Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 4. bis 10. September 2004

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 
 

 

Zitat der Woche:
"Vereinigen wir uns im revolutionären Kampf mit allen deutschen Patrioten! Unzweifelhaft wird unser Kampf Opfer fordern. Aber für jeden im Kampf gefallenen oder aus dem Kampf herausgerissenen Patrioten werden Tausende neue aufstehen. Auch Misserfolge und Rückzüge wird es geben, und dann werden die Imperialisten mit ihren Erfolgen triumphieren. Wir erwidern ihnen schon heute: der Sieg der nationalen und sozialen Befreiungsbewegung ist sicher, denn ihre Sache ist gerecht. Vereinigen wir uns mit allen Kräften des deutschen Volkes in Ost und West, die bereit sind, diesen Kampf aufzunehmen, unabhängig von ihrem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis, ihrer Organisations- oder Parteizugehörigkeit in einer nationalen, revolutionären Front für ein vereinigtes und unabhängiges, sozialistisches Deutschland!"
- KPD/ML, 1974


Die bundesdeutschen Exporte stiegen ungeachtet allen Gejammers aus Unternehmerkreisen über angebliche Standortnachteile im ersten Halbjahr 2004 um 11,6 %. Die Schere zwischen Ausfuhren und Einfuhren in der Bundesrepublik öffnete sich allerdings weiter. Während die Importe im ersten Halbjahr 2004 um lediglich 4,8 % anstiegen, nahmen die Exporte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,6 Prozent zu. So gingen im ersten Halbjahr 2004 74,6 % (270,4 Milliarden Euro) der deutschen Exporte in die 15 wichtigsten Partnerländer. Die Summe aller Ausfuhren belief sich auf 362,5 Milliarden Euro. Von den für die deutsche Ausfuhr 15 wichtigsten Handelspartnern lagen nur vier Länder außerhalb der Gemeinschaft: Die Vereinigte Staaten, die Schweiz, China und Russland. Der größte Abnehmer deutscher Exportgüter ist traditionell Frankreich: In das westliche Nachbarland lieferte die BRD im 1. Halbjahr 2004 Waren im Wert von 37,5 Milliarden Euro (+ 6,5 % gegenüber dem 1. Halbjahr 2003). Wie im Vorjahr lagen im ersten Halbjahr 2004 die Vereinigten Staaten (32,2 Milliarden Euro, + 3,4 %) an zweiter Stelle der wichtigsten Exportpartner, gefolgt von Großbritannien (30,3 Milliarden Euro, + 11,9%). Mit einem starken Exportplus von 30 % gegenüber dem Vorjahr (auf 20,2 Milliarden Euro) konnte sich Belgien von Position 8 auf Position 6 verbessern. Russland importierte 23,6 % mehr Waren (für insgesamt 6,9 Milliarden Euro) als im Vorjahr und kam so auf Position 14 (Vorjahr: 16.) Bei den Einfuhren sicherten sich Frankreich (26,2 Milliarden Euro, + 5,7 % gegenüber dem ersten Halbjahr 2003), die Niederlande (22,6 Milliarden Euro, + 2,1 %) und die Vereinigten Staaten (20,2 Milliarden Euro, - 0,5%) die Spitzenplätze unter den wichtigsten Lieferanten für Deutschland. Einfuhrseitig lagen fünf von 15 Ländern außerhalb der Europäischen Union (Vereinigte Staaten, China, Japan, Schweiz und Russland). Die Reihenfolge dieser "Top-15-Länder" ist einfuhrseitig weitgehend identisch mit der des ersten Halbjahres 2003. Lediglich China konnte sich eine Position verbessern (13,9 Milliarden Euro, + 19,6 %), und Irland ist jetzt auf Position 14 zu finden (7,8 Milliarden Euro, + 24,1 %; Vorjahr: Position 16), während Norwegen auf Position 16 fiel (6,8 Milliarden Euro, - 5,2 %).

 

Nahezu eine Million Menschen begeht jährlich Selbstmord. Das sind mehr Opfer als derzeit bei Kriegshandlungen ermordet oder getötet werden. Aktuelle Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigen, dass alle 40 Sekunden irgendwo auf der Welt ein Selbstmord stattfindet. Am höchsten sind die Zahlen in den baltischen Staaten, wo rund 40 Menschen pro 100.000 jährlich den Freitod wählen. Anlässlich des am Freitag, dem 10. September, stattfindenden World Suicide Prevention Day betonte die WHO, dass diese Zahlen mit einem größeren öffentlichen Bewusstsein und einem entsprechenden politischen Willen gesenkt werden könnten. Jose Bertolote von der WHO erklärte, dass Selbstmord eines der großen Probleme sei und für 1,5 % der weltweiten Gesundheitskosten verantwortlich. „Die meisten Selbstmorde werden von Männern verübt. Immer mehr Frauen versuchen jedoch sich das Leben zu nehmen." Es wird laut BBC geschätzt, dass jährlich 10 bis 20 Millionen Selbstmordversuche unternommen werden. Laut Lars Mehlum von der Association for Suicide Prevention (IASP) entscheiden sich Männer normalerweise für endgültigere Maßnahmen als Frauen. Statistisch gesehen sind ältere Menschen am stärksten selbstmordgefährdet. Es nehmen sich jedoch auch immer mehr Männer zwischen 15 und 29 Jahren das Leben. Dafür macht die IASP großteils die Verfügbarkeit von Schusswaffen verantwortlich. „Nur wenige Menschen überleben den Selbstmordversuch mit einer Waffe." In China haben im vergangenen Jahr 195.000 Menschen Selbstmord verübt. Ungewöhnlich ist, dass mehr Frauen starben als Männer. Obwohl die aktuellsten verfügbaren Zahlen aus manchen Ländern mehr als 20 Jahre alt sind und andere Länder keine Zahlen zur Verfügung stellten, geht die WHO davon aus, dass ein Gesamtbild der weltweiten Selbstmordraten zusammengestellt werden konnte. Am stärksten betroffen scheinen die baltischen Staaten und die Länder der früheren Sowjetunion oder kommunistische Gesellschaften zu sein. Im Jahr 2000 verübten in Litauen 42 Menschen pro 100.000 Selbstmord, in Estland 40 und in Russland 38. In Litauen lag die Todesrate bei Männern bei 80 von 100.000.

 

Die jemenitische Armee hat nach eigenen Angaben den radikalen islamistischen Rebellen-Anführer Hussein Badruddin al Huthi und 20 seiner Anhänger getötet. Al Huthis Leiche wurde nach einem Angriff der Armee in einer Höhle in Marran in der Provinz Saada entdeckt. Der Aufstand der zum Großteil jungen Anhänger des schiitischen Geistlichen, der einen militanten Anti-Amerikanismus predigte, hatte am 18. Juni begonnen. Bei Gefechten seiner Milizionäre mit der Armee in unwegsamem Gelände starben mehr als 200 Menschen, darunter auch zahlreiche Soldaten. Die Zahl der Anhänger des Predigers, der keinerlei Verbindung zu dem von sunnitischen Muslimen geknüpften Terrornetzwerk Al Qaida hat, wird auf rund 2000 geschätzt. Bis zu 2000 Soldaten haben sich in den vergangenen zwei Monaten im Norden des Landes heftige Gefechte mit Anhängern Al Huthis geliefert. Mehr als 600 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben. Die Regierung hat Al Huthi Volksverhetzung vorgeworfen. Außerdem wurde er für Anschläge auf Sicherheitskräfte und Regierungsgebäude verantwortlich gemacht. Bei zwei Bombenanschlägen binnen 24 Stunden sind im nordjemenitischen Sadah mindestens neun Menschen ums Leben gekommen, darunter die beiden Attentäter. Dutzende Passanten wurden verletzt.

 

Bei den Landtagswahlen im Saarland setzte sich der Niedergang der Sozialdemokratie fort. Die regierende SPD verlor 13,2 Prozentpunkte und fiel auf 30,8 % und 18 Sitze zurück. Es handelt sich um das zweitschlechteste Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte des Saarlandes. Stärkste Partei ist mit einem geringen Zugewinn von 1,9 Prozentpunkten nunmehr die CDU mit 47,5 % und 27 Abgeordneten. Im Landtag sind ferner noch die Grünen mit 5,6 % (+2,4) und 3 Mandaten und die FDP mit 5,2 % (+2,6) und 3 Sitzen vertreten. Beide Parteien erfreuten sich nach langen Jahren des Wiedereinzuges in den Landtag. Die NPD, die bei der letzten Landtagswahl von 1999 nicht angetreten war, gewann 4 % der Wählerstimmen, während die PDS sich mit 2,3 % (Wahlkreis Saarbrücken 3,1 %) bescheiden musste. Das schlechte Abschneiden der PDS ist nicht zuletzt auf die mangelnde Unterstützung der Bundespartei zurückzuführen - teilweise mussten die Aktivisten an der Saar den Wahlkampf aus der eigenen Tasche bestreiten. 1999 traten die Republikaner als einzige Rechtspartei an, erhielten aber nur 1,3 %. Die Nationaldemokraten konnten 11 % aller Jungwähler, 12 % der Arbeitslosen und 9 % aller Arbeiter für sich gewinnen. In den drei saarländischen Wahlkreisen lag das NPD-Ergebnis bei 4,9 % (Saarbrücken), 3,9 % (Neunkirchen) und 3 % (Saarlouis). Hochburg ist weiterhin Völklingen mit 9,7 %. Die Wahlbeteiligung ging um beinahe 13 Prozentpunkte auf knapp 55 % zurück.

 

Der Politologe Hajo Funke (FU Berlin) kommentierte die politischen Aussichten der NPD in der „Sächsischen Zeitung“: Zur Gefährdung des politischen Systems in der BRD würden der Partei derzeit die Mittel fehlen. „Und sie wird wohl auch in absehbarer Zukunft unsere Demokratie nicht gefährden können. Gleichwohl ist sie in der Lage, regional zu einer Gefahr für die politische Kultur zu werden, die man durchaus sehr ernst nehmen muss. Solche Phasen haben in der Geschichte dieser Partei Tradition. Schon Ende der 60er Jahre sah sich die NPD in einem ähnlichen Aufwind.“ Hierzu sei angemerkt, dass die NPD damals das Erbe der ehemals schwarz-weiß-roten FDP antreten konnte, zudem bediente man sich schon zu dieser Zeit in gewissem Maße sozialdemagogischer Parolen. „Damals durchlebte die Bundesrepublik ihre ersten sozialen Erschütterungen. Sie brachten einerseits die Generation der 68er hervor. Sie verhalfen andererseits aber auch der NPD zu Wahlerfolgen. Sie zog in sieben Landtage ein und scheiterte 1969 mit 4,3 Prozent nur knapp am Einzug in den Bundestag. (...) Damals war plötzlich die politische Bewusstseinslage der Republik sehr labil. Da fragte die Nachkriegsgeneration nach der Kriegsschuld ihrer Eltern. Allein das sorgte für heftige gesellschaftliche Irritationen. Außerdem regierte in Bonn eine große Koalition. Das verstärkte zusätzlich den Protest der kleinen oppositionellen Parteien. Am ultrarechten Rand wurde laut geschrieen. Heute ist die Situation eher noch radikaler. Denn wir haben eine erhebliche ökonomische und soziale Schieflage, und wir haben de facto auch eine große Koalition, der es nicht gelingt, den Problemstau zu bewältigen. Im Osten, auch in Sachsen, tritt der aktuelle sozial-ökonomische Konflikt besonders offen zu Tage. Deshalb ist hier die Lage sogar dramatischer als Ende der 60er Jahre im Westen. Und die Volksparteien haben derzeit keine plausiblen Antworten auf die drängendsten Fragen. (...) Wenn die sozial schwachen Schichten erst einmal mit der Demokratie brechen, dann wählen sie unter anderem NPD. Deren Ideologen haben das längst erkannt und stoßen mit ihren Wahlparolen in diese Krise des Demokratischen. Das ist das Neue. In Sachsen ist einer der mitgliederstärksten Landesverbände herangewachsen. Hier entwickelte sich eine enge Kooperation mit der übrigen Szene, bestehend aus Neonazi-Kameradschaften und Skinheads. Andererseits treten NPD-Spitzenvertreter wie Apfel oder Leichsenring biedermännisch auf und zeigen sich offen für soziale Belange einzelner Leute. Sie nutzen die aktuelle soziale Schieflage in der Gesellschaft und werfen so ihre Anker auch in Teilen der Bevölkerung aus, die sich bisher kaum von der NPD angezogen fühlten. (...) Egal wie die Wahlen ausgehen, ab Januar 2005, wenn Hartz IV greift, wird die NPD auch der Straße mehr Aufmerksamkeit schenken und sich des Volkszorns annehmen. (...) Mir ist kein Fall bekannt, dass es zu einer Koalition mit dieser Partei gekommen wäre. Außer Agitation ist da nichts gewesen. Neuerdings kann sie in ein Vakuum stoßen, das die demokratischen Parteien zugelassen haben. Da liegt die Gefahr: Der soziale Protest, vorgetragen durch eine radikal-nationalistische Partei im Parlament, kann Sogwirkung haben. Dieser Sog richtet sich gegen die Demokratie selbst, wenn es der NPD auf diese Weise gelingt, sich vor Ort noch fester zu verankern.“

 

Maßgebliche Ölkunden des Sudans haben im Weltsicherheitsrat Front gegen eine Boykottdrohung wegen der Untätigkeit Khartums in der Darfur-Krise gemacht. Algerien, China und Pakistan stellten sich in New York gegen einen entsprechenden Resolutionsentwurf der USA. Die Regierung in Khartum wies die Aussage von US-Außenminister Colin Powell, die Verfolgung der afrikanischen Bevölkerung in Darfur sei Völkermord, als kontraproduktiv zurück. Powells Kommentar sei ein großer Fehler und ein falsches Signal an die Rebellen, sagte der stellvertretende sudanesische Außenminister Najib al-Khair Abdel Wahab. Powell hatte erklärt, die Verantwortung für die Ausschreitungen in Darfur liege bei der Regierung und den von ihr unterstützten Janjaweed-Kämpfern. Vertreter von Regierung und Rebellengruppen führen unter Leitung der Afrikanischen Union (AU) seit Ende August Friedensverhandlungen in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Die stärkste Unterstützung für den US-Entwurf sei von der BRD und Großbritannien gekommen, verlautete aus Diplomatenkreisen in New York. Frankreich und Spanien würden ihn voraussichtlich nach einigen Änderungen annehmen. Für eine Verabschiedung sind neun Ja-Stimmen und keine Gegenstimme von einer der der fünf Vetomächte USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland nötig. Positiv wurde im Sicherheitsrat dagegen der Vorschlag zur Entsendung einer größeren Beobachtertruppe der AU aufgenommen. Die AU hat zurzeit 80 Beobachter in Darfur stationiert, die von etwa 300 Soldaten aus Ruanda und Nigeria beschützt werden. Eine gut 3.000 Mann starke internationale Friedenstruppe, wie sie die Vereinten Nationen wünschen, hat der Sudan bisher abgelehnt. Nach dem Streit im Sicherheitsrat rechnet der UNO-Beauftragte für den Sudan, der frühere bundesdeutsche Innenminister Gerhart Baum, mit einer Verschärfung der Krise. Baum drängt seit längerem auf eine Intervention im Sudan, hierin assistiert von Bundesverteidigungsminister Struck, der erklärte, die Bundeswehr sei bereit, sich an einer „humanitären Mission“ zu beteiligen. Die EU zieht bereits die Beteiligung an einer Polizeimission in Darfur in Erwägung.

 

Im Irak haben die offiziell eingestandenen Verluste der amerikanischen Besatzer die Marke von 1000 Gefallenen durchbrochen. Wir illustrieren stichwortartig die militärische Lage im Zweistromland. Samstag: Kirkuk 20 Tote und 36 Verletzte bei Anschlag mit 500-Kilo-Autobombe auf Polizeiakademie / zweitägige Kämpfe in Tell Afar nahe der syrischen Grenze mit 15 Toten und 50 Verletzten / Bagdader Regierungsviertel unter Mörserbeschuss und Mossul unter Raketenbeschuss, 8 Verletzte. Sonntag: 12 Polizisten bei Angriff auf Latifija nahe Bagdad gefallen, 38 verletzt. In der Stadt bei einer Razzia 500 Verhaftungen / Westrand Bagdad Mörserangriff auf Nachschubeinheit der Amerikaner, 2 Gefallene und 16 Verwundete / Bombenanschlag auf US-Stützpunkt Ad Dujail bei Bagdad 3 Verwundete / Pipeline im Südirak gesprengt. Montag: Mossul Gefechte mit 3 Toten und 9 Verletzten / Kirkuk 38 Festnahmen nach vereiteltem Autobombenanschlag / Gaspipeline im Nordirak gesprengt / Falluja 7 GIs und 3 Nationalgardisten bei Autobombenanschlag getötet / Bakuba Sprengstoffanschlag, 1 Nationalgardist getötet / Sadr City Beginn zweitägige Gefechte zwischen Mahdi-Armee und Amerikanern, 36 Tote (2 Amerikaner) und 200 Verletzte. Dienstag: 2 Tote, 3 Verletzte bei Bombenanschlag auf Gouverneur von Bagdad / Amerikaner 4 Gefallene bei Gefechten nahe Bagdad / Mossul Sohn des Gouverneurs von Niniveh erschossen / Luftangriffe auf Falluja, 8 Tote und 23 Verletzte / rund 100 Iraker bei Gefechten Raum Falluja getötet. / Falluja, Ramadi, Bakuba und Samarra in Rebellenhand. Donnerstag 57 Tote und 80 Verletzte bei Luftangriffen und Gefechten bei Falluja, Tall Afar und Latifja / Gefechte in Samarra / südlich Falluja der 25. amerikanische Hubschrauber seit dem Ende der Kampfhandlungen am 1. Mai 2003 verloren gegangen.

 

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann und der EU-Kommissar für Inneres und Justiz, Antonio Vitorino, haben in Brüssel den Informationsaustausch unter den Sicherheitsbehörden als Schlüsselproblem zur erfolgreichen Bekämpfung des „Terrorismus“ bewertet. Beide stimmten darüber überein, dass der Erkenntnisaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei verbessert werden müsste. Schünemann wies in diesem Zusammenhang auf die niedersächsische Bundesratsinitiative zur Erstellung einer Anti-Terror-Datei hin. Vitorino bezeichnete diese Initiative als den richtigen Weg. Einig waren sich beide auch darüber, dass bei der Bekämpfung des Terrorismus noch erhebliche Defizite ausgeräumt werden müssten. Dazu gehöre auch eine verbesserte Aufdeckung der Finanzströme und Finanzquellen der Terroristen. Außerdem sollte die Anerkennung von Beweisen in Terrorverfahren verbessert werden. Schünemann unterstrich, dass die Terrorismusbekämpfung keine nur die BRD betreffende Aufgabe darstelle. Die Anti-Terror-Datei sei nur ein erster Schritt zur Verbesserung der Informationsauswertung auf europäischer Ebene, so der Minister.

 

Im Interview mit dem Online-Magazin „Telepolis“ äußerte sich Reinhard Schult, ehemaliger Vertreter des Neuen Forums, zum Thema: „Der Osten Deutschlands als Versuchslabor für soziale Demontage": „Unter den fast 200 Orten, in denen mittlerweile Montagsdemonstrationen stattfanden, sind auch zahlreiche westdeutsche Städte. Offenbar kann man also auch im Westen mit dem Begriff Montagsdemonstration etwas anfangen. "Wir setzen auf Widerstand in Ost und West bei Arbeitslosen und Arbeitenden", haben wir in unserer Erklärung geschrieben. Wir sehen darin die Bedingung für einen Erfolg der Bewegung. Wir wollen uns mit einer Erklärung speziell an Westgewerkschaftler und Vertrauensleute wenden. Wir werden sie auffordern, den Kampf gegen Hartz IV auch aus eigenen Interesse zu unterstützen. Schließlich dient das Gebiet der ehemaligen DDR seit 15 Jahren als Versuchslabor für soziale Demontage. Die Menschen dort werden auf sozialem Gebiet auf ein Niveau heruntergedrückt, das ihre Würde permanent verletzt. Im Westen wird dann nachgezogen. (...) Zurzeit sehe ich die Neonazis noch als Randerscheinung bei den Demonstrationen. Doch die Anti-Hartz-Bewegung muss ein stärkeres inhaltliches Profil bekommen. Ein Nein zu Hartz IV wird auf Dauer nicht ausreichen. Denn selbst wenn das Gesetzespaket gestoppt werden sollte, wird es andere Maßnahmen geben, mit denen die Menschen geschröpft werden sollen. Wir werden also über Alternativen zum Kapitalismus nachdenken müssen. Sonst droht ein Rückfall in den gesellschaftlichen Zerfall und die Barbarei...

 

Ein Kommando der Real IRA attackierte eine Polizeistation in der Stadtmitte Derrys. Wie durch ein Wunder kam keiner der bei Arbeiten an der Wache beschäftigten Bauarbeiter zu Schaden, als die Paramilitärs ein komplettes AK-47-Magazin in das Gebäude feuerten. In North Belfast wurde ein katholischer Jugendlicher von Loyalisten der UDA niedergestochen und schwer verletzt. Das Hooligan-Element der Ulster Volunteer Force tat sich derweil durch eine Serie von rassistischen Gewalttaten gegen Einwanderer in Mid Ulster hervor. Hintergrund war ein Zusammenstoß zwischen UVF-Paramilitärs und portugiesischen Immigranten in Portadown. Offensichtlich sind nicht nur die UVF-Einheiten in South Belfast von britischen Rechtsextremisten unterwandert. Noch vor einigen Jahren erwies sich die UVF gegenüber solchen Unterwanderungsversuchen als weitaus resistenter als beispielsweise die UDA. Noch in den 80er Jahren erzwang ein UVF-Kommando die Schließung des Büros der National Front in Belfast.

 

Im MLPD-Zentralorgan „Rote Fahne“ vom 9. September 2004 verbreitete sich Genossin Anna Bartholomé zur Hartz IV-Problematik: „Die nach dem VW-Manager Peter Hartz benannten so genannten "Arbeitsmarktreformen" stiegen mit Hartz I ein, mit dem "Personal-Service-Agenturen" (PSA). Die PSA sollen Arbeitslose als Zeit- und Leiharbeiter an Unternehmen vermitteln und sie können dabei deutlich unter den Tariflöhnen bleiben. Mit Hartz II wurden (ebenfalls bereits 2003) auch bei den Arbeitsämtern Jobcenter eingerichtet und neben der schnelleren Meldepflicht bei Kündigungen die "Ich-AGs" und die Mini-Jobs in großem Umfang eingeführt. Die Minijobs boomen - ohne Sozialversicherung arbeiten auf diese Weise inzwischen 7,2 Millionen Menschen (davon zwei Drittel Frauen) in 7,6 Millionen gemeldeten Minijobs - während zeitgleich drastisch sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichtet wurden. Hartz III machte schließlich Anfang 2004 aus dem Arbeitsamt eine "Bundesagentur für Arbeit", die sich an den Interessen der internationalen Konzerne zu orientieren hat. Mit Hartz IV wird schließlich Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt und unter das bisherige Niveau gedrückt. Mit der "Kernidee", die Empfänger von Arbeitslosengeld II zu "1- oder 2-Euro-Jobs" zu verpflichten, wird frech behauptet, es gehe dabei ja nur um zusätzliche, "gemeinnützige" Arbeiten, die keine vorhandenen Arbeitsplätze gefährdeten. Das stimmt schon bisher nicht. Als nächster Schritt sollen solche Billigjobs in der Alten- und Krankenpflege eingeführt werden, also in Betrieben, die im Zuge der Privatisierung immer größer werden. Familienministerin Schmidt will den Mangel an Kinderbetreuungsplätzen mit solchen Jobs "beheben". Das nennt sich dann alles "gemeinnützig".
Die Pläne gehen schließlich dahin, über die mit Hartz I eingeführten PSA auch die private Industrie mit Billigstarbeitskräften zu versorgen und dieses System flächendeckend in der ganzen Industrie einzuführen. In der großbürgerlichen "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wird das in der Rubrik "Die Ordnung der Wirtschaft" konkret ausgesponnen: "Eine Personal-Service-Agentur könnte beispielsweise zehn Empfänger von Arbeitslosengeld II an ein Bauunternehmen verleihen, das diese Arbeitskräfte bei der Modernisierung von Wohnungen einsetzt. Die Unternehmen könnten sich im Wettbewerb um diese Arbeitskräfte bemühen und ein Entgelt zahlen, das sie mit diesen Kräften erwirtschaften können. Das fließt abzüglich einer Aufwandsentschädigung an die Bundesagentur, welche schließlich die Kosten des Arbeitslosengelds II trägt. Das Bauunternehmen braucht jetzt allerdings weniger reguläre Arbeitskräfte und verzichtet beispielsweise darauf, fünf Handwerker einzustellen ..." ("Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 4.9.04)
Hier wird ungewollt eingestanden: Hartz I bis IV schafft keine neuen Arbeitsplätze - das könnte bei der sprunghaft gestiegenen Arbeitsproduktivität nur eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich - die Verteilung der vorhandenen Arbeit auf mehr Schultern. Hartz I bis IV aber befreit über Ich-Ags und Minijobs die Unternehmen immer weitgehender von sämtlichen Zahlungen in die Sozialversicherungskassen, es vergesellschaftet sogar die Lohnzahlungen, wenn immer mehr Lohnanteile von der Bundesagentur finanziert werden - und es organisiert nicht zuletzt über die kombinierte Wirkung von Hartz I und Hartz IV einen flächendeckenden Angriff auf das Lohnniveau aller (noch) Beschäftigten. Darum muss es auch von den Arbeiterinnen und Arbeitern im Schulterschluss mit den Arbeitslosen vom Tisch gefegt werden
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Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle

 

 

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