Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 2. bis 8. Juli 2005
Zitat der Woche: |
"Warum sollte ich Partei ergreifen für das, was ist, gegen das, was sein wird - für das, was vegetiert, gegen das, was als Möglichkeit bestehen bleibt?" |
- Antoine de Saint-Exupéry |
Im schottischen Gleneagles trafen die Staats- und Regierungschefs der G-8 zum jährlichen Gipfel zusammen. Unter dem Schutz von 10.000 Polizisten konferierten die USA, Kanada, Großbritannien, die BRD, Japan, Russland, Frankreich und Italien mit dem Ehrengast China (vertreten durch Staatspräsident Hu Jintao) über weltwirtschaftliche Fragen. China lehnt einen Beitritt zur Kungelrunde der „Großen Acht“ weiterhin ab. Im Zentrum der Verhandlungen stand der geplante Schuldenerlass für die ärmsten Drittweltstaaten. Die G-8 segneten den bereits im Juni vereinbarten Schuldenerlass für die 18 ärmsten Länder der Welt ab (40 Milliarden Dollar) und vereinbarten, die Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010 zu verdoppeln und um 50 Milliarden Dollar pro Jahr aufzustocken. Auf konkrete Finanzierungsinstrumente konnte man sich allerdings erneut nicht verständigen. Im Vorfeld des Gipfels erinnerten die in der G-77 zusammengeschlossenen 132 Entwicklungs- und Schwellenländer die Industrienationen an ihre Verpflichtung, die Entwicklungshilfe auf 0,7 % des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Zudem verwiesen sie auf den immer weiter steigenden Nettokapitaltransfer aus den Entwicklungs- in die Industriestaaten. Dieser negative Transfer hat im vergangenen Jahr atemberaubende 312 Milliarden Dollar erreicht, während die öffentliche Entwicklungshilfe gerade einmal bei 78 Milliarden Dollar lag. Die Forderungen der G-77 werden auch von UN-Generalsekretär Khofi Annan unterstützt. Als Vertreter der Afrikanischen Union war der nigerianische Staatspräsident Olusegun Obasanja zugegen und überbrachte die Forderungen der AU: Vollständiger Schuldenerlass für alle afrikanischen Staaten. Keine Einigung konnte im Streit um die Agrarsubventionen erzielt werden. Die USA und Großbritannien fordern die völlige Abschaffung aller Agrarsubventionen in Nordamerika und der EU. Sobald die Europäer auf ihre Subventionierungspraxis verzichten, wollen die USA nachziehen. Gestritten wird allerdings, wer den ersten Schritt tut. Vor allem Frankreich als Hauptagrarland der Union ist ein scharfer Gegner eines Subventionsabbaus. Allein 2004 haben die Industrieländer ihrer Landwirtschaft mit 315 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. Zwischen den einzelnen Ländern der OECD besteht ein großer Unterschied beim Umfang der Subventionszahlungen. Größter Subventionierer ist weiterhin die Schweiz, deren Bauern 71 % ihrer Einnahmen vom Staat bekommen. Am wenigsten Beihilfen zahlen die Agrarexportländer Australien und Neuseeland, bei denen die Subventionierung der Einkommen nur 5 % umfasst. In Kanada betragen die Beihilfen 20 %; in den USA, Mexiko und der Türkei 25 %. Weit über diesem Niveau liegen die Subventionen, die die EU an die Landwirte auszahlt - 34 % des bäuerlichen Einkommens. Die EU verteilte im Jahr 2004 insgesamt 44,7 Milliarden Euro auf die Landwirtschaft ihrer 25 Mitgliedstaaten. Hauptprofiteur ist Frankreich, das im vergangenen Jahr 9,4 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftstopf erhielt. Bundesdeutsche Landwirte bekamen mit 5 Milliarden Euro die Hälfte. Auch in die britische Landwirtschaft flossen Mittel - fast vier Milliarden Euro. Die Agrarpolitik ist der einzige Bereich, der vergemeinschaftet ist, also vollständig von der EU finanziert wird. Offenbar konnte die BRD sich mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen. Gerhard Schröder forderte als Vorbedingung für die gesteigerte Entwicklungshilfe eine verbesserte Korruptionsbekämpfung (Staatsklasse und Rentierstaat, siehe die Arbeiten von Elsenhans, Pawelka, Mkandawire und anderen) - sowohl bei den Staaten als auch bei den transnationalen Konzernen. Diese ist auch dringend notwendig, so wird Rumänien gegenwärtig von einem Skandal um die Vergabe des Auftrages für ein Grenzüberwachungssystem an den EADS-Konzern erschüttert, bei der Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe geflossen sind. Zu Schröders Lieblingskindern gehören auch international einheitliche Regelungen für Hedgefonds und Maßnahmen gegen die Erdölspekulation, bei der sich zuletzt das US-Bankhaus Goldman Sachs unrühmlich hervortat.
Überschattet wurde der G-8-Gipfel von einer Anschlagsserie in London, die daran erinnerte, dass Großbritannien sich im Kriegszustand befindet. Mit mehreren Sprengsätzen gelang es einer dem Terrornetzwerk al-Quaida nahe stehenden Gruppe, die britische Hauptstadt ins Chaos zu stürzen. Die Ladungen legten das U-Bahn-System lahm und zerstörten einen Reisebus; es wird von mehr als 50 Toten und über 700 Verletzten ausgegangen. Fraglich erscheint allerdings, ob es sich bei den Tätern, in Großbritannien lebenden Muslimen, um ein Selbstmordkommando handelte oder ob man ihnen den Sprengstoff in ihren Rucksäcken unterschob; wie Teilnehmer einer klassischen „Märyteroperation“ benahmen sie sich in jedem Fall nicht. Für möglich wird auch eine Fernzündung per Funk gehalten. Nach Angaben der Investmentbank Merrill Lynch wurde ein Sachschaden von 1,5 Milliarden Euro angerichtet. Die britischen Nachrichtendienste wurden von der Operation vollständig überrascht.
Anstatt vielleicht einmal zu überlegen, ob die Anschläge in London nicht irgendetwas mit dem in der islamischen Welt wütenden Kultur- und Wirtschaftsimperialismus des Westens oder den Kriegen in Afghanistan und dem Irak zu tun haben, und sich die Frage zu stellen, ob Großbritannien in diesen Kriegen nicht eventuell Kriegspartei und damit Ziel asymmetrischer Kriegführung sein könnte, demonstrierte die „Dresdner Schule“ der NPD wieder einmal ihre politische Kurzsichtigkeit. „Schluss mit der Islamisierung Europas“ tönte es aus der sächsischen Landtagsfraktion, die offenbar jede auf europäischem Boden befindliche Moschee als Brutstätte sprengstoffgürtelbewehrter Jihadisten ansieht. Mit der gleichen, völlig unsinnigen Logik könnte man jeden „Rechten“ als glühenden Anhänger des Vernichtungsantisemitismus bezeichnen. Hier verstellen Antiislamismus und Rassismus wieder einmal den Blick für die Realitäten. „Wir trauern um die Opfer der Terroranschläge“ – vielleicht sollte man gerade jetzt auch einmal an die nach Hunderttausenden zählenden Opfer am Hindukusch oder im Zweistromland denken, anstatt in das Gejammer des westlichen Polit-Establishments einzustimmen.
Die Genossen von Labournet Germany erhielten Besuch von der Polizei – zwecks Hausdurchsuchung, angeordnet vom Amtsgericht Bochum. Aus bekannten Gründen können wir uns eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen, bekommt Genosse Pandorf doch einmal (metaphorisch gesprochen) den Polizeiknüppel zu spüren, nach dessen Einsatz er in unserem Falle so lautstark rief. Allerdings erinnern die Begleitumstände eher an Vorfälle in Kolumbien als an mitteleuropäische Gepflogenheiten. Hintergrund ist ein Ende vergangenen Jahres von einem unbekannten Witzbold verbreitetes Flugblatt, welches als angebliche Verlautbarung des Arbeitsamtes aufgemacht war (Urkundenfälschung). Der Begriff Witzbold passt hier recht gut, denn der Anonymus tarnte sich als Paul Lafargue. Nach diesem fahndete, sehr zur allgemeinen Belustigung, die Bochumer Polizei, nicht wissend, dass es sich hierbei um den 1911 verstorbenen Schwiegersohn von Karl Marx handelte. Lafargue verfasste 1883 die unvergessene Schrift „Das Recht auf Faulheit“, in welcher er schonungslos mit dem Fetisch Arbeit und den Begleitumständen der Industriellen Revolution abrechnete. Wie dem auch sei, unter einer haarsträubenden Begründung beschlagnahmten die grünen Büttel die komplette Computerausrüstung, Datenträger und diverse andere Unterlagen. Die Hardware wurde nach anwaltlicher Beschwerde innerhalb kurzer Zeit zurückerstattet. Anhand der einbehaltenen Unterlagen ist zu vermuten, dass die Staatsmacht sich vor allem für die „Aktion Agenturschluss“ und die Sammlung von Informationen über Träger und Einrichtungen, welche Ein-Euro-Zwangsarbeiter einsetzen, interessiert. Wichtig ist auch die weitere Aushebelung des Informantenschutzes, wie sie sich zuletzt bei den Polizeimaßnahmen gegen den Journalisten Nick Brauns zeigte. Offenbar ist man hierzulande als kritischer Gewerkschafter bereits ein Staatsfeind.
In der brasilianischen Wirtschaftsmetropole traf sich das Forum von Sao Paulo, mittlerweile zum 12. Mal. Zugegen waren Vertreter von über 150 linksgerichteten Parteien, Gewerkschaften und Organisationen aus ganz Lateinamerika. Als Ausrichter fungiert die in Brasilien regierende Arbeitspartei PT bzw. deren internationaler Sekretär Paulo Ferreira. Neben Kuba und Brasilien besitzen mittlerweile auch Venezuela, Uruguay, Chile und Argentinien linksgerichtete Regierungen.
Mehr denn je erscheint Lateinamerika laut Ferreira heute als der Kontinent „mit den besten Möglichkeiten zum progressiven Wechsel“. Der brasilianische Politiker erinnerte auch daran, dass die Teilnehmer des Gründungsreffens die neoliberale Politik schon vor 15 Jahren kritisiert hatten. Heute sei klar, dass diese Kritik an Privatisierung und Sozialabbau richtig war. Nur durch eine konsequente Oppositionspolitik seien die Parteien der Linken auch in die Regierung gekommen.
Die daraus entstehenden Chancen sollen nicht ungenutzt bleiben. In der gemeinsamen Abschlusserklärung sprachen sich die Forumsteilnehmer am Montag für eine Weiterentwicklung regionaler Freihandelsabkommen unter Ausschluss der USA aus. Alleine eine neue Süd-Süd-Integration könne die Armut in Lateinamerika wirksam bekämpfen, hieß es in der Erklärung, die direkt auf eine entsprechende Initiative Kubas und Venezuelas Bezug nimmt. Die Präsidenten der beiden Staaten, Fidel Castro und Hugo Chávez, hatten mit der Bolivarischen Alternative für Lateinamerika (ALBA) bereits Ende vergangenen Jahres ein Gegenkonzept zu dem US-dominierten Freihandelsabkommen ALCA präsentiert. Vergangene Woche erst riefen sie ein entsprechendes Handelsbündnis für den karibischen Raum ins Leben. Die Vertreter der Linksparteien begrüßten diesen Vorstoß und sprachen sich für die Weiterentwicklung einer solchen Politik aus. Es sei bereits ein Erfolg, sagte Ferreira, dass der ursprüngliche Zeitplan für das ALCA-Abkommen nicht eingehalten werden konnte. Nach den Plänen Washingtons hätte die gesamtamerikanische Freihandelszone seit Januar dieses Jahres bestehen sollen. Positiv bewertet wurde auch Argentiniens Neuverhandlung der Auslandsschulden. Ebenso wie die Entscheidung Brasiliens, die Verträge mit dem Internationalen Währungsfonds nicht mehr zu verlängern, trage dies zur Unabhängigkeit der Region bei. Kritisch sahen die Forumsteilnehmer jedoch die Lagen in Haiti und Kolumbien. Auf beide Konflikte nähmen die USA schließlich direkten Einfluss. Im Beisein des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio da Silva wurden auch die Versuche der US-Regierung verurteilt, Kuba und Venezuela politisch zu destabilisieren.
In der „Roten Fahne“ vom 7. Juli beschäftigte man sich mit der Rolle der Parteien im Sozialismus: „Mit staatsmännisch bedeckter Stimme erklärte Bundeskanzler Schröder am 1.7. im Bundestag, dass nun der Souverän - das Volk - mit Neuwahlen über die Richtung der Politik der nächsten Bundesregierung entscheiden müsste. Dies gehört sicher zu den grundlegenden Lebenslügen dieses kapitalistischen Systems. Im Artikel des Grundgesetzes in die Formel gegossen: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt.“ Weil immer weniger Menschen dies glauben, ist bei vielen Wahlen inzwischen die Partei der Nichtwähler zur stärksten geworden. Auch bei der Debatte über das „Misstrauensvotum“ bekräftigten alle im Bundestag vertretenen Parteien - mit Ausnahme der PDS - die Hartz-Gesetze im Grundsatz. Solche Parteien brauchen und schmieren die Monopole, um zu verdecken, wer tatsächlich die wirtschaftliche wie politische Macht ausübt, nämlich sie selbst. „Das Monopolkapital hat sich den Staat vollkommen untergeordnet und seine Organe sind mit den Organen des Staatsapparats verschmolzen. Er hat seine allseitige Herrschaft über die gesamte Gesellschaft errichtet." (Programm der MLPD, S.7) Diese Diktatur der Monopole hängt weder von Parlamentsmehrheiten ab, noch kann sie übers Parlament beseitigt werden. Dazu bedarf es einer Revolution, die weder ohne noch gegen die Volksmassen, sondern nur von ihnen selbst durchgeführt werden kann - unter Führung einer marxistisch-leninistischen Partei, die mit dem nötigen Know-how der internationalen Arbeiterbewegung gewappnet und auf alles eingestellt ist. Monopolparteien, die die Interessen der führenden internationalen Übermonopole vertreten, werden von den Arbeitern und breiten Massen weder heute, noch im Sozialismus gebraucht! Denn sie sind mit tausenden Fäden mit der Alleinherrschaft der Monopole verstrickt, mit deren Beseitigung fallen auch die damit verbundenen Machtpositionen, Karrieren und Spendengelder weg. Im Sozialismus muss die Arbeiterklasse mit ihren Verbündeten die Kräfte, die zurück zu ihrem alten Ausbeutersystem wollen, unterdrücken, ihre Rechte beschneiden. Gleichzeitig herrscht für die Volksmassen breiteste Demokratie. Denn ein Sozialismus ohne diese breiteste Demokratie für die Massen ist kein Sozialismus, trägt diesen Namen zu Unrecht, als Etikettenschwindel. Deshalb gibt es umfassende Rechte der Bevölkerung sich zu organisieren: in Gewerkschaften, Frauenverbänden, Jugendorganisationen, Selbstorganisationen aber auch Parteien aller Art, die auf dem Boden der sozialistischen Ordnung stehen und arbeiten. Und nicht nur die Rechte, sondern auch die Möglichkeiten, einschließlich der drastischen Verringerung der Arbeitszeit. Weil in dieser sozialistischen Gesellschaft nach wie vor unterschiedliche Klassen vorhanden sind und die Bourgeoisie den Kapitalismus restaurieren will, geht auch der Klassenkampf im Sozialismus weiter. Breite Demokratie für die Massen und Unterdrückung für alle, die das menschenfeindliche kapitalistische System von Ausbeutung und Unterdrückung wieder einführen wollen sind deshalb zwei Seiten einer Medaille. Die Alleinherrschaft ist auf die breite Mehrheit übergegangen. Man nennt den Sozialismus deshalb wissenschaftlich auch „Diktatur des Proletariats". Das wird von der antikommunistischen Propaganda oft missbraucht, um den Sozialismus als Schreckensherrschaft zu verunglimpfen. Doch selbst der bürgerliche Duden übersetzte 1982 die Diktatur des Proletariats mit: ,,politischer Herrschaft der Arbeiterklasse im Übergangsstadium zwischen der kapitalistischen und der klassenlosen Gesellschaftsform." Die MLPD hebt gerade auch aus den leidvollen Erfahrungen mit der Restauration des Kapitalismus in allen ehemals sozialistischen Ländern in ihrem Programm hervor: „Es sind die Arbeitermassen und ihre Selbstorganisationen, die unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei die Lenkung und Verwaltung von Produktion und Gesellschaft in die Hand nehmen müssen." (S.36) Daran wird auch deutlich, dass es bei der Demokratie im Sozialismus beileibe nicht nur um eine andere Form von Wahlen geht. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung wird direkt und immer umfassender an der Lenkung von Staat, Wirtschaft, Produktion beteiligt und sie wird in deren Hände gelegt. In einer sozialistischen Demokratie wählen die Menschen ihre Räte vor allem nach Wohngebieten und Betrieben. Dort entscheidet nicht die Parteizugehörigkeit, sondern das Vertrauen, das sich jemand erarbeitet. Schon heute wünschen sich viele Kollegen, dass sie bei Betriebswahlen nicht lediglich zwischen verschiedenen Listen - auf deren Aufstellung sie keinen oder kaum Einfluss haben - wählen können, sondern die geeigneten Kollegen in einer Persönlichkeitswahl auswählen können. Wenn heute auf zahlreichen Montagsdemonstrationen Delegierte für bundesweite Kongresse gewählt werden, ist dies im Keim nichts anderes. Dabei ist nicht entscheidend, ob der oder die Betreffende Mitglied der MLPD, PDS, WASG oder parteilos ist. So war die dritte bundesweite Konferenz der Montagsdemonstrationen geprägt von lebendigen und durchaus kontroversen Beschlüssen, der Wahl einer Koordinierungsgruppe, in denen neben Parteilosen auch Mitglieder der PDS, DKP, WASG und MLPD mitarbeiten. Die Teilnahme an der Beschlussfassung ist dabei untrennbar verbunden mit ihrer Durchsetzung in der Praxis. Parteien sind Organisationsformen verschiedener politischer Richtungen und Anliegen der Menschen. Verschiedene Parteien sind im Sozialismus deshalb sinnvoll und richtig, sofern sie konstruktiv, kritisch und solidarisch am Aufbau des Sozialismus mitarbeiten und ihm verpflichtet sind. Sowohl beim ersten Anlauf der Errichtung eines sozialistischen Staates der Pariser Kommune, wie bei der russischen Oktoberrevolution oder beim Aufbau der DDR gab es mehrere Parteien. Aber das ist nicht ausschlaggebend für die sozialistische Demokratie, sondern die Tatsache, dass die breite Mehrheit des Volkes unter Führung der Arbeiterklasse unmittelbar herrscht und breiteste Demokratie für die Massen verwirklicht. Diese wahrhaft historische Aufgabe ist nur lösbar unter Führung und Anleitung einer starken unter den Massen verankerten marxistisch-leninistischen Partei: Weil sich in ihr die Kräfte zusammenschließen, die selbstlos den Weg weitergehen zur Abschaffung jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung, zum Kommunismus; weil sie alle positiven wie negativen Erfahrungen im Aufbau des Sozialismus wie der erfolgten Restauration des Kapitalismus mit den Massen gemeinsam verarbeitet; weil sie die Massen erzieht, ermutigt und mobilisiert, die Denkweise der Verantwortlichen in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und in die Partei selbst zu kontrollieren. Diese Führung kann nur durch respektvolle Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe, restlos überzeugenden Argumenten erworben werden. Mit einer prinzipienfesten aber auch differenzierten Streitkultur können auch komplizierteste Fragen schöpferisch gelöst werden. Gegen den Missbrauch von materiellen Errungenschaften und Rechten auf Kosten der Gesamtheit der sozialistischen Gesellschaft können und müssen auch administrative Mittel eingesetzt werden. Nicht umsonst endet das Parteiprogramm mit dem Absatz: „Durch prinzipielle Kritik und Selbstkritik entwickelt sich die Partei schöpferisch weiter und lernt, ihre führende Rolle auszufüllen, die sie im Kampf um den Sozialismus und später beim Aufbau des Sozialismus einnehmen muss.“
Nur wenige Wochen nach seiner Ankunft im Irak wurde der ägyptische Botschafter Ihab al-Sharif in Bagdad entführt und von islamistischen Untergrundkämpfern ermordet. Die Entführer begründeten ihre Tat mit dem Hinweis, die Ägypten unterstütze „Zionisten“ und „Kreuzfahrer“ im Kampf gegen den Islam. Neben Kairo haben auch Jordanien, Saudi-Arabien und Kuwait als erste arabische Staaten die Regierung in Bagdad anerkannt. Syrien entsandte bereits eine Delegation, um über die Neueröffnung seiner Botschaft zu verhandeln. Nach Angaben des irakischen Außenminister Hoshiar Zeibari unterhalten zusätzlich bereits Algerien, Bahrain, der Iran, der Jemen, der Libanon, Marokko, Qatar, der Sudan, Syrien, Tunesien, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate diplomatische Vertretungen in Bagdad. Die EU und die Arabische Liga haben bereits angekündigt, Niederlassungen in der irakischen Hauptstadt zu errichten. Einem Bericht des „Observer“ zufolge sind eigentlich für den Aufbau eines regulären Polizeiapparates bestimmte britische Gelder in den Aufbau irakischer Folterkommandos geflossen. Auch die irakische Regierung räumte ein, dass es bei der Bekämpfung der Rebellen zu schwersten Menschenrechtsverletzungen durch ihre Sicherheitskräfte kommt, die denen des Saddam-Regimes in nichts nachstehen. Der Widerstand richtete durch die in den vergangenen 2 Jahren verübten 300 Sabotageakte gegen die irakische Erdölwirtschaft einen Sachschaden von 11,35 Milliarden Dollar an. Angesichts der Tatsache, dass monatlich 300 irakische Soldaten und Polizisten umkommen, kann man ruhigen Gewissens von einem offenen Bürgerkrieg sprechen.
Das Pentagon scheint ernsthaft darüber nachzudenken, die bisher gültige politische Militärdoktrin entscheidend zu verändern. Diese Doktrin besagt, die USA müssten stets zwei Kriege in Übersee zur gleichen Zeit zu führen in der Lage sein. Einem Bericht der „New York Times" gemäß wird nun jene Einschätzung zunächst in internen Überlegungen überprüft. Das Ziel bestehe darin, die Rolle der US-Streitkräfte beim Schutz der USA vor terroristischen Angriffen sicherzustellen und diese Aufgabe womöglich stärker in den Vordergrund zu rücken. Die Überlegungen sind Teil des Berichts über Aufgabe und Ziele der Streitkräfte, den das Pentagon dem Kongress alle vier Jahre vorzulegen hat. Der nächste Vierjahresbericht ist im kommenden Jahr fällig. Die Zeitung beruft sich in ihren Ausführungen auf mehr als sechs mit der Abfassung des Berichts betraute Angehörige der Streitkräfte. Die „New York Times" zitiert namentlich Ryan Henry, den Stellvertreter des neuen Politischen Direktors im Pentagon Gordon England. Letzterer hat im Frühsommer diesen Posten von dem in die Weltbank gewechselten Paul Wolfowitz übernommen. Ryan Henry sagte, man untersuche jetzt die Frage, ob der bisher geltende Prioritätencode 1-4-2-1 weiterhin Gültigkeit haben solle. Dieser Code besagt, dass die USA die Verteidigung des eigenen Territoriums mit Priorität Eins einstufen, vier schwebende Konflikte in der Welt gleichzeitig zu beeinflussen in der Lage sein will, in zwei von ihnen notfalls militärisch eingreifen kann und einen der beiden mit einem vollständigen militärischen Sieg beenden möchte. Die gleichzeitige Beeinflussung von vier Konflikten könnte in der Praxis heute so aussehen, dass die USA genügend Streitkräfte besitzen, um die Bereiche Nordkorea, Mittlerer Osten, den Drogenkrieg in Kolumbien und etwaige Entwicklungen auf dem Balkan nicht nur als passive Zuschauer zu verfolgen. Namentlich nicht genannte Gesprächspartner der „New York Times" bewerteten die Doktrin vor allem als politische Abschreckung. Die Abkehr von ihr könne deshalb weitreichende Folgen haben. Eine mögliche Neuformulierung der Übersee-Strategie wäre nicht gleichbedeutend mit einer künftig stärker defensiv oder isolationistisch geprägten Grundhaltung des Pentagons. Die Ergebnisse des Vierjahresberichts hätten aber große Auswirkungen auf die künftige technische und organisatorische Struktur der Gesamtstreitkräfte. Die Abkehr von der Vorstellung, zwei konventionelle Feldzüge von der Art des Irakkriegs zur selben Zeit zu führen, würde wahrscheinlich eine enorme Bedeutungssteigerung der Marine und der Luftwaffe nach sich ziehen. Es käme hier dann darauf an, die beiden Waffengattungen in die Lage zu setzen, Abschreckung ohne eine Androhung von Bodentruppen zu erzielen. Das würde wiederum heißen, die Marine und die Luftwaffe mit Gerät auszustatten, das ohne große eigene Verluste die Zerschlagung einer gegnerischen Armee möglich machen würde. Seit geraumer Zeit bereits sind im Pentagon Überlegungen im Gange, einen neuen technischen Schwerpunkt auf ferngesteuerte Flugzeuge oder auf die Fähigkeit der Marine auszurichten, küstennah mit Kommandosoldaten kooperieren und kleine bewegliche Expeditionsstreitkräfte mit großer Feuerkraft unterstützen zu können. Eine neue politische Doktrin, die diesen Bestrebungen Ausdruck verliehe, wäre deshalb in gewissem Sinne die notwendige und logische Abrundung solcher von Donald Rumsfeld vorangetriebenen Ideen.
Die Landsmannschaft Schlesien hat bei ihrem Deutschlandtreffen in Nürnberg davor gewarnt, das Unrecht der Vertreibung von Millionen von Deutschen zu verdrängen. Auch 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs gebe es noch eine Reihe offener Fragen, sagte der Bundesvorsitzende Rudi Pawelka. Dazu zählten insbesondere die noch immer vorenthaltenen deutschen Kulturgüter, die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter und die Rechte der deutschen Volksgruppe in Schlesien. „Als Botschafter der Verständigung" hätten die Schlesier vor Ort meist ein gutes Einvernehmen mit den Polen entwickelt. Die Regierung in Warschau lasse aber Lösungen auf unterer Ebene nicht zu. „Ein solches Verhalten ist nicht geprägt von europäischem Geist, sondern von polnischem Nationalismus.“ Die Landsmannschaft werde sich aber von der Verstimmung im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen nicht entmutigen lassen, weiter für die Rechte derer zu kämpfen, die noch immer unter dem Unrecht der Nachkriegszeit leiden müssten. Der amerikanische Völkerrechtler Alfred de Zayas beklagte bei dem Treffen eine Doppelmoral bei der Diskussion über die Vertreibung von Deutschen. Dieses „Megaverbrechen" dürfe nicht als „eine logische Konsequenz des Zweiten Weltkriegs" verharmlost und bagatellisiert werden. Bislang sei niemand wegen der Vertreibung und Verschleppung der Deutschen und der dabei begangenen Gewalttaten bestraft worden, kritisierte er. Pawelka warnte davor, 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Das nationalsozialistische Unrecht dürfe nicht dazu missbraucht werden, gegen die Anliegen der Heimatvertriebenen Stimmung zu machen.
Von einem Schlussstrich ist man in Warschau aber wohl noch entfernt: Vergebens bemüht sich die polnische Regierung um die Auslieferung Salomon Morels, der im Jahr 1945 das KZ Swietochlowice in Oberschlesien leitete, in dem mehr als 1500 Deutsche umkamen. Morel ist israelischer Staatsbürger und lebt seit 13 Jahren in Israel. Die israelische Regierung verweigerte nunmehr zum zweiten Mal die Auslieferung des in Polen wegen Mordes Angeklagten. Einem Zeitungsbericht zufolge verweigerten Israels Behörden die Auslieferung mit der Begründung, die Aussagen der deutschen Zeugen, nach 1989 „in einer Zeit eines wachsenden Antisemitismus" zu Protokoll gegeben, seien nicht stichhaltig. Kalwas sagte, die israelische Argumentation sei „nicht nur rechtlicher, sondern auch emotionaler Natur". Gegen den Kommandanten des berüchtigten Lagers Lamsdorf, den nichtjüdischen Polen Czeslaw Geborski, hatte die polnische Justiz wegen der Ermordung von 48 Deutschen im Jahr 2000 Anklage erhoben. Das Verfahren dauert noch an.
Dass finanzielle Unregelmäßigkeiten und Käuflichkeit politischer Entscheidungen in der Bundesrepublik der Normalfall sind und als Kavaliersdelikt gelten, beweist dieser Tage die Berufung Werner Müllers zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bahn. Die Ernennung des ehemaligen Wirtschaftsministers zum AR-Chef erfolgte auf Betreiben des DB-Vorstandes, des Kanzleramtes und des Bundesverkehrsministeriums – die Unionsspitze signalisierte ebenfalls ihre Zustimmung. Bei Durchsicht der aktuellen Berichterstattung fällt auf, dass die Systempresse einige Details „vergessen“ hat, die erst ein knappes halbes Jahr zurückliegen: Müller ist ein ausgemachter Mann der Monopole, auch als Bundesminister kassierte er monatlich eine Pension von über 8000 Euro – vom Energieriesen E.ON. Bezeichnenderweise war Müller während seiner Amtszeit für die Liberalisierung des Strommarktes verantwortlich, weitere Leistungen im Dienste der Wirtschaft waren u.a. die Fusion von E.ON und Ruhrgas, die Demontage von Umweltminister Trittin, Beteiligung am den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke sichernden Atomkonsens. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW wies ganz zu Recht darauf hin, dass Müller als Trojanisches Pferd der Energiewirtschaft in die Bundesregierung entsandt wurde. Nach dem Ausscheiden aus der Bundesregierung lohnte man ihm seine Dienste, indem er zum Vorstandsvorsitzenden des Essener Bergbau- und Chemiekonzerns RAG berief. Müller ist bereits seit Ende 2004 Mitglied des Bahn-Aufsichtsrates.
Einem Bericht der „International Herald Tribune“ fand letzte Woche in der französischen Nationalversammlung eine nicht uninteressante Anhörung statt. Christian Noyer, Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Zentralbank, stand hinter verschlossenen Türen Rede und Antwort über einige Modalitäten der Eurozone. Noyer erläuterte den Abgeordneten, dass es für einen EU-Mitgliedsstaat durchaus möglich sei, aus der Währungsunion wieder auszuscheren. Die Unionsstaaten gelten laut Noyer nach wie vor als souverän. Allerdings werfe eine solche Maßnahme die Frage auf, ob der betreffende Staat noch fähig sei, weiterhin innerhalb der EU zu verbleiben. Damit hat erstmals ein hochrangiger Mitarbeiter der EZB eingeräumt, dass die Europäische Währungsunion reversibel ist. Nach Bekanntwerden der Äußerungen erreichte der Euro gegenüber dem US-Dollar seinen Zwölfmonats-Tiefststand. Bekanntlich dachte die italienische Regierungspartei Lega Nord unlängst darüber nach, ob das Land nicht partiell aus der Eurozone ausscheiden könne, indem es die Lira als Parallelwährung zum Euro wieder einführe. Die Lega-Parteiführung zieht mittlerweile eine Volksabstimmung zum Thema in Erwägung.
Die Kampfhandlungen in Afghanistan dauern an. Es gab erbitterte Gefechte zwischen Taliban und Regierungssoldaten im Raum Charchino in der Provinz Uruzgan. Auch die für die Amerikaner verlustreichen Auseinandersetzungen in der Provinz Kunar dauern an. In den vergangenen Monaten wurden so viele Menschen wie lange nicht getötet: fast 500 mutmaßliche Rebellen, 134 Zivilisten, 47 afghanische Sicherheitskräfte und 45 US-Soldaten. Dabei ist völlig offen, wie viele Kämpfer die Taliban haben. Die NATO hat angesichts der desolaten Sicherheitslage angekündigt, mit 3000 zusätzlichen Soldaten die Wahl am 18. September abzusichern. Präsident Karzai versetzte die lokalen Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft, um für Attacken gerüstet zu sein. Die afghanische Armee ist mittlerweile auf 26.000 Mann angewachsen, die als Kollaborateur-Verbände vor allem den 20.000 amerikanischen Soldaten zur Seite stehen. Bundesverteidigungsminister Struck lässt das Bundeswehr-Kontingent auf 3000 Soldaten aufstocken; er selbst geht davon aus, dass NATO-Verbände noch ca. 10 Jahre in Afghanistan bleiben müssen.
Nunmehr ist es amtlich: Die spanische Regierung verhandelt mit Vertretern der baskischen Unabhängigkeitsbewegung. Die Sozialisten unterhalten seit 2 Jahren Kontakte zur linksnationalistischen Batasuna-Partei, was sowohl in der Presse als auch von der baskischen Regionalregierung bestätigt wurde. Gegenstand der Gespräche ist ein Weg, wie man die Untergrundorganisation ETA zur Einstellung des bewaffneten Kampfes bewegen könne. Der spanische Ministerpräsident Zapatero hat sich bereit erklärt, dass sein baskischer Kollege Ibarretxe einen Runden Tisch mit Vertretern aller relevanten Kräfte im Baskenland bildet, um den Konflikt in friedliche Bahnen zu lenken. Ibarretxe hat derweil den Vorschlag Batasunas aufgegriffen, parallel mit Vertretern der ETA zu verhandeln. Bereits in der Vorwoche zündete die ETA in der spanischen Hauptstadt Madrid eine Autobombe. Operationsziel war das Peineta-Stadion, ein integraler Bestandteil der Madrider Olympia-Bewerbung für 2012. Da die ETA eine telefonische Warnung durchgab, wurde niemand verletzt.
Bei den Parlamentswahlen in Albanien setzte sich die Opposition durch. Die Demokraten von Expräsident Sali Berisha holten 56 der 100 Direktmandate, während die regierenden Sozialisten sich mit 39 bescheiden mussten. Den Rest der Direktmandate teilen sich drei kleinere Parteien, darunter die Partei der griechischen Minderheit und die katastrophal gescheiterte Sozialistische Bewegung für Integration unter Expremier Ilir Meta. Insgesamt sind 140 Parlamentssitze zu vergeben, davon 40 nach dem Verhältniswahlrecht. Da die Demokraten die absolute Mehrheit knapp verfehlten, werden sie mit der kleinen Republikanischen Partei eine Koalitionsregierung bilden. Auf dem Sektor der per Verhältniswahl zu vergebenden Mandate sind die Republikaner mit 22 % übrigens die erfolgreichste Partei. Die Wahlniederlage der Sozialisten ist nicht zuletzt auf die Verwicklung führender Politiker wie Finanzminister Anastas Angjeli, Landwirtschaftsminister Agron Duka und Andis Harasani (Chef des staatlichen Energieversorgers) in Korruptionsaffären zurückzuführen. Zwar bemängelte die OSZE-Beobachtermission einige Unregelmäßigkeiten, aber nach Angaben der albanischen Wahlkommission handelte es sich um die bislang korrektesten Wahlen seit 15 Jahren. In mehreren Wahlkreisen versuchten Anhänger von Demokraten wie Sozialisten, auf die Stimmenauszählung Einfluss zu nehmen. Dabei wurde in Tirana ein Wahlhelfer kurzerhand erschossen. Bei Zusammenstößen im südalbanischen Lushnje kamen zwei Menschen ums Leben. Die Wahlbeteiligung lag bei 56 %. Berisha kündigte innenpolitisch einen schonungslosen Kampf gegen die bis in das Parlament hineinreichende Korruption an; außenpolitisch gibt er sich zurückhaltend. Allerdings pocht Tirana auf eine schrittweise Unabhängigkeit der mehrheitlich albanisch besiedelten serbischen Kosovo-Provinz. Die Abtrennung soll Serbien durch großzügige Sicherheitsgarantien für die serbische Bevölkerungsgruppe und andere Minderheiten erleichtert werden.
Dem Chef der italienischen Lega Nord, Umberto Bossi, droht ein Gefängnisaufenthalt. Das EU-Parlament hat den italienischen Justizbehörden die Genehmigung erteilt, ein Verfahren gegen Bossi, der auch Europaparlamentarier ist, einzuleiten. Bossi sowie seine rechte Hand, Arbeitsminister Roberto Maroni, waren wegen Beamtenbeleidigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt von einem Mailänder Berufungsgericht zu fünf Monaten Haft verurteilt worden. Am 18. September 1996 hatten die Lega-Vertreter versucht, die Durchsuchung des Mailänder Parteisitzes der Lega Nord zu verhindern. Weitere fünf Spitzenpolitiker der Lega Nord, darunter der EU-Abgeordnete Mario Borghezio und der amtierende Reformenminister Roberto Calderoli, wurden ebenfalls zu acht Monaten Haft verurteilt. Die Polizei war auf der Suche nach Dokumenten, die angebliche umstürzlerische Pläne der Lega Nord, die damals einen separatistischen Kurs eingeschlagen hatte, beweisen hätten sollen. Die Durchsuchung war von der Staatsanwaltschaft in Verona, die gegen Bossi wegen „Anschlags auf die nationale Einheit" ermittelte, angeordnet worden. Nach Ansicht der Lega hätte der Staatsanwalt eine Sondergenehmigung des Parlaments gebraucht, um den Sitz der Lega Nord und das Büro des Parteichefs zu durchsuchen, da dieser Abgeordneter war. Bei den Handgreiflichkeiten vor der Durchsuchung wurden der ehemalige Innenminister Maroni und einige Polizisten leicht verletzt und ins Spital eingeliefert. Das Kassationsgericht in Rom, die oberste und letzte Instanz im italienischen Strafsystem, hatte im Februar 2004 Bossis Verurteilung annulliert und einen neuen Prozess angeordnet. Dafür hat ein Mailänder Gericht beim Europa-Parlament die Aufhebung von Bossis Parlamentarier-Immunität beantragt, die Straßburg jetzt genehmigt hat. Der Prozess gegen Bossi soll noch bis Jahresende beginnen.
Die britische Regierung entwickelt sich zum Stammgast vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. X-mal wegen des schmutzigen Krieges in Nordirland verurteilt, lernt man in London immer noch nicht dazu. Während Irland eine Klage wegen Nichtherausgabe von Dokumenten über die Verwicklung der britischen Sicherheitskräfte in loyalistische Terrorakte auf irischem Territorium vorbereitet, plant auch Jean McBride den Gang nach Straßburg. Zuvor versuchte McBride vergeblich, bei britischen Gerichten die Entfernung der beiden Soldaten aus der Armee durchzusetzen, die 1992 offenbar aus Spaß an der Freude ihren 18jährigen Sohn Peter an einem Checkpoint in Belfast erschossen. Sein einziges Verbrechen bestand darin, katholischer Ire zu sein. Die Mörder wurden 1995 zu lebenslänglicher Haft verurteilt, aber 1998 setzte man sie auf freien Fuß und gestattete ihnen sogar, ihren Militärdienst bei den Royal Scots fortzusetzen. Unter anderem diente das britische Mordgesindel bei den Besatzungstruppen in der BRD, ähnlich wie im Irak als Folterer und Mörder aufgefallene US-Soldaten. Bis auf den heutigen Tag haben sich weder die Mörder, noch ihre Vorgesetzten, ganz zu schweigen von Militärführung oder gar der britischen Regierung, zu einer Entschuldigung herbeigelassen.
Der Gegenstandpunkte-Verlag erfreute die geneigte Leserschaft mit einer neuen Analyse: „Erfolgreicher Kapitalismus geht nicht ohne massenhafte Armut!“: „Heutzutage werden die Menschen mit ökonomischen Wahrheiten zugeschüttet, dass einem schlecht werden könnte. Die Frechheit, mit der Magazine und Features davon künden, dass die Wirt¬schaft nur funktionieren kann, wenn die Löhne gegen 1 € tendieren, verrät vor allem eines: Öffentliche Meinungsmacher haben keine Scheu, eine Wahrheit auszuplaudern, die eigentlich das stärkste Argument gegen die famose freie Marktwirtschaft ist. Sie erläutern ihrem Publikum fröhlich die Unverträglichkeit seiner Lebensbedürfnisse mit den Erfolgsbedingungen des Kapitalwachstums und geben sich dabei nicht die geringste Mühe, ihm zu erklären, warum es sich vom Standpunkt seiner Interessen aus für dieses Wachstum hergeben sollte. Die Volksbelehrungen argumentieren mit den Erfordernissen des Kapitalerfolgs – und verlangen von ihren Adressaten, diesen Erfordernissen die eigenen zu opfern. Demokratische Journalisten erinnern schlicht daran, dass der Normalbürger nun einmal vom Kapital abhängt, und dabei haben sie keine Sorge, dass jemand diese Unvereinbarkeitsbotschaft einmal als Auskunft über ein System verstehen könnte, das ein anständiges Leben für ihn weder vorsieht noch verträgt. Der Spiegel begeistert sich im Rahmen seiner Serie „Kapitalismus total global“ (Nr. 20, 14.5.05.) über die neuen „Kleinen Tiger“ im Osten Europas und findet ein „Wirtschaftswunder“ in Osteuropa. Dort, so meinen die kritischen Hamburger, passen Lebens- und Anspruchsniveau der Bevölkerung noch richtig gut zum Akkumulationsbedarf des Kapitals: Dort ist also die Welt noch in Ordnung. „In den Beitrittsländern geben fulminante Wachstumsraten den Ton der Debatte an – ein bisweilen unter den Schmerzen radikaler Reformen von Arbeitsmarkt bis Gesundheitswesen geborener Erfolg. Die EU-Novizen brillieren durch Eifer und hungrigen Nachholbedarf. Während in Deutschland knapp fünf Millionen Menschen Arbeit suchen [...], entstehen dort, wo noch vor wenigen Jahren unrentable Planwirtschaften vor sich hinmurksten, Tag für Tag neue Jobs.“ Ein jugendlicher slowakischer Finanzjongleur prahlt vor dem deutschen Reporter: „Wir haben den Kommunismus abgeschafft, die Wirtschaft privatisiert und jetzt 6 Prozent Wachstum. Was sollen wir von euch noch lernen? Wir sind Spitze!'„ Und der Mann vom Spiegel stellt voll Neid das Vorhandensein jener gesunden Rahmenbedingungen fest, unter denen „Menschen“ endlich tun, was sie im Sozialismus immer nicht durften: Fleißig schuften und nichts dafür verlangen. Komisch: Sollte das gleiche Argument nicht damals schwer gegen die sozialistischen Staaten und für das hiesige System sprechen, dass die im Osten ihre Leute schwer rannehmen und ihnen dann die Konsumfreiheit verweigern und sie vor leeren Regalen stehen lassen? – Egal, was kümmert den Spiegel seine Hetze von gestern! Nach der Abschaffung der Planwirtschaft hat es jedenfalls ein hartes Jahrzehnt wachsender Not gebraucht, bis die Leute nichts mehr zu verlieren hatten und sich einen „radikal-liberalen Wirtschaftskurs“ widerstandslos verordnen lassen. So sieht das Klima aus, in dem der Kapitalismus gedeiht: Wo mehr als 20 % der Arbeitsbevölkerung arbeitslos sind, wo die glücklichen Arbeitsplatzbesitzer für 4 € die Stunde arbeiten, und immer noch doppelt so viel verdienen wie drei Jahre zuvor, wo das Nationalprodukt pro Kopf zwischen einem Viertel und der Hälfte des deutschen liegt – da kommen traumhafte Renditen und Wachstumsraten zusammen. Aber Vorsicht! Es darf nicht der Fehler gemacht werden, ein schönes Wirtschaftswachstum fürs Wohlergehen des niederen Volks zu missbrauchen. Niemand darf den steilen Aufschwung der Geschäfte als Bedingung für einen nachfolgenden Aufschwung der Einkommen missverstehen. Dass ein größerer Teil der Bewohner überhaupt vom Kapital benutzt und bezahlt wird – egal zu welchem Lohn und unter welchen Arbeitsbedingungen –, ist schon das äußerste, was Lohnarbeitern zugebilligt wird. Die Opfer des grandiosen Aufstiegs der gewendeten Ostnationen verschweigt Der Spiegel selbstverständlich nicht. Interessant zu sehen, dass er zu den Opfern noch nicht einmal die Leute zählt, die mit Billiglöhnen und langen Arbeitszeiten das Wachstum der Kapitalvermögen schaffen – die haben ja Arbeit! Als „Verlierer im großen Monopoly“ lässt er nur hungernde Rentner gelten, Kleinbauern, die in Blechhütten vegetieren, und Wanderarbeiter, die im Ausland die Drecksjobs erledigen. Trotzdem: diese Opfer sind durch den vorbildlichen Aufschwung ihrer Vaterländer allemal gerechtfertigt. Das Antimodell dazu heißt Deutschland – auch einmal ein Wirtschaftswunderland, wie uns Der Spiegel in Erinnerung ruft. Da lief alles prima, solange die Menschen nach dem Krieg für 50 Pfennige die Stunde und 48 Stunden die Woche arbeiteten, kaum je krank und im Alter anständig arm waren. Aber dann hat schon der erste Bundestag die Axt an die Wurzeln des deutschen Wohlstands gelegt, indem er eine Rente stiftete, die an die Lohnentwicklung und damit an die Einnahmen der Rentenkasse gekoppelt war. Das konnte ja nicht gut gehen – und man merkt es auch kaum 40 Jahre später. Das war der erste Sündenfall, und deutsche Politiker haben laut Spiegel allesamt dem Volk unverantwortliche Geschenke gemacht, obwohl sich doch von einem Wirtschaftswunder niemand etwas versprechen darf, als eben die Wirtschaft selbst, sonst geht das Wunder kaputt. Beim Anschluss der DDR wurde dann schließlich die wirtschaftliche Vernunft endgültig verraten: Anstatt das Kapital und seine Renditeansprüche darüber entscheiden zu lassen, was die DDR samt Insassen eigentlich wert ist, hat der Kanzler der Einheit deren sozialistisches Falschgeld gegen die gute Westmark getauscht und die Angleichung der Löhne an das Westniveau in Aussicht gestellt. „Dank der Hilfe vom großen Bruder im Westen ist den neuen Bundesbürgern manches in den Schoß gefallen, was sich die Nachbarn hart erarbeiten mussten. Das ist den Ostdeutschen nicht gut bekommen.“ (Spiegel Nr.20) Merke: Wer den Bürgern auch nur die kleinsten Härten des Kapitalismus ersparen will, der leistet ihnen einen Bärendienst. Hätte man den wendetrunkenen Zonis doch gleich Lebensmittel- und Warenpreise auf westdeutschem und Löhne auf polnischem Niveau zugemutet, dann wäre heute vielleicht Frankfurt/Oder die bewunderte Boomtown und nicht die polnische Nachbarstadt – und die geilen Hungerlöhne würden in Deutschland verdient! Aber auf so viel wirtschaftspolitische Vernunft mag Der Spiegel gar nicht mehr hoffen. Reihenweise lässt er in seiner Abrechnung mit der deutschen Wirtschaftsgeschichte Politiker auftreten, die bekennen, in ihrer Regierungszeit unverzeihliche Rücksicht auf die Opfer ihrer Politik geübt zu haben, und die gleichzeitig darauf bestehen, dass aus Gründen des inneren Friedens und ihrer Wiederwahl gar nichts anderes möglich gewesen sei. Politiker, so die Botschaft, die sich immer wieder wählen lassen müssen, haben einfach nicht die Statur, zugunsten der Interessen der Nation mit der erforderlichen Konsequenz gegen die Interessen der Bevölkerung zu regieren: Die Demokratie verhindere also die nötige Diktatur der Wirtschaftsinteressen. Solche sozial-nationalistischen Einlassungen über die Vernunft des Kapitals, über die segensreichen Wirkungen der Armut und die kontraproduktiven Wirkungen aller Versuche, sie abzumildern, machen genau die deutschen Löhne, die deutschen Kapitalisten in früheren Jahren gerade recht waren, und ihre sozialpolitischen Begleitumstände für die Wachstumsschwäche des Standorts verantwortlich. Kein Wunder, dass die politisch Verantwortlichen von der verhängnisvollen Fehlentwicklung an der Lohnfront nichts merkten, solange das Wirtschaftswachstum stimmte. Wenn das Kapital hingegen jetzt nicht mehr wächst, dann ist natürlich der zu hohe Lohn schuld! – Man mag Leute, die so freimütig und feindselig den Gegensatz von Kapital und Arbeit beschwören, gar nicht daran erinnern, dass das „kranke“ Deutschland immer noch eine ökonomische und politische Weltmacht ist, das vorbildliche Polen hingegen ein armes Land? – Der internationale Vergleich von Arbeitslöhnen und Wachstumsraten leistet die Klarstellung, was in diesem Land gilt und was nicht: Die Armut hat gar kein Recht, der Reichtum jedes. Von seinem Erfolg und Wachstum ist im Land alles abhängig, also steht es ihm auch zu, alles an seinen Renditeansprüchen zu messen. Die politische Organisation der verbliebenen Reste des Sozialstaats gibt schon längst dem Interesse des Kapitals an billiger Arbeit Recht und verleiht ihm dadurch den Schein eines über allen Interessen und Parteien stehenden Sachzwangs. Und die Gewerkschaften opfern seit Jahren Lohn und Arbeitsbedingungen, um das Interesse der Unternehmer an der Benutzung ihrer Belegschaften zu erhalten oder zu stimulieren. Damit „es“ weitergeht, bieten sie – sozusagen als Preis für den Arbeitsplatz – Lohn und Freizeit ihrer Mitglieder an, genau das also, wofür diese überhaupt einen Arbeitsplatz brauchen. Und die Gelackmeierten dieser konzertierten Aktion des Klassenkampfs von oben? – Je unerbittlicher die Politik ihr Reformwerk als Verarmungsprogramm für die breiten Massen vorantreibt; je konsequenter die Kapitalseite ihr Interesse gegen die „Besitzstände“ der Lohnabhängigen geltend macht und mit dem Einverständnis der Gewerkschaften durchsetzt; je unverkennbarer also die herrschende Klasse darauf besteht, dass im Kapitalismus das Lohnarbeiterinteresse nur Platz hat, wenn es sich freiwillig aufgibt, desto unerschütterlicher besteht der deutsche Lohnarbeiter als mündiger Staatsbürger und Wähler darauf, dass er dann zumindest das Recht auf eine handlungsfähige Führung verdient hat, die ihm Opfer auferlegt, um damit deutsche Erfolge gegen den Rest der Welt durchzusetzen. Da macht das Regieren Spaß!“
Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle