Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 19. bis 25. Juni 2004

Als Konsequenz aus dem Abschneiden der Scottish National Party bei den Europawahlen kündigte John Swinney an, auf dem nächsten Parteitag nicht erneut als Parteivorsitzender zu kandidieren. Die SNP erhielt 19,61 % der schottischen Wählerstimmen (minus 7 Prozentpunkte!) und stellt 2 Abgeordnete in Straßburg, aber es gelang erneut nicht, die Labour Party zu überholen und stärkste Kraft in Schottland zu werden. Hintergrund sind interne Auseinandersetzungen um Swinneys Führungsstil und seine Führungsfähigkeit, die sich in der Tat auf die Wahlergebnisse der SNP auswirkten. Als seinen Hauptfehler betrachtet er, dass es nicht gelungen ist, der Mehrheit der schottischen Bevölkerung die Notwendigkeit einer völligen Unabhängigkeit vor Augen zu führen. Immerhin erreichte Swinney, dass die zum Zeitpunkt seines Parteieintrittes (1979) in Agonie liegende Partei heutzutage im ersten schottischen Parlament für beinahe 300 Jahre sitzt und dort die maßgebliche Opposition gegen Labour darstellt. John Swinney amtierte 4 Jahre lang als Parteivorsitzender.

 

Zur Diskussion um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in der BRD erklärte Harald Werner als gewerkschaftspolitischer Sprecher der PDS: „Die Ankündigung der SPD, in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen weckt zwiespältige Gefühle. Zum einen ist ein gesetzlicher Mindestlohn längst überfällig, weil die EU-Staaten durch die Sozialcharta schon seit Jahrzehnten zur Sicherung eines Lohnniveaus verpflichtet sind, das Lohngruppen unterhalb von 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohnes ausschließt. Andererseits gibt es nicht nur berechtigte Befürchtungen, sondern auch handfeste Tatsache, dass es sich bei der Initiative aus der SPD wieder einmal um eine Mogelpackung handeln könnte.
Brächte die SPD den Mut zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes auf und würde sich dabei an die Richtlinien der EU halten, stünde uns eine kleine Revolution ins Haus. Als erstes dürften die meisten der Hartz-Gesetze zur Makulatur werden, weil es Gesetze zur Unterschreitung und nicht zur Sicherung des Lohnniveaus sind. Zweitens müssten mehr als zweieinhalb Millionen Vollzeitbeschäftigte schlagartig deutlich mehr Geld bekommen und drittens würde die SPD nachträglich einen Antrag der PDS-Bundestagsfraktion annehmen, den sie vor einigen Jahren noch mit heftiger Polemik abgelehnt hatte. Denn, was die meisten Menschen nicht wissen, im angeblichen Hochlohnland Deutschland sind Löhne unterhalb der EU-Norm an der Tagesordnung.
Die europäische Sozialcharta verpflichtet alle Mitgliedsländer zur Zahlung ausreichender Löhne. Als ausreichend hat ein Sachverständigenausschuss 1977 einen Lohn bezeichnet, der 68 Prozent des nationalen Durchschnittslohnes nicht unterschreitet. Unter dem Einfluss neoliberaler Politik wurde dieser Prozentsatz dann vor einigen Jahren auf 60 Prozent nach unten korrigiert. Aber selbst dieser niedrigere Satz würde bedeuten, dass die Bundesregierung keine Stundenlöhne unter sieben Euro dulden dürfte.
In Wirklichkeit werden allerdings mindestens 20 Prozent aller deutschen Beschäftigten wesentlich schlechter bezahlt. Die Hans-Böckler-Stiftung hat auf der Datenbasis der IAB-Beschäftigungsstichprobe 1997 ausgerechnet, dass 2,54 Millionen Vollzeitbeschäftigte nicht nur unterhalb der Mindestlohngrenze arbeiten müssen, sondern mit ihrem Einkommen sogar die EU-Armutsgrenze unterschreiten, die bei 50 Prozent des nationalen Durchschnittslohnes liegt. Es gibt sogar 130 Tarifverträge, die Stundenlöhne unter fünf Euro ausweisen.
Das alles hat die Bundesregierung nicht daran gehindert, die Arbeitslosen mit den Hartz-Gesetzen sogar zur Aufnahme von Beschäftigungen zu zwingen, die nicht einmal diesen Hungerlöhnen entsprechen. Die Überlegungen zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes erforderten die "brutalstmögliche" Wende in der rot-grünen Politik. Vorausgesetzt, die SPD orientiert sich an der
europäischen Sozialcharta oder zumindest an der Praxis unserer Nachbarn. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt nämlich in Luxemburg 7,91 Euro, in den Niederlanden 7,57 Euro und bei unserem wichtigsten Partner Frankreich 6,83 Euro. Darunter, Herr Müntefering geht es nicht!

 

Unter dem Motto "Nationalisten aus ganz Europa, verbündet Euch!" will der Vorsitzende des Front National, Jean-Marie Le Pen, eine Fraktion der Nationalisten im neu gewählten Europäischen Parlament zu Stande bringen. Gemeinsam hätten der Front National und der Vlaams Blok bereits 10 Mandate. Kontakte bestehen auch zur neofaschistischen italienischen Abgeordneten Alessandra Mussolini, und umworben wird der künftige FPÖ-Europaparlamentarier Andreas Mölzer. Allerdings steht einer Zusammenarbeit die politische Indifferenz Jörg Haiders im Wege, der Le Pen bislang mied wie der Teufel das Weihwasser. Hierzu Le Pen: „Er hat Angst davor, dass man es erfahren würde, wenn er sich mit mir treffen würde. Ich werde genauso wie er dämonisiert. Mich schreckt das nicht ab, ich habe eine Krokodilshaut, er offenbar nicht, obwohl alles dafür sprechen würde, dass wir zusammenarbeiten. Aber er wurde durch die Politik verwöhnt und hat einen sehr raschen und leichten Aufstieg hinter sich." Ferner befindet sich eine euroskeptische Fraktion in Formierung. Sie wird aus zwei Flügeln bestehen, einer gemäßigten Gruppe um den dänischen Abgeordneten Bonde, die schwedische Junibewegung, das Mouvement pour la France und die niederländische ChristenUnie sowie den Hardlinern um die United Kingdom Independence Party und die polnische Familienliga, welche unumwunden für den Austritt aus der EU eintreten.

 

Verpackt in die „Bekämpfung des Rechtsextremismus“ plant das Bundesinnenministerium eine massive Einschränkung der Demonstrationsfreiheit. Der entsprechende Gesetzesentwurf entstand unter Einbindung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und des Bundesjustizministeriums. Vordergründig geht es darum, im Umkreis von an die Opfer des Hitler-Regimes („Opfer einer organisierten menschenunwürdigenden Behandlung“) erinnernden Stätten Versammlungsbeschränkungen und - verbote festzulegen. Voraussetzungen sind die Zustimmung des Bundesrates und der Umstand, dass die Versammlung geeignet sein muss, die „menschenunwürdigende Behandlung der Opfer zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen“, was ja nun bei den meisten einschlägigen Kundgebungen des „Nationalen Widerstandes“ zweifelsohne der Fall ist. Allerdings geht die Vorlage weiter: Künftig soll jede Versammlung beschränkt oder verboten werden, welche „nationalsozialistische oder andere Gewalt- und Willkürherrschaft oder terroristische Vereinigungen oder terroristische Straftaten im In- und Ausland in einer Weise verherrlicht oder verharmlost, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden“. Bislang sieht das Versammlungsrecht Beschränkungen und Verbote nur bei „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ vor. Da der Begriff einer terroristischen Vereinigung im In- und Ausland nicht genau definiert ist, bestünde ein weiter Handlungsspielraum zum Verbot politischer Kundgebungen. Beispielsweise dürften auch antiimperialistische und globalisierungskritische Versammlungen untersagt werden, weil so manche Widerstands- und Befreiungsbewegung bereits auf den Verbotslisten steht und die EU-Richtlinien den Begriff des „Terrorismus“ schon bei Bagatell- und Propagandadelikten beginnen lassen.

 

In der „jungen welt“ verkündete Tina Sanders, die Vorsitzende der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend SDAJ, dass die „16. Weltfestspiele der Jugend und StudentInnen“ vom 5. bis 13. August 2005 in der venezolanischen Hauptstadt Caracas stattfinden werden: „An dem ersten Vorbereitungstreffen nahmen 60 Jugendorganisationen aus fünf Kontinenten teil. Dabei haben wir uns auch schon auf einen gemeinsamen Slogan geeinigt: „Für Frieden und Solidarität, wir kämpfen gegen Imperialismus und Krieg!“ In Caracas wird die revolutionäre Jugend Venezuelas mit der fortschrittlichen und demokratischen Jugend aus aller Welt zusammentreffen. Wir haben einen Aufruf verabschiedet, der unterstreicht, dass das Festival seinen antiimperialistischen Charakter beibehält. Der Vorschlag, das Festival in Venezuela auszutragen, stammte sowohl vom Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) als auch Jugendorganisationen aus dem Land selbst. In Venezuela findet ein revolutionärer Prozess statt, der sich gegen die imperialistischen Interessen, vor allem gegen den US-Imperialismus richtet. Die Regierung unter Hugo Chávez hat erhebliche soziale Fortschritte für die Menschen gebracht. Venezuela ist zu einem Ausdruck des Widerstands gegen die imperiale Ausbeutung geworden. Zunächst ist es an uns, die Einladung nach Caracas publik zu machen. Die Weltfestspiele sind der Ort, an dem sich junge Leute aus allen Teilen der Welt über ihre Kämpfe um soziale und demokratische Rechte austauschen. Erwartet werden 15 000 Jugendliche aus mehr als 150 Ländern. In Deutschland wollen wir ganz gezielt die Gewerkschaftsjugend ansprechen, die sich für eine bessere und qualifizierte Ausbildung einsetzt. Wir müssen klarmachen, dass die Auseinandersetzungen hierzulande auch Thema in Caracas sein werden. Genauso sollen die jüngsten Erfahrungen der Studierendenbewegung in Venezuela eine Rolle spielen.“ Die bolivarianische Revolution in Venezuela befindet sich allerdings in Gefahr, denn in Kürze wird ein von der Opposition durchgesetztes Referendum zur Amtsenthebung des linksnationalistischen Staatschefs Chávez erfolgen. Sollte dieses scheitern, drohen bürgerkriegsähnliche Zustände. Die alten Eliten und die schmale Oberschicht lehnen die umfangreichen Sozial- und Wirtschaftsreformen der Revolution ab, umgekehrt geht Chávez vielen seiner Unterstützer nicht weit genug. AUC-Paramilitärs aus dem benachbarten Kolumbien sickern ein, um mit Hilfe der Oligarchie und der US-Botschaft die Regierung zu stürzen. Unlängst wurde erneut ein Waffenlager der Opposition ausgehoben, und deren radikaler Flügel hat seine Verbindungen zu CIA-nahen Exilkubanern weiter intensiviert.

 

In der chinesischen Hauptstadt Peking fand die dritte Runde der Sechsparteiengespräche zur Beilegung der koreanischen Dauerkrise statt. Teilnehmer waren neben China die beiden koreanischen Staaten, Japan, die USA und Russland. Hintergrund ist der Konflikt zwischen den USA und dem kommunistischen Nordkorea um dessen Atomwaffenprogramm. Umstritten ist nach wie vor, ob Nordkorea bereits über Kernwaffen verfügt. Für weitere Beunruhigung sorgt die Entwicklung der neuen Taepodong-2-Rakete, welche Kalifornien und die Ölfelder in Alaska in Reichweite des nordkoreanischen Militärs bringen wird. Washington fordert die vollständige und die nachprüfbare Einstellung sowohl der Produktion waffenfähigen Plutoniums als auch der Urananreicherung. Nach Ansicht der Regierungen Chinas und Südkoreas betreibt Pjöngjang allerdings kein solches Programm. Nordkorea fordert als Gegenleistung Sicherheitsgarantien wie einen Nichtangriffspakt mit den USA und erhebliche Wirtschaftshilfen. Japan und Südkorea sind ohnehin zu Zugeständnissen bereit, auch die Bush-Administration signalisierte erstmals Entgegenkommen: Im Falle eines Verzichtes auf das Atomwaffenprogramm soll Nordkorea von der Liste der „Schurkenstaaten“ gestrichen werden und eine „vorläufige Nichtangriffsgarantie“ erhalten. Ferner wollen die USA Direktverhandlungen über die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen aufnehmen und Erdöllieferungen aus Drittländern zustimmen. Im Weigerungsfall ist allerdings mit einer Verschärfung der amerikanischen Maßnahmen zu rechnen. Nordkorea bewegte sich ebenfalls: Bei US-Erdöllieferungen, Aufhebung der Sanktionen und Streichung von der Terrorliste soll das Nuklearprogramm eingefroren und später ganz eingestellt werden. Dennoch scheiterten die Verhandlungen, als Washington die nordkoreanischen Vorstellungen über die Höhe der Erdöllieferungen als maßlos zurückwies und Pjöngjang daraufhin mit der Drohung eines offiziellen Atomwaffentests reagierte. Weitere Entspannung signalisierte immerhin ein Wirtschaftsabkommen zwischen den beiden koreanischen Bruderstaaten, welches dem Norden Nahrungsmittellieferungen und Investitionen sichert.

 

Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge lebte schon im Jahr 2002 jeder achte Bundesbürger in Armut. Von Armut betroffen sind außer den allein Erziehenden (40,7 %) vor allem Migranten (27,4 %) in Großstädten mit hohem Ausländeranteil, Arbeitslose (37,9 %) sowie Großfamilien mit zwei und mehr Kindern (58,5 %). Die vieldiskutierte Altersarmut wird durch die Studie relativiert: In der Altersgruppe der heute 51- bis 60-Jährigen ist eine Armutsquote von 8,9 % dokumentiert, in der Altersgruppe der 61- bis 70-Jährigen eine von 10,1 %. Wirklich gefährdet sind hingegen junge Menschen zwischen 11 und 20 Jahren: Armutsquote 22,9 %. Eine Sondergruppe sind Selbständige und deren Mithelfende in den neuen Bundesländern mit einem Armutsrisiko von 13,9 %. Überproportional hohe Armutsquoten finden sich auch bei getrennt Lebenden (26 %), bei Personen ohne abgeschlossene Schulbildung (22,8 %) - in den neuen Ländern auch Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung - sowie bei Personen, die sich in schulischer oder beruflicher Ausbildung befinden (18,6 %). Sieht man von den Auszubildenden und Volontären (24,5 %) ab, so gibt es innerhalb der beruflichen Statusgruppen die höchsten Armutsquoten erwartungsgemäß unter den un- und angelernten Arbeitern (17,3 %). Facharbeiter (6,1%) und auch einfache Angestellte (11,9 %) sind eher unterdurchschnittlich betroffen; die niedrigsten Armutsquoten finden sich bei qualifizierten und leitenden Angestellten (0,7 %) sowie Beamten (3,5 %). Die ärmsten 20 % der Bevölkerung verfügen zusammen über 9,3 % des monatlichen Gesamteinkommens, demgegenüber verfügen die reichsten 20 % über 36 %. Dieses Verhältnis befindet sich seit dem Jahr 2000 in ununterbrochener Verschiebung, und zwar im Rahmen der Umverteilung von unten nach oben zugunsten der vermögenden Bevölkerungsschichten.

 


Die Extractive Industries Review untersuchte die Rolle der Weltbank im Rohstoffsektor untersucht. Bekanntlich sind die Strukturanpassungs- und Kreditprogramme von Weltbank und IWF darauf ausgerichtet, einerseits durch rücksichtslose Sozial- und Ausgabenkürzungen die Staatsfinanzen der Drittweltstaaten zu sanieren (die Folgen können bis hin zum Bürgerkrieg reichen) und andererseits den Export vor allem von Rohstoffen zwecks Devisenbeschaffung anzukurbeln (also Beibehaltung kolonialer Abhängigkeitsstrukturen). Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass die Fixierung auf den Rohstoffsektor nicht zur Reduzierung von Armut geeignet ist, sofern nicht bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllt sind: Mitsprache der Bevölkerung bei Entwicklungsprojekten, Ausstieg aus der Förderung von Kohle- und Ölprojekten (von denen die breite Masse ohnehin nichts hat), Förderung erneuerbarer Energien und Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Gegebenheiten vor Ort.

 

Wie eine kürzlich vom „Gulf Centre of Strategic Studies“ mit Sitz in Kairo erstellte Studie hervorhebt, ist die intellektuelle Zukunft der arabischen Welt durch die zunehmende Abwanderung von Wissenschaftlern und Fachleuten bedroht. Im Verhältnis zu anderen Kulturkreisen bewegt sich deren Zahl ohnehin schon am unteren Ende der Skala, und bald wird die Region zwischen Atlantik und Indischem Ozean ein Drittel zum „brain drain“ beitragen, also zum Verlust intellektueller Kapazitäten der Dritten Welt an die entwickelten Industriestaaten. Die arabischen Länder verlieren jährlich 50% ihrer Medizinabsolventen, 23% ihrer Ingenieure und 15% an anderen Wissenschaftlern. Hauptzielländer der Wanderungsbewegung sind die USA, Großbritannien und Kanada. Um diese Tendenz umzukehren, müsste das Budget für Forschung und Entwicklung um das 11-fache erhöht werden. Derzeit werden in der gesamten arabischen Welt nur 0,15 % des Bruttoinlandsproduktes hierfür verwendet (wobei vor allem Ägypten und Pakistan erhebliche Modernisierungsanstrengungen unternehmen). Als weitere Maßnahmen sind laut Studie eine panarabische Strategie zur Förderung der Wirtschaft (wie seit Jahrzehnten vom Baathismus gefordert!) sowie eine grundlegende Reform des Bildungswesens vonnöten. Mit der schrittweisen Reislamisierung der arabischen Gesellschaften ging die Qualität des Unterrichts stark zurück. Die Lehrpläne konzentrieren sich zumindest in den Grundausbildungssystemen hauptsächlich auf religiöse Aspekte und vernachlässigt Naturwissenschaften und Technik. Eine Kommunikation mit abgewanderten arabischen Intellektuellen und Wissenschaftlern findet ebenfalls kaum statt. Werte wie kritisches Denken und Forschergeist werden nicht gefördert, aus dem Westen kommende Entwicklungen treffen von vornherein auf Skepsis, anstatt auf ihre Brauchbarkeit für die arabische Gesellschaft geprüft zu werden. Angesichts derartiger Verhältnisse stellt sich die Frage, ob die verbreitete Sympathie für islamistische/fundamentalistische Gruppierungen nicht letzten Endes zur Zementierung reaktionärer Strukturen beiträgt. „Für die Auswirkungen der so notwendigen Ergebnisse ist es fast egal, wie sie das tun: Sei es, sich im Spiegel ihres eigenen vergangenen Glanzes zu betrachten, oder sei es, indem sie sich auf das Ziel konzentrieren, Verbindungen zu den Entwicklungsnationen zu knüpfen, die in der Welt erfolgreich waren bezüglich einer Hinwendung zu einer aufgeklärten Gesellschaft. Das wichtige ist, vor allem zu verstehen, dass ein Kampf gegen alles was, von innen oder außen, in politischer, sozialer, wissenschaftlicher oder kultureller Hinsicht den Aufstieg dieser Bevölkerung zu bereits in vergangenen Jahrhunderten erreichten Quoten verhindert, notwendig ist, bevor der überwältigende Rhythmus der Entwicklung des Westens die arabische Nation endgültig dazu verdammt, bloße Konsumenten ihrer intellektuellen Produkte zu sein, mit all den Konsequenzen, die sich daraus ergeben.“

 

Wenige Tage vor der geplanten Machtübergabe eröffnete der irakische Widerstand eine Offensive gegen US-Besatzer und Kollaborateure. Bereits seit Tagen kam es in Bakuba, Ramadi und Samarra zu andauernden Gefechten, und bei einem US-Bombenangriff auf ein Wohngebiet in Falluja starben 22 Zivilpersonen. Die Ouvertüre der neuen Angriffswelle stellte eine verheerende Anschlagsserie auf Polizeieinrichtungen in Mossul dar, bei der es mindestens 44 Tote und 200 Verletzte gab. Es folgten heftige Kämpfe in Mossul, Bakuba, Farak, Bagdad, Ramadi, Falluja und Mahaweel. Vor allem in Bakuba brachten die Rebellen weite Teile der Stadt unter Kontrolle. Bei den Anschlägen und Kampfhandlungen fanden mindestens 150 Iraker, 11 US-Soldaten sowie je 1 Portugiese und Südkoreaner den Tod.

 

Im Jemen sind bei Gefechten zwischen Regierungstruppen und Anhängern eines radikalen islamischen Predigers nach offiziellen Angaben 53 Menschen ums Leben gekommen, darunter 7 Soldaten. 35 weitere Menschen wurden bei den Kämpfen in Marran in der nördlichen Provinz Saada verletzt. Die jemenitische Regierung wirft dem Prediger Hussein Badruddin al Huthi vor, er verbreite von der Glaubenslehre abweichende Ideen und rufe zum Hass gegen die USA auf. Der Prediger gehört zur schiitischen Sekte der Saiditen. Er soll "finanzielle Hilfe aus dem Ausland erhalten haben, mit dem Ziel, die Sicherheit und Stabilität des Landes zu stören". Laut Innenministerium wurden inzwischen 43 Anhänger des Geistlichen festgenommen, der sich in einem schwer zugänglichen Gebirge mit seinen Getreuen verschanzt hat. Nach der islamistischen Terrorserie in Saudi-Arabien will die Regierung ausländischen Staatsangehörigen auf Antrag die Genehmigung zum Tragen einer Waffe ausstellen. Bei einem Feuergefecht in Riad rieben Sicherheitskräfte ein islamistisches Kommando auf; unter den 9 Toten befand sich auch Abdulaziz Issa Abdul Mohsin el Mokrin, der Leiter des saudischen Ablegers der al-Qaida. Kurz zuvor hatte die Gruppe den amerikanischen Lockheed-Angestellten Paul Martin entführt und geköpft.

 

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder halten die geplante pauschale Speicherung sämtlicher Telefonverbindungen und Daten zur Internet-Nutzung für verfassungswidrig. Eine Arbeitsgruppe des EU-Ministerrats berät derzeit über einen Richtlinien-Vorschlag, der es ermöglichen würde, Anbieter von Telekommunikations- und Internetdiensten zu verpflichten, jede einzelne Nutzung zu protokollieren und mindestens ein Jahr aufzubewahren. Eine flächendeckende Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten würde die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und auf ungehinderte Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen verletzen, kritisierten die Datenschützer. Jede Auswertung von Internetadressen könne etwas über die Interessen, Vorlieben und politischen Präferenzen der Nutzenden verraten - und diese Adressen müssten nach dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss auf Vorrat gespeichert werden. Außerdem äußerten die Datenschutzbeauftragten erhebliche Zweifel, ob der vorgeschlagene Rahmenbeschluss mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention - dem Recht auf Achtung des Privatlebens und der Korrespondenz - vereinbar sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe betont, dass die Vertragsstaaten auch zur Bekämpfung des Terrorismus nicht jede Maßnahme beschließen dürften, die sie für angemessen hielten. Vielmehr müsse es sich um Maßnahmen handeln, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendig seien und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprächen. "Die flächendeckende anlass-unabhängige Speicherung aller Daten über die Nutzung öffentlicher Kommunikationsnetze schießt dagegen weit über das für die Vorbeugung und Verfolgung von Straftaten erforderliche Maß hinaus."

 

Das UN-Wüstensekretariat in Bonn teilte mit, dass rund ein Drittel der weltweiten Landoberfläche von der Wüstenbildung (Desertifikation) bedroht ist. Jährlich verwandeln sich 400 Quadratkilometer fruchtbaren Bodens in Wüste, und der Lebensraum von 250 Millionen Menschen ist bedroht. Schwerpunkt ist Afrika (Sahelzone), aber das Problem dürfte sich im Rahmen der globalen Klimaveränderung nordwärts verlagern. Eine Simulation des Potsdam-Instituts für Klimaforschung ergab, dass sich die Wüstengebiete der Sahara nordwärts bewegen und auch Teile Südeuropas erfassen werden. Der Sommermonsun wird sich gleichzeitig verstärken und die bislang von der Wüstenbildung betroffenen Gebiete verstärkt begrünen. Je nach Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre werden 10 bis 30 % der gegenwärtigen Sahara wieder Vegetation bilden. Bereits jetzt zeichnet sich ein langsamer Rückzug der Wüste aus der Sahelzone ab. Allerdings wird sich die Wüste gen Norden ausdehnen - bereits jetzt sind 27 % der Fläche Italiens und 31 % der Fläche Spaniens von Desertifikation bedroht, in beinahe einem Drittel der spanischen Provinzen ist mehr als die Hälfte des Ackerbodens in Gefahr. Vollständig an die Sahara verloren gehen werden die Provinz Alicante sowie die Kanarischen Inseln. In Italien verwandelt sich der ohnehin schon bettelarme Süden in Wüsten und Steppen, während bis in die Toskana hinein mit Bodenversalzung zu rechnen ist.

 

Mit der Drohung, die Produktion der Werke in den nordrhein-westfälischen Städten Kamp-Lintfort und Bocholt komplett nach Ungarn zu verlagern und 5000 Arbeitnehmer auf die Straße zu setzen, zwang der Siemens-Konzern die IG Metall in die Knie. Die Metallergewerkschaft stimmte einem Ergänzungstarifvertrag, welcher den Belegschaften der beiden Werke die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich sowie die Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld bescherte. Vorher wurde 35 Stunden wöchentlich gearbeitet, und schon das für einen alles andere als üppigen Lohn. Weitere Verhandlungen werden für die Standorte Bruchsal, Nürnberg, Kirchheim//Teck und Karlsruhe geführt, so dass die konzernweite Übernahme der Regel nur eine Frage der Zeit ist. Der Siemens-Gesamtbetriebsrat wertete die Vereinbarung "mit Bauchschmerzen" insofern als Erfolg, weil Arbeitsplätze erhalten wurden. Der Fall sei allerdings ein "Musterbeispiel für die grundsätzliche Benachteiligung der Arbeitnehmer durch die völlig ungeregelte Globalisierung". Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall registrierte mit Genugtuung, dass die im Frühjahr mit der IG Metall vereinbarten Möglichkeiten für Arbeitszeitverlängerungen erstmals von einem namhaften Großunternehmen genutzt werden. Die IG Metall hatte den Konflikt mit Siemens zum Musterfall für den „Standort Deutschland“ erklärt - und nun das Tor weit geöffnet für weitere regionale Ergänzungsverträge und die Abkehr von der so mühsam erkämpften 35-Stunden-Woche. Siemens wird kein Einzelfall bleiben, denn alleine bei DaimlerChrysler stehen 10.000 Arbeitsplätze auf der Kippe. Nach Informationen der „Berliner Morgenpost“ verhandeln derzeit 100 Unternehmen über eine Arbeitszeitverlängerung, darunter MAN und eben DaimlerChrysler. Einzelne Branchen wie Papier und Druck peilen offenbar bereits die Sechstagewoche zu 45 Stunden an, selbstredend ohne Lohnausgleich.

 

Der Arbeitsmarktforscher Steffen Lehndorff äußerte sich in der „Berliner Zeitung“ zur Arbeitszeitverlängerung und zur auf dem Rücken des Arbeitnehmers lastenden Exportausrichtung des Modells Deutschland: „Die Beschäftigten arbeiten tatsächlich erheblich länger, als es die Tarifverträge suggerieren. Im Schnitt arbeiten Vollzeitkräfte in der EU wie auch in Deutschland 40 Stunden wöchentlich und mehr. (...) Mittelfristig aber führt das (die Arbeitszeitverlängerung, C.K.) Beschäftigte und auch die Unternehmen in eine Sackgasse. Wer die internationale Konkurrenzfähigkeit deutscher Betriebe durch Lohnsenkungen und unentgeltliche Mehrarbeit lösen will, wird in ein bis zwei Jahren erneut vor dem gleichen Problem stehen. Nur, dass es dann um die Einführung der 45-Stunden-Woche geht. Das ist eine Spirale, die sich nur weiter nach unten drehen kann. Es wird so nur die Entwicklung zu höheren Löhnen in Ländern wie Tschechien oder Ungarn gestoppt. Dort will man nämlich nicht seine Kostenvorteile gegenüber Deutschland verlieren. Das bedeutet aber auch, dass die Kaufkraft in diesen Ländern nicht ansteigt - und damit auch nicht die Nachfrage nach hochpreisigen Exportgütern, die bei uns hergestellt werden. (...) Denn die Firmen stellen sich ja auch darauf ein, dass es bei uns keine Lohnzuwächse geben wird. Die Kaufkraft deutscher Kunden nimmt schließlich nicht mehr zu. Der deutsche Markt wird uninteressanter. Die Unternehmen reagieren darauf, in dem sie, statt zusätzliches Personal einzustellen, durch weitere Rationalisierungen Arbeitsplätze abbauen.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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