Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 26. März bis 1. April 2005

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 
 


Zitat der Woche:
"Mein Volk, dem ich angehöre und das ich liebe, ist das deutsche Volk, und meine Nation, die ich mit großem Stolz verehre, ist die deutsche Nation. Eine ritterliche, stolze und harte Nation. Ich bin Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische der deutschen Arbeiter und bin deshalb als ihr revolutionäres Kind später ihr revolutionärer Führer geworden. Mein Leben und Wirken kannte und kennt nur eines: Für das schaffende deutsche Volk meinen Geist und mein Wissen, meine Erfahrungen und Tatkraft, ja mein Ganzes, die Persönlichkeit zum Bestehen der deutschen Zukunft für den siegreichen sozialistischen Freiheitskampf im neuen Völkerfrühling der deutschen Nation einzusetzen."
- Ernst Thälmann


Nach vierjähriger Planungs- und Entwicklungsarbeit hat die Berliner Polizei ihr neues Computer-System Poliks in Betrieb genommen. Poliks steht für Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung. Es löst das nach 30 Jahren völlig veraltete ISVB-System ab und soll die Arbeit erheblich vereinfachen und beschleunigen. In das von der Berliner Firma Gedas entwickelte System investierte der Senat fast 73 Millionen Euro. Nach Darstellung von Polizeipräsident Dieter Glietsch können Berlins Ordnungshüter künftig schneller und effektiver arbeiten. Poliks fasse - anders als bei ISVB - Vorgangsbearbeitung sowie Abfrage von Daten in einem System zusammen, das mache eine Reihe von Arbeitsgängen überflüssig. So wurden die für die polizeiliche Vorgangsbearbeitung erforderlichen 350 Formblätter auf 33 reduziert. Zudem, erklärte Jürgen Schultz, Chef der Entwicklerfirma Gedas, arbeite Poliks wesentlich schneller als das alte System: „Personenabfragen dauern durch die Vernetzung mit Meldebehörden, Staatsanwaltschaften oder dem Bundeskriminalamt zehn Sekunden, Suchaufträge maximal eine Minute." Das System wurde mit Berlins Datenschutzbeauftragtem abgestimmt. Nahezu 10.000 PCs, davon rund 8200 für den Exekutivbereich, sind im Rahmen der Systemumstellung bereits installiert worden. Etwa 2000 sollen in den nächsten Jahren noch folgen. Etwa 1000 Uralt-Rechner und 4000 Schreibmaschinen werden in diesen Tagen außer Dienst gestellt.

 

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit betraf die offiziell eingestandene Erwerbslosigkeit im März 2005 5,176 Millionen Menschen, ein leichter Rückgang um 41.000 gegenüber dem Vormonat. Auch ohne jahreszeitliche Einflüsse und den Hartz IV-Effekt waren damit 200.000 Personen mehr arbeitslos als noch im März 2004. Rechnet man diese Einflüsse ein, so lag die Erwerbslosenzahl um 628.000 Personen höher als im Vorjahresmonat. Es handelt sich um die höchste Märzarbeitslosigkeit seit Gründung der BRD. Insgesamt tauchten seit Jahresbeginn laut BA rund 380.000 ehemalige Sozialhilfeempfänger neu in der offiziellen Arbeitsmarktstatistik auf. Die Zahl der erwerbslos gemeldeten Menschen im Westen sank von Februar bis März um 25.000 auf 3,396 Millionen; im Osten sank sie um 16.000. Dort sind 1,780 Millionen Menschen ohne Arbeit. Die Quote lag bundesweit bei 12,5 %. Noch nicht in der offiziellen Statistik enthalten sind 88.000 ehemalige Sozialhilfeempfänger aus den so genannten Optionskommunen, die Arbeitslosengeld-II-Empfänger in Eigenregie betreuen - es werden also noch doppelt so viele Erwerbslose nachgemeldet, wie der Rückgang gegenüber Februar beträgt. Niedrig gegriffenen Schätzungen zufolge wurden übrigens weitere 76.000 Fälle statistisch nach wie vor nicht erfasst. Von den 92.000 Arbeitslosen (bei 140.000 Antragstellern erwarten uns hier wohl noch ein paar Überraschungen) in Hamburg gelten rund 50 % als langzeitarbeitslos. Mecklenburg-Vorpommerns Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) ging gegenüber der Chemnitzer „Freien Presse“ davon aus, dass es alleine in den „neuen Bundesländern“ rund 1 Million Erwerbslose ohne jegliche Chance auf Vermittlung gebe. Dieser Block von chancenlosen Langzeitarbeitslosen werde auch in den kommenden 10-15 Jahren nicht abgebaut werden können.

 

Laut BA waren in der BRD im Februar 2005 fast 680.000 Menschen unter 25 Jahren erwerbslos: Eine Zunahme von 28,5 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Zunahme bei Erwerbslosen unter 20 Jahren betrug 65,2 % - klarer Beweis für wirtschaftliches und bildungspolitisches Versagen des Systems. Hamburg meldete eine Zunahme der Erwerbslosigkeit von unter 20-Jährigen um 124,2 %, Schleswig-Holstein um 88,3 %. In Bremen schoss die Zahl der Jungerwerbslosen unter 25 Jahren sogar um sage und schreibe 73,6 % in die Höhe. Die Jugendarbeitslosigkeit hat an der Unterweser derartige Ausmaße angenommen, dass die mit der Betreuung der Erwerbslosen beauftragte Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (BAgIS) faktisch für die anderen Arbeitslosengruppen keinerlei personelle Ressourcen mehr zur Verfügung hat. Dramatisch ist die Lage auch in Berlin-Neukölln, wo bis zu 70 % der arbeitslosen Jungarbeitnehmer über keine abgeschlossene Berufsausbildung und häufig nicht einmal über einen Schulabschluss verfügen. Bundesweit ist die Zahl der Ausbildungsplätze ein halbes Jahr nach dem Beginn des Ausbildungsjahres im Oktober 2004 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 8 % auf 340.000 zurückgegangen.

 

Armut wird zudem von Generation zu Generation quasi vererbt. Professor Gert G. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaft verwies auf eine aktuelle Dissertation. Dieser zufolge haben junge Erwachsene, die als 13- bis 16jährige in Sozialhilfehaushalten (= Hartz IV-Opfer) aufwachsen, eine fast dreimal so hohe Sozialhilfeabhängigkeit als andere Menschen. Der Hauptgrund dafür ist nicht die finanzielle Not der Eltern, sondern deren unzureichende Bildung und Ausbildung (bildungsfeindliche Milieus), die sie an ihre Kinder weitergeben. Das bundesdeutsche Schulsystem ist laut Wagner nicht in der Lage, diese Vererbung von Armut auszugleichen. Ausufernd sind die gesundheitspolitischen Folgen der Neuen Armut: Jedes fünfte Kind in der BRD ist nach Angaben von Kinderärzten entwicklungsgestört und damit praktisch krank und behandlungsbedürftig. Betroffen sind vor allem Kinder, die unter der Armutsgrenze leben, wie Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinderärzte, ausführte. Defizite gibt es bei Sprachvermögen, Grob- und Feinmotorik und Ernährung. Hartmann warnte: Die kommende Generation der Erwachsenen werde „durch Krankheit und Leistungsschwäche gekennzeichnet" sein.

 

Berichtet wird auch über die Zunahme nicht krankenversicherter Menschen. Laut „Berliner Morgenpost“ sind alleine in der Bundeshauptstadt 20.000 Personen ohne jegliche Krankenversicherung. Die Zahl wird weiter steigen: Infolge des Inkrafttretens von Hartz IV sind alle Langzeitarbeitslosen, die kein Arbeitslosengeld II bekommen und in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, im Januar aus der Gesetzlichen Krankenversicherung herausgefallen. Anders als bei Ehepaaren greift die Familienversicherung hier nicht, die Betroffenen müssen sich selber um einen Schutz im Krankheitsfall kümmern - und zwar so schnell wie möglich. Die Frist für eine freiwillige gesetzliche Versicherung läuft am 31. März aus. Voraussetzung für den Versicherungsanspruch ist zudem, dass der oder die Betroffene in den vergangenen fünf Jahren mindestens 24 Monate oder aber das komplette vergangene Jahr in eine gesetzliche Kasse eingezahlt worden sei. Wer diese Anforderungen nicht erfüllt, hat keine Möglichkeit mehr sich freiwillig gesetzlich zu versichern. Problematisch wird die Lage auch für proletarisierte Rentner und R 58er, die vorher in privat krankenversichert waren: Sie können die Beiträge nicht mehr aufbringen, verfallen dem Kassenausschluss und können nicht mehr in die „Solidargemeinschaft“ der GKV zurückkehren.

 

Die Hintergründe der Entwicklung zeigt der 3. Armutsbericht der Arbeitnehmerkammer Bremen auf. Auffallend ist vor allem die immer weiter steigende Arbeitsproduktivität. Zwischen 1991 und 2001 ging die Zahl der in der BRD geleisteten industriellen Arbeitsstunden von 9,2 auf 6,2 Milliarden zurück. Damit wurden rund 2 Millionen Arbeitnehmer überflüssig. Alleine 2003 wurden 392.000 Stellen abgebaut, so viele wie seit 1993 nicht mehr. Die Lageentwicklung liegt allerdings im Welttrend. Zwischen 1995 und 2003 stieg die globale Industrieproduktion um 30 %, während die Zahl der Arbeitsplätze um 11 % zurückging. Die Hoffnung auf einen Ausgleich im Dienstleistungssektor erscheint wenig sinnvoll, da die Automatisierung auch hier massenhaft Arbeitsplätze vernichtet (und das Lohnniveau weit unter demjenigen der Industrie liegt). Der US-Wirtschaftswissenschaftler Jeremy Rifkin prophezeite bereits, dass bis 2050 5 % der Weltbevölkerung ausreichen, um mit Hilfe von Robotik, Bio- und Nanotechnologie die Versorgung der gesamten Menschheit sicherzustellen. Eine dringend gebotene Umverteilung der vorhandenen Arbeit ist weiterhin Fehlanzeige, statt verkürzt wird die Arbeitszeit bei gleichzeitigem Lohn- und Sozialabbau verlängert. Anstelle einer Arbeitszeitverkürzung als „Sozialisierung der Produktivitätssteigerung“ dominiert das kapitalistische Profit- und Ausbeutungsinteresse.

 

Zeitgleich mit dem Abbau industrieller Arbeit hat sich der Gesamtwert des in der BRD investierten Kapitals auf 15 Billionen Euro verdoppelt. Dem Anlegermagazin „Börse Online“ zufolge laufen die Geschäfte so glänzend, dass die bundesdeutschen Aktiengesellschaften in den kommenden Wochen Dividenden in Gesamthöhe von 20,5 Milliarden Euro ausschütten werden. Während der Durchschnittserwerbslose mit Hartz IV dahinvegetiert und immer mehr Arbeitnehmer in Billigjobs und prekäre Arbeitsverhältnisse gezwungen werden, verteilen alleine die 30 DAX-Konzerne 14,9 Milliarden Euro an ihre Aktionäre. Die 50 Unternehmen des MDAX zahlen 2,7 Milliarden Euro, die 50 SDAX-Firmen 457 Millionen und die 30 TexDax-Vertreter immerhin noch 220 Milliarden Euro aus. Alleine im DAX stiegen damit die Dividendenzahlungen im Vorjahresvergleich um 40 % - keine Spur von Absatzschwäche und überhöhten Lohnnebenkosten!

 

In Kolumbien nimmt der Terror, den Sicherheitsapparat, Streitkräfte und rechtsgerichtete AUC-Paramilitärs gegen fortschrittliche Kräfte ausüben, kein Ende. Zwischen dem 21. und 22. Februar massakrierten Paramilitärs in der so genannten „Friedensgemeinde“ San José de Apartado deren Leiter Luís Eduardo Guerra und sieben weitere Personen, darunter Frauen und Kinder. In der AUC-Hochburg Barrancabermeja sind Gewerkschafter, Sympathisanten der Linken und Angehörige sozialer Bewegungen weiterhin ihres Lebens nicht mehr sicher. Zwar haben die AUC der Regierung vertraglich die Einstellung ihrer Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung zugesichert (die bürgerlichen Medien meldeten auch in der BRD, die Paramilitärs befänden sich in Entwaffnung und Selbstauflösung) - aber alleine in Barrancabermeja wurden seit Jahresbeginn 24 Personen umgebracht, während 14 weitere „verschwanden“ oder die Flucht antreten mussten. Morddrohungen richteten sich gegen 34 weitere Menschen, darunter ranghohe Gewerkschaftsfunktionäre. Die Regierungstruppen unternehmen nichts, ganz im Gegenteil arbeiten mindestens die 13. und 17. Brigade der kolumbianischen Armee mit den Paramilitärs zusammen. Am 2. März wurden in Cartagena ein Gewerkschaftsberater und sein Leibwächter bei einem AUC-Anschlag schwer verletzt. Bei La Hoya del Nevado ermordeten Regierungssoldaten 3 Aktivisten der Landarbeitergewerkschaft Fensuagro. Wie in solchen Fällen üblich, wurden die Gewerkschafter als Guerrilleros bezeichnet.

 

Wie nicht anders zu erwarten, verboten die spanischen Besatzungsbehörden mit Aukera Guztiak die nächste linksnationalistische Wahlplattform im Baskenland. Die Begründung ist haarsträubend. Da AG sich explizit gegen jede Verletzung der Menschenrechte stellte, konnte Madrid nicht zur Terrorismuskeule greifen. Nunmehr überprüfte man die mittlerweile rund 32.000 Unterstützungsunterschriften, und siehe da, angeblich sollen 1000 Unterzeichner aus dem ETA-Umfeld stammen und 6000 weitere Kontakte zur linksgerichteten Unabhängigkeitsbewegung unterhalten. Den Beweis blieben die Zentralisten jedoch schuldig, und angeführte Einzelfälle lassen eher auf Kontakte von AG-Kandidaten zur legalen linken Gewerkschaft LAB schließen. Die übrigen baskischen Parteien verwiesen darauf, dass gemessen an den Forderungen der spanischen Staatsanwaltschaft selbst die sozialistische PSOE und die konservative Volkspartei PP als spanische Parteien im Baskenland nicht kandidieren dürften. Auf den Listen der Sozialisten finden sich ehemalige Etarras, und auf eine Verurteilung des franquistischen Staatsterrors durch die reaktionäre PP wird man wohl bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten.

 

Die Segnungen von Kapitalismus und EU-Osterweiterung durfte auch Polen erleben. Mit einer nominellen Gesamtsteuerquote für Kapitalgesellschaften von 19 %, einem faktisch nicht vorhandenen Kündigungsschutz und einem Mindestlohn von umgerechnet 150 Euro monatlich stellt das Land geradezu ein Paradies für das marodierende Globalisierungskapital dar. Auch BRD-Unternehmen profitieren von der Ausbeutung der polnischen Arbeitnehmerschaft. Das Statistische Amt in Warschau stellte nunmehr einen Armutsbericht vor, der die Verelendung ganzer Landesteile aufzeigt. Bei einer Einwohnerzahl von 39 Millionen leben 23 Millionen, 60 % der Gesamtbevölkerung, an oder unterhalb der Armutsgrenze. Die Betroffenen haben täglich umgerechnet rund 2,50 Euro zur Verfügung, 5 Millionen Polen besitzen nicht einmal dieses Einkommen. Nach offiziellen Angaben stieg die Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr auf durchschnittlich 19,5 %, jeder dritte der 10,5 Millionen Erwerbslosen ist unter 28 Jahre alt. Mangel- und Unterernährung werden nicht nur aus Kleinstädten und Landgebieten gemeldet, sondern auch aus den Großstädten wie Warschau, Krakau oder Allenstein. Gleichzeitig plündern vor allem bundesdeutsche Lebensmittelkonzerne den günstigen polnischen Agrarmarkt aus und exportieren die erzeugten Nahrungsmittel und Rohprodukte gen Westen. Die Regierung in Warschau reagierte bereits: Ab 2008 Absenkung der Mehrwert- und Einkommenssteuer sowie der Besteuerung von Unternehmergewinnen auf 18 % und Ersetzung der progressiven Einkommenssteuer durch einen Einheitssteuersatz (Flat Tax). Soll heißen, Fortsetzung der volksfeindlichen neoliberalen Politik ohne Rücksicht auf Verluste.

 

Arabischen Pressemeldungen zufolge wird Anfang Juni der 10. Regionalkongress des syrischen Flügels der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei beginnen, gefolgt von einem panarabischen Nationalkongress, dem ersten der Syrer seit 22 Jahren. In Kürze wird die Wahl der Delegierten durch die ASBP und die angeschlossenen Massenorganisationen anlaufen. Die Delegierten werden auf dem Regionalkongress ein neues Zentralkomitee wählen, aus dem ein neues Regionalkommando als Parteiführung hervorgehen wird. Bereits im Februar signalisierte Staats- und Parteichef Bashar al-Assad, dass die beiden Kongresse einen Wendepunkt in der Geschichte des Baathismus darstellen werden. Gemeint ist unter anderem eine innenpolitische Liberalisierung mit mehr Bewegungsfreiheit für die nichtbaathistischen Parteien, gefolgt von einer Lockerung der Zensurbestimmungen. Gerüchten zufolge drängen Kräfte um den syrischen Informationsminister Mahdi Dakhlallah seit geraumer Zeit auf eine Parteireform. Die panarabische Führung soll demnach aufgelöst und in einen Nationalrat der syrischen ASBP umgewandelt werden. Im Namen des von der Baath-Partei geführten syrischen Parteienbündnisses sprach sich Rifaat al-Assad, der im britischen Exil lebende Onkel des amtierenden Präsidenten, für Wahlen und die Ablösung des Ausnahmezustandes durch eine modernisierte Verfassung inclusive Mehrparteiensystem, unabhängiger Justiz, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Korruptionsbekämpfung aus. Als Zeichen des guten Willens amnestierte Bashar al-Assad 312 Kurden, die seit den schweren Unruhen vom März 2004 inhaftiert waren. Bereits auf freiem Fuße befinden sich auch die teilweise jahrelang inhaftierten Anhänger des irakischen Parteiflügels. Abdullah al-Dardari als Vorsitzender der staatlichen Planungskommission führte derweil die Ziele des neuen Fünfjahresplanes (2006-2010) aus. Die Abhängigkeit von Agrarprodukten und Erdöl soll zugunsten verbesserter Produktivität, Dienstleistungen und Kapitalgüterindustrie abgebaut werden. Im letzten Jahr zog Syrien ausländische Direktinvestitionen von 4 Milliarden Dollar an und konnte nach offiziellen Angaben die Arbeitslosigkeit spürbar abbauen. Die FAZ meldete vergangene Woche, der FJP sehe neben der Einführung marktwirtschaftlicher Mechanismen auch die Abschaffung der zentralen Wirtschaftsplanung vor. Genannt werden die Zulassung von Privatbanken, Deregulierung des Finanzsektors sowie Investitionen südkoreanischer und iranisch-französischer Automobilkonzerne. Der Staat wird allerdings auch weiterhin die ökonomische Oberaufsicht behalten und die Kontrolle über strategische Wirtschaftssektoren nicht aufgeben. Offenbar ist man in Damaskus bestrebt, sich am chinesischen Vorbild zu orientieren. Der neue FJP soll vom anstehenden Regionalkongress verabschiedet werden.

 

Der SPD-„Innenexperte“ Dieter Wiefelspütz will der „Frankfurter Rundschau“ zufolge den Geheimdiensten im Kampf gegen den Terrorismus einen direkten Zugriff auf die Buchungsdaten von Reiseunternehmen und Autovermietungen gewähren. Außerdem soll den Diensten der Zugang zu Kundeninformationen bei Kreditinstituten weiter erleichtert werden. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, beklagte dagegen in der „Bild am Sonntag“ eine zunehmende staatliche Überwachung von unverdächtigen Bürgern. „Die Wahrscheinlichkeit, kontrolliert zu werden, nimmt deutlich zu, etwa bei der Videoüberwachung, beim Austausch von Kontrollmitteilungen durch Sozial- und Finanzbehörden und bei der automatischen Kfz-Kennzeichenerkennung auf Autobahnen. (...) Besonders schlimm finde ich es, dass immer mehr völlig unverdächtige Bürger registriert werden, obwohl sie sich rechtmäßig verhalten haben.“ Wiefelspütz erklärte: „Wenn es darum geht, gezielte Informationen zur Terrorabwehr zu gewinnen, sollten die Geheimdienste auch bei Autovermietern, Reisebüros und Bahnunternehmen direkt auf Buchungsdaten zugreifen können.“ Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und militärischer Abschirmdienst dürfen bisher nur bei Fluglinien Informationen einholen. Den Überlegungen von Innenminister Otto Schily (SPD), die Vorratsspeicherung von Telefonverbindungsdaten auf zwölf Monate auszuweiten, erteilte der SPD-Politiker dagegen eine klare Absage. Schaar äußerte sich skeptisch, ob die Aufweichung des Datenschutzes dabei helfe, mehr Straftäter dingfest zu machen. „Ich halte nichts von Streuschüssen, die überwiegend Unschuldige betreffen, wie etwa die wahllose Speicherung aller Telefon- und Internetverkehrsdaten. Es wäre viel effektiver, wenn sich der Staat stärker auf die wirklich Verdächtigen konzentriert.

 

Die Krise innerhalb der FPÖ erreichte einen neuen Höhepunkt. Auf einer Bundesvorstandssitzung wurde nach hitziger Diskussion und mit knapper Mehrheit der Parteiausschluss des Europa-Abgeordneten und Publizisten Andreas Mölzer beschlossen. Für die Parteivorsitzende Ursula Haubner ist der Widerstand ein Rückschlag, rechnete sie doch mit einem einstimmigen Votum gegen Mölzer. Vizeparteichef Gorbach sieht angesichts des knappen Ergebnisses die „Probleme“ der Partei, sprich den Machtkampf zwischen dem populistischen Haider-Flügel und der Parteirechten, noch nicht gelöst. Einige Landesverbände der FPÖ stellten sich im Vorfeld der Sitzung hinter Mölzer. Dieser will die Rechtmäßigkeit seines Hinauswurfes juristisch prüfen lassen. Laut Parteistatut ist die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden stimmberechtigten Vorstandsmitglieder erforderlich. In diesem Falle wären das bei 23 Anwesenden mindestens 16 Stimmen gewesen, Ja-Stimmen gab es jedoch nur 15. In Anbetracht der Drohungen des Haider-Flügels ist eine Parteispaltung nicht ausgeschlossen.

 

Spanien und Venezuela sind bei einem Besuch von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero im südamerikanischen Land enger zusammengerückt. Zapatero und der umstrittene linksnationalistische Präsident Hugo Chávez unterzeichneten mehrere Abkommen über wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit. Außerdem wurde ein Rüstungsgeschäft besiegelt, das zuvor von den USA kritisiert worden war. Beide Regierungschefs erklärten, die Schiffe und Flugzeuge sollten nicht kriegerischen Zwecken dienen, sondern im Kampf gegen Drogenhandel und organisiertes Verbrechen eingesetzt werden. Spanien wird dem Erdölland Venezuela für rund 800 Millionen Euro unter anderem acht Korvetten und Patrouillenboote sowie zehn Transportflugzeuge verkaufen. Zapatero versicherte, die spanische Kooperation ziele auf eine Stärkung der Demokratie und des Rechtsstaates, auf die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und die Bekämpfung der Armut. Chavez betonte seinerseits, das „globale Abkommen“ und die „strategische Allianz“ mit Spanien würden vom Kampf um mehr soziale Gerechtigkeit und Freiheit bestimmt. Das sei vor allem in einer Zeit, in der „eine neue geopolitische Weltkarte geboren" werde, von besonderer Bedeutung. Auf einem Gipfeltreffen im venezolanischen Ciudad Guayana hatten sich zuvor Zapatero, Chávez und die Präsidenten von Brasilien (Luiz Inacio „Lula“ da Silva) und Kolumbien (Álvaro Uribe) für engere Beziehungen zwischen Europa und Südamerika ausgesprochen. Chávez erklärte, das Treffen stelle den Beginn eines südamerikanischen Integrationsprozesses dar, der als Gegengewicht zur von den USA betriebenen panamerikanischen Freihandelszone gedacht ist.

 

Die Kombination aus Besatzung und Patriarchat hat für Palästinenserinnen verheerende, teilweise sogar tödliche, Folgen. Das ist das Fazit eines neuen Berichts von amnesty international (ai), der Fälle von Gewalt gegen Frauen dokumentiert. „Armut, Perspektivlosigkeit und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit haben die gesellschaftlichen Zwänge, unter denen palästinensische Frauen seit jeher leiden, verschärft", erklärte Claudia Bergmann, ai-Expertin für Israel und die besetzten Gebiete. „Viele Palästinenserinnen leben in doppelter Unterdrückung: Das israelische Militär beherrscht den öffentlichen Raum, der palästinensische Ehemann das Privatleben." Fatal wirke sich die Besatzung angesichts von Straßensperren und darnieder liegenden Gesundheitswesens für Schwangere, junge Mütter und Kleinkinder aus. „Immer wieder sterben Neugeborene, weil die Mutter nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gelangen kann." Die israelische Regierung verstoße gegen die Genfer Konventionen, wenn sie als Besatzungsmacht nicht dafür sorgt, dass Schwangere und Kranke angemessene medizinische Versorgung erhalten, sagte Bergmann. In der palästinensischen Gesellschaft werden Frauen und Mädchen immer wieder von Verwandten misshandelt, vergewaltigt oder im Namen der 'Ehre' ermordet. „Im palästinensischen Recht gibt es kaum Gesetze zum Schutz von Frauen. Und die Autonomiebehörde tut nicht genug, um diese wenigen Gesetze umzusetzen (...) Wenn die israelische Armee die besetzten Gebiete abriegelt, ist es für Opfer familiärer Gewalt außerdem kaum möglich, zu fliehen." Amnesty international forderte die israelische Regierung auf, für eine vollständige Bewegungsfreiheit und eine angemessene medizinische Versorgung in den besetzten Gebieten zu sorgen. An die Palästinensische Autonomiebehörde appellierte ai, Frauen den Schutz vor Gewalt gesetzlich zu garantieren und jeden Verstoß dagegen auch strafrechtlich zu verfolgen.

 

Die Zahl der Telefonüberwachungen ist 2004 nach Mitteilung des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar erneut stark gestiegen. Nach den neuesten Zahlen der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post haben die Telekommunikationsunternehmen der Regulierungsbehörde für das vergangene Jahr 29.017 Anordnungen zur Telefonüberwachung gemeldet. Das waren rund 4500 Fälle mehr als 2003. 2003 waren es 24.501, 2002 21.874 und 2001 19.896 Anordnungen. Im Vergleich zum Jahr 1995 mit damals 4674 Anordnungen bedeutet dies eine Zunahme von mehr als 500 % in weniger als einem Jahrzehnt. „Obwohl das Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht sein Gutachten zur Frage, auf welche Faktoren die stetige Steigerung der Überwachungsanordnungen zurückzuführen ist, bereits im Mai 2003 vorgelegt hat, sind daraus bislang noch keine Konsequenzen gezogen worden.“ Für die dringend notwendige Novellierung der Strafprozessordnung forderte Schaar, die Überwachungen auf schwere Straftaten zu begrenzen. Der gesetzliche Richtervorbehalt dürfe nicht gelockert werden. Um die spezifische Sachkunde zu fördern, sollten zudem die Aufgaben der Ermittlungsrichter auf möglichst wenige Personen konzentriert werden. In Hinblick auf Gerichtsverfahren forderte der oberste Datenschützer, dass Gespräche zwischen Beschuldigten und zeugnisverweigerungsberechtigten Personen grundsätzlich nicht verwertet werden dürfen. „Dabei kommt dem Schutz des unantastbaren Kernbereichs der Privatsphäre - wie ihn das Bundesverfassungsgericht bei seiner Lauschangriffsentscheidung hervorgehoben hat - besondere Bedeutung zu." Schaar sieht offenkundig Defizite bei der Kontrolle und Bewertung der Überwachungen und bei der Information der Betroffenen. „Damit die Entwicklung bei Überwachungsmaßnahmen fundiert bewertet werden kann, sind detaillierte Berichtspflichten für die Strafverfolgungsbehörden notwendig.“ Er betonte weiterhin, dass die Benachrichtigung der Betroffenen sicherzustellen sei. Die Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht müssten deutlich beschränkt werden.

 

Das inzwischen auch in der BRD stark kontrovers diskutierte Thema der Verpflichtung von Telekommunikationsfirmen zur pauschalen und verdachtsunabhängigen Überwachung ihrer Kunden im Namen der Strafverfolgung und Terrorabwehr erregt in Brüssel weiter die Gemüter. Dort hat der EU-Rat bereits seit langem gehegte Pläne zur Einführung einer Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung aller Internet- und Telefon-Dienste anfallen, mit Hilfe eine Initiative einer Handvoll Mitgliedsstaaten nach den Anschlägen in Madrid vor einem Jahr wieder aufgenommen. Doch nach dem Berichterstatter für den umstrittenen Entwurf für einen entsprechenden Rahmenbeschluss im EU-Parlament, dem Liberalen Alexander Alvaro, und nach der EU-Kommission ist nunmehr auch der Rechtsausschuss der europäischen Volksvertretung zu der Ansicht gelangt, dass das Ministergremium im Kern keine Befugnis zur Verabschiedung der umstrittenen Maßnahme hat. „Der Rat bewegt sich von nun an auf sehr dünnem Eis, wenn er an seiner Position festhält". Der FDP-Abgeordnete hatte in einem ersten Bericht zur geplanten Vorratsdatenspeicherung bezweifelt, dass die Minister die richtige Rechtsgrundlage für das heftig umstrittenes Vorhaben gewählt haben, und brachte prinzipielle Bedenken vor allem rechtlicher Natur vor. Das Ministergremium lässt sich von seinen Plänen trotzdem nicht abbringen. Mit ungedrosseltem Tempo hält der Ministerrat vielmehr an seinem Ziel fest, noch bis zum Juni einen Rahmenbeschluss unter Dach und Fach zu bringen. Auf ihrer Sitzung am 14. April wollen die Justiz- und Innenminister die noch offenen Fragen besprechen. Grundlage für die weiteren Verhandlungen ist ein überarbeiteter Entwurf für den Gesetzestext, der Ende Februar erstellt wurde. Auf Drängen der Luxemburger Ratspräsidentschaft ist darin nun von „Kommunikationsdaten" statt einfach nur „Daten" die Rede, die von den Telekommunikationsunternehmen und Internetprovidern 12 Monate lang aufbewahrt werden sollen. Im ursprünglichen Entwurf waren Speicherfristen bis zu 36 Monaten vorgesehen. Eine entsprechende längere Vorschrift wird einzelnen Mitgliedsstaaten aber „im Einklang mit nationalen Kriterien" nach wie vor an die Hand gegeben. Auch sechs Monate hält der Rat gerade noch für akzeptabel, falls eine längere Vorhaltungsdauer der Datenmassen national nicht durchsetzbar sei. Der Begriff „Kommunikationsdaten" dürfte zunächst für weitere Verwirrung sorgen. Geht es den Sicherheitsbehörden nach eigenem Bekunden doch gerade nicht um die Überwachung von Kommunikationsinhalten, was nun aber nahe gelegt wird. In Artikel 2 bemüht sich der Rat daher um genauere Definitionen. Demnach sollen zu den zu speichernden Informationen insbesondere „Verkehrsdaten und Standortdaten" gehören. Dazu kommen schwammige „Nutzerdaten, die sich auf den User eines öffentlich verfügbaren elektronischen Kommunikationsdienstes beziehen", sowie dazugehörige „Abonnentendaten". Daraus hervorgehen sollen unter anderem die Quelle einer Kommunikation inklusive „persönlicher Details", die Herkunft und das Ziel oder die Zeit und die Dauer einer Kommunikation. Auch Geräteidentifizierungsnummern stehen auf der Wunschliste. Anwendung finden soll der Rahmenbeschluss auf „alle Mittel für die elektronische Kommunikation", insbesondere auf die Sprachtelefonie, SMS und sämtliche Internetprotokolle wie E-Mail, VOIP, WWW oder für sonstige Dateiübertragungen. Alvaro: „Die Bundesregierung fährt nach Brüssel, um Dinge umzusetzen, die sie in Berlin nie durchbekommen würde, und lacht sich dabei ins Fäustchen.

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