deutsch-Englische Geheimverbindungen“ 1967 und „Die Kriegsschuld des Widerstandes“ 1974).

Aber im Grunde bedarf es nicht einmal akribischer Untersuchungen zum Nachweis der obigen Feststellungen. Die Gegner des Dritten Reiches, sowohl auf alliierter als auch auf deutscher Verräterseite, haben selbst wiederholt freimütig zugegeben, daß sie den Krieg wollten, um das Reich zu zerstören. So erklärte der ehemalige britische Unterstaatssekretär Cadogan im Jahre 1964: „Natürlich konnte unsere Garantie Polen keinen nur irgendwie möglichen Schutz geben. (...) Man könnte sagen, daß das zynisch war. Vielleicht war es das, aber es brachte uns den Krieg und am Ende haben wir und unsere Verbündeten ihn gewonnen. Natürlich kann man von den armen Polen nicht verlangen, daß sie selbst ein solches Resultat zu schätzen wissen.“ (Cadogan an Ian Colvin, 20.1.1964, Cadogan Tagebücher, p. 167. Hervorhebung im Original. Zitiert nach Annelies von Ribbentrop, „Die Kriegsschuld des Widerstandes“.) Selbst in „Widerstands“-freundlichen Veröffentlichungen, wie der Canaris-Biographie von Klaus Benzing (Nördlingen 1973), werden die auf eine kriegerische Zuspitzung hinauslaufenden, landesverräterischen Aktionen des „Widerstandes“ unumwunden zugegeben. Und der ehemalige Generalstabschef Halder wurde nach dem Krieg mit folgender Begründung „entnazifiziert“: „Das Verhalten Halders 1938 war jedenfalls vollendeter Hoch- und Landesverrat.“ (Dr. Martin Horn, „Halder - Schuld oder Tragik?“, München 1948, S. 37.)

Mahlers Feststellung, „das Deutsche Reich führte von 1939 bis 1945 einen von den Westmächten aufgezwungenen Mehrfronten-Krieg“, wird also durch die Faktenlage voll bestätigt, zumindest was das Attribut aufgezwungen betrifft. Und den Umstand, daß es sich um einen Mehrfrontenkrieg handelte, wird sicher auch keiner ernsthaft bestreiten wollen. Es sollte hinsichtlich dieses Begriffs nur ergänzt werden, daß es Hitler am 23. August 1939 durch den dramatischen Strategiewechsel zum Pakt mit Stalin im letzten Moment gelang, einen von vornherein tödlichen Zweifrontenkrieg vorerst abzuwenden. Denn die bis unmittelbar vor dem Abschluß dieses Paktes laufenden britisch-französisch-sowjetischen Verhandlungen über ein Einkesselungsbündnis gegen Deutschland waren schon sehr weit gediehen und lediglich wegen der Weigerung Polens, der Roten Armee Durchmarschrechte zu gewähren, ins Stocken geraten. Dazu schreibt Udo Walendy in seinem Buch „Wahrheit für Deutschland“: „Am 23.8. unterzeichnete Reichsaußenminiter v. Ribbetrop in Moskau den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. Dieser Pakt war nicht vorherzusehen gewesen. Hitler hatte ihn abgeschlossen, da die monatelangen britisch-französisch-sowjetischen Verhandlungen, die durch die Entsendung von Militärmissionen nach Moskau Ende Juli einen für Deutschland bedrohlichen Charakter annahmen, ihn vor die Alternative stellten, entweder diese massive Bündniskoalition hinzunehmen oder sie auf diplomatischem Wege zu zerbrechen. Diese alliierten Versuche schlossen expansives Vorgehen der Sowjets in Mitteleuropa ein. Großbritannien und Frankreich waren bereit, faktisch die baltischen Staaten, Polen und Rumänien gegen den Willen dieser Völker und Regierungen den Sowjets zu übeschreiben, in Kenntnis der ‚Risiken und Nachteile, die die Erlaubnis für sowjetische Truppen auf polnischem Boden mit sich bringen’[Doc. On British Foreign Policy 1919-1939 Vol. VII Doc. 91]

Daß Stalin in Wirklichkeit auf einen Erschöpfungskrieg zwischen Deutschland und den Westmächten spekulierte, um anschließend als lachender Dritter in das Geschehen eingreifen zu können, wissen wir u.a. von Viktor Suworow. Daß es des Präventivschlags vom 22. Juni 1941 bedurfte, um ihn davon abzuhalten, ist, wie der Kriegsausbruch 1939, der angloamerikanischen Kriegspartei zuzuschreiben, die alle von Hitler zwischenzeitlich unterbreiteten Friedensangebote konsequent ausgeschlagen oder ignoriert hatte. Dadurch wurde die für die weitere Entwicklung, auch in der Nachkriegszeit, so verhängnisvolle Ost-West-Dimension des Mehrfrontenkrieges unvermeidbar.


SOZIALISMUS CONTRA REAKTION IM DRITTEN REICH

In der 20. Juli-Erklärung Horst Mahlers bzw. des „Deutschen Kollegs“ findet sich auch folgende Formulierung: „An seiner Ostfront verteidigte das Reich Europa gegen die asiatische Konterrevolution, an seiner Westfront gegen Kapitalismus und Zinsknechtschaft, an der afrikanischen Front gegen imperialistischen Kolonialismus.“ Im Zusammenhang mit den Ausführungen von Richard Schapke ist hier allein die Erwähnung des Kampfes gegen Kapitalismus und Zinsknechtschaft von Bedeutung. Denn dadurch fühlt sich Schapke zu folgenden Bemerkungen veranlaßt:

Einen Gegensatz zwischen dem Modell des real existierenden Nationalsozialismus und der 'Zinsknechtschaft der westlichen Verwertungsgemeinschaft’ herbeizureden, ist reine Konstruktion. Gerade das Bündnis der Parteiführung mit der bürgerlichen Reaktion, dem Großkapital und den konservativen Militärs verhinderte die Errichtung eines nationalen Sozialismus. Die liberalistische Volksgemeinschaftsideologie betrachtete (und betrachtet!) auch den kapitalistischen Ausbeuter als Teil der Volksgemeinschaft und blockierte (und blockiert!) so die erforderliche nationale und sozialistische Erneuerung Deutschlands durch konsequenten Klassenkampf gegen das mit dem Westen paktierende Kompradorenkapital.“

Was das behauptete „Bündnis“ mit der bürgerlichen Reaktion und den konservativen Militärs betrifft, so meint Schapke offenbar jene Kreise, aus denen sich die oben angesprochenen Landesverräter des „Widerstandes“ rekrutierten. Wenn ich seine Ausführungen richtig gelesen habe, sympathisiert er sogar mit Teilen von ihnen. Insofern verstehe ich nicht ganz, warum er der „Parteiführung“ vorwirft, mit diesen Kreisen ein Bündnis geschlossen zu haben. Ganz abgesehen davon, stimmt der Vorwurf auch nicht. Richtig ist vielmehr, daß Hitler keine mit dem stalinistischen Terror vergleichbaren „Säuberungsaktionen“ in den Reihen der militärischen und technokratischen Eliten durchführen ließ, sondern, ganz im Gegenteil, bestrebt war, alle gesellschaftlichen Schichten für den neuen Staat zu gewinnen, und fähigen Persönlichkeiten ohne Ansehen der Herkunft Zutritt zu Staatsämtern ermöglichte, vorausgesetzt, sie verhielten sich loyal und staatstreu. Daß 15 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches auch Leute mit konservativen und vielleicht sogar reaktionären Denktraditionen dabei waren, war wohl kaum zu vermeiden. Hitler gelang es aber, die Masse von ihnen, darunter sehr viele wichtige Leistungsträger, zu loyalen Dienern und nicht selten begeisterten Anhängern des neuen Reiches zu machen. Das war auch ein wichtiger Grund für seinen Erfolg. Nur in relativ wenigen, aber leider schwerwiegenden Fällen verhielten sich die Betreffenden bekanntlich insgeheim keinesfalls staatstreu, sondern hoch- und landesverräterisch. Die Tatsache, daß z.B. der Generalstabschef, der Chef der militärischen Abwehr und der Vizeaußenminister mit dem Landesfeind konspirierten, diesem halfen, Deutschland in einen Krieg zu verwickeln, und später sogar die eigene Kriegsführung sabotierten, war aber einzig und allein Ausdruck der kriminellen Energie dieser Judasgestalten und nicht etwa eines „Bündnisses“ mit der nationalsozialistischen Parteiführung. Das schließt natürlich nicht aus, daß man Hitlers Arglosigkeit gegenüber diesen Personen im Nachhinein als einen schweren Fehler bezeichnen muß. Wenn man bedenkt, mit welch verlogener Raffinesse Lumpen wie Canaris und von Weizsäcker sich bis zur Selbstverleugnung verstellten, und in welch verheerendem Ausmaß übrigens auch die Sicherheitsdienste versagt haben müssen, fragt man sich allerdings, wie dieser Fehler zu vermeiden gewesen wäre. - Wie dem auch sei, mit Schapkes Interpretation dieser tragischen Vorgänge kann ich jedenfalls nicht viel anfangen. Sie scheint mir eher zur Verunsicherung als zur Aufklärung und politischen Orientierung im nationalen Kampf geeignet zu sein.

Richard Schapkes Angriff auf die „liberalistische Volksgemeinschaftsideologie“ kann ich schon gar nicht nachvollziehen. Hier trennen mich Welten von ihm. Ich bin zwar keineswegs Anhänger einer Volksgemeinschafts-„Ideologie“, schon gar nicht einer „liberalistischen“, sondern habe, wie in vielen Diskussionen und Stellungnahmen dargelegt, ein wissenschaftliches Verständnis von der nationalen Volksgemeinschaft. Dieses schließt aber erst recht keine Klassenkampfideologie mit ein und ließe auch nicht zu, irgendwelche vage umrissenen Bevölkerungsgruppen, wie etwa die „kapitalistischen Ausbeuter“, willkürlich aus der Volksgemeinschaft auszuschließen. In diesem Zusammenhang muß ich an die sogenannte „Kulaken“-Vefolgung und ähnliche Terrorkampagnen in der Sowjetunion der Stalin-Ära denken, bei denen Millionen mehr oder weniger unpolitischer Russen ihr Leben verloren oder für Jahre im GULAG verschwanden. Trotz (oder gerade wegen?) dieser menschenverachtenden Brutalität zerfiel die Sowjetunion bekanntlich mehr oder weniger von alleine nach einem beispiellosen inneren Fäulnisprozeß, während das nationalsozialistische Deutschland mit seiner „Volksgemeinschaftsideologie“ tatsächlich alle Klassen und Stände des deutschen Volkes zu einer erfolgreichen und überwiegend glücklichen Leistungsgemeinschaft zusammenschmieden konnte, deren Niederwerfung letztlich nur durch eine gigantische militärische Übermacht möglich war.

Aber nun zum Kernpunkt der oben zitierten Ausführungen von Richard Schapke, nämlich seiner These, zwischen dem Nationalsozialismus und der „Zinsknechtschaft der westlichen Verwertungsgemeinschaft“ (Mahlers Formulierung) hätte es keinen Gegensatz gegeben. Ganz im Gegenteil, behauptet Schapke, „das Bündnis der Parteiführung mit (...) dem Großkapital“ hätte „die Errichtung eines nationalen Sozialismus“ verhindert. Diese Auffassung Richard Schapkes basiert m.E. auf einem fatalen Mißverständnis der Begriffe Eigentum, Kapital und wirtschaftlicher Eigeninitiative einerseits und Sozialismus andererseits. Schapke übersieht, daß letzterer - bei verständiger Auslegung - nicht die Abschaffung ersterer, sondern vielmehr deren gesellschaftliche Kontrolle bedeutet.

Der Sozialismus als solcher geht zwar auf sehr alte Utopien der Eigentumsgemeinschaft bzw. der eigentumslosen Gesellschaft zurück. Wahrscheinlich hängen diese mit der unterschwelligen menschlichen Sehnsucht nach der artgemäßen Sippengemeinschaft zusammen, in der unsere Spezies während 99 Prozent ihrer Existenz gelebt hat. Daraus entwickelte sich aber erst in Verbindung mit der Industrialisierung die sozialistische Diskussion im heutigen Sinne. Ihre zentrale Frage ist nicht die Aufhebung, sondern die gesellschaftliche Kontrolle des Eigentums unter den Bedingungen der modernen Massengesellschaft. Besonders in Frankreich und England traten zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschiedene sozialistische Richtungen hervor, welche die ökonomische Macht auf unterschiedliche Weise kontrollieren wollten, z.B. durch ein Netzwerk von kleinen kooperativen Wirtschaftsvereinen (Fourier), durch einen aristokratischen Sozialismus unter Führung einer gesellschaftlich verpflichteten Industrie- und Bankaristokratie (Saint-Simon) oder durch eine regional gegliederte, kleinräumig strukturierte Wirtschaft (R. Owen). Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden weitere sozialistische Richtungen, die Modelle zur Bewältigung des überbordenden Kapitalismus durch gesellschaftliche Verteilung und Kontrolle der ökonomischen Macht präsentierten: Der Syndikalismus sieht die Lösung des Problems in einem Verbundsystem von Produktionsvereinen mit weitgehender ökonomischer Bewegungsfreiheit. Der Kooperatismus sieht in den Interessenorganisationen der Konsumenten die Garantie gegen die hemmungslose Kapitalmacht. Der demokratische Ständesozialismus (Englisch: guild socialism), eine Art Synthese aus Syndikalismus und Kooperatismus, lehnte sich an das mittelalterliche Ständewesen an, wobei die „Stände“ sowohl auf Produzenten- als auch auf Konsumentenseite demokratisch organisiert sein sollten. Der Korporatismus des italienischen Faschismus basierte auf ähnlichen Ideen, wobei die Kontrolle nicht demokratisch, sondern nach einem vertikalen Prinzip im Kontext der faschistischen Diktatur ausgeübt wurde. U.s.w., u.s.f.

Marx wendete sich zwar vom theoretischen Ansatz her der reinen, eigentumslosen Utopie zu. Er sah es als Widerspruch der modernen Gesellschaft und Ursache immer unerträglicher werdender Mißstände an, daß die Produktion kollektiv, das Eigentum an den Produktionsmitteln hingegen individuell sei. Diesen, den bisherigen historischen Prozeß kennzeichnenden Widerspruch endgültig zu beseitigen, und zwar durch die Errichtung einer kollektiven Eigentumsordnung, sei die historische Mission des Proletariats. Das ging aber nicht ohne die vorherige Enteignung der Bourgeoisie und eine nachfolgende Zwischenphase der direkten staatlichen Kontrolle über die Wirtschaft und - in der Praxis - über die ganze Gesellschaft. Für Lenin war dies nur durch die Diktatur des Proletariats möglich. Es waren also diese beiden Apostel der Weltrevolution, Marx und Lenin, die das wesentliche sozialistische Anliegen, nämlich die gesellschaftliche oder staatliche KONTROLLE über die Wirtschaft, als bloßen Übergang zur kommunistischen Idealgesellschaft ansahen. Das erschien vielen als theoretisch elegant und intelektuell attraktiv. Gleichzeitig war es für die Revolutionäre selbst sehr bequem. Denn alle kritischen, tiefergehenden System- und Stabilitätsfragen bezüglich der zu errichtenden sozialistischen Ordnung konnten im Rahmen des angestrebten, aber auf eine unbestimmte Zukunft verschobenen utopischen Dauerzustandes beantwortet werden, während in der revolutionären Zwischenphase kraft der Diktatur des Proletariats bedenkenlos mit staatlicher Willkür und rücksichtloser Brutalität gearbeitet werden konnte, ohne daß sich die Verantwortlichen oder deren Anhänger die Frage vorlegen mußten, ob dies als Dauerzustand funktionieren konnte. - Es konnte nicht, wie wir heute wissen! Das wäre aber für das Überleben des Systems notwendig gewesen, denn der kommunistische Endzustand mußte Utopie bleiben und hätte sich auch dann nie verwirklichen lassen, wenn Erich Honeckers tragikomischer Spruch, „den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“, sich in seinem Sinne bewahrheitet hätte. Denn dann hätten eben die Diktatur des Proletariats und der marxistisch-leninistische Staatskapitalismus bis zum jüngsten Tag weiterexistiert.

Zwischenresümee: Das entscheidende Merkmal wahrhaft sozialistischer Politik ist nicht etwa die staatliche Aneignung von Privateigentum, sondern die Effizienz der tatsächlichen gesellschaftlichen Kontrolle über Wirtschaft und Kapital, d.h. die Fähigkeit der Gemeinschaft, die Entwicklung des Wirtschafts- und Arbeitslebens in Übereinstimmung mit den sozialen und kulturellen Belangen von Land und Volke zu bestimmen, und zwar notfalls auch gegen die Partikulärinteressen von Wirtschaft und Kapital, aber besser noch mit Zustimmung der wirtschaftlichen Leistungsträger. Für den Einsatz von direkten Zwangsmitteln gilt dabei der Satz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Denn ein willkürlich erscheinender, kaum einleuchtender staatlicher Zwang lähmt tendenziell die Eigeninitiative der schöpferischen Kräfte und kann somit der Wirtschaft schweren Schaden zufügen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich mich jetzt endlich dem Sozialismus im Dritten Reich zuwenden. Dabei lauten die entscheidenden Fragen: Worin bestand der nationale Sozialismus überhaupt? In welchem Sinne war der historische Nationalsozialismus antikapitalistisch?

Daß das nationalsozialistische Deutschland nicht im marxistischen Sinne, also nicht im Sinne der Verstaatlichung der Produktionsmittel sozialistisch war, ist völlig klar. Denn Adolf Hitler hatte in seiner Regierungserklärung 1933 erklärt, die neue Reichsregierung beabsichtige, „die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen des deutschen Volkes nicht über den Umweg einer staatlich zu organisierenden Wirtschaftsbürokratie zu betreiben, sondern durch stärkste Förderung der privaten Initiative unter Anerkennung des Privateigentums“. In derselben Regierungserklärung hieß es aber auch: „Das Volk lebt nicht für die Wirtschaft und die Wirtschaft existiert nicht für das Kapital, sondern das Kapital dient der Wirtschaft und die Wirtschaft dem Volk“.

Welche konkrete Wirtschaftspolitik hatte Hitler damit angekündigt? Einerseits hatte er entgegen einigen Sozialisierungsbefürwortern in den eigenen Reihen und entsprechenden Befürchtungen in der Wirtschaft klargestellt, daß der nationalsozialistische Staat nicht vorhatte, mittels einer gigantischen staatlichen Bürokratie die gesamte Volkswirtschaft höchst selbst zu betreiben. Das wäre auch kompletter Schwachsinn gewesen, wie alle derartigen Experimente bis zum heutigen Tage eindeutig beweisen. Andererseits hatte er aber auch glasklar festgestellt, daß die Reichsregierung entschlossen war, die Macht des Kapitals zu brechen und den Primat der Politik auch und besonders gegenüber den führenden Kreisen in der Wirtschaft herzustellen. Genau dies folgt aus der in der Regierungserklärung proklamierten Rangfolge von Volk, Wirtschaft und Kapital - Allein darin bestand und besteht der nationale Sozialismus.

Nun ist der Umstand, daß dies in Hitlers Regierungserklärung stand, sicher nicht allein beweiskräftig. Denn Papier ist bekanntlich geduldig. Beweiskräftig ist aber sehr wohl die Tatsache, daß die nationalsozialistisch geführte Reichsregierung sich sofort daran machte, es in die Tat umzusetzen.

Bereits 1934 wurde die erste „Verordnung zur Durchführung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft“ erlassen. Sie setzte an die Spitze der gewerblichen Wirtschaft eine Reichswirtschaftskammer und ihr nachgeordnet die sechs Reichsgruppen Industrie, Handwerk, Handel, Banken, Versicherungen und Energiewirtschaft ein. Zusätzlich war die Organisation durch 18 Bezirkswirtschaftskammern und entsprechende Bezirksgruppen regional gegliedert. Insbesondere die Reichsgruppe Industrie war noch weiter untergliedert, und zwar in 29 Wirtschaftsgruppen, die unter 7 Hauptgruppenleitern in 225 Fachgruppen, zahlreichen Fachuntergruppen sowie in 14 Bezirksgruppen zusammengefaßt waren. An der Spitze der Gesamtorganisation stand der Reichswirtschaftsminister, der den Leiter der Reichswirtschaftskammer und dessen Stellvertreter wie auch die Leiter der einzelnen Gruppen berufen und ihres Amtes entheben konnte.

Durch diese engmaschige, sowohl vertikal/hierarchisch als auch horizontal/regional gegliederte öffentlich-rechtliche Organisation der deutschen Wirtschaft, an deren Spitze letztlich die Reichsregierung stand, konnte der nationalsozialistische Staat seinen in den Vierjahresplänen festgelegten wirtschaftspolitischen Zielen mindestens genau so durchgreifend und effektiv Geltung verschaffen, wie es bei einer reinen Planwirtschaft möglich gewesen wäre. So geschah es in der Tat auch, wovon man sich anhand der wirtschaftlichen Entwicklung im Dritten Reich leicht überzeugen kann. Gleichzeitig bot die neue Führung den Unternehmern ausreichende unternehmerische Freiheiten, um auch die marktwirtschaftliche Eigendynamik und die Vorteile der Privatinitiative im vollen Umfang nutzen zu können. So gelang tatsächlich die Verbindung der Vorteile von Marktwirtschaft und Planwirtschaft bei gleichzeitiger Vermeidung der beiderseitigen Nachteile, also der unkontrollierten Kapitalmacht einerseits und der Schwerfälligkeit der sozialistischen Planwirtschaft andererseits. Der Erfolg gab den Nationalsozialisten recht. Binnen weniger Jahre avancierte Deutschland vom wirtschaftlichen Schlußlicht zur führenden Wirtschaftsmacht, ohne dabei in die geringste Abhängigkeit des nationalen oder gar internationalen Finanzkapitals zu geraten. Das war kein „Bündnis mit dem Großkapital“, wie Richard Schapke behauptet, sondern die vollständige Brechung der Kapitalmacht in Deutschland. - Warum hätte Hitler noch weiter gehen und etwa die Wirtschaft verstaatlichen sollen, wenn er sie in jeder relevanten Hinsicht ohnehin kontrollierte? Das hätte keinerlei Vorteile gebracht. Ganz im Gegenteil, es wäre der denkbar größte Schwachsinn gewesen, der wahrscheinlich dem Dritten Reiche schon in den Anfängen ein jähes Ende bereitet hätte.

Aber noch entscheidender als die öffentlich-rechtliche Organisation der gewerblichen Wirtschaft war die Kontrolle und Lenkung der Kapitalströme durch den nationalsozialistischen Staat. Hier machte Hitler zwar aus der Not eine Tugend, denn der deutsche Kapitalmarkt war in der Endphase der Weimarer Republik, nach der Weltwirtschaftskrise, dem Abzug eines Großteils des ausländischen, v.a. US-amerikanischen Kapitals und der folgenden deutschen Bankenkrise von 1931 praktisch zusammengebrochen und es blieb der neuen nationalen Regierung nichts anderes übrig, als das Bankensystem und die Kapitalmärkte gründlich zu reorganisieren und weitgehend unter staatliche Kontrolle zu bringen. Das geschah durch ein Maßnahmenbündel, das sich in folgende zwei Hauptgruppen unterteilen läßt:

Erstens: Durch das „Gesetz über das Kreditwesen“ vom Dezember 1934 wurde das gesamte Kreditwesen neu gegliedert und der Aufsicht eines neu geschaffenen Aufsichtsamtes und eines mit weitgehenden Vollmachten ausgestatteten Bankkommissars unterstellt. Die bis dahin geltende Gewerbefreiheit im Bankenwesen wurde aufgehoben. Die Kreditgewährung, der Eigenkapitalanteil, die Liquidität, die Buchführung, die Giralgeldschöpfung, die Arbeitsteilung der Kreditinstitute untereinander, das gesamte Geschäftsgebaren wurde streng reglementiert und kontrolliert, um einen volkswirtschaftlich erwünschten Einsatz des spärlich verfügbaren Kapitals zu erreichen. Das heißt: Sicherung des kleineren und mittleren Kreditbedarfs (Familienbetriebe, Mittelstand), angemessene regionale Verteilung der Kredite, radikale Beschränkung der spekulativen Geschäfte, Sicherstellung der Barliquidität, bessere Transparenz der Bankbilanzen. Besondere Aufmerksamkeit galt den öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Bei diesen wurde wieder die Gemeinnützigkeit zum obersten Prinzip erhoben, insbesondere die Stärkung der regionalen Wirtschaftsräume durch Festigung des Bandes zwischen regionalem Kapital und regionaler Wirtschaft. In den Vorständen der Sparkassen dominierten bald Nationalsozialisten, die für eine Aktivierung der regionalen Kapitalströme im Sinne der neuen Politik sorgten.

Zweitens: Trotz dieser umfassenden Reorganisation des gesamten Kreditwesens und der Überwachung der Kreditvergabe im Hinblick auf die von der Regierung aufgestellten wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Ziele war nicht einmal annähernd genug Kapital auf den deutschen Kreditmärkten vorhanden, um die ehrgeizigen Ziele der Reichsregierung, v.a. die Beseitigung der Arbeitslosigkeit im Rahmen des ersten Vierjahresplans, zu erreichen. Bei den enormen Inflationsängsten in der deutschen Bevölkerung bestanden andererseits erhebliche Bedenken gegen die einfachste und naheliegendste Methode zur Lösung des Problems, nämlich die Vergrößerung des Geldvolumens, zumal da diese ziemlich kräftig hätte ausfallen müssen. In dieser Situation griff die Reichsregierung zu einem genialen Mittel. Es wurde einfach eine Art Ersatzwährung geschaffen, die zunächst ausschließlich bei der Finanzierung von staatlichen Aufträgen zum Einsatz kam, und zwar in der Weise, daß der Unternehmer, der einen solchen Auftrag erhielt, einen Wechsel auf eines der vom Reich speziell hierfür beauftragten, durch die Reichsbank abgesicherten Finanzierungsinstitute zog. Am bekanntesten ist wohl heute die „Metall-Forschungs AG“ (Mefo). Die Wechsel hatten eine Laufzeit von wenigen Monaten, konnten aber auf insgesamt fünf Jahre prolongiert werden. Durch dieses System, die zugehörigen öffentlichen Aufträge und den dadurch erzeugten Multiplikatoreffekt in der Wirtschaft konnte ein dermaßen kräftiger Aufschwung erzeugt werden, daß bereit 1937, also innerhalb des ersten Vierjahresplanes, die Arbeitslosigkeit praktisch beseitigt war. Was geschah mit den Wechseln? Nach wenigen Jahren war die Wirtschaft und damit das Steueraufkommen so kräftig gewachsen, daß sie alle mit Leichtigkeit hätten eingelöst werden können. Das Vertrauen des Marktes in die Wirtschafts- und Währungspolitik der nationalsozialistischen Regierung war aber so groß, daß dies nur zum Teil geschah. Der Rest wurde vom Markt dauerhaft aufgenommen und trug damit zur Stärkung der Kreditschöpfungsfähigkeit bei.

Das Gesagte dürfte deutlich machen, daß der historische Nationalsozialismus nicht etwa in dem Sinne antikapitalistisch war, daß er die rein nationalökonomische Notwendigkeit des Geldkapitals in einer Volkswirtschaft verneinte. Nein, sein Antikapitalismus bestand vielmehr darin, daß er die unkontrollierbare Macht des Kapitals ablehnte. - Dementsprechend gelang es ihm auch, in einer Situation, in der das kapitalistische System gänzlich versagt hatte, die Kapitalmacht zu brechen und das Kapital seiner eigentlichen volkswirtschaftlichen Aufgabe zuzuführen.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, auf meine Ausarbeitung „Die Rolle des Kapitals in der Volkswirtschaft“ hinzuweisen; siehe http://www.wienernachrichten.com/newpages/sci01.html
Darin habe ich versucht, anschaulich darzustellen, daß das Geldkapital im wesentlichen eine Art Verfügungsvollmacht für die Zuordnung und Nutzung der volkswirtschaftlichen Ressourcen, insbesondere der menschlichen Arbeitskraft, darstellt. Das Wirkungsgefüge, durch welches neues Kapital entsteht, ist das gleiche, durch welches auch Arbeitslose oder andere „freie Ressourcen“ entstehen, nämlich z.B. der Mechanismus der Konsumenthaltung, welcher einerseits zur Kapitalbildung durch Sparen, andererseits zur Entlassung von Arbeitnehmern und damit zu neuen Arbeitslosen durch geringere Auslastung in den Betrieben führen kann. Das Kapital „gehört“ im gewissen Sinne zu den Arbeitslosen. Daraus kann man seine Verpflichtung ableiten, letztere wieder in Arbeit und Brot zu bringen. So gesehen, ist das Kapital ein Instrument zur ständigen dynamischen Anpassung der Volkswirtschaft an neue Anforderungen, und zwar eben durch Umdisposition von Ressourcen, z.B. eben Arbeitskräften. Der Inhaber des Kapitals besitzt gewissermaßen ein gesellschaftliches Mandat, hierüber fachkundig und verantwortungsbewußt zu entscheiden. Die Ressourcen, über deren Einsatz er entscheidet, z.B. die Arbeitskräfte, sind aber nicht sein Eigentum, sondern lediglich vorübergehend seiner Kompetenz als Unternehmer oder Wirtschaftsfachmann unterstellt. Deswegen kann auch nicht das Geldkapital Eigentum des Kapitalbesitzers, sondern eben nur vorübergehend erteilte Vollmacht sein. - Auf dieser grundlegenden Erkenntnis basierte m.E. auch die nationalsozialistische Kapitalmarktpolitik.

RESÜMEE

Die Nationalsozialisten führten in den wenigen Friedensjahren, die ihnen bis zum Ausbruch des Krieges 1939 vergönnt waren, ein Wirtschafts- und Finanzsystem ein, das der Regierung die totale Kontrolle über Wirtschaft und Kapital ermöglichte, und zwar in einer Weise, die in punkto Effizienz den von Korruption und Statistikfälschung geplagten kommunistischen Systemen haushoch überlegen war. Im Gegensatz zu diesen sah das Dritte Reich in der staatlichen Kontrolle über die Wirtschaft nicht einen Selbstzweck staatlicher Machtausübung, sondern ein Mittel zum eigentlichen wirtschaftspolitischen Zweck des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft und der Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Die Regierung Adolf Hitlers setzte den Primat ihres wirtschaftspolitischen Programms gegenüber den Partikulärinteressen von Wirtschaft und Kapital nicht in erster Linie durch restriktive, einengende Maßnahmen, sondern durch eine innovative staatliche Wirtschafts- und Finanzpolitik mit der dafür erforderlichen institutionellen Infrastruktur und einem Bündel von aktiven Fördermaßnahmen durch. Dieser klare Führungsanspruch in Verbindung mit einem sprudelnden Initiativreichtum und den sich bald einstellenden Erfolgen sicherte der nationalsozialistischen Regierung jene durchgreifende Autorität im Bereich des gesamten Wirtschaftslebens, die kein marxistisches Regime je erreicht hat.

Die Unterstellung einer Abhängigkeit der nationalsozialistischen Regierung vom Großkapital ist lächerlich. Wie oben beschrieben, beherrschte die Reichsregierung den nationalen Kapitalmarkt total. Der internationale Kapitalmarkt spielte praktisch gar keine Rolle, nachdem das Reich eine strenge Devisenbewirtschaftung eingeführt hatte und der Handel zu 50 Prozent über bilaterale Clearingabkommen abgewickelt wurde. Weitere Maßnahmen, welche die Unabhängigkeit der Regierung von der Kapitalmacht unter Beweis stellten, waren z.B.: der Preisstop 1936 (erst 1938 von einem Lohnstop gefolgt), der Schutz der gesamten landwirtschaftlichen Fläche vor Überschuldung und Bodenspekulation (Erbhofgesetz), die vielen staatlichen Entschuldungsaktionen und zinsfreien Darlehensprogramme (z.B. die teilweise auch tilgungsfreien Ehestandsdarlehen) u.s.w., u.s.f. Auf diese Punkte näher einzugehen, würde den Rahmen des vorliegenden Beitrages sprengen. Ich habe nur stichpunktartig einige Fakten zur Verdeutlichung der souveränen Stellung der nationalsozialistischen Reichsregierung gegenüber der Kapitalmacht erwähnt. Bei einer eventuellen Ausweitung der Diskussion will ich gerne darauf zurückkommen.

Der politische Primat, also der Vorrang der Integrität des Gemeinwesens - und damit auch der sozialen und kulturellen Integrität des einzelnen - vor den ökonomischen Sonderinteressen, ist das wichtigste Kennzeichen einer sozialistischen Politik. Danach war das nationalsozialistische Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes sozialistisch, aber nicht nach den dogmatischen Vorgaben irgendeiner verbohrten Ideologie, sondern, wie bereits erwähnt, im Sinne des Sozialismus der überlegenen Führung.

Per Lennart Aae

(24. August 2003)

 

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