Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 4. bis 10. Juni 2005
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Weltweiter Rüstungswettlauf dauert an
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Baath-Parteikongress in Damaskus |
Verhandlungen um neues Linksbündnis |
Chaos in Bolivien |
OAS-Jahresversammlung in Fort Lauderdale | Zerstrittene Opposition |
IQ in Industriestaaten rückläufig | Schwarzbuch „Krank durch Arbeit“ |
IG Metall-Stellungnahme zur Bundestagswahl | Granatwerferanschlag durch ETA |
Integrationsprobleme an den Schulen | Herri Batasuna-Gründer gestorben |
Zitat der Woche: |
"E (Energie) = ERFAHRUNG x HASS2… Die Formel unserer Krankheit und unserer Exzentrizität. Sie wird Zerstörungen zur Folge haben, gegen die Nagasaki und Hiroshima lächerlich erscheinen." |
- Bernward Vesper |
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri veröffentlichte sein neues Jahrbuch zu Rüstung und Abrüstung. Demnach sind die weltweiten Rüstungsausgaben im Jahr 2004 auf 844 Milliarden Dollar angestiegen, wofür vor allem die Rüstungspolitik der Vereinigten Staaten verantwortlich ist. Auf die USA entfallen mittlerweile beinahe 50 % aller Rüstungsausgaben. Mit einem durchschnittlichen Zuwachs der Militärausgaben von global 2,4 % pro Jahr seit 1995 und 6 % seit 2002 ist inzwischen fast wieder das Rekord-Niveau aus dem Kalten Krieg erreicht. Den Anstieg errechnen die Forscher nicht auf Basis der jeweiligen Staatshaushalte, sondern legen die ermittelten Vorjahreswerte zu Grunde und bereinigen sie um die Inflationsrate. Nach den Sipri-Werten wurden auf dem Höhepunkt des Rüstungswettlaufs zwischen West und Ost 1987/88 noch 6 % mehr Geld für militärische Zwecke ausgegeben als 2004. Allein die zusätzlichen Aufwendungen der US-Regierung für ihren „Krieg gegen den Terror" übersteigen für die Zeit 2003-2005 mit 238 Milliarden Dollar alle Militärausgaben in Afrika, Lateinamerika und Asien (unter Einschluss Chinas, aber ohne Japan) zusammen. Mit einem Plus von 14,3 % stiegen die Militärausgaben am kräftigsten in Südasien mit den aufstrebenden Mächten Indien und China, gefolgt von Nordafrika mit 12 % und Nordamerika mit 9,9 %. Während sie hier von 446 auf 488 Milliarden Dollar kletterten, sanken die Rüstungsausgaben in Europa leicht von 256 auf 254 Milliarden Dollar. Einen deutlichen Anstieg seit 1996 verzeichneten die Forscher auch in den Staaten des Nahen Ostens. Sorgen bereite dabei weniger der Zuwachs im Bereich der konventionelle Waffen, als vielmehr die stetig verstärkten Anstrengungen, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln. Insgesamt konnten die 100 weltweit führenden Rüstungshersteller ihre Umsätze allein zwischen 2002 und 2003 um 25 % steigern. 38 dieser Unternehmen haben ihren Sitz in den USA und dominierten 2003 mit einem Marktanteil von 63,2 % die internationale Rüstungsproduktion ebenfalls klar. Von den Gesamtverkäufen im Wert von 236 Milliarden Dollar (ohne China) entfielen 30,5 % auf die 42 führenden europäischen Rüstungsunternehmen. Zu ihnen gehörten auch sechs russische Anbieter. Bei den Rüstungsexporten lag Russland im vergangenen Jahr mit 6,2 Milliarden Dollar erneut vor den USA mit 5,4 Milliarden Dollar. Die BRD war viertgrößter Rüstungsexporteur der Welt mit 1,1 Milliarden Dollar. Als wichtigen Trend des letzten Jahres nannte Sipri die zunehmende Spezialisierung großer Unternehmen. Dies sei Folge der Privatisierung oder der Auslagerung von bisher staatlichen Militäraktivitäten. Weltweit haben die Friedensforscher im vergangenen Jahr 19 Kriege gezählt, das ist einer weniger als 2003. Dabei stellten sie eine klare Dominanz von lang anhaltenden Konflikten fest. Lediglich der Krieg der USA gegen das Terrornetzwerk al-Qaida, der Konflikt im Irak sowie die jüngsten Auseinandersetzungen in Sudan seien vor weniger als zehn Jahren eingeleitet worden. Kein einziger der von Sipri als Krieg (mit mehr als tausend Toten) definierten Konflikte wurde zwischen zwei oder mehr Staaten ausgefochten, sondern zwischen ethnischen Gruppen. Es sei paradox, dass gerade die lange Dauer von Kriegen wie etwa in Nepal oder Uganda dazu geführt habe, dass die Konflikte im vergangenen Jahr aus dem Blickfeld der Medien gerückt seien, schreiben die Forscher.
Die Verhandlungen für ein Zusammengehen zwischen PDS und Wahlalternative zeitigten erste Ergebnisse. Nach einer Klausurtagung des WASG-Bundesvorstandes im fränkischen Gunzenhausen kam die Wahlalternative ihrem potenziellen Partner entgegen und signalisierte, dass ihre Kandidaten auf Offenen Listen der PDS antreten könnten. Allerdings streitet man nach wie vor um das Namensetikett. Die Wahlalternative ist der Ansicht, das Kürzel PDS sei dem West-Wähler nicht zuzumuten, während die PDS, die immerhin so viele Mandatsträger wie die WASG Mitglieder hat, nicht bereit ist, auf ihre Identität zu verzichten. Als konkrete Vorschläge haben die Postkommunisten bereits den Namen „Demokratische Linke – PDS“, „Vereinigte Linke – PDS“ und „Wahlalternative – PDS“ ins Spiel gebracht. Hingegen favorisiert man auf WASG-Seite die Bezeichnung „Liste demokratische Linke“, und zwar ohne Zusatzkürzel PDS. Dieser Vorschlag wird dem „Tagesspiegel“ zufolge auch von Oskar Lafontaine favorisiert, der sich bereiterklärte, zusammen mit Gregor Gysi das linke Bündnis in die Bundestagswahlen zu führen. Widerstände gegen ein Zusammengehen sind in beiden Parteien vorhanden – auf WASG-Seite vor allem im Landesverband Nordrhein-Westfalen, bei den (völlig bedeutungslosen) ostdeutschen Landesverbänden und seitens der trotzkistischen SAV; bei der PDS im Landesverband Berlin. Die PDS-Gegner werfen der Partei vor, sich ungerechtfertigt nach dem Zusammenbruch der DDR am SED-Vermögen bereichert zu haben, zudem trage die Partei als Koalitionspartner der SPD in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls Verantwortung für eine sozialreaktionäre Politik. Im Falle einer Einigung auf Vorstandsebene muss noch die Zustimmung der Basis eingeholt werden. Die PDS will hierzu einen Sonderparteitag einberufen, bei der Wahlalternative wird es eine Mitgliederbefragung geben. Der Parteivorstand der DKP beschloss derweil, auf eine eigene Kandidatur bei der Bundestagswahl zu verzichten und sich dem Linksbündnis als weiterer Partner anzubieten. Zieht das greifbar nahe Linksbündnis in den Bundestag ein, könnten sich interessanterweise auch die Mehrheitsverhältnisse verschieben – wenn die SPD auch nur ihre 33,5 % von 1990 erreicht und WASG/PDS ihre prognostizierten 7-8 % holen, wird es eng für Union und FDP.
Die Jahresversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten in Fort Lauderdale, Florida, endete mit einem Debakel für die USA. US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte den 34 OAS-Mitgliedern eine Initiative zur „Überwachung der Demokratie“ vorgeschlagen. Die nord- und südamerikanischen Staaten sollten bei Gefährdung der Demokratie gemeinsam vorgehen und gegebenenfalls militärisch intervenieren. Gemeint war vor allem Venezuela (und wohl auch Bolivien), und die überwiegende Mehrheit der OAS-Staaten reagierte ablehnend. Karibische Staaten und die Schwergewichte Kanada und Brasilien stellten sich offen gegen das imperialistische US-Vorhaben, und die Abschlusserklärung erwähnt die amerikanische Initiative mit keinem Wort. Stattdessen bekräftigte man das Prinzip der Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten souveräner Staaten. Die negativen Reaktionen lassen sich recht einfach erklären, denn der südamerikanische Kontinent wird inzwischen mehrheitlich von gemäßigten oder linken Kräften regiert.
Einer Studie von Psychologen der Universität Erlangen zufolge ist der durchschnittliche Intelligenzquotient der in den Industrieländern lebenden Menschen rückläufig. Die Wissenschaftler um den Psychologen Siegfried Lehrl verglichen die Ergebnisse der Pisa-Studien aus dem Jahr 2000 und 2003 und stellten fest, dass beispielsweise der IQ der bundesdeutschen Schüler innerhalb von drei Jahren um durchschnittlich zwei Punkte gesunken war. „Diese Zahlen sind alarmierend“, so Lehrl – vor allem auch, weil der IQ mit dem Pro-Kopf-Einkommen zusammenhänge. Schlechte Ernährung, wenig Bewegung, anspruchsloses Fernsehen seien die Hauptursachen dafür.
Die IG Metall wird nach den Worten ihres Vorsitzenden Jürgen Peters im anstehenden Bundestagswahlkampf nicht zur Wahl von SPD und Grünen aufrufen. „Wir kämpfen nicht für oder gegen eine Partei", erklärte der Gewerkschafter in Hamburg am Rande einer Konferenz. „Wir engagieren uns für oder gegen politische Ziele." Allerdings werde sich seine Organisation „natürlich inhaltlich in den Wahlkampf einmischen". 1998 hatten die Gewerkschaften mit einer millionenschweren Kampagne für den Regierungswechsel zugunsten von SPD und Grünen geworben. Peters forderte von den Parteien eine Abkehr vom neoliberalen Zeitgeist. Der IG-Metall-Chef sagte: „Mehr als fünf Millionen Erwerbslose, zunehmende Armut und ein weiteres Auseinanderklaffen von Arm und Reich belegen deutlich: Die neoliberale Politik ist gescheitert." Dabei erneuerte er seine Kritik an der Agenda 2010 von Bundeskanzler Schröder. Dieses Konzept sei der falsche Weg. Bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV erwartet der Gewerkschafter, „dass Korrekturen zügig angepackt werden". Für eine nachhaltige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit forderte Peters ein öffentliches Beschäftigungs- und Investitionsprogramm in Höhe von 20 Milliarden Euro. „Wir werden öffentlich geförderte Beschäftigung brauchen", sagte der IG-Metall-Vorsitzende. Das im März von Schröder angekündigte Investitionsprogramm in Höhe von 250 Millionen Euro bezeichnete er als zu wenig, um das Wachstum zu stimulieren. Während in der BRD öffentliche Investitionen rund 1,5 % des Bruttosozialprodukts ausmachten, seien es in den USA 3,8 %. „Wir haben eine Schwäche der Binnennachfrage, weil öffentliche Investitionen und Massenkaufkraft zu gering sind." Finanziert werden solle öffentlich geförderte Beschäftigung durch die Erhebung der Vermögenssteuer sowie Erbschaftssteuern. Zudem müssten Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Die vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber vorgeschlagene Streichung der Steuerfreiheit von Sonntags- und Feiertagszuschlägen lehnte der IG-Metall-Vorsitzende ab. „Es kann nicht sein, dass die Reichen und Superreichen entlastet und die weniger Verdienenden belastet werden."
An zahlreichen Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen, Hamburg oder Berlin bewegt sich der Anteil ethnisch nichtdeutscher Kinder auf die 80 %-Marke zu oder hat diese sogar bereits überschritten. Experten warnen vor zunehmender Überfremdung der Schulen als Folge einer Einwanderungs- und Integrationspolitik, wie sie seit den siebziger Jahren praktiziert wurde. Denn in wenig bis gar nicht durchmischten Klassen haben die meisten Kinder große Sprachprobleme und nehmen an der deutschen Kultur überhaupt nicht mehr teil. Die Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt wird dadurch immer schwieriger: In Berlin beenden derzeit etwa 30 % der Türken die Schule ohne Abschluss, das Abitur absolvierten im vergangenen Jahr gerade einmal 366 türkische Schüler. Die Folge: Von insgesamt 45.000 Ausbildungsplätzen in Berlin wurden nur 465 an Jugendliche türkischer Herkunft vergeben. Die sattsam bekannte PISA-Studie bezeichnet es als „besonders alarmierend", dass über 50 % der Jugendlichen türkischer Herkunft, obwohl sie in der BRD geboren sind, in der Schule nur marginale Fertigkeiten erreichen, die nicht über die unterste Kompetenzstufe hinausgehen. Für zugewanderte Jugendliche aus der ehemaligen Sowjetunion sieht es kaum besser aus. Alarmierend ist auch das Ergebnis einer Pisa-Teilanalyse. Danach hat schon ein Migrantenanteil von 20 % an einer Schule eine „sprunghafte Reduktion der mittleren Leistungen" zur Folge. Bei einer „quantitativ relativ moderaten ethnischen Durchmischung" hätten die Schulen bereits Schwierigkeiten im „Umgang mit der Heterogenität".
In Damaskus hielt der syrische Ableger der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei seinen 10. Regionalkongress ab. In seiner Auftaktrede bekannte Staatspräsident Bashar al-Assad sich zum Reformkurs und erklärte, der Reformprozess solle den Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit nachkommen. „Die wirtschaftliche Situation und die Verbesserung des Lebensstandards haben Priorität für uns.“ Die Korruption nannte er „ein soziales und moralisches Problem". Die Baath-Partei müsse ihre Leistungen der letzten Jahre auf den Prüfstand stellen, verlangte Assad vor den 1.150 Delegierten, die zwei Millionen Parteimitglieder vertreten. Die Führung des Landes müsse offener werden, um die Bevölkerung stärker als bisher mit einzubeziehen. Die politischen Institutionen Syriens müssten leistungsstärker und die Bevölkerung stärker an nationalen Entscheidungen beteiligt werden. Allerdings wird die Rolle der Partei als maßgebliche politische Kraft und Vertreterin des Volkswillens nicht grundlegend angetastet werden. Die Sprecherin des Parteitags, Ministerin Buthiana Shaaban, sagte, jede neue Initiative müsse aus der „Verantwortung gegenüber unserem Land und Volk" erwachsen. Nach dem Krieg im Nachbarland Irak und dem Ende der langjährigen syrischen Militärpräsenz im Libanon will die syrische Führung bei dem viertägigen Treffen der Staatspartei das weitere Vorgehen beraten. Beobachter rechneten mit einer Regierungsumbildung, nicht aber mit weitreichenden Reformen. Innenpolitisch ist die Regierung wegen der schlechten Wirtschaftslage unter Druck; auch wird öffentlich kritisiert, dass die Führung nach einer kurzen Phase der Liberalisierung zunehmend autoritär auftritt. Der Parteikongress debattierte unter anderem den Aufbau eines Börsensystems und privater Versicherungen, bessere Betätigungsmöglichkeiten für nichtbaathistische Parteien und Privatunternehmer, die Einrichtung einer mit Experten besetzten nationalen Wirtschaftsbehörde, eine Reorganisation der Parteistruktur, eine Beschränkung der Notstandsgesetzgebung auf Angelegenheit der öffentlichen Sicherheit und die Schaffung einer „sozialen Marktwirtschaft“. Als Zeichen für einen neuen Kurs können die Wahlen zum Regionalkommando (Parteivorstand) gesehen werden: Zwar blieb Assad Generalsekretär der ASBP, aber Angehörige der alten Garde wie Vizepräsident Abdul Halim Khaddam, der ehemalige Verteidigungsminister Mustafa Tlass und Parlamentssprecher Abdul Qader Qaddoura schieden aus. Insgesamt wurden 9 neue Mitglieder aufgenommen, darunter Verteidigungsminister Hassan Turkmani, Geheimdienstchef Hisham Bikhtiar, der neue Parlamentssprecher Mahmoud al-Abrash und der Präsidentenberater Haitham Sateyhi. Mit Shahnaz Fakoush rückte erstmals eine Frau in das Regionalkommando auf. Neben Assad gehören im von 21 auf 14 Mitglieder verkleinerten Parteivorstand nur noch der auf dem Parteikongress heftig kritisierte Außenminister Farouk al-Shara, Premierminister Muhammad Naji al-Otari, Finanzminister Muhammad al-Hussein und Muhammed Saeed Bkheitan als Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsbüros der alten Garde an. Die syrische Führung kündigte bereits eine Regierungsumbildung an, um mit der Umsetzung der geforderten Reformen beginnen zu können. Künftig soll der Regionalkongress alle zwei Jahre einberufen werden. Beim letzten Kongress der Baath-Partei 2000 war Bashar al-Assad nach dem Tod seines Vaters Hafez al-Assad einstimmig zum Generalsekretär gewählt worden. Seit Assads Amtsübernahme sind zwar Hunderte von politischen Gefangenen aus der Haft entlassen und die Wirtschaft liberalisiert worden, doch wurden Forderungen nach einer Demokratisierung bisher nicht erfüllt. Politik und Wirtschaft Syriens werden nach Einschätzung von Beobachtern von einflussreichen Familien - vor allem der regierenden islamisch alawitischen Minderheit, zahlreichen Geheimdiensten sowie Militärs beherrscht, die vorrangig an ihrem Machterhalt interessiert sind. Die Arabische Republik Syrien wird seit 42 Jahren von der panarabischen Baath-Partei regiert. Der entscheidende Machtfaktor ist das Militär. Die Baath-Partei steuert auch die Nationale Progressive Front, in der alle zugelassenen Parteien zusammengeschlossen sind, darunter die KP und zwei weitere marxistisch ausgerichtete Parteien. Das aus einer Kammer bestehende Parlament, der Volksrat, dem auch parteilose Abgeordnete angehören, wird alle vier Jahre gewählt. Dem Staatschef, dessen Amtsdauer sieben Jahre beträgt, verfügt über außerordentliche Vollmachten, er ernennt die Regierung und bestimmt die Richtlinien der Politik; er kann Gesetze vorschlagen und den Volksrat auflösen. Einen wichtigen Erfolg konnte die syrische Regierung in Gestalt eines mit Russland abgeschlossenen Umschuldungsabkommen verbuchen. Moskau erlässt Syrien damit 73 % der auf 13,4 Milliarden Dollar bezifferten Schulden. Den Restbetrag wird Damaskus refinanzieren; 1,5 Milliarden Dollar sollen bis 2015 an Russland zurückgezahlt werden und der Rest soll in gemeinsame Projekte in den Bereichen Erdöl, Erdgas, Wasserversorgung und Industrie fließen. Nach UN-Angaben leben 11,4 % der syrischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, die durchschnittliche Arbeitslosenquote liegt bei 8,2 %.
Die Staatskrise in Bolivien verschärfte sich weiter. Nach wochenlangen, von Straßenschlachten begleiteten Massenprotesten von Gewerkschaften, Kokabauern und Indigénas hatte Staatspräsident Carlos Mesa Ende vergangener Woche die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung und Referenden über regionale Autonomieregelungen für Oktober angekündigt. Mit dieser Schlaftablette war die nach staatlicher Kontrolle über die bolivianischen Erdgasvorkommen strebende Opposition nicht zu beruhigen. Daraufhin resignierte Carlos Mesa und bot dem Parlament seinen Rücktritt an – bereits zum dritten Mal. Der scheidende Präsident warnte vor einem Bürgerkrieg und rief die Demonstranten auf, ihre Ziele auf friedlichem und verfassungsmäßigem Weg zu verfolgen. Er sprach sich für sofortige Neuwahlen aus, um eine Eskalation zu verhindern. Laut Verfassung kommen als Nachfolger entweder der Präsident des Senates, Hormando Vaca Diez oder der Präsident des Abgeordnetenhauses, Mario Cossío, in Frage. Vaca Diez gilt als Anhänger der Sezessionsbestrebungen der 4 Tieflandprovinzen im reichen Südosten Boliviens, wie Mesa (der seinen Rücktritt in der US-Botschaft mit Vertretern des Militärs absprach) verfügt er über gute Kontakte zu den Amerikanern. Als ehemaliger Gefolgsmann des 2003 gestürzten Staatspräsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada ist er allerdings für die Opposition untragbar, vor allem, seit er mit einer Gruppe von Militärs im Rücken eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste androhte. Mesa forderte beide Anwärter inständig auf, ebenfalls zurückzutreten und den Weg für einen Neuanfang freizumachen. Da sie seiner Aufforderung halbwegs nachkamen und auf das Präsidentenamt verzichteten, bestimmte das Parlament mit Eduardo Rodríguez den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes zum neuen Staatsoberhaupt. Rodríguez kündigte bereits an, er sehe sich als Interimpräsidenten, seine einzige Aufgabe sei die Vorbereitung und Durchführung von Neuwahlen. Washington soll angeblich in Erwägung ziehen, den Fall Bolivien vor den UN-Sicherheitsrat (auch Mesa forderte bereits die UNO zum Eingreifen auf) oder die OAS zu bringen, um durch eine internationale Intervention einen möglichen Bürgerkrieg zu verhindern und die weitere günstige Ausbeutung der Erdgas- und Erdölvorkommen durch transnationale Konzerne zu sichern.
Allerdings ist die bolivianische Opposition zutiefst zerstritten. Die Gemäßigten berufen sich auf ein Urteil des Verfassungsgerichtes vom April, nach dem alle nach der Privatisierung von 1996 abgeschlossenen Verträge mit ausländischen Konzessionären illegal sind – sie wurden nicht vom bolivianischen Kongress ratifiziert. Die ausländischen Konzerne sollen nicht enteignet werden, sondern nach der Wiederverstaatlichung der Erdöl- und Erdgasvorkommen neue Verträge mit dem bolivianischen Staat abschließen. In diesen sollen Abgaben von mindestens 50 % festgeschrieben werden. Damit würden die Einnahmen aus den Förderverträgen von jährlich 150 auf 750 Millionen Dollar steigen; eine Menge Geld für das ärmste Land Südamerikas. Ferner soll eine Nationalversammlung eine neue Verfassung erarbeiten, die die Macht der seit 500 Jahren herrschenden kreolischen Oligarchie bricht. Radikalere Kreise um Jaime Solares vom Gewerkschaftsdachverband COB streben hingegen eine sozialistische Revolution unter Beteiligung progressiver Militärs und die vollständige Verstaatlichung der Bodenschätze an. Evo Morales von der sozialistischen MAS-Bewegung setzt auf einen demokratischen Machtwechsel bei Wahlen im Rahmen des bestehenden Systems, was wiederum selbst von gemäßigten Gewerkschaftern entschieden abgelehnt wird. Presseberichten zufolge organisieren sich mittlerweile die Anhänger der politischen Rechten in paramilitärischen Verbänden, um den Autonomiebestrebungen in den vermögenden Landesteilen Nachdruck zu verleihen. Die Autonomiebewegung steht mit den USA in Kontakt und könnte die rohstoffreiche Region im Südosten Boliviens abspalten.
Die IG Metall stellte ihr mit Unterstützung von Betriebsräten und der Krankenkassen AOK und DAK erstelltes Schwarzbuch „Krank durch Arbeit“ vor. Der Untersuchung zufolge verursachen die zunehmenden Belastungen am Arbeitsplatz verstärkt Krankheiten vor allem psychischer Natur. Über 19 Millionen Arbeiter und Angestellte haben mittlerweile psychisch bedingte Fehlzeiten. Dies sind 11,1 Prozent aller Erkrankungen. Jeder siebte Berufstätige ist schon einmal wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig gewesen. Ursachen sind eine starke Arbeitsverdichtung und zunehmender Leistungsdruck. Fast ein Drittel der Befragten klagte über permanent hohen Arbeitsanfall bei gleichzeitig immer weniger Personal. Viele Arbeitnehmer müssen infolge der Überbelastung ihre Pausen verkürzen oder ganz auf sie verzichten, 54 % aller Berufstätigen schieben regelmäßig Überstunden. Jede vierte dieser Überstunden wird weder bezahlt noch in Freizeit ausgeglichen. Krank macht auch das schlechter werdende Arbeitsklima - die Zahl der Mobbingopfer nimmt zu. Besonders übel sind laut DAK-Gesundheitsreport 2005 die Zustände in Call-Centern. Hier leiden die Mitarbeiter zum einen unter psychischen Belastungen und zum anderen infolge unzureichend ausgestatteter Arbeitsplätze an Schmerzen in Händen und Rücken und zu Sehstörungen durch Verweigerung von Bildschirmpausen. Ein Drittel aller hier Erkrankten ist keine 20 Jahre alt.
Im nordspanischen Zaragoza verübte die baskische Untergrundorganisation ETA erstmals seit Jahren wieder einen Granatwerferanschlag. Das von einem selbstgebauten Gerät abgefeuerte Geschoss richtete geringen Sachschaden auf dem Flughafen an. Zuvor hatten anonyme Anrufer im Namen der ETA die baskische Zeitung „Gara" und einen baskischen Pannendienst vor dem Anschlag gewarnt. Der Flughafen wurde geräumt, der Flugbetrieb erst mehr als zwei Stunden später wieder aufgenommen. Spaniens Innenminister Alonso verurteilte den Anschlag als weiteren Beweis für die „sinnlose" Gewalt der ETA. Er zeige einmal mehr, dass die baskische Untergrundbewegung mit „allen Mitteln eines demokratischen Rechtsstaats" bekämpft werden müsse. Derweil hat die kanadische Regierung zwei Sympathisanten der ETA nach Spanien ausgeliefert. Die beiden Basken wurden im Mai 1997 wegen Brandstiftung zu Gefängnisstrafen von 6 und 7 Jahren verurteilt, konnten aber aus Spanien fliehen und beantragten in Kanada politisches Asyl. Nachdem die kanadischen Behörden die Anträge ablehnten, wurden sie 2001 infolge eines spanischen Auslieferungsersuchens festgenommen.
Der Gründer der baskischen Separatisten-Partei Herri Batasuna (HB), Jon Idigoras Gerrikabeitia, ist am Freitag, den 4. Juni 2005, im Alter von 69 Jahren an den Folgen eines Lungen-Emphysems gestorben. Der Chef der verbotenen, inzwischen in Batasuna umbenannten Gruppe, Arnaldo Otegi, sagte, Idigoras habe ihn auf dem Sterbebett aufgefordert, eine „demokratische und friedliche Lösung" zu suchen. Otegi hatte kurz zuvor in Bilbao einen Zeitplan für Gespräche um die Zukunft des Baskenlandes angekündigt. In einem Jahr sollen demnach zwei runde Tische gebildet sein: An einem versammeln sich alle beteiligten Parteien, um einen gemeinsamen Vorschlag zu erarbeiten. Über diesen soll dann die Bevölkerung in einem Referendum entscheiden. Am zweiten Tisch soll die spanische Zentralregierung mit ETA über die Demilitarisierung verhandeln. Insgesamt folgten am Samstag in Bilbao mindestens 50.000 Menschen dem Aufruf von Batasuna, für eine Lösung des Konflikts zu demonstrieren. Idogoras, auch Mitbegründer der linken Gewerkschaft LAB, wurde im Beisein von Tausenden in Zornotza bei Bilbao beigesetzt. Der 1936 nahe Bilbao geborene Idogoras war wegen Widerstands gegen die Franco-Diktatur zwischen 1958 und 1974 mehrfach verhaftet worden und saß lange Jahre im Gefängnis. 1974 ging er ins Exil und gehörte nach seiner Rückkehr ab 1980 dem baskischen Parlament an. Als Abgeordneter in Madrid überlebte er einen Mordanschlag rechtsgerichteter Kreise im Hotel Alcala, dem sein Kamerad Josu Muguruza zum Opfer fiel. Im Parteivorstand von Herri Batasuna und von Batasuna (Einheit) arbeitete er zwei Jahrzehnte. 1997 wurden alle Batasuna-Führungsmitglieder zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, weil die Partei ein Video mit Friedensvorschlägen der Untergrundorganisation ETA gezeigt hatte. Idigoras saß vier Monate hinter Gittern, bevor er wegen seiner angeschlagenen Gesundheit vorzeitig entlassen wurde.
Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle