Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 26. Februar bis 4. März 2005
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Zitat der Woche: |
"Ich
bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, das ich
gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue meine Handlungsweise
nicht und will die Folgen auf mich nehmen." |
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Sophie Scholl |
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl
der registrierten Arbeitslosen im Februar auf 5,216 Millionen (12,6 %) gestiegen,
177.000 mehr als im Januar, 575.000 mehr als im Vorjahresmonat und erneut
ein historischer Höchststand. Im Westen stieg die Erwerbslosenzahl auf
3,421 Millionen, im Osten auf 1,795 Millionen. In Nordrhein-Westfalen sind
erstmals mehr als 1 Million Menschen arbeitslos. Nach wie vor beschönigt
die BA die Arbeitsmarktstatistiken: Berlin meldet rund 332.000 Erwerbslose
(19,6 %, darunter mehr als ein Drittel Langzeitarbeitslose), wie wir berichteten,
nach Ansicht der Senatsfinanzverwaltung 50.000 zu wenig. Vergleichbares ist
aus Hamburg bekannt. Hier gibt die BA knapp 92.000 Erwerbslose (jeder vierte
ist über 50!) an, während das Wirtschaftsressort von 146.000 ausgeht.
Das dicke Ende kommt also noch, und zwar dann, wenn die Regionalagenturen
diese Fälle nachmelden. Bundesweit sind 680.000 Jugendliche arbeitslos.
Verheerend ist auch die Lage der über 50 Jahre alten Arbeitnehmer: Einer
Studie des Gelsenkirchener Instituts Arbeit und Technik zufolge ist jedes
zweite Unternehmen gar nicht oder nur unter Vorbedingungen bereit, ältere
Arbeitskräfte einzustellen.
Laut FAZ hat eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelstages ergeben, dass alleine in diesem Jahr 50.000 Arbeitsplätze in andere Länder verlegt werden. Bis Ende 2007 rechnet der Wirtschaftsverband mit dem Abbau von 150.000 Stellen, die zu 43 % nach Osteuropa und zu 37 % in die VR China exportiert werden. Zu den am meisten betroffenen Branchen zählen laut DIHT die Metall- und Elektroindustrie sowie die Textilbranche. Angesichts der Lage wundert es nicht, dass mittlerweile jeder vierte Berufstätige um seinen Arbeitsplatz zittert. Noch 2002 betrug die Quote der sich von Arbeitslosigkeit bedroht Sehenden „nur“ 17 %. Im Osten kletterte der Anteil der von Sorge geplagten Arbeitnehmer sogar von 25 auf 34 %.
Auch nach den Nationalratswahlen geht der Krieg im Irak mit unverminderter Härte weiter. In Hammam Alil starben 5 Polizisten, als Untergrundkämpfer ihre Polizeiwache in die Luft sprengten. In der als Widerstandshochburg geltenden Provinz Anbar kam es zu Gefechten zwischen den Amerikanern und irakischen Rebellen. Wiederholt sprengten Guerrilleros die Pipeline von Kirkuk nach Dibis. Höhepunkt der Widerstandsaktivitäten war der bislang verheerendste Anschlag des Krieges: In Hilla explodierte eine Autobombe inmitten auf ihrer Einstellungsuntersuchung wartender Polizeirekruten. Das Massaker forderte mindestens 125 Tote und 150 Verletzte. Irakische Sicherheitskräfte verhafteten Sabawi Ibrahim Hassan, den Halbbruder Saddam Husseins, der angeblich von Syrien aus und mit Hilfe syrischer Baathisten Widerstandsaktivitäten organisierte. Mit dem Tod eines Marineinfanteristen in der Provinz Babil verzeichneten die Amerikaner ihren 1500. Toten seit Kriegsbeginn. Angesichts der Verluste im Irak sinkt die Attraktivität der US-Streitkräfte - erstmals konnten sie im letzten Monat ihr Rekrutierungssoll nur zu 75 % erfüllen.
Einem Bericht der „Berliner Zeitung“ zufolge steht die Gründung einer am Vorbild des dänischen SSW orientierten Partei der sorbischen Minderheit in Brandenburg und Sachsen bevor. Maßgeblich am vorläufigen Parteiprogramm beteiligt ist Henry Matusch, Mitglied der sorbischen Dachorganisation Domowina. Die Domowina steht der vorwiegend vom Kreis um die sorbische Gruppe „Weiße Liga“ betriebenen Gründung der Serbska Ludowa Strona, der Sorbischen Volkspartei, skeptisch gegenüber. In Sachsen leben 40 000 Angehörige dieser Minderheit, in Brandenburg etwa 20 000 - etwa genauso viele Stimmen wären nötig, um einen Sitz im Landtag zu erringen. Matusch erklärte, die SLS werde bei Kommunal- wie Landtagswahlen antreten. Die brandenburgische Landesverfassung sieht für Minderheitenparteien die Aufhebung der Sperrklausel vor, so dass der SLS ein Abgeordneter sicher wäre.
Die chinesische Regierung hat ein Papier veröffentlicht, das weitreichende Erleichterungen für die Privatwirtschaft des Landes in Aussicht stellt. Das Gründen von Unternehmen soll vereinfacht, der Zugang zu Kredit und Fremdkapital erleichtert sowie die Gleichbehandlung mit öffentlichen Unternehmen gewährleistet werden. Außerdem will die Regierung verschiedene Sektoren, die bisher staatlichen oder kommunalen Unternehmen vorbehalten waren, für die Privatwirtschaft öffnen. Ein Teil der Ankündigungen könnte schon auf der laufenden Tagung des Nationalen Volkskongresses als Gesetzespaket verabschiedet werden. Mit dem veröffentlichten Thesenpapier soll ein Prozess von Gesetzesinitiativen und anderen Maßnahmen eingeleitet werden. Zu den wirtschaftlichen Sektoren, die die Regierung für privates Kapital öffnen will, zählen unter anderem die Eisenbahn, regionale Banken, die Abwasser- und Abfallbeseitigung, soziale Dienstleistungen, kommunale Verkehrsunternehmen sowie die städtische Versorgung mit Gas, Fernwärme und Wasser. In der Energiewirtschaft ist bereits privates Kapital in erheblichem Umfang aktiv. Auch Telekommunikation, Luftfahrt und die Rüstungsindustrie sollen für private Investoren geöffnet werden. Diese sollen außerdem an der Reform, das heißt Privatisierung, staatlicher Unternehmen teilhaben. Unter Privatkapital ist hier alles nichtöffentliche Kapital zu verstehen, also auch Genossenschaften. Angemahnt wird in den Thesen ein Paket von Fördermaßnahmen, das von Steuererleichterungen, spezieller Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen bis zur Hilfe bei der Ausbildung der Beschäftigten und Manager reicht. Die Aufsicht über private Unternehmen solle gleichzeitig verbessert und striktere Regeln für Unternehmensvorstände und -aufsichtsräte sollen eingeführt werden. Einzelne Unternehmen will die Regierung gezielt in ihrer Expansion fördern. Dahinter verbirgt sich die Strategie, international operierende chinesische Konzerne zu schaffen. Die Pekinger Regierung kündigt auch an, dass untersucht werden soll, wie für die verschiedenen Arten von Beschäftigten stabile soziale Sicherungssysteme geschaffen und wie Gewerkschaftsorganisationen in den Betrieben aufgebaut und perfektioniert werden könnten. Chinesische Behörden und Gewerkschaften pflegen bereits seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre einen regen Austausch mit der SPD und ihrer Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie sind daran interessiert, das deutsche System der betrieblichen Mitbestimmung zu übernehmen. Das Thesenpapier ist Ergebnis längerer Diskussionen in der Forschungsabteilung der Regierung sowie in der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, der ehemaligen Planungsbehörde. Nach Angaben der chinesischen Akademie für Gesellschaftswissenschaften trägt die Privatwirtschaft heute bereits ein Drittel zum Bruttoinlandprodukt des Landes bei. Im Juni 2004 gab es 3,44 Millionen Privatunternehmen in China, die 47 Millionen Menschen beschäftigten und knapp die Hälfte der gesamten Industrieproduktion erwirtschaften.
In den meisten reichen Nationen steigt nach Angaben der Kinderhilfsorganisation Unicef die Kinderarmut. Die Situation von Kindern in 17 von 24 untersuchten OECD-Staaten habe sich verschlechtert, sagte der Vorsitzende von Unicef Deutschland, Reinhard Schlagintweit, bei der Vorstellung einer neuen Studie. Der Unicef-Vergleich zeigt krasse Unterschiede zwischen den reichen Ländern auf. Am niedrigsten ist die Kinderarmut in Dänemark und Finnland (unter 3 %). Besonders hoch ist der Anteil armer Kinder in den USA (über 20 %). Die BRD liegt im Mittelfeld auf Platz 12, aber hier stieg die Kinderarmut mit 2,7 Prozentpunkten seit 1990 stärker an als in den meisten anderen Industrienationen. In Ländern mit höheren Sozialausgaben ist die Kinderarmut nach der Studie niedriger. „Die Regierungen haben es selbst in der Hand, ob Kinder in Armut aufwachsen müssen. Sie können ihre großen Probleme wie Arbeitslosigkeit nur in den Griff bekommen, wenn sie Kinder vor Ausgrenzung und Benachteiligung insbesondere bei der Ausbildung bewahren." Die UNICEF-Studie zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen der Höhe staatlicher Aufwendungen und der Kinderarmut. In Ländern wie den USA und Italien, die weniger als 5 % ihres Bruttosozialprodukts in Sozialleistungen investieren, leben über 15 % der Kinder in relativer Armut. Staaten, die wie Dänemark, Schweden, Finnland oder Belgien mehr als 10 % ihres BIP für Sozialleistungen ausgeben, schaffen es durchweg, die Kinderarmut auf unter 10 % zu drücken. Doch die Höhe der Sozialausgaben allein entscheidet nach Angaben von Unicef nicht allein über das Ausmaß von Kinderarmut. So geben zehn OECD-Länder, darunter auch die BRD, einen ungefähr gleich hohen Teil ihres Bruttosozialprodukts - zwischen 7 und 10 % - für die soziale Absicherung von Familien aus. Trotzdem gibt es zwischen diesen Ländern beträchtliche Unterschiede bei der Armutsrate: Sie variiert von 3,4 % in Norwegen über 10,2 % in der BRD bis zu über 15 % in Neuseeland und Großbritannien. Grund ist der Umstand, dass ein erheblicher Teil der staatlichen Sozialausgaben Rentenversicherung und Gesundheitswesen fließt. Jedes zehnte Kind in der BRD lebt in relativer Armut. Das entspricht mehr als 1,5 Millionen Kindern und Jugendlichen. Alarmierend ist die überdurchschnittliche Armut von Kindern Alleinerziehender und aus Zuwandererfamilien. 40 % der Kinder Alleinerziehender sind arm. Unter Kindern aus Zuwandererfamilien verdreifachte sich in den neunziger Jahren die Armutsrate von 5 auf 15 %. Dieser Zuwachs trägt maßgeblich zum Gesamtanstieg bei.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Bürgerrechte bei polizeilichen Hausdurchsuchungen gestärkt. So darf die Polizei die Hürden bei der Telefonüberwachung nicht aushebeln, indem sie einfach ein Mobiltelefon beschlagnahmt und die Verbindungsdaten untersucht, wie aus einem Beschluss hervorgeht. Außerdem betonte das Gericht, dass vor einer Hausdurchsuchung nach Möglichkeit ein Richter einzuschalten ist. Geklagt hatte ein Mann, dessen Mobiltelefon bei einer Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmt worden war. Der Kläger hielt die Beschlagnahme für unzulässig, doch das Landgericht Bonn hatte die Beschwerde abgelehnt. Nach der Rückgabe des Handys bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Dies sah Karlsruhe anders, denn die Polizei hatte untersucht, mit wem der Verdächtige in einem bestimmten Zeitraum telefoniert hatte. Dies sei ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, der nur unter strengen Bedingungen zulässig sei. So müsse es um die Ermittlung bei Straftaten von erheblicher Bedeutung gehen und ein Richter vorher der Maßnahme zustimmen. Die Polizei dürfe diese Hürden nicht unterlaufen, indem sie einfach das Telefon mitnehme. Daneben hatte sich der Kläger auch gegen die Hausdurchsuchung an sich gewandt. Anlass für die Durchsuchung war ein gestohlenes Auto, das vor einem Mietshaus mit 15 Wohnungen stand. Ein Nachbar hatte das Auto dem Kläger zugerechnet, doch der Verdacht bestätigte sich später nicht. Das Bundesverfassungsgericht kritisierte, dass die Polizei Gefahr im Verzug angenommen hatte und die Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss vornahm. Sie habe aber nicht darlegen können, warum die Durchsuchung besonders dringlich gewesen sei. Im Gegenteil habe sich die Polizei den Überraschungseffekt selbst zunichte gemacht, weil sie zwei Stunden vor der Durchsuchung den Verdächtigen bereits aufgesucht und nach dem Fahrzeug gefragt hatte. (Az: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 308/04)
In Frankreich demonstrierten mehrere Hundert Menschen für die Freilassung der inhaftierten Aktivisten der linksgerichteten Untergrundorganisation Action Directe. Schauplätze waren Ensisheim, Bapaume und Lannemezan, wo nach wie vor 4 Gefangene der AD einsitzen. Georges Cipriani, Jean Marc Rouillan und Nathalie Ménigon haben bereits ihre Mindesthaftzeit von 18 Jahren verbüßt, aber trotz schwerer Erkrankung der Gefangenen macht der französische Staat keinerlei Anstalten, die Inhaftierten auf freien Fuß zu setzen. Régis Schleicher sitzt sogar seit fast 22 Jahren ein, aber da er sich weiterhin zu seiner politischen Überzeugung bekennt, erfolgt keine vorzeitige Freilassung. In den vergangenen 100 Jahren war kein politischer Gefangener so lange in Frankreich inhaftiert wie der bereits 1984 verhaftete Schleicher. Auch der an Lungenkrebs erkrankte Rouillan erklärte, er werde niemals seine eigene Geschichte verleugnen. Die Teilnehmer der Kundgebungen kamen nicht nur aus Frankreich, sondern auch Genossen aus der Schweiz und der BRD beteiligten sich. Unter letzteren befanden sich übrigens ehemalige RAF-Häftlinge. RAF und AD versuchten in den 80er Jahren, durch Anschläge auf Rüstungsmanager und Kapitalisten eine gemeinsame antiimperialistische Front in Westeuropa aufzubauen. Vertreten waren Angehörige und Freunde der AD-Aktivisten sowie Delegationen kommunistischer und anarcho-syndikalistischer Organisationen wie der französischen Gewerkschaft CNT. Die baskische Antirepressionsorganisation Askatasuna erinnerte in ihrer Grußbotschaft daran, dass Frankreich seit 20 Jahren versuche, „die Gefangenen der Action Directe in der Vergessenheit verschwinden zu lassen“. Im Vorjahr erreichte eine auch von den Grünen und der KPF unterstützte Kampagne eine Haftverschonung für Joelle Aubron, die 3 Schlaganfälle und eine Hirntumoroperation hinter sich hatte.
Professor Rabehl gab der „Deutschen Stimme“ ein streckenweise interessantes Interview, auch wenn der SDS-Renegat angesichts seines Beitrittes zum Christlichen Gewerkschaftsbund derzeit offenbar unter Gehirnerweichung zu leiden scheint. Bedenklich erscheint uns auch Rabehls Ansicht, ausgerechnet im Deutschen Gewerkschaftsbund trieben linksradikale Verbündete des Ministeriums für Staatssicherheit (sic!) ihr Unwesen - ganz zu schweigen von der These einer Ermordung Rudi Dutschkes durch den KGB, aber nun gut. „Die Entstehung der Grünen Partei nach 1977, nach dem Tod der ersten Generation der RAF und nach dem Scheitern der vielen leninistischen Parteien muss als eine Abfolge von »Putschen« verstanden werden. Der Zusammenbruch des Sozialismus sollte keinen Raum geben für andere revolutionäre Umbrüche, weshalb die Westlinken und hier die marxistisch-leninistischen Ordnungsparteien hinein genommen wurden in ein Programm der »Umpolung«. Die unterschiedlichen Maoisten, aber auch die RAF-nahen Putztruppen der westdeutschen Großstädte, besetzten die entstehende Partei. Sie wurde von allen Illusionen und Utopisten gesäubert. Heute wird man vergeblich nach den politischen Fronten von Radikaldemokraten, Ökologen, Sozialisten, Anarchisten und Feministinnen suchen, die zu Beginn diese Partei prägten. Sie wurde stromlinienförmig als Machtapparat für die bestehende Staatlichkeit geformt. Weitere »Putsche« bestanden darin, diese Partei koalitionsfähig zu machen und als eine Machtreserve für die SPD aufzubauen. Das lief zum Teil über Erpressungen, weil ein Teil der Kader in illegale, partisanenähnliche Aktionen verwickelt war. Für mich war schon deshalb diese Partei versperrt, weil diese vielen Commandantes mit Recht in mir einen Gegner sahen. Derartige »Führerparteien« hatten keinen Platz für Zweifel an ihren »Generallinien«. (...) Was früher als »links« angesehen wurde, gilt heute als »rechts«. Tanzten vor Jahrzehnten noch die unabhängigen Linkskämpfer unter »Ho Tschi Minh«-Rufen durch die Straßen und galt die »nationale Befreiung« in Vietnam, China, Kuba oder Algerien als Vorbild gegen den anglo-amerikanischen Imperialismus aufzutreten, so empfindet heute die verstaatlichte Linke jede nationale Rückbesinnung als Zumutung, wenn nicht sogar als Volksverhetzung. Diese »Linken« akzeptieren die Vorbereitung neuer Kriege oder zeichnen sogar wie im Kosovo, in Albanien oder Afghanistan dafür verantwortlich. Sie geben sich proimperialistisch und prokapitalistisch wie die »grünen« Stammesfürsten, die gemeinsam mit der internationalen Mafia im Interesse der USA die prorussischen Mächte destabilisieren. Bei solch einem Gesinnungswandel kann es nicht verwundern, dass die Staatslinke inzwischen das eigene Volk hasst. Dieser Hass wird auf die übertragen, die an nationale Interessen erinnern. (...) Mir war es seit langem ein Anliegen, die nationalrevolutionäre Seite von Dutschke stärker herauszustellen, obwohl sie durchaus bei anderen Autoren erwähnt wurde. Dutschke wurde trotzdem als mediale »Figur« dämonisiert und idealisiert. Er war jedoch ein Sohn der deutschen Besetzung durch die westlichen und östlichen Großmächte und der Spaltung Deutschlands als Ergebnis des »Kalten Krieges« zwischen diesen Staaten. Dutschke und ich waren aus der DDR nach Westberlin geflohen. Hier waren wir gegen die Mauer angerannt, hatten auf die USA gesetzt und hatten uns als Fluchthelfer betätigt, bis wir feststellen mussten, dass die USA und die Sowjetunion den Mauerbau unterstützten, um die DDR zu konsolidieren und Ruhe in Mitteleuropa herzustellen. Für uns war eindeutig, dass die Hoffnungen und Interessen der Deutschen diese Siegermächte nicht interessierten, sondern dass sie ihre deutschen Staaten und Regierungen jeweils in ihrem Sinn instrumentalisierten. Deshalb wurde der nationale Befreiungskampf in Algerien für uns interessant und wir übertrugen dessen Werte auf die deutsche Situation. Wir gingen in die Linksorganisation »SDS«, weil wir in der DDR trotz aller Vorbehalte »sozialistisch« sozialisiert worden waren. Wir wollten diese Organisation umdisponieren in einen nationalrevolutionären und zugleich sozialemanzipativen Verband. Das wäre uns fast gelungen. In einem Zusammenklang mit einem kulturrevolutionären Aufbruch der westdeutschen Nachkriegsgenerationen wurde es möglich, ein politisches Unbehagen der jungen Generationen gegen die Blockflöten in Ost und West hervorzubringen. Die Politiker hatten große Schwierigkeiten, diesen Aufbruch wieder einzuebnen. Es dauerte fast 15 Jahre, bis alles wieder im Lot war. (...) Ich war entsetzt über den Wandel der Grünen und der Linken, die sich im Regierungslager sekundenschnell dem Habitus und dem Lebensstil der Superreichen angepasst hatten. Plötzlich gab es Kriege auf dem Balkan, die sie zu verantworten hatten, oder ihre Staatssekretäre nutzen in privaten Geschäften Rat und Unterstützung der Mafia. Mich entsetzte vor allem ihr Hass gegen das deutsche Volk und die Hektik, mit der sie den Umbau des deutschen Staates vornahmen. Der Turmbau zu Babel als ein multikulturelles Ereignis entpuppte sich als die gezielte Zerschlagung der deutschen Kultur und Tradition. Vergessen waren die Leistungen des deutschen Konservatismus und Liberalismus oder der deutschen Arbeiterbewegung, und es wurde auch nicht daran gedacht, die Nationalkulturen Europas zusammenzubringen und ihren Eigenwert zu unterstreichen. Die Grünen schienen Handlanger bei der Errichtung einer Minderheitsdiktatur zu sein, in der die Demokratie nur noch eine Fassade darstellte. Dutschke nun hätte diesen Umbau und den Zusammenbruch des alten Europa im Sinne eines revolutionären Nationalismus genutzt. Er hätte die Klassen und Völker befähigt, die Nationalstaaten neu zu ordnen, ihnen Souveränität zu geben, um auf der Grundlage eines europäischen Völkerrechts Europa zu demokratisieren. Die DDR-Schule hatte bei Dutschke und bei mir die Idee des »besseren Deutschland« gepflanzt. Im Westen fiel uns auf, dass die UdSSR den traditionellen deutschen Nationalismus für ihre Deutschland- und Europapolitik instrumentalisieren wollte. Aus diesen Gründen orientierten wir uns am antikolonialistischen Nationalismus Algeriens und Vietnams, um in der Situation einer faktischen Niederlage im Widerstand nationales Denken neu zu begründen. Der erste Schritt bestand darin, innerhalb des SDS eine Trennung zu den Parteigängern der KPD/SED zu vollziehen und zugleich an die solidarischen Werte der deutschen Arbeiterbewegung zu erinnern. Aus diesen Gründen wurden Anarchismus und Linkssozialismus für uns wichtig. Der Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR war für uns Indiz, dass diese »Klasse« mit Unterstützung einer unabhängigen Linksintelligenz fähig wäre, diese historische Aufgabe zu übernehmen. Der Vietnamkrieg zeigte uns, dass die USA als Okkupationsmacht in Deutschland und in Vietnam globale Interessen verfolgten und vollkommen desinteressiert waren an einer Einheit Deutschlands unter dem Vorzeichen einer nationalen Souveränität. Es dämmerte uns auch, dass die »Arbeiterklasse« als eine historische Kraft verbraucht war. Deshalb faszinierte uns das Buch von Franz (richtig: Frantz, C. K.) Fanon: »Die Verdammten dieser Erde.« Dazu gehörten nach unserer Überzeugung nicht nur die Kolonialvölker, sondern auch einzelne europäische Völker, vor allem die Deutschen, die durch die Fremdmächte und die westöstliche Umerziehung längst ihre nationale Identität eingebüßt hatten. Diese musste zurück gewonnen werden durch Kampfformen, die sich gegen die amerikanische Hegemonie, gegen den »Kaufrausch« als Kaufhaus- und Marktstatus, gegen die »Manipulation« durch Erziehung und Öffentlichkeit, gegen eine »Fremddefinition« ganz allgemein richtete.“
Die Genossen von der SAV wiesen auf die Segnungen nationaldemokratischer Kommunal- und Sozialpolitik hin, demonstriert am Beispiel der sächsischen Kleinstadt Wurzen (wo die NPD bei den sächsischen Kommunalwahlen 11,8 % und 3 Sitze im Stadtrat holte). Hier gelang es der CDU nämlich, mit den Stimmen der NPD-Stadträte ein „Haushaltssicherungskonzept“ durchzudrücken, das es in sich hatte: Nichtbesetzung von 23 Stellen in der Verwaltung, Erhöhung der Nutzungsgebühren für Bibliotheksnutzer, einen höheren Pachtzins für Kleingärtner, Gebührenerhöhung bei Standesamt und Einwohnermeldeamt sowie Zusammenstreichung der Putzstellen an den Schulen. Da kann man nur sagen: Schnauze voll!
Bundesinnenminister Otto Schily startete das Pilotprojekt Fast-Identification. Hierbei handelt es sich um ein mobiles System, das es der Polizei ermöglicht, Personen schnell und überall zu identifizieren. Hierbei werden lediglich zwei Finger (Zeigefinger oder Daumen) optoelektronisch erfasst. Sie werden dann mit einem auf dem mobilen Terminal abgespeicherten Fingerabdruck-Datenbestand oder über Funk mit dem zentralen „Automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungs-System" (AFIS) im Bundeskriminalamt verglichen. An dem Pilotprojekt sind neben dem BKA Polizeibehörden aus den Ländern Bayern, Hessen sowie Nordrhein-Westfalen beteiligt. Schily: „Fast Identification ist ein zukunftsweisendes System. Die Flexibilität der polizeilichen Identifizierungen wird beträchtlich gesteigert. Bislang kann die Identifizierung einer Person in der Regel nur in den Polizeiwachen durchgeführt werden, die über fest installierte Geräteausstattungen verfügen. Sowohl für die Polizei als auch für den Betroffenen ist dies mit einem erheblichen Transportaufwand und Zeitverlust verbunden. Beides lässt sich künftig minimieren." In Einzelprojekten werden unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten der Einzelfingerscanner gestestet. So etwa der Einsatz im Rahmen von sportlichen Großveranstaltungen - eindeutig ein Vorlauf für die Verwendung bei politischen Kundgebungen! Als lokaler Datenbestand werden auf den Scannern Fingerabdrücke von bereits erkannten Gewalttätern aus dem Bereich Sport gespeichert. Der Einsatz der mobilen Geräte bereits am Bahnhof, Bus- und Autoparkplätzen ermöglicht eine effektive Vorfeldkontrolle und das rasche Herausfiltern bekannter Gewalttäter. Andere Scanner sind über ein Netzwerk mit dem AFIS-System des BKA verbunden und ermöglichen damit eine Recherche im Gesamtdatenbestand.
Berechnungen der „Berliner Morgenpost“ zufolge wird Spanien bis 2011 die wirtschaftlich stagnierende BRD beim Pro-Kopf-Einkommen überholt haben. Italien könnte bereits im Jahr 2007 an der Bundesrepublik vorbeiziehen. Wie groß der relative Abstieg ist, zeigt die Statistik: Ende der 80er Jahre zählte die BRD noch zu den reichsten Nationen des Alten Kontinents. Das Pro-Kopf-BIP lag damals rund 20 % über dem EU-Durchschnitt. Auch Anfang der 90er Jahre gehörte die BRD noch zu den Top Drei der EU mit ihren damals 15 Staaten. Seitdem ging es für das einstige Wirtschaftswunderland stetig bergab: Mitte der 90er Jahre gab es nur fünf Länder (Luxemburg, Österreich, Dänemark, Belgien und die Niederland), deren Wertschöpfung pro Kopf über der bundesdeutschen lag. Mittlerweile hat sich das Bild umgekehrt. Gerade einmal vier Staaten (Italien, Spanien, Griechenland und Portugal) schneiden schlechter ab als die BRD. Besonders frappierend ist der Vergleich mit Großbritannien. 1995 lag die Wertschöpfung pro Kopf noch 8 % unter der bundesdeutschen. Heute, zehn Jahre später, ist die Wirtschaftsleistung der Briten im Schnitt 9 % höher. Auch die Niederlande, die vor zehn Jahren etwa auf dem gleichen Niveau wie die BRD lagen, spielen längst in einer anderen Liga. Setzt sich dieser Trend so fort, könnte die BRD bis zum Jahr 2011 im Wohlstandsranking der EU-15 auf den drittletzten Platz abrutschen, nur noch gefolgt von Griechenland und Portugal. Und auch diese Länder holen im Eiltempo auf. Zwar werden in Griechenland und Portugal pro Kopf derzeit durchschnittlich erst drei Viertel der Wirtschaftsleistung des Durchschnitts-Deutschen erreicht. Doch wie aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hervorgeht, wächst das Einkommen in diesen Ländern erheblich schneller als hierzulande. Setzt sich das so fort, wird aus dem einstigen europäischen Wohlstandsmotor, der Gastarbeiter aus vielen südlichen Ländern anzog, ein Land, das mehr aus dem EU-Topf erhält als es einzahlt: "Wenn wir so weitermachen wie in den vergangenen 20 Jahren, könnte Deutschland irgendwann tatsächlich zum Nettoempfänger werden - zumindest in der alten EU-15", sagt Stefan Bergheim von Deutsche Bank Research. Erklärungen für den dramatischen Abstieg sind die Belastung durch die Wiedervereinigung, das schwache Wirtschaftswachstum sowie veraltete Strukturen in Verwaltung, Arbeitsmarkt und Bildungswesen. Auch bei den klassischen Wachstumstreibern wie Unternehmensinvestitionen oder Humankapital ist die BRD der INSM-Studie zufolge fast überall Schlusslicht. Sollte dieses Land so weiter machen wie bisher, dann wird der Verfall dramatische Züge annehmen: Bereits jetzt ist erkennbar, dass die Infrastruktur in den Städten zerfällt und die Defizite im Bildungssystem immer größer werden.
Sobald die Staatsanwaltschaft innerhalb eines Ermittlungsverfahrens eine bestimmte dynamische IP-Nummer einschließlich der Uhrzeit in Erfahrung gebracht hat, müssen Provider Name und Anschrift des Kunden mitteilen. Einer vorherigen schriftlichen Anordnung durch einen Richter nach der Strafprozessordnung bedarf es nicht, weil das Fernmeldegeheimnis nicht betroffen sei. Das berichtet die „Neue Juristische Wochenschrift“ (Ausgabe 9/2005) unter Berufung auf eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Stuttgart (Az.: 13 Qs 89/04). Auslöser des Gerichtsverfahrens waren Ermittlungen der Staatsanwalt gegen einen Unbekannten wegen der Verbreitung pornografischer Inhalte. Nachdem die Strafverfolger die dynamische IP-Adresse und Uhrzeit ermittelt hatten, verlangten sie vom Provider T-Online die Nennung von Namen und Anschrift des Kunden, dem zum genannten Zeitpunkt die IP-Adresse zugeordnet war. T-Online verweigerte die Herausgabe der Daten mit der Begründung der fehlenden schriftlichen richterlichen Anordnung. Der Richtererlass sei nach Auffassung von T-Online jedoch nach § 100b Abs. 1 StPO zwingend erforderlich gewesen, da die Daten dem Fernmeldegeheimnis nach § 88 Telekommunikationsgesetz unterliegen würden. Ebenso wie das Amtsgericht Stuttgart als Vorinstanz wies auch das Landgericht die Beschwerde zurück und bestätigte die Pflicht zur Herausgabe der Daten. Nach Auffassung des LG Stuttgart bewirkt die Kenntnis der dynamischen IP-Adresse und der Uhrzeit die eindeutige Identifizierung des Endgerätenutzers. Daraus folge, dass auch ohne Wissen um Namen und Anschrift des Nutzers lediglich ein so genanntes Bestandsdatum vorliege, für das nicht das Fernmeldegeheimnis gelte. Demnach stehe der Staatsanwaltschaft bei Verdacht von Straftaten ein Auskunftsanspruch gemäß § 113 TKG zu, so die Richter.
Zwar gibt die Lage in Palästina derzeit Anlass zur Hoffnung, aber von einem echten Frieden ist man noch weit entfernt. Nachdem die Israelis zwei Aktivisten der Fatah töteten und erneut die Häuser mutmaßlicher Untergrundkämpfer zerstörten, reagierte der Islamische Jihad mit einem Selbstmordanschlag in Tel Aviv, bei dem es 5 Tote und 49 Verletzte gab. Die israelische Regierung legte daraufhin die Vorbereitungen zum Rückzug aus den Autonomiegebieten auf Eis und lastete der syrischen Regierung Mitverantwortung an: Die Führung des Jihad residiert in Damaskus. Palästinenserpräsident Abbas bezeichnete die Attentäter als „Saboteure“ und ordnete polizeiliche Maßnahmen an. Sharon drohte unumwunden mit einem Abbruch der Friedensgespräche, der stellvertretende Verteidigungsminister Zeev Boim dachte gar öffentlich über militärische Schritte gegen Syrien nach, falls man so dort geplante Anschläge verhindern könne. Allerdings bekräftigten sowohl der Islamische Jihad als auch die Hamas, dass es sich bei dem Anschlag um einen reinen Vergeltungsakt handelte. Beide Organisationen bekennen sich nach wie vor zum Waffenstillstand von Anfang Februar, während ausgerechnet die der Fatah nahe stehenden Al-Aksa-Brigaden die Waffenruhe mittlerweile aufgekündigt haben. Die israelische Regierung ließ verlauten, dass sie den Jihad künftig nicht mehr als Waffenstillstandspartei betrachten werde. Auf der Londoner Nahostkonferenz stärkten die USA, Großbritannien und Frankreich dem auf die Ausrufung eines unabhängigen Palästinenserstaates noch vor Jahresende hoffenden Abbas den Rücken und erinnerten beide Parteien an ihre Verpflichtungen aus der so genannten Roadmap.
Zwei Wochen nach der Ermordung des libanesischen Expremiers Rafik Hariri ist die Regierung Karami in Beirut infolge anhaltender Massenproteste zurückgetreten. Die Opposition beschuldigt Regierungskreise und die Schutzmacht Syrien, hinter dem Anschlag zu stehen. Als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten wird neben dem im Exil lebenden General Aoun u.a. der Drusenführer Walid Jumblat gehandelt, dem die Bildung einer Allparteienkoalition vorschwebt - unter Einbeziehung der Hizbollah. Allerdings ist man in Hizbollah-Kreisen wenig an einer prowestlichen Regierung interessiert, die den Libanon den USA und Israel ausliefern würde, zudem trifft die Forderung nach Totalabzug der syrischen Truppen auf Ablehnung. Angesichts massiven Drucks aus den USA erklärte sich der syrische Staatspräsident Assad prinzipiell zum Rückzug aus dem Zedernstaat bereit. Allerdings fordert Damaskus als Bedingung Sicherheitsgarantien, also einen Friedensvertrag mit Israel inclusive Rückgabe der von den Israelis besetzten Golanhöhen. Als Geste gruppiert Syrien seine Truppen um: Die in der Nähe Beiruts liegenden Einheiten werden ins Bekaa-Tal nahe der syrischen Grenze verlegt.
Das ehrgeizige Umschuldungsprogramm des argentinischen Präsidenten Nestor Kirchner endete erfolgreich und rettete das hoffnungslos überschuldete Land vor dem Staatsbankrott: Rund 75 % der Forderungen von nichtstaatlichen Auslands- wie Inlandsgläubigern mit einem Nennwert von 81,8 Milliarden Dollar (102,6 Milliarden mit Zinsen) wurden gegen neue Schuldtitel mit niedrigeren Zinsen und längeren Laufzeiten umgetauscht. Vor allem mussten die Privatgläubiger auf bis zu 66,6 % des Nominalwertes verzichten, um überhaupt noch Geld aus Argentinien zu sehen. Buenos Aires hatte seit Ende 2001 die Schulden bei privaten Gläubigern nicht mehr bedient. Die insgesamt 152 Schuldtitel aus alten Staatsanleihen wurden dabei in zwei bis drei neue Titel mit unterschiedlichen Konditionen umgewandelt - die größte Umschuldungsaktion der Finanzgeschichte. In Argentinien wurden als Zeichen des wachsenden Vertrauens in die Wirtschaftspolitik der Regierung 97 % der Titel umgetauscht, die Auslandsgläubiger wandelten 90 % um. Mit dem Auslaufen des Umschuldungsprogramms Ende Februar erkennt Argentinien alle nicht umgewandelten Schuldtitel nicht mehr an. Vor allem Anlegergemeinschaften in der EU kritisierten das argentinische Angebot als zu niedrig und warnten vor dem möglichen Vorbildcharakter. In der Tat beobachtet vor allem die brasilianische Regierung die Politik Kirchners mit verdächtiger Aufmerksamkeit.
In Kürze wird der Berliner Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch ein interessantes Buch unter dem Titel „Hitlers Bombe“ (dva) veröffentlichen. Karlsch gelangt anhand der Auswertung bislang unbekannter Archivbestände in Moskau, eines privaten Nachlasses und von Zeugenaussagen zu dem Schluss, dass die Atomforschung des „Dritten Reiches“ weitaus weiter war als bislang angenommen. Bereits 1944 lief in der Nähe Berlins ein primitiver Atomreaktor - und die erste Atomwaffe der Geschichte explodierte nicht in Los Alamos, sondern am 3. März 1945 um 21.20 auf dem thüringischen Truppenübungsplatz Ohrdruf. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um eine klassische Atombombe, sondern eher um eine so genannte „Schmutzige Bombe“ aus Sprengstoff und radioaktivem Material. Die Ladung reichte dennoch aus, um ein Areal von einem Kilometer Durchmesser zu verwüsten und einige 100 Testpersonen - wahrscheinlich kriegsgefangene Rotarmisten - umzubringen. Wir erinnern daran, dass zu dieser Zeit nach wie vor deutsche Raketen London erreichen konnten...Die Entwicklung der radioaktiven Bombe ging nicht etwa auf das bislang im Rampenlicht stehende Team von Nobelpreisträger Werner Heisenberg zurück, sondern auf die in Gottow für das Heereswaffenamt arbeitende Gruppe um Kurt Diebner. Diebner war interessanterweise nach dem Zweiten Weltkrieg in der berüchtigten Anlage von Geesthacht-Krümmel an bundesdeutschen Forschungen über Atom- und Wasserstoffbomben beteiligt.
Die „Freundinnen & Freunde der klassenlosen Gesellschaft“ wandten sich im Mai 2004 mit einer Grußadresse an die 27. Bundeskoordination Internationalismus (buko), betitelt mit „Wolkenkuckucksheim der Linken“: „Was könnte man in diesen Zeiten Besseres tun, als das Ende der Bescheidenheit auszurufen und über Aneignung zu diskutieren? Immer wieder verpflichten sich Linke mit dem monotonen Hinweis auf die ungünstigen Kräfteverhältnisse zum Backen kleiner Brötchen: Antifaschistisch gestimmt das Schlimmste verhindern wollen und dabei der Demokratie in die Arme laufen, die abgetakelten Gewerkschaften verteidigen, nach Feierabend noch geschwind ein paar „Diskurse verschieben“. Das Reden über Aneignung dagegen erinnert an den verrückten Zustand, dass der aufgehäufte Reichtum nicht zu unserem allseitigen Vergnügen da ist, wie es sich gehört, sondern umgekehrt wir als eigentumslose Klasse zur Produktion von Kapital verflucht sind, um uns in den Besitz einiger popeliger Lebensmittel zu bringen. Die viel geschmähte und selten kritisierte Arbeiterbewegung hatte sich daher, bevor sie sozialdemokratisch auf den Hund kam, die Expropriation der Expropriateure auf die Fahnen geschrieben. Auch heute gilt es, dem Kapital - ob Aktiengesellschaft oder Privateigentümer ist egal - die Produktionsmittel wegzunehmen. Aneignung müsste aber zugleich das Programm der etatistischen Arbeiterbewegung hinter sich lassen, deren Sozialismus bloß die Fortsetzung des Kapitalverhältnisses mit staatlichen Mitteln war. Das Ende der Bescheidenheit kann nur heißen, die Überwindung der Warenproduktion, also der Lohnarbeit und des Geldes, und ihres bewaffneten Hüters respektive Organisators, des Staates, anzustreben - selbstverständlich nicht als Sofortprogramm, aber als Richtschnur, um über Praxis hier und jetzt überhaupt vernünftig reden zu können. Dann weiß man immerhin, wovon man meilenweit entfernt ist. Die derzeit ausufernde Diskussion um Aneignung bewegt sich nur selten in diese Richtung, etwa wenn das Verhältnis besetzter Fabriken in Argentinien zur breiteren Bewegung untersucht wird, die allein ihnen das Schicksal der Selbstverwaltung der Misere ersparen könnte, oder darüber debattiert wird, dass die populären Umsonst-Kampagnen zwar potentiell eine Kritik der Warenform enthalten, aber zwangsläufig in die Zirkulationssphäre gebannt bleiben. Ansonsten aber wird der Begriff der Aneignung jeglichen Gehalts beraubt, weil sich nahezu jede offenbar irgendetwas aneignet. So wird nicht nur die von den desaströsen Verhältnissen erzwungene Migration als Akt der Aneignung dargestellt. Auch eine linke Konferenz wie der Buko ist bereits Aneignung, während sich andere den öffentlichen Raum zum Tischtennisspielen oder Biertrinken aneignen, wie die vollends in der Postmoderne angekommene Zeitschrift Arranca berichtet. Statt die Kritik des Alltagslebens voranzutreiben, werden beliebige Freizeitaktivitäten zur offensiven Praxis aufgeblasen. Was vermutlich gerade „spannend“, weil vielfältig und lebensnah, sein soll, verbreitet in seiner buchstäblichen Gleichgültigkeit am Ende nur Langeweile. Auch wo nicht von „Mikropolitiken“, „Singularitäten“ und „Multitudes“ schwadroniert wird, scheint die Postmoderne die spontane Ideologie einer Linken zu sein, die nicht mehr von der universellen Klasse sprechen mag und schon gar nicht von der Revolution. Kein Wunder, dass sie sich Intellektuelle zu ihren Vorzeige-Theoretikern wählt, die entweder vor „abstrakter Revolutionsmetaphysik“ (Joachim Hirsch) warnen, oder aber die Revolution kurzerhand überflüssig finden: „Wir leben schon im Kommunismus.“ (Toni Negri)Die Star-Theoretiker der Linken könnten gegensätzlicher nicht erscheinen. Auf der einen Seite steht der „radikale Reformismus“ eines Hirsch, der die Menschen nur als Opfer von „Neoliberalismus“ und „Globalisierung“ wahrnimmt, auf der anderen der Post-Operaist Negri, dessen Triumphalismus schier grenzenlos ist und im Delirium mündet. Hier ein dröger Politologen-Marxismus, dort überschäumende Lyrik über die „Multitude“. Doch in trauter Eintracht arbeiten sie am Brückenschlag zwischen Bewegungen und Staat, wo dieser nicht ohnehin längst erfolgt ist, indem sie die politische Flankierung der Ausbeutungsverhältnisse mitgestalten wollen. So wird der Aneignungsbegriff von Negri und Hirsch auf ein neues Sozialstaatsmodell hingebogen. Dass der Sozialstaat in seiner bisherigen Form nicht zu retten ist und ohnehin nicht das Schlaraffenland war, ist links von den Gewerkschaften inzwischen ein Gemeinplatz, der jedoch nur als Einladung verstanden wird, ein Nachfolgeprojekt auszubrüten. Radikale Rhetorik und konformistischer Gehalt gehen dabei eine merkwürdige Verbindung ein. So kündigt Hirsch zunächst an, „den traditionellen Staatsreformismus überschreiten“ und sich „über eine grundsätzlich andere Einrichtung der Gesellschaft“ Gedanken machen zu wollen, gar das „Denken in den Kategorien der ‚Waren- und Arbeitsgesellschaft’“ hinter sich zu lassen. Das Resultat dieser gemeinsamen Bemühungen mit der Arbeitsgruppe Linksnetz entpuppt sich dann als minutiöses Konzept für eine steuerfinanzierte „soziale Infrastruktur“. Nachdem man jahrzehntelang an materialistischer Staatstheorie gearbeitet hat, schreibt man nun weitschweifige Konzepte für eine Regierung, die nie danach gefragt hat, weil sie um die vollständige Nutzlosigkeit solcher Elaborate weiß. „Lohnarbeit wird es nach wie vor geben“, erläutert man nach Verabschiedung der „Waren- und Arbeitsgesellschaft“, aber sie wird „vernünftigere und menschlichere Formen annehmen“. Die gute Nachricht: „Eine Re-Regulierung der Weltwirtschaft steht angesichts ihrer immer deutlicher werdenden Krisenhaftigkeit ohnehin auf der Tagesordnung“, erläutert Hirsch in der Arranca seine „neue Politik des Sozialen“, und „größere Wirtschaftsräume wie z.B. die Europäische Union“ sind „durchaus in der Lage, eigene Wege zu gehen.“ Was hier noch vorsichtig angedeutet wird, posaunen Negri und sein Mitstreiter Hardt laut heraus. Nachdem sie „die nicht zu unterdrückende Leichtigkeit und das Glück, Kommunist zu sein“ entdeckt haben, wittern sie nun Morgenluft für einen europäischen Gegen-Block zum Unilateralismus der USA, in den sich die sozialen Bewegungen einbringen sollen: „Für die Gesellschaft in Europa ist, ... auch die aktuelle Verfassungsdebatte zeigt das, Solidarität eine im Alltagsverstand verankerte politische Selbstverständlichkeit, die im Gegensatz zum radikalen Neoliberalismus der Pläne für ein amerikanisches Empire steht. In der biopolitischen Kooperation in Europa finden ferner Qualitäten und Werte ihren Ausdruck, die dem Anspruch, die Gesellschaft monokratisch zu regieren, opponieren.“ Nachdem bereits die Friedensbewegung des letzten Jahres, die auch der Buko unkritisch als Hoffnungsschimmer deutet, dem europäischen Projekt zum gewünschten moralischen Surplus verholfen hat, soll nun der Widerstand gegen die immer mieseren Arbeitsverhältnisse der Fata Morgana des „sozialen Europa“ hinterher hecheln. Dieser unverfrorene Vorschlag kommt nicht allzu überraschend, da die Forderungen von Negri und Hardt generell den Boden der kapitalistischen Rationalität nicht verlassen. Schließlich muss man in der Postmoderne immanent bleiben und entdeckt die Ontologie als neue Methode um sich mit den Fortschritten des Kapitalismus zu versöhnen. Die neue Gestalt des Kapitalismus, die durch Kommunikation und Kooperation das alte fordistische Modell abgelöst habe, weist bereits den Weg in die gemeinschaftliche Produktion des Seins - was die postmoderne Terminologie für Kommunismus als Lebensphilosophie ist. Gleichzeitig fassen Negri/Hardt den politischen Gehalt ihres Werkes noch einmal in der Forderung des Rechts auf Weltbürgerschaft, sozialen Lohn und Wiederaneignung zusammen. Spätestens hier werden die Parallelen zum radikalen Reformismus à la Hirsch offensichtlich. Schließlich handelt es sich absichtsvoll um Forderungen, die vermeintlich nur die rechtliche Anerkennung eines bereits existierenden ökonomischen Verhältnisses einklagen wollen. Kommunismus wird damit zu einer Suche nach Gemeinsamkeiten im Hier und Jetzt, die das Bestehende nicht negieren, sondern produktiv sein will. Die Multitude ist eine konstruktive Kraft. Wenn der starke Arm der Multitude es will, stehen die Räder/Kommunikationsnetze nie mehr still. Aneignung, so verstanden, ist alles andere als der Fluchtpunkt, der aus den Staatsbürgerphantasien vom Existenzgeld herausführen könnte: „Linksradikale Kämpfe um Aneignungsweisen können auch dort ansetzen, wo eine linksliberale Öffentlichkeit schon längst nicht mehr interveniert: bei einem sozialen Leben jenseits der Arbeitskraftverwertung und, als dessen politische Voraussetzung, bei der Verankerung sozialer Rechte, kurz: bei der Entkopplung von Lohnarbeit und Existenzsicherung im Sinne eines arbeitszwangfreien Existenzgeldes.“ (Arranca) Das klingt natürlich viel konkreter und realistischer als die Überwindung der Warenproduktion. Dabei sein ist alles, wenn es darum geht „linksradikale Politik als legitimen Teil eines sich formierenden, breiteren gesellschaftlichen Widerstands zu präsentieren.“ (Arranca) Die Legitimation erfolgt durch die Beteiligung an einer windschiefen Diskussion, in der die Fehlinterpretation des alten Sozialstaates der Illusion über den neuen den Weg bereitet: Wann hat jemals eine linksliberale Öffentlichkeit die Arbeitskraftverwertung angekratzt? Und wieso sollte der Staat ein Recht auf Faulheit verankern, wenn die ihm zugrunde liegende Produktionsweise das glatte Gegenteil zur Voraussetzung hat? Solange Linken angesichts der gegenwärtigen Verschärfung der Ausbeutungsbedingungen nichts Besseres einfällt, als vom nun aber wirklich sozialen Staat zu träumen, sollten sie wenigstens nicht das Ende der Bescheidenheit ausrufen.“
Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle