Wochenschau
|
Die politische Wochenschau
vom 19. bis 25. Februar 2005
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
|
|
|
Flügelkämpfe
bei Wahlalternative |
|
Zitat der Woche: |
"Es
gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den
Bauch stecken, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit
nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch
Arbeit zu Tode schinden, einen zum Selbstmord treiben, einen in
den Krieg führen. Nur weniges davon ist in unserem Staat
verboten." |
-
Bertold Brecht |
Die schleswig-holsteinischen Landtagswahlen gerieten zu einem wahren Krimi. Nachdem es phasenweise nach einen Erfolg der Opposition aussah, setzte sich infolge eines Einbruchs der FDP die amtierende Landesregierung durch. Stärkste Partei wurde die CDU mit 40,2 % und 30 Abgeordneten, gefolgt von der regierenden SPD mit 38,7 % und 29 Mandaten. Die Sozialdemokraten mussten deutliche Stimmenverluste von 4,4 Prozentpunkten hinnehmen. Die FDP fiel auf 6,6 % und 4 Sitze zurück; die Grünen hielten ihre 6,2 % und 4 Abgeordnete. Zwar ist die SPD nur noch zweitstärkste politische Kraft zwischen Nord- und Ostsee, aber unter Tolerierung durch den Südschleswigschen Wählerverband, die Partei der dänischen Bevölkerungsgruppe, kann Heide Simonis mit einer rot-grünen Minderheitsregierung weiter amtieren. Der SSW erhielt 3,4 % (Hochburg Flensburg mit 18,8 %) und entsendet 2 Abgeordnete, da er von der Sperrklausel befreit ist. Die NPD scheiterte trotz hochgesteckter Erwartungen mit 1,9 %, die PDS blieb mit 0,8 % nur marginal. Hochburgen der Nationaldemokraten waren die Landkreise Neumünster mit 3,1 %, Kiel-Ost mit 2,8 %, Lübeck-West mit 2,9 %, Lübeck-Ost mit 2,7 % und Lauenburg-Süd mit 2,8 %. Die PDS verbuchte Achtungserfolge in Kiel-West (1,5 %), Kiel-Ost (2 %), Lübeck-West (1,9 %), Lübeck-Ost (1,4 %) und Lübeck-Süd (1,5 %).
Angesichts der sich abzeichnenden Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung in Kiel durch den dänischen SSW fordern Politiker von CDU und FDP Repressalien gegen die dänische Bevölkerungsgruppe. Ausnahmsweise brachte „SPIEGEL online“ sogar einmal einen brauchbaren Kommentar hierzu zustande: „In der Republik tobt ein Streit, ob man der dänischen Minderheit die Privilegien entziehen sollte. Doch wer jetzt seinen Wahlfrust mit einem politischen Grundsatzstreit über "Anachronismus" bemäntelt, handelt anti-europäisch, unpatriotisch und setzt auch die deutsche Minderheit im europäischen Ausland kalter Zugluft aus. Gut geht es Dänen, und denen, denen Dänen nahe stehen" - dieser Nachkriegswitz von Wolfgang Neuss wird wohl zum Motto der neuen Landesregierung in Schleswig-Holstein werden. Seitdem klar ist, dass die dänischen Minderheitsvertreter im Landtag eine politische Schlüsselrolle einnehmen werden, die den tagespolitischen Interessen der CDU und FDP gänzlich zuwiderläuft, geißelt nun mancher das "Kieler Landrecht" als europäischen Anachronismus. Solche Argumente hätten eine spannende Debatte um Minderheitenprivilegien in Europa eröffnen können - wenn sie ein paar Wochen vor der Wahl erhoben worden wären. 48 Stunden nach der Wahl ist der Wunsch, man möge dem SSW gefälligst die Fünf-Prozent Hürde vor die Füße setzen, ein hilfloser Versuch, die Wut und den Frust der Konservativen mit einem politischen Grundsatzargument zu bemänteln. Die Privilegien der dänischen und friesischen Minderheit in Schleswig-Holstein reichen sehr weit. Die Sorben in Brandenburg sind in einer Stiftung organisiert, die vom Staat finanziell begünstigt wird. Sie erheben im Gegensatz zum SSW-Klientel keine Ansprüche auf eine Mitsprache im Landtag sondern begnügen sich mit einer Verfassungsgarantie für Kulturpflege und Zweisprachigkeit in ihrer Region. Als nationale Minderheit wurden die Sorben in der DDR entdeckt; Honecker wollte in seiner kleinen Täterä eben auch ein bisschen Bevölkerungspolitik machen wie die großen Brüder in Moskau. Ein Anachronismus ist der Schutzstatus der Sorben, die im Gegensatz zu den Serben keine Nation im Rücken haben, deshalb noch lange nicht. Ist die Stimme für den SSW an der Waterkant nun mehr wert als die für die FDP, weil der SSW auch mit 3,6 Prozent in den Landtag einziehen darf? Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dem Casus erst vor kurzem wieder beschäftigt und der Kieler Praxis nicht widersprochen. Nun mag man die Begründung des Urteil für dürr halten; soweit, dass ein Herr Koch oder Herr Brüderle sie aus Gründen reinen Machtkalküls verwerfen könnte, sind wir in Deutschland noch nicht. Die ganze Debatte um den SSW und die Rechte nationaler Minderheiten, die von den Konservativen schäumend begonnen worden ist, krankt an ihrem deutschen Tunnelblick. Im vereinten Europa ist Minderheitenpolitik ein kompliziertes Gesamtkunstwerk, das Sensibilität und den Willen zur Balance erfordert. Wer den Dänen in Schleswig Holstein Rechte beschneiden will, muss wissen, dass er der deutschen Minderheit in Dänemark damit einen Bärendienst erweist. Eine solche, zumal von politischer Tagesdynamik in Gang gesetzte Attacke auf Verfassungsrechte würde außerdem auch in anderen Ländern sofort Misstrauen hervorrufen, unter denen vor allem Deutsche zu leiden hätten: Unsere Landsleute im europäischen Ausland nämlich. Die Privilegierung der dänischen Minderheit war ein politischer Deal mit dem Königreich, das nach dem Krieg seinerseits die deutsche Minderheit mit (weitaus weniger weitreichenden, C. Klee) Sonderrechten ausstattete. Eingefädelt hat dieses weise Abkommen der CDU-Kanzler Konrad Adenauer mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen, in denen Deutschland und Dänemark sich verpflichteten, die jeweilige Minderheit zu schützen. Natürlich könnte man heute sagen: Der SSW ist so gut integriert, das er heute sogar das Zünglein an der Waage in Kiel spielen darf. Schenken wir ihm zum 50. Jahrestag der Garantieerklärungen (29. März 1955) die 5-Prozent-Hürde! Doch auf diese Forderung ist Herr Koch noch nicht gekommen, in Wiesbaden reichte es nur für plumpe Deutschtümelei. Am 18. April 1864 stürmten preußische Truppen die Düppeler Schanzen und entschieden den deutsch-dänischen Krieg mit dieser Schlacht für sich. Wenn nun wieder ein dänisches Bollwerk ins Visier genommen werden soll, diesmal in erster Reihe vom hessischen Ministerpräsidenten Koch im Verein mit konservativen Tageszeitungen, wird das in ganz Europa zur Kenntnis genommen werden - mit Sorge, wie es bei Diplomaten dann gerne heißt. Denn das vereinigte Europa ist vor allem ein System kommunizierender Röhren, fragil, widersprüchlich, zusammengehalten von ein paar Ideen, vor allem aber immer noch von Verträgen und Agreements. Wer an der deutsch-dänischen Balance rührt, muss sich nicht wundern, wenn ihm schnell noch ganz andere Konflikte um die Ohren fliegen. Im polnischen Nationalparlament, dem Sejm, sitzen beispielsweise mit ähnlichen Rechten ausgestattete Abgeordnete deutscher Herkunft. Die Deutschen in Polen sind an prozentuale Sperrklauseln bei den Wahlen ebenso wie die Ukrainer und die Weißrussen nicht gebunden. Das Aberkennen dänischer Minderheitenrechte in der Bundesrepublik könnte eine Steilvorlage für polnische Nationalisten abgegeben, denen die Anwesenheit der deutschen Minderheit auf der politischen Bühne der polnischen Hauptstadt ein Dorn im Auge ist. In Polen leben heute noch etwa 300.000 Deutsche vor allem in Schlesien und in Danzig, und das Zusammenleben mit den Polen läuft dort bei weitem nicht immer nur so einträchtig wie die freundliche deutsch-dänische Nachbarschaft im Norden der Republik. Selbst in Belgien wird die Debatte Irritationen auslösen. Auch dort leben so genannte Kulturdeutsche - ihre Integration in das Königreich gilt bisher als vorbildlich. Auf dem Balkan, wo deutsche Diplomaten und Bundeswehrsoldaten Bosniaken, Serben, Kosovaren und Kroaten beibringen sollen, sich nicht ständig umzubringen sondern einträglich miteinander auszukommen, wäre die Verwunderung über einen neuen Kurs beim Schutz nationaler Minderheiten wohl nicht geringer. Europäische Probleme sollten eben nie in erster Linie unter innenpolitischen Vorzeichen debattiert werden. In Kiel geht es um viel mehr als um Peter Harry Carstensen und eine Wahl, die erst gewonnen und dann verloren war. Wer den kleinen SSW ins Visier nimmt, macht einen großen Fehler. Mit deutschem Patriotismus hat die Forderung nach einer Änderung des "Kieler Landrechts" übrigens nichts zu tun. Wer das trotzdem will, muss sich über die Risiken im Klaren sein. Der Sturm auf die Düppeler Schanzen nach der Wahl in Kiel ist unpatriotisch, weil er die deutsche Minderheit im europäischen Ausland eiskalter Zugluft aussetzen würde.“
Aus der vorgezogenen Parlamentswahl im türkischen Teil der Mittelmeerinsel Zypern sind die Befürworter einer Wiedervereinigung deutlich gestärkt hervorgegangen. Mit 44,5 % der Stimmen legte die Republikanisch-Türkische Partei (CTP) des bisherigen Ministerpräsidenten Mehmet Ali Talat kräftig zu und eroberte die Hälfte der 50 Mandate. Wahrscheinlich wird Talat wieder eine Koalition mit dem Präsidentensohn Serdar Denktas und dessen Demokratischer Partei (DP) eingehen, die nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis vom Sonntagabend 13,5 % erhielt. Der Stimmenanteil der oppositionellen Partei der Nationalen Einheit (UBP) ging leicht auf 31,7 % zurück. Die Wahl wurde auch als Weichenstellung für die Präsidentenwahl im April angesehen, bei der ein Nachfolger für den seit 30 Jahren amtierenden Rauf Denktas (81) bestimmt wird. Die Beteiligung der 147.000 Wahlberechtigten lag mit 80,8 % höher als erwartet. Um die 50 Sitze im Parlament der nur von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern hatten sich insgesamt sieben Parteien beworben. Eine Wiedervereinigung Zyperns auf der Grundlage eines Plans von UNO-Generalsekretär Kofi Annan war vor zehn Monaten am Nein der griechischen Zyprer gescheitert. Die Türken auf Zypern hatten mit großer Mehrheit dafür gestimmt. Neue Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der seit 30 Jahren geteilten Insel zeichnen sich zurzeit nicht ab. Obwohl Zypern seit dem 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union ist, profitiert der international isolierte türkische Norden kaum davon. Wegen des Widerstandes der griechisch- zyprischen Regierung hat sich die Türkei bisher vergeblich bei der EU für ein Ende der Isolation eingesetzt.
Die sächsische NPD-Landtagsfraktion will in Sachsen laut Fraktionsgeschäftsführer Marx noch in diesem Jahr eine parteinahe Stiftung gründen. Nach Angaben von Marx kann jede Landtagsfraktion eine eigene Stiftung gründen. Die sächsische Staatsregierung habe für alle Stiftungen in diesem Jahr 770.000 Euro im Budget eingeplant. Die NPD-Fraktion werde bei den bevorstehenden Beratungen zum Doppelhaushalt 2005/2006 die Summe von 100.000 Euro pro Jahr an Zuschüssen für ihre Stiftung beantragen. Sie trage den Arbeitstitel „Walter-Bachmann-Stiftung" in Erinnerung an den Ehrenvorsitzenden der NPD, betonte Marx. Außerdem werde die NPD-Fraktion den Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel ab April als ihren Vertreter in das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung entsenden, sagte der Fraktionsgeschäftsführer. Gansel hatte Anfang des Jahres die Vernichtung der Juden im Dritten Reich mit den alliierten Luftangriffen auf Dresden verglichen und in diesem Zusammenhang von einem „Bomben-Holocaust" gesprochen. Er hatte damit einen Eklat provoziert und bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Übrigens gibt die sächsische NPD-Landtagsfraktion nunmehr die Zeitschrift „Klartext“ heraus. Das Blatt soll Gegenöffentlichkeit schaffen und erscheint vierteljährlich. Bezug unter [email protected] oder NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden.
Einer NPD-Pressemitteilung zur Affäre um die SachsenLB entnehmen wir folgende Zeilen: „Im Konflikt um die Sächsische Landesbank (SachsenLB) haben die Vorstände Michael Weiss (Vorstandsvorsitzender) und Rainer Fuchs am heutigen Tage um ihre Abberufung gebeten. Das gab Ministerpräsident Professor Georg Milbradt am Nachmittag im Landtag bekannt. Weiss und Fuchs würden damit die Verantwortung für eine ganze Reihe von Skandalen und Unregelmäßigkeiten rund um die SachsenLB übernehmen. Mit dieser Entscheidung wurde einem Antrag der NPD-Fraktion auf Suspendierung der besagten Vorstände entsprochen. Die Nationaldemokraten hatten sich in den letzten Monaten intensiv mit den zahlreichen ungeklärten Fragen rund um die Landesbank beschäftigt und zwei vielbeachtete Dringliche Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur SachsenLB gestellt. Nun wurde der durch die NPD-Fraktion erzeugte politische Druck offensichtlich so hoch, daß die Suspendierung der LB-Vorstände unumgänglich wurde. In den letzten Wochen hatte praktisch nur die NPD-Fraktion die Affären um die Sachsen-LB intensiv und kompetent aufgearbeitet - von einer „Großen Anfrage“ der FDP abgesehen. In Zahlen ausgedrückt stellte die NPD drei Dringliche Anträge, fünf Anträge und eine Große Anfrage zum Komplex „SachsenLB“. Die größte Oppositionspartei PDS und die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen beteiligten sich überhaupt nicht an der Aufklärungsarbeit, sondern blockierten mit einer infantilen „antifaschistischen“ Destruktionspolitik die offensichtlich dringend gebotenen Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch die NPD. Uwe Leichsenring (MdL), finanzpolitischer Sprecher der NPD-Fraktion, äußerte: „Die Suspendierung von Fuchs und Weiss ist ein großer Erfolg für die NPD-Fraktion. Diese Entscheidung macht deutlich, daß die NPD im Landtag nicht nur auf dem Feld „symbolischer“ Politik punkten kann, sondern ihr Gewicht groß genug ist, um weitreichende realpolitische Forderungen durchzusetzen - denn nichts anderes bedeutet die Entscheidung, den Rücktritt zweier belasteter Vorstände einer der großen deutschen Banken mit einer Bilanzsumme von 55,2 Milliarden Euro zu erzwingen.“
Portugal hat bei den vorgezogenen Parlamentswahlen einen scharfen Linksruck vollzogen. Die oppositionellen Sozialisten (PSP) gewannen erstmals in der Geschichte die absolute Mehrheit der Sitze. Die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Pedro Santana Lopes erlitt ein Debakel, die konservativen Sozialdemokraten fielen von 40,2 auf 28,7 % zurück - das schlechteste Ergebnis seit 1983. Laut dem vorläufigen Endergebnis holten die Sozialisten von PS-Generalsekretär Jose Socrates 45,1 % und 120 der insgesamt 230 Sitze. Die Sozialdemokraten (PSD) von Pedro Santana Lopes stellen nunmehr noch 72 Parlamentarier. Der bisherige Koalitionspartner, die rechts-konservative Volkspartei (PP), kam demnach auf 7,6 % und 14 Mandate, die Kommunisten auf 7,3 % und 12 Abgeordnete. Der Linke Block (BE) erhielt 6,4 % und 8 Sitze. Die Wahlbeteiligung lag bei 65 %. Die Sozialisten, die 2002 die Macht abgeben mussten, kehren damit nach nur drei Jahren an die Regierung zurück. Portugal erhält damit den vierten Ministerpräsidenten innerhalb von vier Jahren. Der Wahlsieger und künftige Regierungschef Socrates gehört dem gemäßigten und liberalen Flügel der Sozialisten an. Zu seinen politischen Vorbildern gehört der britische Premierminister Tony Blair. Die Neuwahlen waren notwendig geworden, nachdem Staatspräsident Jorge Sampaio das Parlament aufgelöst hatte. Der sozialistische Staatschef sah nach einer Serie von Regierungskrisen im Mitte-Rechts-Kabinett von Santana Lopes die politische Stabilität nicht mehr gewährleistet. Santana Lopes hatte erst im Juli 2004 kurzfristig das Amt des Regierungschefs übernommen, weil sein Vorgänger und Parteifreund Jose Manuel Barroso als Präsident der EU-Kommission nach Brüssel gegangen war.
Zur Absicht der Bundesagentur für Arbeit und von Teilen der SPD, Arbeitslose in Ostdeutschland, die älter als 55 sind und über veraltete oder geringe Qualifikationen verfügen, aus der Betreuung der Arbeitsagentur herauszunehmen, sie mit einem Bürgergeld zu alimentieren und für gemeinnützige Arbeiten heranzuziehen, erklärte PDS-Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz: „Die Bundesregierung kapituliert vor der Arbeitslosigkeit und gesteht das Scheitern von Hartz IV ein. Fördern und Fordern sollte der Grundsatz lauten, mit dem Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit vermittelt werden. Für über 55jährige im Osten soll das Fördern nun gar nicht mehr stattfinden und es beim Fordern bleiben. Das ist nach der Kürzung der Zahlungsdauer des Arbeitslosengeldes I und nach der Aufkündigung der 58er Regelung den Betroffenen wurde dies im Übrigen damit begründet, sie könnten sich ja der Vermittlung auf den Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stellen im Zuge von Hartz IV der dritte Schlag ins Gesicht der Älteren, denen in den letzten Jahren eines langen Arbeitslebens die Solidarität des Staates aufgekündigt wird. Und wieder soll es Menschen im Osten zuerst treffen. Die Fehleinschätzungen über die Zahl der Anspruchsberechtigten, die Vielzahl falscher Bescheide, erste Gerichtsurteile zur Verfassungswidrigkeit, das unwürdige Schwarze-Peter-Spiel mit den Kommunen, völlig aus dem Ruder laufende Kosten Hartz IV wird mehr und mehr zum Damoklesschwert für Rot-Grün. Um die Arbeitslosenzahl wieder unter die magische 5-Millionen-Grenze zu drücken, greift die Bundesregierung nun zu schmutzigen Tricks. Statt den Erfahrungsschatz und die Bereitschaft der älteren Arbeitslosen nutzbar zu machen, werden sie aus der Statistik verbannt und zum alten Eisen geworfen. Das ist die Bankrotterklärung einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik.“
Als erstes EU-Land hielt Spanien ein Referendum über die Europäische Verfassung ab. Zwar blieben 57,7 % der Stimmberechtigten zuhause, aber 76,7 % der abgegebenen Stimmen sprachen sich für die EU-Konstitution aus. 17,3 % lehnten die Verfassung ab, weitere 6 % enthielten sich der Stimme. Ohnehin hat das Referendum eher akklamatorischen Charakter, die offizielle Verabschiedung erfolgt durch das Parlament in Madrid. In Nordkatalonien und dem Baskenland lag die Ablehnung allerdings deutlich über dem Landesdurchschnitt, was einerseits der restriktiven Minderheitenpolitik der EU geschuldet ist und andererseits als Denkzettel für die spanische Zentralregierung zu verstehen ist. Im Baskenland stimmten bei noch geringerer Wahlbeteiligung 34 % der Referendumsteilnehmer ablehnend (nur absolute 25 % der Wahlberechtigten stimmten mit „Ja“), in Katalonien waren es 29 %. Ein Scherbengericht blieb Madrid erspart, weil sich in beiden Regionen die gemäßigten Nationalisten für eine Zustimmung aussprachen.
Trotz sinkender Kinderzahlen wird die Weltbevölkerung nach neuen Prognosen der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 auf 9,1 Milliarden Menschen anwachsen. Das wäre eine Zunahme um 2,6 Milliarden, so die Berechnungen der UN-Bevölkerungsabteilung. Damit erhöhten die Experten ihre Wachstumsprognose. 2002 hatten sie die Bevölkerung für 2050 auf 8,9 Milliarden geschätzt. Aus dem Bericht geht zugleich hervor, dass die Weltbevölkerung insgesamt altert. Heute leben 6,5 Milliarden Menschen auf der Erde. Den Prognosen zufolge erfolgt das Bevölkerungswachstum weiter fast nur in den Entwicklungsländern. In der mittleren Variante wird ein Anstieg auf 9,1 Milliarden Menschen errechnet, vorausgesetzt die durchschnittliche Kinderzahl je Frau sinkt von derzeit 2,6 Kindern auf knapp 2,1. In den Entwicklungsländern wird dem Bericht zufolge die Zahl der Menschen von heute 5,3 Milliarden bis 2050 auf 7,8 Milliarden steigen. Einige der ärmsten Staaten wie Uganda, Niger, Kongo oder Afghanistan werden dann sogar drei Mal so viel Einwohner haben wie heute. In den Industrienationen wird die Bevölkerungszahl fast konstant bei 1,2 Milliarden bleiben. Den UN-Experten zufolge senkt Aids die Lebenserwartung in 60 Ländern und verringert dort das Bevölkerungswachstum. Im südlichen Afrika fiel die durchschnittliche Lebenserwartung seit 1990 von 62 auf 48 Jahre. Für das nächste Jahrzehnt wird ein weiteres Absinken auf 43 Jahre vorausgesagt. Im südlichen Afrika wird daher zunächst eine Stagnation der Bevölkerungszahl erwartet, in Botswana, Lesotho und Swasiland sogar ein Rückgang.
In der ansonsten von uns geschätzten „jungen welt“ vom 23. Februar erschien eine in ihrer ungewohnten Uninformiertheit auffallende antifaschistische Pflichtübung. Der Verfasser erhebt uns zu einer Netzpräsenz der so genannten „Autonomen Nationalisten“, was uns eine Stellungnahme abfordert. Zunächst einmal stehen „Die Kommenden“ über dem Szene- und Schubladendenken. „Sich selbst bezeichnen die »freien Nationalisten« zuweilen auch als »Nationalrevolutionäre« oder »völkische Sozialisten«. Der alte Herr der bundesdeutschen Neonaziszene, Christian Worch (48), nennt sie »parteifreie Nationalisten« und trägt so seinerseits zu der von ihm beklagten »hübschen Verwirrung im sprachlichen wie auch politischen Sinne« bei. (...) Natürlich verwandeln sich auch diejenigen Teile der »freien Nationalisten«, die sich linker Symbole und Rhetorik bedienen, noch lange nicht in Linke. Selbst in ihrer antiimperialistischen und sozialrevolutionären Kostümierung bleiben die »völkischen Sozialisten« als das erkennbar, was sie sind: Anhänger rassistischer und chauvinistischer Vorstellungen, die sich in ihren gesellschaftspolitischen Forderungen ausdrücken.“ Schwachsinn. Beim Großteil der Freien Nationalisten dominiert nach wie vor der von uns als Abgrenzung zur NS-Linken aufgefasste orthodoxe Nationalsozialismus (begrüßens- und unterstützenswerte Ansätze zeigen sch indessen bei den Autonomen Nationalisten!), während hier nationalrevolutionäre bis nationalbolschewistische Ausrichtungen vorherrschen. Ein Blick in die Fachliteratur zum Thema „NR vs. NS“ würde dem jw-Schreiberling sicherlich auf die Sprünge helfen. Wir verweisen darauf, dass so mancher NR-Aktivist die Gefängnisse und Lager des Hitler-Regimes von innen kennen lernte, emigrieren musste oder den Henkern zum Opfer fiel. Allerdings erlebt das Wort „nationalrevolutionär“ derzeit eine inflationäre Verbreitung, was wohl der Unklarheit der Begrifflichkeiten geschuldet ist. „Nationalrevolutionär“ sein bedeutet in unseren Augen - im Gegensatz zum orthodoxen Nationalsozialismus -, die Überwindung der bürgerlich-kapitalistischen Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung anzustreben. Hierbei wird die Gesamtheit der ausgebeuteten Klassen als revolutionäres Subjekt „Nation“ verstanden, zu dem die Expropriateure und ihre Helfershelfer definitorisch nicht gehören. Die Überwindung des kapitalistischen Systems erfolgt durch die Volksrevolution, den Angriff auf das Privateigentum an Produktionsmitteln als Grundlage bourgeoiser Machtausübung und den konsequenten Klassenkampf gegen die parasitäre Ausbeuterkaste und ihre Kollaborateure - anstatt durch sozialromantische und konterrevolutionäre Volksgemeinschaftsideologien. In diesem Zusammenhang verorten wir durchaus Schnittmengen (jw: „Umarmungsversuche“) zu K-Gruppen, Antiimperialisten und Syndikalisten - oftmals größere, als es sie zum rechten Mainstream gibt. Des Weiteren distanzieren wir uns von überlebten Begleiterscheinungen wie Rechtsmilitarismus, Revanchismus, deutschnationalem Imperialismus und germanentümelndem Rassenwahn.
Innerhalb der bundesweit im Aufbau befindlichen Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit mehren sich schon jetzt die Anzeichen für einen Rechtskurs. Der WASG-Bundesvorstand unter Klaus Ernst verabschiedete einen gegen die Aktivitäten der trotzkistischen SAV innerhalb der Partei gerichteten Beschluss. Bis zum Jahreswechsel 2005 soll die bislang übliche Tolerierung von Doppelmitgliedschaften auslaufen, was auf den Ausschluss von SAV-Aktivisten hinausläuft. Gefährdet sind bereits jetzt Funktionsträger der SAV, die auf einer WASG-Liste kandidieren wollen - entweder Austritt aus der SAV oder Entfernung von der Kandidatenliste. Laut SAV-Einschätzung soll hier ein abschreckendes Exempel statuiert werden, um eine Linkswendung der WASG zu verhindern. In der Tat wird die Partei von frustrierten DGB-Funktionären und Sozis dominiert, die teilweise über ein Jahrzehnt lang jede sozialpolitische Unverschämtheit von Sozialdemokratie und Einheitsgewerkschaft abgenickt haben. Hierzu die SAV: „Klaus Ernsts Brief spricht eine deutlich Sprache: die oder wir! „Die“ - das ist nicht nur die SAV, sondern offensichtlich alle Kräfte in der ASG, die die keynesianistische Ideologie der Bundesvorstandsmehrheit wagen in Frage zu stellen und für systemüberwindende Alternativen eintreten. In den Augen von Klaus Ernst sind das „Gewerkschaftshasser und politische Irrläufer“. Gleichzeitig greift er all diejenigen an, die diese „Irrläufer“ nicht aus der ASG mit administrativen Maßnahmen entfernen wollen. „Wir“ - das sind nach Ernsts Logik alle GewerkschafterInnen in der ASG. Diese seien nicht nur für die Medienaufmerksamkeit, sondern auch für zukünftige Wahlerfolge verantwortlich und damit unverzichtbar. Der Irrläufer heißt Klaus Ernst. Bei seinem Bild von der ASG ist der Wunsch Vater des Gedankens.“ Mit Ralf Krämer ist bereits einer der WASG-Mitbegründer auf Distanz zu Ernst gegangen und verwies auf die Tatsache, dass die Mehrzahl der in der Partei aktiven Gewerkschafter und ex-Sozialdemokraten sozialistischen Positionen durchaus offen gegenüber steht. Noch einmal die SAV: „Natürlich gibt es heute in der Mehrheit der Bevölkerung kein sozialistisches Bewusstsein und schon gar nicht die Bereitschaft „hier und heute“ eine revolutionäre Massenpartei aufzubauen. Aber es gibt auch kein Bewusstsein für eine keynesianistische Ideologie, die darauf setzt den Kapitalismus dauerhaft sozial, demokratisch und friedlich zu gestalten ohne die Eigentums- und Machtverhältnisse in Frage zu stellen. Viele Menschen haben angesichts der weltweiten, scheinbar ungebremsten Offensive des Kapitals erhebliche Zweifel, dass ein „Zurück zum Sozialstaat“ unter Beibehaltung des kapitalistischen Systems machbar ist. Die Wahrheit ist leider, dass die Mehrheit der Menschen sowohl das Vertrauen in dieses System, als auch das Vertrauen in die Machbarkeit eines anderen Systems verloren haben. Dies findet seinen Ausdruck in Meinungsumfragen nach denen drei Viertel der ostdeutschen und über die Hälfte der westdeutschen Befragten geäußert haben, dass „der Sozialismus eine gute Idee sei, die nur falsch umgesetzt wurde.“ Dass auch in der Bundesrepublik Parteien mit einem Bezug zum Sozialismus gewählt werden, drücken die Wahlerfolge für die PDS aus. Diese verliert nicht aufgrund des „S-Wortes" in ihrem Namen an Unterstützung, sondern aufgrund ihrer Regierungsbeteiligungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. In verzerrter Form drücken dies leider auch die Erfolge der NPD aus, da diese sich in ihrer Propaganda offensiv als eine „sozialistische“ Kraft darstellt. Natürlich würde eine sozialistische Programmatik der ASG nicht eine Stimme mehr bringen, wenn sie nur auf dem Papier stehen würde. Es käme darauf an, ein solches Programm mit Leben zu füllen und in die Sprache von Arbeitsplätzen, Bildung, Wohnraum und Sozialleistungen zu übersetzen. Wir sind der Meinung, dass nur eine Partei auf Basis eines sozialistischen Selbstverständnisses dem Druck der kapitalistischen Sachzwang- und Profitlogik dauerhaft wird standhalten können. Das ist die Lehre aus der Entwicklung von SPD, Grünen und PDS (bei letzterer steht Sozialismus auf dem Papier, ist aber in der Praxis von Systemimmanenz abgelöst worden). Deshalb treten wir für ein sozialistisches Programm ein, welches z.B. Forderungen nach der Überführung der Schlüsselindustrien und Banken in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung beinhalten würde. Das bedeutet nicht, dass wir dafür eintreten, Wahlkämpfe unter der Parole des Sozialismus und des Gemeineigentums zu führen. Wahlkämpfe müssen geführt werden erstens als eine aktive und kämpferische Kraft, die in der Praxis an der Seite der vom Neoliberalismus und der kapitalistischen Profitgier Betroffenen steht.“
Der venezolanische Vizepräsident Jose Vicente Rangel hat die USA beschuldigt, ein "Komplott" zur Ermordung von Staatspräsident Hugo Chávez zu schmieden. Rangel erklärte vor dem Parlament in Caracas, dass in den USA Camps zur Ausbildung von Söldnern für eine Invasion Venezuelas existieren. Die venezolanische Regierung bekräftigte damit Vorwürfe, die Außenminister Ali Rodriguez im Rahmen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erhoben hatte. Rangel präzisierte, dass sich die angeblichen Söldner in Florida befänden. Bezüglich der Mordpläne gegen den linksnationalistischen Präsidenten Chávez hat es laut Rangel „keinen Sinn, uns nach Beweisen zu fragen". Er verwies auf das Schicksal Salvador Allendes in Chile, der einem vom westlichen Imperialismus geförderten Militärputsch zum Opfer fiel. „Wir werden nicht 20 Jahre warten. Wir werden die Wahrheit ans Licht bringen. Und dafür bringen wir die USA auf die Anklagebank." Der venezolanische Parlamentsvorsitzende Nicolas Maduro behauptete unterdessen, hinter den Mordplänen gegen Chávez stünden CIA-Direktor Peter Goss und der jüngst ernannte oberste US-Geheimdienstchef John Negroponte. Chávez selbst hatte in seiner eigenen Fernseh- und Radio-Sendung „Alo Presidente" US-Präsident George W. Bush beschuldigt, Mordpläne gegen ihn zu hegen. Im Falle einer militärischen Invasion Venezuelas werde Caracas jedoch den Öl-Hahn für die USA zudrehen.
In „Kummerus“ zog Hans-Dieter Hey beachtenswerte Parallelen zwischen der Weimarer und der Berliner Republik: „1927 haben die Sozialdemokraten die Regierung gebildet und Gesetze zur Verringerung der Erwerbslosigkeit geschaffen, die noch einigermaßen nach sozialer Gerechtigkeit aussahen. Nach dem Gesetz zur Arbeitsvermittlung hieß es in § 62: "Soweit ein Tarifvertrag besteht, darf die Vermittlung beteiligter Arbeitnehmer an Arbeitgeber...nur zu tariflich zulässigen Bedingungen erfolgen". 2005 - mit ca. 8,6 Mio. - Erwerbslosen haben die Sozialdemokraten mit den Bündnisgrünen eine neue Variante der Arbeitsmarktpolitik in "Hartz IV" gefunden: Die Vermittlung der Erwerbslosen zu Bedingungen 30 % unterhalb der Tarife und zu Hungerlöhnen oder mit so genannten "Minijobs" zwischen 400 - 800 Euro im Monat, weil jede - aber auch jede Arbeit - angenommen werden muss. Ein weiteres "Highlight" dieser Regierung ist die Einführung von Zwangsarbeitslöhnen von 1,00 EURO Aufwandsentschädigung plus Arbeitslosengeld II. Und das liegt ca. 20 % niedriger als die frühere Sozialhilfe und braucht den täglichen Lebensbedarf eines Menschen nach den sog. Hartz-IV- Regelungen nicht einmal mehr zu decken. Früher musste noch nach § 1 Bundessozialhilfegesetz ein "menschenwürdiges Leben" sichergestellt werden. Damit wurde durch rot-grün das Ende der Menschenwürde eingeleitet. Aber was hat das nun mit Faschismus zu tun? 1933 hatten wir über 6 Mio. Erwerbslose. In diesem Jahr - Hitler war gerade an der Macht - stellte er sein "Gesetz zur Verringerung der Arbeitslosigkeit" vor, um die "restlose Eingliederung des so genannten 4. Standes", also der zahllosen Erwerbslosen, vorzunehmen. Seine erste Maßnahme hierzu war einmal die weitgehende Aufhebung des bis dahin garantierten Arbeits- und Rechts- und Tarifschutzes für Arbeitslose und der Aufbau eines riesigen Billiglohn-Sektors. Zweitens nach § 2 Abs. 6 dieses Gesetzes die Einführung von Kombilöhnen, wie wir dies im sog. 1-Euro-Job auch heute wieder finden. Mit diesen Methoden sollte der so genannten "4. Stand" gefügig gemacht werden: "Deutsche Staatsangehörige können vom Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für eine begrenzte Zeit verpflichtet werden, auf einem bestimmten ihnen zugewiesenen Arbeitsplatz Dienste zu leisten oder sich einer bestimmten beruflichen Ausbildung zu unterziehen." So der Wortlaut damals, im Hitler-Faschismus. Es war der "Reichsarbeitsdienst", der 1935 Gesetz wurde. Die Form der Zwangsarbeit hatte Hitler von den Sozialdemokraten, die den "Arbeitsdienst" in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts schon einmal eingeführt hatten. 1931 beklagte die "Arbeiter-Illustrierte Zeitung" in ihrer Ausgabe Nr. 48, dass es eine Legende sei, von "der Freiwilligkeit der Arbeitsleistung, die die bürgerlichen Blätter nicht hoch genug preisen können, obwohl man schwerlich von freiem Willen sprechen kann, wenn die Ursache, für solchen Hungerlohn zu schuften, nichts anderes ist als die Unterstützungssperre ..." Soviel also zu den sozialen Vorstellungen der Sozialdemokratie! Und heute, 2005, heißt es im "Vierten Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" in § 16 Abs. 3: "Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, sollen Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Werden Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten nicht nach Absatz 1 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert, ist den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen; diese Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz sind entsprechend anzuwenden; für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften erwerbsfähige Hilfebedürftige nur wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer..." Also Klartext: Es gilt kein Arbeitsrecht, weil hierdurch kein Arbeitsverhältnis begründet wird. Es gilt kein Kündigungsschutz, kein Krankengeld, kein Tarifvertragsrecht. Von einer Unfallrente ist man ebenso ausgeschlossen wie von den Wirkungen betrieblicher Mitbestimmung. Zwar gelten die Regelungen des Arbeitsschutzes, doch wer darauf besteht, kann rausfliegen und ist schutzlos. Und schließlich rechtlos, weil die Arbeitsgerichte nicht zuständig sind. Das Ganze dann für ca. 2 Euro die Stunde (ALG II) plus 1 Euro die Stunde Aufwandsentschädigung! Und wer nicht spurt, dem drohen Kürzung oder Entzug des Arbeitslosengeldes II. Die Maßnahmen sollen auch zur Schulung zwecks Wiedereingliederung dienen. Welche Wiedereingliederung denn, um zu Arbeiten "qualifiziert" zu werden, damit man im Abbruch tätig sein kann, um Kisten zu stapeln oder völlig unnütze Arbeit zu erledigen? Und letztlich dient diese moderne Form der Staatssklaverei der Sanierung öffentlicher Haushalte. Die Regelungen heute sind denen damals verdammt ähnlich. Dies ist Zwangsarbeit und nichts anderes. Deutlicher kann der Zusammenhang nicht sein. Und Arbeit unter Aufhebung von Arbeitnehmerrechten und Androhung des Entzugs der Existenz hat etwas mit Faschismus zu tun!“
Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle