Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 13. bis 19. März 2004

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 
 

 

Zitat der Woche:
"Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden."
- John Maynard Keynes

Der Endlosprozess (Dauer 3 Jahre) gegen 5 mutmaßliche Aktivisten der Untergrundorganisation Revolutionäre Zellen RZ in Berlin endete mit mehrjährigen Haftstrafen. Die Richter ließen sich von den zahlreichen während des Verfahrens zutage getretenen Ungereimtheiten und Manipulationen, den dubiosen Begleitumständen der Aussagen Hans-Joachim Kleins und den nachgewiesenen Falschaussagen des gekauften Kronzeugen Tarek Mousli nicht beirren und sahen es als erwiesen an, dass alle Angeklagten an den Knieschussattentaten auf den ehemaligen Chef der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg (1986), und den Asylrichter Günther Korbmacher (1987) beteiligt waren. Die höchste Haftstrafe erhielt Matthias Borgmann mit 4 Jahren und 3 Monaten. Borgmann hatte im Gegensatz zu seinen teilgeständigen GenossInnen eisern geschwiegen. Wie Axel Haug (2 Jahre und 10 Monate) und Harald Glöde (2 Jahre und 9 Monate) soll er auch am Anschlag auf die Berliner Siegessäule von 1991 beteiligt gewesen sein. Wegen Rädelsführerschaft und der Beteiligung am Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle in Berlin anno 1987 erhielten Rudolf Schindler und Sabine Eckle jeweils 3 Jahre und 9 Monate Knast. Eine Verteidigerin kommentierte: „Das ist ein Urteil, als hätte es keine dreijährige Beweisaufnahme gegeben, und es macht deutlich, dass eine Verurteilung von Anfang an vorgesehen war.“ Ein Teil der Angeklagten wird gegen das Skandalurteil in Revision gehen.

 


Bereits am Tag vor den spanischen Parlamentswahlen kippte die öffentliche Meinung zuungunsten der regierenden Konservativen um. Bekanntlich hatte der scheidende Ministerpräsident Aznar versucht, die Verantwortung für die blutige Anschlagsserie von Madrid der baskischen Untergrundorganisation ETA in die Schuhe zu schieben. Allerdings wurden noch vor Beginn des Urnenganges die ersten Tatverdächtigen verhaftet - Angehörige einer islamistischen Gruppierung aus Marokko. Mit Jamal Zougam wurde übrigens mindestens einer der Täter seit November 2001 vom spanischen Geheimdienst überwacht. Sehr bald wurde auch der Inhalt des schon seit Tagen bekannten Bekennervideos verbreitet: "Wir erklären unsere Verantwortung für das, was in Madrid genau zweieinhalb Jahre nach den Angriffen auf New York und Washington geschehen ist. Es ist eine Antwort auf eure Zusammenarbeit mit den Verbrechern Bush und seinen Verbündeten. Dies ist eine Antwort auf die Verbrechen, die ihr in der Welt verübt habt, und zwar besonders in Irak und Afghanistan, und es wird weitere (Antworten) geben, so Gott will. Ihr liebt das Leben und wir lieben den Tod, was ein Beispiel für das gibt, was der Prophet Mohammed gesagt hat. Wenn ihr eure Ungerechtigkeiten nicht stoppt, wird mehr Blut fließen und diese Angriffe werden sehr klein verglichen mit dem sein, was geschehen wird und was ihr Terrorismus nennt. Dies ist eine Erklärung des Militärsprechers der Al Qaida für Europa." Zehntausende versammelten sich in den spanischen Städten zu Protestkundgebungen gegen die Lügenpolitik der Zentralregierung. Für einen Menschen kam der Stimmungsumschwung zu spät: In Irunea bei Pamplona wurde der 61jährige Bäcker Angel Berrueta von einem Polizisten erschossen, weil er sich weigerte, ein gegen die ETA gerichtetes Propagandaplakat in seinem Geschäft aufzuhängen. Das Anliegen war in der Tat eine Zumutung, denn Berrueta war bekannter Aktivist der baskischen Gefangenenhilfe. Bei den anschließenden Demonstrationen erlag in der Kleinstadt Hernani die 58jährige Kontxi Sanchiz einem Herzinfarkt, als die baskische Polizei die Demonstration mit Gummigeschossen auflöste. Zu Straßenschlachten kam es auch im französisch-baskischen Bayonne. Aus spanischen Haftanstalten wurde eine Serie schwerer Übergriffe auf baskische Gefangene gemeldet. Die inhaftierten Linksnationalisten wurden von anderen Insassen misshandelt, hinzu kamen schikanöse Strafmaßnahmen durch die Gefängnisleitungen.

 

Bei den Wahlen zum gesamtspanischen Parlament, den Cortes, fiel die regierende Volkspartei auf 37,64 % und 148 Abgeordnete (-35 Sitze) zurück. Der sozialistische PSOE steigerte sich auf 42,64 % und 164 Mandate. In Katalonien erfolgten erdrutschartige Stimmengewinne der linksnationalistischen Republikanischen Linken. Die Esquerra erhielt auf ganz Spanien umgerechnet 2,54 % (vorher 0,84 %) und stellt mit 8 Abgeordneten fortan die viertstärkste Fraktion. Drittstärkste Partei ist weiterhin die ebenfalls katalanische Konvergenz und Einheit CiU. Die bürgerlichen Regionalisten verloren allerdings 5 Sitze und fielen auf 3,2 % und 10 Mandate zurück. Infolge von politischer Indifferenz und Anbiederung an die Sozialisten wurde die kommunistische Vereinigte Linke vom Wähler abgestraft und erhielt nur noch 4,96 % und 5 Mandate. Die bürgerlich-regionalistische Kanarische Koalition fiel von 3 auf 4 Abgeordnete zurück. Die gemäßigt nationalistische Baskische Volkspartei PNV konnte ihre 7 Mandate mit 1,6 % der Stimmen halten, während die ebenfalls baskische Solidaritätspartei EA sich um einen Abgeordneten steigerte. Die linksnationalistischen Gruppen Zutik und Aralar, letztere aus der verbotenen Partei Batasuna hervorgegangen, scheiterten vollkommen. Dem Batasuna-Aufruf zum Wahlboykott folgten immerhin 120.000 Basken. In Navarra konnte das neue Wahlbündnis Nafarroa Bai (ohne Batasuna-Beteiligung) mit einer Abgeordneten in die Cortes einziehen. Die Wahlbeteiligung lag bei 77 %. Sozialistenführer José Luís Rodríguez Zapatero kündigte die Bildung einer Minderheitsregierung an, kann sich aber wohl auf die Tolerierung durch Esquerra und Kommunisten verlassen. Bei den gleichzeitig abgehaltenen Regionalwahlen in Andalusien erlitten die Konservativen ebenfalls eine schwere Niederlage gegen die Sozialisten, die fortan 61 von 109 Abgeordneten stellen.

 

Zapateros Wahl ist ein empfindlicher Rückschlag für die imperialistische Kriegskoalition der USA, denn zu seinen Wahlversprechen gehört der Abzug der 1300 spanischen Soldaten aus dem Irak. In der Tat kündigte der designierte Regierungschef den Truppenrückzug an, falls nicht bis zum 30. Juni eine souveräne irakische Regierung eingesetzt und die Koalitionstruppen dem Oberbefehl der Vereinten Nationen unterstellt werden. Ferner geißelte Zapatero die Irak-Politik der Amerikaner und Briten und erklärte: „Man kann einen Krieg nicht auf der Grundlage von Lügen organisieren.“ Anderer Ansicht ist offensichtlich Josef Joffe, Mitglied der nebulösen Loge Atlantik-Brücke, der mit einem wüsten Hetzartikel gegen den noch nicht einmal vereidigten Zapatero die „ZEIT“ zum Sprachrohr des amerikanischen Imperialismus degradierte. Kubas Staatschef Fidel Castro legte Spanien nahe, auch für den Abzug der rund 1000 Soldaten aus lateinamerikanischen Staaten, die im Kielwasser Aznars schwammen, einzutreten. Der drohende Abzug der Spanier wird das polnische Kontingent isolieren. Die Truppe hat bereits jetzt Probleme infolge mangelhafter Ausrüstung, Kommandostruktur und Logistik und wäre bei einer Ausweitung ihres Sektors maßlos überfordert.

 

Im Irak kam nunmehr der erste bundesdeutsche Staatsangehörige ums Leben. Bei einem Überfall nahe Kerbela wurden je ein deutscher und ein niederländischer Ingenieur sowie ihre beiden irakischen Begleiter getötet. Die „Wasserbau-Ingenieure“ waren übrigens bewaffnet. In Mossul fanden 4 Missionare einer amerikanischen Nichtregierungsorganisation im Rahmen einer vergleichbaren Aktion den Tod. Daselbst starben auch 3 irakische Polizisten bei einer Schießerei mit Widerstandskämpfern. In Bagdad sprengte der Untergrund das von Ausländern frequentierte Hotel „Jabal Lubnan“ mittels einer 500-Kilo-Autobombe in die Luft - mindestens 7 Tote und 45 Verletzte. Bei Bakuba wurde ein Team des mit den USA kollaborierenden Senders Dijala TV Ziel eines Angriffes, wobei 3 irakische Journalisten erschossen und 9 weitere Angestellte verletzt wurden. In der irakischen Hauptstadt erschossen US-Soldaten „aus Versehen“ 2 Mitarbeiter des unliebsamen Senders Al Arabija. Während der ganzen Woche erfolgten Granatwerfer- und Raketenangriffe auf das US-Hauptquartier in Bagdads Innenstadt. Die Zahl der amerikanischen Gefallenen hat derweil nach offiziellen Angaben die 570 überschritten.

 

Infolge erschöpfter Lufttransportkapazitäten setzen die Amerikaner bereits seit dem Vorjahr gecharterte AN-124 aus Russland ein. 9000 schwere Waffen und Kampffahrzeuge bedürfen der Reparatur und Überholung, Ersatzteile hierfür sind nicht ausreichend vorhanden. Im Falle eines weiteren bewaffneten Konfliktes erscheint die Einsatzfähigkeit der US Army fraglich. Mittlerweile wurden 30.000 neue Rekruten und 20.000 Zivilangestellte angeworben, um ausgebildete Soldaten im Heimatheer und auf Stützpunkten für Kampfeinsätze freizumachen - und noch immer ist im Irak zu wenig Infanterie vorhanden. Allerdings dürfte im Hochsommer die Auffrischung des amerikanischen Luftlandekorps und der Flugzeugträger abgeschlossen sein.

 

In Afghanistan wurde die Operation Mountain Storm gegen die von den Taliban kontrollierten Gebiete entlang der Grenze zu Pakistan und im Landesinneren eröffnet. An den Kampfhandlungen waren alle 13.500 Soldaten der USA und ihrer Verbündeten beteiligt. Auf der anderen Seite der Grenze fand eine parallele Offensive pakistanischer Regierungstruppen in Stärke von 70.000 Mann gegen Taliban- und Islamistenverbände statt. Ziel der Angriffe ist die Gefangennahme Osama bin Ladens und seines Stellvertreters Aiman al-Sawahri. Bereits vor einiger Zeit und offenkundig infolge des Versagens der beteiligten US-Truppen konnte der von französischen Spezialeinheiten eingekreiste bin Laden sich der Gefangennahme entziehen. Vor allem in der zentralafghanischen Provinz Urusgan und im pakistanischen Südwaziristan kam es zu heftigen Gefechten.



Im nordsyrischen Kamishli brachen nach einem Fußballspiel schwere Zusammenstößen zwischen Kurden und Arabern aus, woraufhin die baathistische Regierung Armeeverbände mit Panzerunterstützung einsetzte. Es gab 17 bis 70 Tote, und das am Jahrestag des irakischen Giftgasangriffes auf Halabja. Militär und Polizei schlugen die Unruhen gnadenlos nieder, in den betroffenen Gebieten wurde der Ausnahmezustand verhängt. Die kurdische Minderheit macht ca. 10 % der syrischen Gesamtbevölkerung aus. Die autonomistischen bzw. separatistischen Bestrebungen unter Syriens Kurden wurden durch die Errichtung der autonomen Kurdenregion im Nordirak deutlich befördert.

 


Nach Wochen des israelischen Besatzungsterrors in den Palästinensergebieten schlug der Widerstand zurück. In der Hafenstadt Ashdod kamen bei 2 Selbstmordanschlägen 12 Menschen ums leben, es gab mindestens 18 Verletzte. Es handelte sich um die erste Selbstmordoperation in einer israelischen Hafenstadt, ausgeführt wurde sie von der Hamas und den der Fatah nahe stehenden Al-Aqsa-Brigaden. Weitere geplante Anschläge im Gazastreifen scheiterten, wobei 5 Palästinenser von den zionistischen Besatzern erschossen wurden. Das israelische Militär reagierte mit Raketenangriffen auf Gaza-Stadt und Rafah, die 4 Tote und 22 Verletzte forderten. In Rafah machte die Soldateska 30 Wohnhäuser dem Erdboden gleich. Weitere 17 Verletzte gab es bei einem erneuten Zusammenstoß zwischen der Palästinenserpolizei und militanten Islamisten. Israels Regierung ordnete militärische Razzien im Gazastreifen an, darüber hinaus wurden neue gezielte Mordaktionen gegen führende Aktivisten des palästinensischen Widerstands freigegeben.

 


Im Kosovo kam es zur schwersten Gewaltwelle seit den ethnischen Säuberungen durch die UCK in den Jahren 1999 und 2000. Aufhänger war der Tod dreier albanischer Kinder im Ibar-Fluss, wo sie der Strömung zum Opfer fielen. Die von albanischen Ultranationalisten, den ehemaligen Hätschelkindern der NATO, verbreitete Version besagte, die Kinder wären von serbischen Jugendlichen ins Wasser getrieben worden. Hauptverantwortlicher war ausgerechnet Halid Berani als Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Kosovo-Regierung. Das Ergebnis waren massive Übergriffe gegen die serbische Bevölkerungsgruppe und die systematische Zerstörung serbischer Kulturdenkmäler. Die KFOR-Truppen erhielten Feuerbefehl, um die brandschatzenden Horden zur Räson zu bringen, da Tränengas und Gummigeschosse nicht reichten. Zentrum der Unruhen war Mitrovica als Zentrum der Kosovo-Serben, deren Selbstschutz hier einen Angriff von 3000 Albanern zurückschlagen konnte. Das serbische Dorf Caglavica bei Pristina wurde dem Erdboden gleichgemacht, ebenso wie Gnjilana im Osten des Kosovo. Allerorts erfolgten zentral gesteuerte Überfälle mit 51.000 Teilnehmern auf die serbischen Enklaven. Unter den 163 Festgenommen befand sich auch der Provokateur Berani. Die albanischen Banden machten weder vor Frauen, Kindern noch Alten halt - ein klassisches Pogrom. KFOR wurde durch SFOR-Einheiten aus Bosnien und NATO-Truppen verstärkt, vielerorts musste die serbische Bevölkerung von Soldaten vor dem Mob gerettet und evakuiert werden. Insgesamt gab es 3500 Evakuierte, die vornehmlich in den Raum Gracanica östlich Pristina gebracht wurden. Albanische Ultranationalisten gingen auch gezielt gegen Einrichtungen der Protektoratsverwaltung UNMIK vor. Es kann also keinesfalls von Zusammenstößen zwischen Albanern und Serben die Rede sein, wie es uns die westliche Medienmaschinerie glauben machen will. Insgesamt gab es 31 Tote (darunter 8 massakrierte Serben) und 870 Verletzte. 30 serbische Kirchen und Klöster wurden vollständig zerstört, teilweise zählten sie zum Weltkulturerbe der Menschheit. Im Bundeswehr-Sektor von Prizren wurde faktisch nichts unternommen, um die Zerstörungsorgie zu ver- oder wenigstens zu behindern. Die Kommandeure der hier eingesetzten bundesdeutschen und österreichischen Besatzungstruppen weigerten sich, den Feuerbefehl zu erteilen. Niedergebrannt wurden hier die beinahe 1000 Jahre alte Kirche Bogorodica Ljeviska, ein mittelalterliches Kloster und der Bischofssitz. Insgesamt wurden seit 1999 mehr als 100 orthodoxe Heiligtümer im Kosovo niedergebrannt oder gesprengt, ohne dass man im Westen auch nur eine Zeile darüber gelesen hätte. Die Angaben über die Zahl der bei ethnischen Säuberungen unter dem freundlichen Wegsehen der NATO vertriebenen Serben schwanken zwischen 180.000 und 350.000. Seit 1999 wurden 2500 Serben und andere Nichtalbaner umgebracht, teilweise nach barbarischen Misshandlungen. Die Arbeitslosenquote unter den Kosovo-Serben liegt bei fast 100 %. Sozialleistungen kommen nicht etwa von UNMIK oder der Kosovo-Regierung, sondern aus Belgrad. UNMIK ging von einer vorbereiteten Aktion aus, spielte die Auswirkungen aber dennoch hinunter. Albanische Kriegsverbrecher werden ohnehin systematisch von NATO und UNMIK geschützt, vor allem die Amerikaner tun sich hier unrühmlich hervor. Der serbische Volksrat SNV forderte den Ausnahmezustand für Mitrovica, um ein Blutbad zu verhindern. Belgrad verlangte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates, um den albanischen Separatismus und Terrorismus in seine Schranken zu verweisen, und warf der NATO „dramatische Unfähigkeit“ vor. Der serbische Ministerpräsident Kostunica forderte von der UNO verbesserten Schutz für die seit Jahren drangsalierten Kosovo-Serben und eine Autonomieregelung für die serbische Bevölkerungsgruppe. Diese soll in Form einer Kantonisierung des Kosovo umgesetzt werden. Die serbischen Kantone könnten dann von serbischen Polizeieinheiten bewacht werden, so dass den Kosovo-Serben endlich wieder ein menschenwürdiges Leben möglich wäre. In Serbien kam es zu Protestkundgebungen gegen die albanischen Übergriffe, die von antiislamischen Ausschreitungen begleitet waren. Unter anderem wurden die historischen Moscheen von Belgrad und Nisch angezündet. Die serbische Regierung verhängte eine Staatstrauer und versetzte die Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft.

 


Das deutsche Bildungssystem verhindert einer Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie FiBS zufolge durch seine Kostenverteilung, dass Kinder aus sozial schwachen Familien eine höhere Bildung erhalten. Während die Kosten der Schulausbildung zu 19 %, die eines Studiums gar zu 49 % privat von Studenten oder Eltern finanziert werden müssen, beträgt dieser Anteil bei der Berufsausbildung nur 4 %. Wenn ein Kind also nach der Sekundarstufe I eine Berufsausbildung beginnt, entstehen den Eltern durch die geringeren Lebenshaltungskosten für das Kind und das Kindergeld, das sie trotzdem erhalten, hohe finanzielle Vorteile. Dies verhindert aber einen stärkeren Zugang einkommensschwacher Schichten zu weiterführender Bildung, zunächst zur gymnasialen Oberstufe. Die Einführung von Studiengebühren, auch in Form von Gutscheinen, ist deshalb kontraproduktiv. Im Gegenteil müsse gerade für bildungsferne Schichten der Zugang zu Kindertagesstätten, gymnasialer Oberstufe und Hochschule stärker gefördert werden. Die Studie räumt mit einigen verbreiteten Vorurteilen auf: Die Berufsausbildung beispielsweise wird nicht überwiegend durch die ausbildenden Betriebe, sondern zu zwei Dritteln durch den Staat finanziert. Der Anteil der Unternehmen beträgt nur 31 %, die privaten Haushalte zahlen 4 %. Dagegen ist ein Studium für die Studierenden bzw. ihre Eltern keineswegs kostenlos: Nur 51 % der Kosten zahlt der Staat, den Rest müssen die Familien selbst aufbringen. "Damit ist das in Deutschland gängige Vorurteil eines kostenlosen Studiums endgültig widerlegt." Für den Bereich der Kindergärten zahlen die Eltern 21 % der Kosten, während der Staat 63 und die Träger der Kindergärten 16 % finanzieren. Das ist viel weniger als für die Hochschulausbildung - aber immer noch deutlich mehr als für die allgemein bildende Schule, bei der die öffentliche Hand 82 % übernimmt und die Eltern für 18 % aufkommen müssen.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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