Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 12. bis 18. März 2005

Bei den Gemeinderatswahlen in der Steiermark legte die SPÖ um 4,5 Prozentpunkte zu und hat mit 43,3 % zur ÖVP aufgeschlossen. Die FPÖ behauptete sich zwar als drittstärkste Kraft, fiel aber um 5,28 Prozentpunkte auf 6,05 % zurück. Örtlich waren die Stimmenverluste geradezu einzigartig katastrophal, so fielen die Freiheitlichen in Weinitzen bei Graz von 44,2 auf 3,2 % ab (nicht zuletzt infolge einer Parteispaltung)! Der Stimmanteil der Grünen blieb mit 2,32 % fast unverändert. In einigen Gemeinden konnte die steirische KPÖ Achtungserfolge erzielen. Zu nennen sind 10 % in Knittelfeld, 11 % (hier als linkes Wahlbündnis ProMZ) in Mürzzuschlag, 10 % in Trofaiach. Damit gibt es in der Steiermark außerhalb von Graz nunmehr 14 kommunistische Gemeinderäte. Die Stadtratswahlen in den kreisfreien Städten erfolgen in Österreich separat - wobei Graz eine ausgesprochene Hochburg der KPÖ ist (die Kommunisten erhielten hier anno 2003 mehr als 20 % der Stimmen). Landesweit lag der Anteil der Partei bei 0,67 %. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 80 %.

 

Alessandra Mussolini hat einen Hungerstreik begonnen. Die Parlamentarierin und Duce-Enkelin will hiermit gegen den Ausschluss ihrer Sozialen Alternative von den bevorstehenden Regionalwahlen in der mittelitalienischen Region Latium protestieren. Ein italienisches Verwaltungsgericht urteilte, dass die Partei ihre Wahlzulassung mit gefälschten Unterschriften angeblicher Anhänger erreicht habe. Insgesamt seien in der Region rund um Rom über 900 Unterschriften gefälscht worden, wie der „Corriere della Sera" berichtete. Presseberichten zufolge sind derartige Unterschriftenfälschungen allerdings in Italien normal und werden bei allen anderen Parteien toleriert. Initiator des Verfahrens war Francesco Storace (Alleanza), der amtierende Gouverneur Latiums. Mussolini kündigte im italienischen Fernsehen an, Berufung gegen die Entscheidung einlegen zu wollen. „Ich werde unweit vom Verwaltungsgericht warten, bis ein Beschluss über meine Berufung gefällt wird. Bis dahin werde ich hungern. Mit meinem Protest will ich mich für die politische Freiheit in Italien einsetzen." Die Alleanza-Renegatin strebt bei den Regionalwahlen am 3. und 4. April das Gouverneursamt in Lazio an. Die Alternativa Sociale entstand im Jahr 2003 als Abspaltung der Alleanza Nazionale, an der sich auch Forza Nuova und Fronte Sociale Nazionale beteiligten. Im Juni 2004 gelang der SA übrigens der Einzug in das Europaparlament, in dem sie mit einem Abgeordneten vertreten ist.

 

Die Unhaltbarkeit der Verbindung von Investitionen bundesdeutscher Unternehmen im Ausland und der Schaffung von Arbeitsplätzen im Inland wird durch eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages belegt. Demnach werden zwei Drittel aller 7500 befragten Unternehmen 2005 im Ausland investieren und teilweise Produktionskapazitäten dorthin verlagern. Auslöser sind übrigens nicht die angeblich hohen Arbeits- und Produktionskosten in der BRD, sondern die Expansion in neue Märkte. Hauptzielgebiet sind die neuen EU-Staaten, gefolgt von China. Am stärksten ist der Drang ins Ausland bei klassischen Exportbranchen, darunter Autoindustrie, Elektronik, chemische Industrie, Medizin-, Mess-, Steuerungstechnik sowie Maschinenbau. Dort plant laut der Umfrage rund jedes zweite Unternehmen Investitionen im Ausland. Nur 13 % der im Ausland engagierten Unternehmen in wollen in der BRD neue Arbeitsplätze schaffen, 60 % planen keine Veränderung und 27 % werden hierzulande Stellen abbauen.

 

Die irische Partei Sinn Féin sieht sich seit einigen Wochen einer beispiellosen Hetzkampagne ausgeliefert. In der Tat sind die mutmaßliche Beteiligung der Provisional IRA an einem millionenschweren Bankraub in Belfast und die Ermordung des Katholiken Robert McCartney durch Angehörige der PIRA alles andere als Werbung für die republikanische Sache. Zu allem Überfluss boten Abgesandte der Provos der Familie McCartney an, die Täter auf ihre Weise zur Rechenschaft zu ziehen und zu liquidieren. Allerdings nutzen die Regierungen in London und Dublin, die nordirischen Protestanten und die abgehalfterte Social Democratic Labour Party SDLP geradezu penetrant die Chance, um sich auf Kosten Sinn Féins zu profilieren und Druck zwecks Selbstauflösung der republikanischen Untergrundarmee zu machen. In den USA führte die Kampagne bereits zu einer ernstlichen Trübung des Verhältnisses zur US-Regierung wie zur einflussreichen irisch-amerikanischen Bevölkerungsgruppe. Möglicherweise drohen Sinn Féin finanzielle Sanktionen, und zwar durch das britische Parlament (wo die Partei 4 Abgeordnete stellt) und das Europaparlament (2 Sitze). Jedoch wird die Suppe keinesfalls so heiß gegessen, wie sie uns von den bürgerlichen Medien aufgetischt wird. Die Bereitschaft der McCartney-Schwestern, sich in Irland, Großbritannien und den USA durch Talkshows und Empfänge reichen und damit instrumentalisieren zu lassen, sorgt mittlerweile für ersten Gegenwind. Bei Nachwahlen zum irischen Dáil steigerte Joe Reilly den Stimmenanteil Sinn Féins im Wahlkreis Meath um satte 3 Prozentpunkte auf mehr als 12 %. So gut wie nichts erfährt man in den Medien übrigens über den jüngsten Mord in Nordirland: Lisa Dorrian aus Bangor wurde von Angehörigen der protestantischen Untergrundorganisation Loyalist Volunteer Force entführt und ermordet. Im schroffen Gegensatz zum Geschrei um die Entwaffnung und Auflösung der IRA steht auch das offensichtliche Desinteresse Dublins und Londons an einem Vorgehen gegen Waffenarsenal und Aktivitäten der loyalistischen Paramilitärs.

 

Die Bundesregierung plant eine zentrale Speicherung aller Telefon-, SMS-, E-Mail- und Internetdaten bis zu zwölf Monate. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bestätigte bereits, dass sie und Innenminister Otto Schily mit der Telekom bereits darüber gesprochen hätten. Die Bundesregierung verwies auf einen Vorstoß von vier EU-Staaten zu einer entsprechenden Richtlinie. Schweden, Großbritannien, Irland und Frankreich wollen derzeit in Brüssel durchsetzen, dass Telekommunikationsdaten bis zu 3 Jahre lang gespeichert werden. Die zentral gesammelten Daten sollen den jeweiligen Sicherheitsbehörden auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden, und zwar grenzübergreifend. Auch wenn die Inhalte der Kommunikation ausdrücklich nicht gespeichert werden, lässt sich anhand dieser Verkehrsdaten für die Sicherheitsbehörden nicht nur der genaue Aufenthaltsort, sondern eine Art Bewegungsprofil von fast jedem der 400 Millionen EU-Bürger erstellen. Mit einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission wird noch im Frühjahr gerechnet. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar lehnte die Pläne als nicht sinnvoll und mit der aktuellen Rechtslage unvereinbar ab. Auch sprächen verfassungsrechtliche wie praktische Argumente dagegen. Schily sagte zu dem Vorhaben am Rande der Computermesse CeBIT in Hannover, man könne auch über Kommunikationsdaten Straftaten aufdecken. Der „Bild am Sonntag" zufolge zeigte sich Telekom-Vorstandschef Kai-Uwe Ricke bereit, Telefonverbindungsdaten unter bestimmten Bedingungen künftig bis zu sechs Monaten zu speichern. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) unterstützt die Idee der Bundesregierung. Aufgrund der aktuellen Gesetzeslage ist das in den Medien beschriebene Vorhaben derzeit nicht zulässig. Das Telekommunikationsgesetz sieht eine Speicherung von Verkehrsdaten nur in einem sehr beschränkten Umfang vor, so der Datenschutzbeauftragte Schaar. Danach dürfen Daten nur zu Abrechnungszwecken und höchstens für sechs Monate gespeichert werden. Dies ist erst im vergangenen Jahr im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes in einer breiten öffentlichen Diskussion erörtert worden. Damals einigten sich Bundestag und Bundesrat, auf die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. Der Bundestag hat diese Beschlusslage am 17. Februar 2005 bestätigt.

 

Presseberichten zufolge will die rosa-grüne Bundesregierung die seit drei Jahren gültigen „Anti-Terror-Maßnahmen“ verlängern und ausweiten. Bundesinnenminister Schily fordert unter anderem neben obiger Erweiterung der Vorratsdatenspeicherung bei Telekommunikationsverbindungen einen erleichterten Zugriff der Geheimdienste auf Kontoinformationen an. Gemeint ist offenbar die Konten-Evidenz-Zentrale KEZ, deren Informationen diversen mit Sozial- und Steuerfragen befassten Behörden ab dem 1. April zur freien Verfügung stehen werden. Die Unionsparteien signalisierten bereits Entgegenkommen und forderten zusätzlich eine Ausweitung der Kronzeugenregelung und eine Änderung des Grundgesetzes, um die Bundeswehr „im Gefahrenfalle“ im Inland einsetzen zu können - wohl auch gegen das eigene Volk. Laut Bilanz des Bundesinnenministeriums hat der Verfassungsschutz bislang 14.427 Personen in sicherheitsrelevanten Bereichen überprüft, 37 wurden als Sicherheitsrisiko entlassen. Der „Tagesspiegel“ meldete, dass die Regierungsfraktionen eine Ausweitung der DNA-Analyse planen. Werden DNA-Prints bislang nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung und bei Sexualdelikten entnommen, so soll künftig jeder Wiederholungstäter erfasst werden - und sei es Ladendiebstahl oder Schwarzfahren. Diese Ausweitung ist allerdings von einer Prognose abhängig, ob der Täter künftig schwerere Straftaten begehen könnte. Bei einer ungünstigen Sozialprognose wären Arbeitslose etc. also in jedem Fall fällig.

 

Im Baskenland ließ sich mit Aukera Guztiak („Alle Optionen“) eine neue linksnationalistische Liste für die vorgezogenen Regionalwahlen am 17. April registrieren. Obwohl AG bereits 20.000 Unterstützungsunterschriften vorlegte, leitete die spanische Generalstaatsanwaltschaft umgehend ein neues Verbotsverfahren ein, da es sich bei AG um eine mit der Untergrundarmee ETA und deren politischen Flügel Batasuna verbundene Partei handele. Wie üblich eine fragwürdige Begründung: Die 75 Kandidaten der Partei kommen aus Wissenschaft, Kultur und Öffentlichkeit des Baskenlandes und haben noch nie zuvor für irgendeine Partei kandidiert. Außerdem führt Batasuna einen eigenständigen Untergrundwahlkampf und geht juristisch gegen ihren Ausschluss durch den Wahlrat vor.

 

Angesichts der anhaltenden Repression gegen baskische Nationalisten traten am ersten Jahrestag der Amtsübernahme des sozialistischen Ministerpräsidenten Zapatero rund 700 einsitzende Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung in den Hungerstreik. Das Gefangenenkollektiv EPPK kündigte an, man werde im Rotationsverfahren so lange die Nahrungsaufnahme verweigern, bis die Forderungen der Inhaftierten erfüllt sind: Beachtung der elementaren Rechte wie Besuchsrecht etc., Anerkennung des politischen Status der Gefangenen, Verlegung der Gefangenen ins Baskenland und die Teilnahme an den politischen Prozessen dort. Alleine seit Jahresbeginn wurden in Spanien 38 AktivistInnen der Unabhängigkeitsbewegung verhaftet. Solidaritätserklärungen und Protest gegen die Unterdrückung des baskischen Selbstbestimmungsrechtes bitte an: José Luis Rodríguez Zapatero, Presidente del Gobierno, Complejo de La Moncloa, 28071 Madrid, Espana / Botschaft der Französischen Republik, Pariser Platz 5, 10117 Berlin / Botschaft des Königreichs Spanien, Lichtensteinallee 1, 10787 Berlin.

 

Zur unsäglichen „Reformrede“ von Bundespräsident Horst Köhler (CDU), ehemals Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und Direktor der Ausbeutungsmaschinerie IWF, merkten die Genossen von „Kommunisten Online“ Treffliches an: „Seine Rezepte, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, bewegen sich genau auf diesem Niveau eines röhrenden Auspuffs des vom KdF-Wagen zum VW-Käfer mutierten Vehikels. (...) Die arme Wirtschaft. Da darbt doch die Deutsche Bank und hungert bei maximalen Gewinnen und wirft 10% ihrer Beschäftigten auf die Straße. Da klagt DaimlerCrysler über zu hohe Steuern - bezahlt aber keine - macht Supergewinne und ging einst, als der Superkonzern aus Daimler und Crysler gegründet wurde, nach Deutschland mit seiner Zentrale, weil hier die Steuern und andere Kosten so niedrig sind. (...) Damit ist alles klar. Die Superprofite der Konzerne sind eine patriotische Tat. Sie ermöglichen Investitionen und die - so glaubt der Sparkassendirektor im Schloss Bellevue - schaffen Arbeitsplätze. Nur tun die Gewinnmacher in den Chefetagen das nicht und pfeifen auf die Theorien des promovierten Volkswirtes im Amt des Präsidenten in diesem unseren Land. Wenn sie investieren, dann in Rationalisierungen zum Abbau der Arbeitsplätze oder in Billiglohnländern. Letztere Investitionen belohnt der bundesdeutsche Staat dann auch noch in Steuergeschenken. Die im Ausland mit Hungerlöhnen ergaunerten Gewinne dürfen dann steuerfrei auf die Konten der Hausbanken in Deutschland transferiert werden. Wieso führen Steuererleichterungen der Unternehmen eigentlich zu Arbeitsplätzen? Kann man jemand, der überhaupt keine Einkommens- und Körperschaftssteuern zahlt, überhaupt die Steuern erleichtern? Die Großkonzerne zahlen ohne Ausnahme keinerlei Körperschaftssteuern. Als man vor einigen Jahren dem Chef von ThyssenKrupp-Stahl (Sitz in Duisburg), vorhielt, dass sein Unternehmen trotz guter Gewinne keine Steuern zahle, sagte er mit dem Augenaufschlag des Naiven: „Aber unsere Mitarbeiter zahlen Einkommenssteuern.“ Da traf er dann auch den Nagel auf dem Kopf: Die Unternehmen zahlen nichts, die Normalverdiener fast alles, denn die Spitzenverdiener wurden erst vor kurzer Zeit steuerlich entlastet (das Geld fehlt jetzt in den Sozialkassen) und die Arbeitslosigkeit steigt auf das Niveau von 1931. Und da stellt sich da einer hin und sagt: „Steuerentlastung!“ Der Mann ist wahrhaftig Volkswirt und promoviert auch noch. Er hat als Bundespräsident zwar nichts zu sagen und ist eine Art präsidialer Frühstücksdirektor, aber er hält Reden. Reden, die das ausdrücken, was in den Hirnen der Bosse herumspukt. Wenn der Bundespräsident das Klagelied des darbendem Unternehmers, der vor der Not flieht und in Moldavien produziert, dabei Löhne zahlt, von denen auch dort trotz der hohen Arbeitslosigkeit eben mal das nackte Existieren möglich ist, dann klingt das wahrer, als wenn es aus dem Maul des Dieter Hundt gekläfft. Es ist trotzdem falsch. Wir können gespannt sein, welche Reden noch in Zukunft vom Bundespräsidenten gehalten werden. Köhler hielt eine Hommage auf die Gründerzeiten der BRD, auf Adenauer und Erhard (...) Mir scheint, er hatte noch einen weiteren Repräsentanten der damaligen Zeit im Köpf: Heinrich Lübke, dem Meisterredner. Ob er eine Art Über-Lübke werden will, also ein Lübke des 21. Jahrhunderts?

 

Im Prozess um den Mord an dem Arbeitsrechtsexperten und Regierungsberater Marco Biagi im März 2002 hat ein Gericht in Bologna die italienische Linksextremistin Cinzia Banelli zu 16 Jahren Haft verurteilt. Die Staatsanwälte hatten zuvor 13 Jahre und vier Monate Haft für die Ex-Terroristin beantragt, die sich vor einigen Monaten zur Zusammenarbeit mit der Justiz entschlossen hatte. Banelli wurde auch zur Zahlung einer Entschädigung von einer Million Euro an die Angehörigen Biagis verurteilt. Die Untergrundkämpferin der „Neuen Roten Brigaden“ wurde bereits vor 14 Tagen wegen Beteiligung an der Ermordung des Regierungsberaters Massimo D´Antona im Mai 1999 zu 20 Jahren Knast verurteilt. Beide Opfer waren an neoliberalen Arbeitsmarktreformen beteiligt. Seit Februar stehen in Bologna insgesamt 5 Aktivisten der Neuen Roten Brigaden vor Gericht. Laura Proietti wurde bereits für ihre Beteiligung an dem D´Antona-Mord zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Zu den Angeklagten gehört auch Nadia Desdemona Lioce, die vor rund 2 Jahren nach einer Schießerei im Regionalzug Rom-Florenz verhaftet wurde. Bei dem Feuergefecht kamen Lioces Kamerad Mario Galesi und ein Polizist ums Leben.

 

Die Studie Generation 05, erhoben vom manager magazin und der Unternehmensberatung McKinsey, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Stimmung bei den Nachwuchsakademikern. 56 % der Hochschulabsolventen halten es für denkbar, aus beruflichen Gründen auswandern zu müssen. Vor allem Ingenieurswissenschaftler, Informatiker und Elektrotechniker könnten aus der BRD abwandern. In puncto Zukunftsfähigkeit liegt die Bundesrepublik mit einer Zustimmung von nur 37 % am untersten Ende der Rangliste nach China, Japan, den USA und sämtlichen EU-Staaten. In den Augen der angehenden Jungakademiker sind vor allem interessante Arbeitsinhalte, die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und ein gesicherter Arbeitsplatz in der BRD kaum möglich. Zwei Drittel aller künftigen Hochschulabsolventen gehen nicht davon aus, jemals ihre Wunschvorstellungen im Berufsleben verwirklichen zu können. Gerechnet wird weitgehend mit einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden sowie einem Renteneintrittsalter von 65 bis 70 Jahren. Insgesamt wurden 1072 Studenten und Studentinnen im Hauptstudium der Fachrichtungen Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre, Jura, Naturwissenschaften, Mathematik, Medizin, Ingenieurwissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften an 27 ausgewählten Hochschulen und Fachhochschulen befragt.

 

Das renommierte New England Journal of Medicine wartete mit einer interessanten Untersuchung über den Gesundheitszustand der US-Amerikaner auf. Infolge einer weltweit einzigartig ungesunden Ernährungsweise wird die Lebenserwartung der US-Bürger in den nächsten Jahren um durchschnittlich mindestens 5 Jahre sinken. Damit geht dieser Wert erstmals seit 200 Jahren wieder zurück! Bereits in den kommenden fünf Jahrzehnten könnte das durchschnittliche Sterbealter wegen Übergewicht und den damit verbundenen Krankheiten wie Diabetes von heute 77,6 Jahre auf rund 72 Jahre sinken. Ein derartiger Einbruch wäre unter den westlichen Industrienationen bisher beispiellos. Bereits heute gelten zwei Drittel der Amerikaner als zu dick und ein Drittel als krankhaft übergewichtig. Besonders schlimm ist die Situation unter Jugendlichen. Dort hat sich der Anteil der Übergewichtigen in den vergangenen 25 Jahren verdoppelt. Krankheiten wie Diabetes schnellten um ein Zehnfaches in die Höhe. Weitere Untersuchungsmodelle ziehen übrigens die Möglichkeit in Erwägung, dass es den US-Amerikanern potenziell gelingen kann, sich durch Fehlernährung selbst auszurotten.

 

Der Irak droht nach Auffassung der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International (TI) zum größten Korruptionsskandal aller Zeiten zu werden. Dies geht aus dem Global Corruption Report 2005 (GCR) hervor. Der Vorsitzende von TI Deutschland Hansjörg Elshorst beklagte, dass schon die Vergabe der Wiederaufbauverträge an US-Firmen nicht sauber abgelaufen sei. So sei den Irakern ein schlechtes Beispiel gegeben worden. Transparency befürchtet außerdem, dass der Internationale Währungsfonds und der Pariser Club den Irak zu Privatisierungen drängen werden. Wenn Länder unter Besatzungsregierung zu schnellen Privatisierungen gezwungen würden und ein freier Markt fehle, sei fast sicher mit einer weitverbreiteten Korruption zu rechnen, meint die Organisation. In dem Bericht heißt es: „Das Fehlen von Transparenz und Verantwortlichkeit im Umgang der US-Zivilverwaltung mit den irakischen Öl-Einnahmen zeigt ein größeres Problem, das für die Art und Weise charakteristisch ist, wie die USA mit dem Wiederaufbauprozess umgehen." Schon bevor die Invasion begonnen wurde, habe es Fragen zu den umfassenden Verträgen gegeben, die heimlich an Bechtel, Halliburton und andere vergeben worden seien. Der Bericht führt fort, Kritiker der Bush-Regierung hätten davon gesprochen, dass die Wiederaufbauverträge zu Korruption auf drei Ebenen geführt hätte. Die erste Ebene umfasse die Beauftragung von US-Firmen, die den Republikanern nahe stehen. Dieses „Nahestehen“ umfasse sowohl, dass einige der Firmen Geldgeber der Republikanischen Partei seien, als auch dass hochrangige Parteimitglieder in Räten und Vorständen der betroffenen Firmen säßen. Als Beispiel wird Vize-Präsident Dick Cheney genannt, der bis zum Jahr 2000 Geschäftsführer der Erdöl-Firma Halliburton gewesen ist. Derartige Besorgnisse seien durch den streng geheimen Ablauf der Vertragsgestaltung verstärkt worden. Auch die Art der vergebenen Verträge habe zu diesen Unsicherheiten beigetragen. So habe das US-Projekt zur Regierungsüberwachung festgestellt, dass die nach Orwell klingenden „Unbestimmte Lieferung, Unbestimmte Menge"-Verträge der Regierung erlaubten, ihren Vertragspartnern eine undefinierte Menge an Arbeit zukommen zu lassen. Außerdem gebe es das Phänomen der Vertragspakte, bei denen zwei oder mehr Aufträge zu einem gigantischen Auftragspaket zusammengefasst würden. Dies würde alle kleineren Firmen vom Wettbewerb ausschließen, da nur noch die allergrößten Unternehmen diese Aufträge annehmen könnten. Die zweite Ebene befasst sich mit dem Ausmaß des ausgegeben Geldes. So kommt der GCR 2005 zu dem Ergebnis, viele US-Unternehmen seien verschwenderisch gewesen und hätten sich Profite zugebilligt, die „viele Menschen als übertrieben empfinden würden". Ernsthafte Fragen seien auch bei der Vergabe von Unteraufträgen aufgekommen. Ed Kubba, Mitglied der US-amerikanisch-irakischen Handelskammer, fragte sich: „Wenn du 10 Millionen US-Dollar von der amerikanischen Regierung nimmst, und den Job dann für 250.000 US-Dollar von irakischen Unternehmen ausführen lässt, ist das dann ein Geschäft, oder ist das Korruption?" Die letzte Ebene betrifft Anschuldigungen gegen einzelne Angestellte von US-Unternehmen, die Bestechungsgelder von Firmen angenommen haben sollen, die Zulieferverträge bekommen wollten.

 

Jahrzehnte war er einer der prominentesten Vertreter der SPD-Linken. Nun hat Peter von Oertzen, übrigens ein renommierter Politikwissenschaftler, die Partei nach fast 60 Jahren verlassen. Er sei enttäuscht über den seiner Ansicht nach wirtschaftliberalen Kurs der Regierungspartei. Der 80-Jährige schloss sich der linken Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit an. „Um öffentliche Treueerklärungen für die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände abzugeben, bin ich 1946 nicht in die SPD eingetreten.“ Oertzen erklärte, er sei und bleibe Sozialist und sei daher „in der SPD nicht mehr am rechten linken Platz". Im Augenblick gebe es keine Partei, „die mehr die Auffassungen des großen Kapitals als die SPD vertritt". SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter hatte Oertzen im September vergangenen Jahres noch zu dessen 80. Geburtstag als Vordenker und Querdenker gewürdigt, der die Geschichte der SPD mitgeschrieben habe.

 

Die Auseinandersetzung zwischen den populistischen Haider-Anhängern und dem rechten Flügel innerhalb der FPÖ hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, Herausgeber der Zeitschrift „Zur Zeit“, wurde wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Kärntner FPÖ ausgeschlossen. Mölzer hatte zuletzt offene Kritik an Jörg Haider geübt und sich für den Wiener Parteichef Heinz-Christian Strache als neuen Bundesparteiobmann ausgesprochen. Der Kärntner FPÖ-Chef Martin Strutz erklärte, dass der Parteiausschluss Mölzers in einer gemeinsamen erweiterten Sitzung von Landesparteileitung und Landesparteivorstand in Pörtschach mit den Stimmen aller 185 anwesenden Funktionäre erfolgt sei. Der Ausschluss Mölzers aus der Kärntner FPÖ - sie fungiert seit Jahren als eine eigenständige Organisation - war augenscheinlich die logische Konsequenz des Ergebnisses der Sitzung des Bundesparteivorstandes von vergangener Woche in Klagenfurt, in welcher eine klare Distanzierung zum rechten Flügel um Strache, Mölzer und Ewald Stadler erfolgt war. Parteichefin Ursula Haubner begründete dies mit beständigen Querschüssen der Betroffenen gegenüber der Parteiführung. Explizit an Mölzer hatte Haubner damals die Aufforderung gerichtet, „sein parteischädigendes Verhalten einzustellen". Andernfalls würden weitere Konsequenzen folgen. Der frühere Parteiideologe und spätere Kulturberater von Landeshauptmann Haider nahm dies allerdings nicht zur Kenntnis, übte weiterhin Kritik am derzeitigen Kurs der FPÖ und machte zuletzt sogar Haider in der Öffentlichkeit lächerlich. Dieser hatte hingegen in Richtung des rechten Parteiflügels zur Zukunft der FPÖ gemeint: „Wir wollen nicht ein ideologischer Museumsverein sein, sondern die verlässliche Zukunftsbewegung Österreichs." Mölzer hatte im vergangenen Jahr bei der EU-Wahl einen erfolgreichen Vorzugsstimmen-Wahlkampf geführt und den Einzug in das EU-Parlament geschafft, während der offizielle freiheitliche Spitzenkandidat Hans Kronberger auf der Strecke blieb. Unterstützt worden war Mölzer unter anderem von Stadler, Seniorenring-Obmann Karl Wimleitner und RFJ-Obmann Johann Gudenus. Auch diese verloren zuletzt ihren Sitz im Parteivorstand. Im Januar gab es Schlagzeilen um Mölzer, als er sich von einer zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz verabschiedeten Resolution des Europaparlamentes zu Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit distanzierte. Sein Argument: Er habe das Gefühl, „dass mit dem Leid der Opfer tagespolitische Ambitionen verbunden werden". Mölzer kündigte mittlerweile an, Rechtsmittel gegen den Ausschluss einzulegen. Als EU-Abgeordneter könne er nur von der Bundespartei ausgeschlossen werden - die nun allerdings ein formelles Parteiausschlussverfahren eingeleitet hat.

 

Nur wenige Tage, nachdem der Bundestag die Verschärfung des Demonstrationsrechtes und die Ausweitung des Volksverhetzungsparagraphen absegnete, zeigt sich, dass künftig mit einer drastischen Ausweitung „geschützter Objekte“ zu rechnen ist. Wie bereits in der vorigen Wochenschau berichtet, gelten fortan - mit erheblichen regionalen Unterschieden! - einige Dutzend Gedenkstätten als demonstrationsrechtliche Sonderzone. Hier dürfen keine Kundgebungen mehr abgehalten werden, die eine reale oder angebliche Herabwürdigung der Opfer des Hitler-Regimes mit sich bringen würden. Kritiker warnten nachdrücklich vor einer Aushöhlung der Versammlungsfreiheit. Zu Recht, denn bereits jetzt zeigt sich, dass die Gesetzesänderung der vergangenen Woche nur ein Vorbote gewesen sein könnte. Das bayrische Innenministerium fordert weiterhin, beispielsweise die alljährliche Heß-Gedenkkundgebung in Wunsiedel zu verbieten und zielt hierbei auf den erweiterten Volksverhetzungsparagraphen ab - positive und verherrlichende Äußerungen über NS-Prominente können nun strafrechtlich verfolgt werden. In Berlin stehen mittlerweile mit der Gedenkstätte Neue Wache, die Gedenkstätte Plötzensee, dem Bendler-Block mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, das Haus der Wannseekonferenz, das Holocaust-Mahnmal und das geplante Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma auf dem Index. Im Gespräch ist die Ausweitung des Demonstrationsverbotes auf das Mahnmal Gleis 17 im Grunewald, welches an die Deportation der Berliner Juden in die Ghettos und Vernichtungslager des Ostens erinnert. In Senatskreisen wird bereits bemängelt, dass die gesetzliche Neuregelung nur für Orte von überregionaler Bedeutung gilt. Die CDU-Opposition fordert derweil, auch das Brandenburger Tor zu sichern.

 

Einer Untersuchung des Hochschul-Informations-Systems von Bund und Ländern zufolge bricht in der BRD jeder Student seine Hochschulausbildung vorzeitig ab. Damit stieg die Quote im Vergleich zur letzten Untersuchung um 2 Prozentpunkte. In Berlin ist die Situation besonders dramatisch: Hier verlassen rund 50 % der Studenten die Hochschule ohne Abschluss. An der Freien Universität Berlin beträgt die Abbrecherquote 48 % (2000 noch 39 %), an der Humboldt-Uni 50 % (66 %) und an der Technischen Universität 56 % (32 %). Während die Abbrecherquote in den traditionell besonders stark betroffenen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften rückläufig ist, nimmt sie vor allem in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften sowie in Mathematik drastisch zu. Als Hauptgründe für den Studienabbruch werden die unzureichende Vorbereitung in der Schule, zu lange Regelstudienzeiten, inkompetentes Lehrpersonal und finanzielle Schwierigkeiten genannt. Noch eine weitere Meldung zur Bildungsmisere: Innerhalb von 10 Jahren stieg die Zahl der Sonderschüler um ein Drittel auf beinahe 500.000. Galten 1992 noch 4,18 % der gesamten Schülerschaft als Sonder- oder Förderschüler, so waren es 2002 bereits 5,54 %.

 

Bundesinnenminister Otto Schily hat durch seinen Vorschlag zum Aufbau eines Rumpfnetzes durch den Bund das langwierige Tauziehen um eine Kostenverteilung bei der Einführung des Digitalfunks für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) beendet. Damit ist der Weg für die Einführung des Digitalfunknetzes frei. Der Vorschlag wurde heute im Umlaufverfahren auch von der Innenministerkonferenz der Länder gebilligt. Schily: „In enger Zusammenarbeit mit der DB-AG übernimmt der Bund die Initiative für die Errichtung und den Betrieb eines hocheffizienten digitalen Rumpfnetzes, das rund 50 % der Fläche unseres Landes abdeckt und von den Ländern schrittweise erweitert wird. Dieser Ansatz ist der wirtschaftlichste und sicherste Weg zur Einführung des Digitalfunks. Er setzt die Ziele der im März 2004 von Bund und Ländern unterzeichneten Dachvereinbarung konsequent um. Mit der hochmodernen Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden wird die Sicherheit auch in Zukunft gewährleistet." Der Bund wird unter Rückgriff auf die Liegenschaften und die Infrastruktur der Deutschen Bahn und unter Nutzung der Erfahrungen der DB-Tochter DB-Telematik beim Betrieb von Hochsicherheitsnetzen ein digitales, von Bund und Ländern genutztes Funknetz errichten lassen. Auf der Grundlage der erfolgreich abgestimmten fachlichen Forderungen von Bund und Ländern und einer gemeinsamen Netzplanung schreibt der Bund in Abstimmung mit den Ländern einen Rahmenvertrag zur Lieferung von Systemtechnologie aus. In Kürze beginnt das Beschaffungsverfahren für den BOS Digitalfunk mit einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb. Die Errichtung des Netzes soll im kommenden Jahr starten. Rumpfnetz (Bund) und Netzerweiterung (Länder) basieren auf dem GAN-Standard. GAN ist ein Katalog von Mindestanforderungen, den eine durch die IMK eingesetzte gemeinsame Bund-Länder Arbeitsgruppe für ein deutsches BOS-Digitalfunknetz entwickelt hat.

 

Anfang März stellte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef eine neue Studie zur Entwicklung der Kinderarmut in reichen Ländern vor. Die Studie Child Poverty in Rich Countries 2005, stellt fest, dass die Kinderarmut in 17 von 24 OECD-Staaten seit 1990 angestiegen ist und dass sich die Situation von Kindern in den meisten der untersuchten Länder verschlechtert hat, unabhängig davon, welche Armutsdefinition man zugrunde legt. Wie die Autoren der Studie anmerken, bedeutet Armut in den reichen Ländern nicht das gleiche wie Armut in Entwicklungsländern, wo Menschen von einem Dollar oder weniger pro Tag überleben müssen, viele Kinder verhungern oder an leicht zu behandelnden Krankheiten sterben. Das ändert aber nichts daran, dass Kinder, die in Armut oder relativer Armut aufwachsen, stark in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, mit weitreichenden Folgen für ihre eigene Zukunft und die Zukunft der Gesellschaft, in der sie aufwachsen. Die Tatsache, dass durch das Anwachsen der Armut in den Industriestaaten gerade die verwundbarsten Schichten der Bevölkerung, Kinder und Jugendliche, besonders stark betroffen sind, ist ein unwiderlegbarer Ausdruck für die Krise des kapitalistischen Profitsystems. In den OECD-Staaten insgesamt wachsen mehr als 45 Millionen Kinder in Familien auf, die mit weniger als 50 % des Durchschnitteinkommens des jeweiligen Landes auskommen müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Länder, die miteinander verglichen werden, auf sehr unterschiedlichem Niveau befinden. Einbezogen in die Studie sind neue Mitgliedsstaaten der EU wie Ungarn, Tschechien und Polen, deren Lohnniveau aber größtenteils nur ein Fünftel des EU-Durchschnitteinkommens beträgt, und Staaten wie Mexiko und die USA, deren Durchschnittseinkommen ebenfalls weit auseinander liegen. Den höchsten Anteil von Kinderarmut in Industrie- und Schwellenländern (nach der Definition von Unicef) haben Mexiko mit 27,7 % und die USA mit 21,9 %. Italien hat mit 16,6 % den höchsten Anteil an Kinderarmut innerhalb der EU, gefolgt von Irland (15,7 %), Portugal (15,6 %) und Großbritannien mit 15,4 %. Dahinter folgen Kanada, Australien und Japan mit jeweils über 14 % Kindern, die in Armut aufwachsen. Die Kinderarmuts-Raten der skandinavischen Länder Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden befinden sich unter 5 %. Die Schweiz, die weithin als relativ reiches Land gilt, hat eine Kinderarmut von 6,8 %. Die BRD steht mit 10,2 Prozent % an 12. Stelle der internationalen Vergleichsstudie von Unicef. Seit 1990 ist die relative Kinderarmut hier mit 2,7 % stärker gestiegen als in den meisten anderen Industrienationen. 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wachsen in der BRD in relativer Armut auf. In Westdeutschland hat sich die Kinderarmut seit 1989 mehr als verdoppelt: von 4,5 % auf 9,8 % im Jahr 2001. In Ostdeutschland ist der Anteil armer Kinder seit 1991 von 8,3 auf 12,6 % gestiegen. Am häufigsten sind Alleinerziehende und ihre Kinder von Armut betroffen. Die Rate beträgt fast 40 %. Die Studie stellte fest, dass sie nicht nur häufiger, sondern meistens auch länger von Armut betroffen sind. Der stärkste Anstieg von Kinderarmut ist allerdings bei den Kindern von Zuwandererfamilien zu verzeichnen. In den neunziger Jahren verdreifachte sich der Anteil armer Kinder in dieser Bevölkerungsgruppe von 5 auf 15 % und trug somit auch stark zum Gesamtanstieg der Kinderarmut bei. Am höchsten ist die Armutsquote bei Kindern von Neuzuwanderern. Die Unicef-Studie weist darauf hin, dass es einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Höhe staatlicher Sozialleistungen und Kinderarmut gibt. In Ländern wie Italien und den USA, die weniger als 5 % ihres Bruttosozialprodukts für Sozialleistungen ausgeben, leben über 15 % beziehungsweise über 20 % der Kinder in Armut. Der seit mehr als 20 Jahren andauernde radikale Abbau von Sozialleistungen und Steuererleichterungen für die Oberschicht in den trägt daher eine Hauptverantwortung für die hohe Kinderarmut in diesen Industriestaaten. Inzwischen gibt es einen Wettlauf um die niedrigsten Unternehmenssteuern und Sozialleistungen in praktisch allen Staaten der Welt. Ein weiterer wesentlicher Grund für die Zunahme von Kinderarmut und Armut in den reichen Ländern ist der pausenlose Angriff auf die Löhne und die soziale Position der Arbeitnehmerschaft. Vor allem am unteren Ende der Lohnskala sind die Einkommen der Väter in vielen Ländern deutlich gesunken. Besonders dramatisch ist diese Entwicklung in Ungarn und in der BRD verlaufen. In Ungarn sanken die Realeinkommen von Vätern in den 90er Jahren in den unteren zehn Prozent der Einkommensskala um 76 %, in der BRD um 22,7 %. Auf dieses Phänomen weist auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit hin. Die Zahl der Niedriglohnjobs stieg in der BRD von 1997 bis 2001 um 200.000 auf 3,63 Millionen. Damit liegt jeder sechste Vollzeitjob (17,4 %) im Niedriglohnbereich - und die BRD damit über dem europäischen Durchschnitt. Immer weniger gelingt der Aufstieg aus dem Niedriglohnbereich. Überdurchschnittlich betroffen sind Frauen, Ostdeutsche, Jüngere (unter 25 Jahren) und Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung. Ursachen von Armut und Kinderarmut werden ebenfalls benannt: Wirtschaftliche Rezession, Verlagerung von Arbeit in Niedriglohnländer im Rahmen der Globalisierung der Produktion, der Trend zur Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen, eine wachsende Rolle des freien Marktes und Nichterfüllung der sozialpolitischen Regierungspflichten.

 

Bei der Terrorismusabwehr und der Extremismusbekämpfung will Baden-Württemberg über die bundesgesetzlichen Regelungen hinausgehen. Innenminister Heribert Rech (CDU) legte am Donnerstag in Stuttgart einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes vor. Damit soll das auf Bundesebene verabschiedete Terrorismusbekämpfungsgesetz im Land umgesetzt, zugleich aber den Verfassungsschützern zusätzliche Befugnisse eingeräumt werden. Nach Angaben der stellvertretenden Leiterin des Verfassungsschutzreferats im Ministerium, Barbara Cremer, sei beispielsweise vorgesehen, die Altersgrenze für die Speicherung von Daten beim Verfassungsschutz von 16 auf 14 Jahre abzusenken. Auch wolle Baden-Württemberg dem Verfassungsschutz die Möglichkeit einräumen, einschlägige Erkenntnisse an Privatunternehmen wie zum Beispiel Wasserwerke weiterzugeben, wenn es sich bei Verdächtigen um Mitarbeiter handle. Beides sei nicht durch das Bundesgesetz abgedeckt, sagte Cremer.

 

Für Geringverdiener in der BRD wird der Aufstieg in eine besser bezahlte Stelle immer schwieriger. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht in der wachsenden Zahl von Niedriglohnjobs die Gefahr zunehmender Armut. Die Chancen für Geringverdiener auf einen Aufstieg in besser bezahlte Jobs hätten sich in den neunziger Jahren deutlich verschlechtert, heißt es in einer Studie des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit. Da gleichzeitig die Zahl der Geringverdienenden zunehme, steige damit insgesamt das Armutsrisiko. Nach Angaben der Nürnberger Arbeitsmarktforscher ist die BRD bei den Aufstiegschancen für Geringverdiener inzwischen Schlusslicht in Europa. „Während im Zeitraum von 1986 bis 1991 mehr als die Hälfte der Geringverdiener die Niedriglohnschwelle überschreiten konnte, glückte dies im Zeitraum von 1996 bis 2001 nur einem Drittel". Der Niedriglohnsektor drohe, zur Niedriglohnfalle zu werden. Als Geringverdiener gelten Vollzeit-Beschäftigte mit einem Arbeitseinkommen von weniger als 1630 Euro brutto, inklusive anteiligem Weihnachts- und Urlaubsgeld. Im Untersuchungszeitraum von 1996 bis 2001 sei der Anteil der Niedriglöhner von 15,8 auf 17,4 % gestiegen und liege damit leicht über dem EU-Durchschnitt. In der Niedriglohn-Gruppe seien überdurchschnittlich viele Frauen und Ostdeutsche vertreten. So hätten Frauen im Jahr 2001 nur knapp 35 % aller Vollzeitbeschäftigten, jedoch 57 % der Geringverdiener gestellt. Bei Niedriglohnjobs überrepräsentiert seien zudem jüngere und schlecht qualifizierte Beschäftigte. Gelang noch in den 90er Jahren ca. jedem zweiten Billigarbeitnehmer der Sprung in einen tariflich bezahlten Job, so ging diese Zahl mittlerweile auf knapp ein Drittel zurück.

 

Angesichts des drastischen Sparkurses der Kirchen fordert die katholische amtskirchenkritische Initiative „Wir sind Kirche" von den Kirchenleitungen mehr Transparenz und eine verstärkte Mitwirkung der Gemeindemitglieder bei der Verwendung der Kirchensteuer. Immer mehr Gläubige fragten sich, wofür sie eigentlich Kirchensteuer zahlen, viele dächten über einen Austritt aus der Kirche nach, erklärte die innerkirchliche Reformbewegung. Die Unlust an dem Zwangsbeitrag Kirchensteuer habe vor allem mit der Undurchsichtigkeit der Kirchenfinanzen und des Kirchensteuersystems zu tun. Nach Einschätzung der Kirchenvolksbewegung wird nur ein geringer Anteil von durchschnittlich etwa 9 bis 11 % der Kirchensteuer in den 27 bundesdeutschen Diözesen für soziale Einrichtungen verwendet. Offenbar stecken die parasitären Kirchen ihre Tributeinnahmen wie schon seit mehr als 1000 Jahren in Immobilien, Ländereien und Wirtschaftsunternehmen. Alleine im Jahr 2003 sackte der Klerus 8,5 Milliarden Euro Kirchensteuer ein. Der Hamburger Kirchenkritiker Carsten Frerk taxiert das Vermögen der Großkirchen auf 500 Milliarden Euro! Die Initiative weist darauf hin, dass der Hauptteil der Mittel für von den Kirchen wahr genommenen sozialen und kulturellen Aufgaben vom Staat bezahlt wird. „So fließt kein einziger Euro an Kirchensteuern in den laufenden Betrieb konfessioneller Altenheime und Krankenhäuser", schreibt die Kirchenvolksbewegung. Konfessionsschulen und Kindergärten erhielten beispielsweise einen hohen Prozentsatz staatlicher Gelder. Staatszuschüsse aufgrund von Konkordaten erhielten die Kirchen zudem für die Priester- und Theologenausbildung an Universitäten und den Unterhalt kirchlicher Fachhochschulen. Ein großer Teil kirchlicher Angestellter werde vom Staat bezahlt. So etwa Religionslehrer, Gefängnispfarrer, Polizei- und Militärseelsorger. Selbst die Bischöfe und ihre Sekretäre würden zum Teil vom Staat bezahlt und nicht aus Mitteln der Kirchensteuern. Das Kirchensteuersystem stellt also eindeutig ein Selbstbedienungs- und Selbstbereicherungsmittel für eine parasitäre Priesterkaste dar!

 

In einem Artikel für die „Jungle World“ fasste Heiner Stuhlfauth von der Kölner FAU bereits am 23. Februar die Erfahrungen mit der Kampagne Agenturschluss zusammen und stellte fünf Thesen zu Arbeitslosigkeit, Proletariat und der Linken in den Raum. „Das Proletariat wartet nicht auf die Linke. Die Arbeitslosen brauchen uns und unsere Aktionen genauso wenig wie die arbeitende Bevölkerung. Niemand wartet darauf, dass wir endlich den Arsch hoch kriegen. Schließlich mussten die Leute auch die letzten Jahrzehnte über die Runden kommen, ohne dass ihnen linke SchlaubergerInnen mit ihrer Analyse des Kapitalismus irgendwie weiter geholfen hätten. Nur weil wir in der ganzen Stadt Plakate aufhängen und in den Medien trommeln, heißt das nicht, dass wir eine nennenswerte Bewegung auslösen. Das zu glauben ist naiv, fast schon dreist. Wir sind selbst nur Proleten. Oder etwa nicht? Die Besonderheit des gegenwärtigen sozialen Angriffs ist, dass die Trennlinien zwischen Linken und Proletariat zusehends verwischen. Leider wird das nur sehr langsam begriffen. Wir kämpfen also nicht für die Rechte anderer, sondern für uns selbst, unsere FreundInnen und Bekannte. Daher brauchen wir auch nicht auf andere zu schauen, sondern sollten uns bemühen, mit gutem Beispiel voranzugehen, d.h. eine militante Selbsthilfe, Strukturen der kollektiven Selbstverteidigung, revolutionäre Syndikate aufzubauen. Diese Strukturen werden ihre Ausstrahlungskraft auf andere Betroffene nicht verfehlen. Aber sie müssen Kontinuität und Ernsthaftigkeit aufweisen. Die spontane Selbstorganisation der Betroffenen ist eine Sonderform und im Moment illusorisch. Es gab so tolle Ideen wie die Einberufung von spontanen Arbeitslosen-Plena auf dem Amt. Natürlich gibt es in der Geschichte Situationen, in denen die spontane Selbstorganisation auf der Tagesordnung stand (beispielsweise die Stadtteil-Asambleas in Argentinien von 1999 bis 2003). Doch meist steckte dahinter bei genauerer Betrachtung eine Vor-Organisierung durch die Lebensverhältnisse. Die Leute waren bereits durch den Arbeitsplatz oder das Zusammenleben im Stadtteil miteinander bekannt. Das Arbeitsamt war bislang ein anonymer Ort, an den du alle halbe Jahre widerwillig gekommen bist und den du so schnell wie möglich wieder verlassen wolltest. Deshalb gibt es einen quasi internalisierten Widerwillen der Arbeitslosen, freiwillig dorthin zu gehen. Die Arbeitslosen in Deutschland kämpfen nach der Kaugummi-Taktik. Und das sehr effektiv. Wie das Kaugummi unter der Schuhsohle setzen sich die Arbeitslosen fest. Millionenfach seit Anfang der Achtziger Jahre. Renitent und klebrig, aber, wenn Druck ausgeübt wird, auch geschmeidig, nach außen und in die Ritzen ausweichend. Der Kampf findet nicht im offenen Angriff statt, sondern individuell. Dabei haben die Arbeitslosen ein großes kollektives Wissen über Tricks angehäuft, beispielsweise wie man der Falle der »Bedarfsgemeinschaften« entkommt. Die aktuelle Zahl von über fünf Millionen Arbeitslosen ist ein deutlicher Beleg: Alle sind wieder im Boot, die Anträge komplett abgegeben. Wo du auch hinhörst, mogeln und tricksen die Leute, dass es eine Freude ist. Kann sein, dass ein paar linke Studenten davon nichts mitbekommen. Protest allein bringt nix. Protest ist sozial-psychologisch sogar gut für die Herrschaft, weil er das Gefühlsleben wieder ins Lot bringt (Ärger rauslassen) und Tatendrang in meistens nutzlosen, langweiligen und ritualisierten Aktionsformen kanalisiert (etliche Vorbereitungsplena, Aufrufe diskutieren, Rednerlisten erstellen, rumlatschen, Parolen skandieren). Wichtig wäre der Widerstand, also die Konfrontation mit EntscheiderInnen, das Durchkämpfen konkreter Fälle, das Verhindern/Blockieren von Zwangsmaßnahmen wie Ein-Euro-Jobs, Räumungen etc. Dahin muss die Reise gehen.

 

Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle

 

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