Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 24. bis 30. Juli 2004

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 
 

 

Zitat der Woche:
"Furchtbar ist es, zu töten. Aber nicht andere nur, auch uns töten wir, wenn es Not tut, da doch nur mit Gewalt diese tötende Welt zu ändern ist, wie jeder Lebende weiß."
- Ulrike Meinhof

Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Gewalt die häufigste Todesursache von Frauen zwischen 16 und 44 Jahren und rangiert damit vor Krebs oder Verkehrsunfällen. Und auch wenn Kriege, Umweltkatastrophen und Globalisierung sowohl Männer als auch Frauen in Mitleidenschaft ziehen, die überproportionalen Lasten müssen dennoch die Frauen tragen. Ungleiche Macht- und Besitzverhältnisse, frauenfeindliche religiöse Gebräuche und Gesetze bereiten den Boden dafür, dass Millionen von Frauen Opfer von Gewalt werden. Auch wenn Gewalt in der Familie seit den 70er-Jahren zum öffentlichen Thema gemacht wurde, muss noch immer weltweit jede 3. Frau im Laufe ihres Lebens Opfer schwerer Gewalt werden. Und das zumeist auch noch durch Verwandte oder Bekannte. Die Folgen gehen aber weit über physische Schäden hinaus. Die Angst vor weiteren Übergriffen lässt das Selbstvertrauen der betroffen Frauen sinken. Depressionen und Angstzustände sind oftmals die Folge, ebenso wie Depressionen und Selbstmord. Auswege lassen sich in solch einem Zustand schwer alleine finden. Dennoch schrecken viele Frauen davor zurück, ihre Probleme zu kommunizieren, entweder aus Scham oder verletztem Ehrgefühl. Auch die volkswirtschaftlichen Schäden sind enorm. Geschätzte 5 % der Arbeitszeit von Frauen in den sich entwickelnden Ländern gehen aufgrund von gewalttätigen Übergriffen verloren. Und auch die Frauen müssen aufgrund des Arbeitsausfalls enorme finanzielle Einbußen hinnehmen, in Chile überstieg die Summe 1996 2 % des Bruttoinlandsproduktes. Aber auch in den so genannten entwickelten Ländern des Westen und Nordens sind die Zahlen erschreckend. Unterschiede finden sich hierbei weniger in der Brutalität oder Reflektiertheit der Männer, eher kann aus Erfahrung der autonomen Frauenhäuser heraus auf unterschiedliche Strategien zurück geschlossen werden. Psychoterror und Schläge auf den Kopf (und damit schwerer sichtbaren Wunden) kämen vor allem bei Akademikern vor. Grundsätzlich steht die Frage im Raum, ob Gewalt gegen Frauen - als Strategie der und zur Diskriminierung - ohne die vorherige völlige gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau beseitigt werden kann.

 

Das sudanesische Außenministerium hat den bundesdeutschen und den britischen Geschäftsträger einbestellt und gegen die Haltung der EU protestiert, welche unter Androhung mindestens wirtschaftlicher Sanktionen, wenn nicht militärischer Schritte ein Vorgehen der Regierung gegen die arabischen Milizen in Darfur fordert. Der BRD wurde vorgeworfen, die innere Sicherheit des Sudan zu gefährden. „Beim Thema Darfur ist Deutschland eines der unbeugsamsten Länder“, hatte der sudanesische Außenminister Mustafa Osman Ismail schon vor zwei Wochen kritisiert. Während Politiker wie Gerhart Baum von der FDP oder die grüne Staatsministerium im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, bereits seit Ende 2003 mit einer Militärintervention liebäugeln, denkt Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) offenbar daran, eine panafrikanische Eingreiftruppe zu entsenden, welche durch die EU finanziert wird. Berlin bezieht verdächtig einseitig Position und thematisiert nicht mit einem einzigen Wort den Umstand, dass erst die bewaffneten Aufstände für die humanitäre Krise im Sudan verantwortlich sind. Stattdessen verlangt man kategorisch die Entwaffnung der Janjaweed-Milizen, die übrigens als Selbstschutzorganisation arabisch geprägter Nomaden gegen die Milizen der schwarzen Bevölkerungsgruppe entstanden sind. Das Engagement des neudeutschen Imperialismus im Sudan erklärt sich nicht nur durch diverse Projekte in den Bereichen Luftfahrt und Stromerzeugung, sondern vor allem durch den milliardenschweren Auftrag, den ein bundesdeutsches Konsortium unter Vermittlung des Auswärtigen Amtes in Kenia erhielt (Vertragsunterzeichnung Anfang Juli, eingefädelt interessanterweise durch Kerstin Müller persönlich). Es geht um den Bau einer hochmodernen Eisenbahnverbindung von der südsudanesischen Stadt Juba über Uganda nach Kenia. Tankzüge sollen sudanesisches Öl über eine Strecke von 2 500 Kilometern bis zur kenianischen Hafenstadt Mombasa transportieren. Die südsudanesischen Rebellen von der SPLM/A und die kenianische Presse konstatierten zu Recht, dass diese Bahnlinie die Unabhängigkeit der Erdölregion von Khartum ermöglichen wird. Neben Erdöl gibt es für die transnationalen Konzerne im Südsudan noch Gold und Uran zu holen. Bislang erfolgen die Exporte über den Hafen Port Sudan am Roten Meer. Wirtschaftlich gesehen wird der Sudan über eine - unzureichende und veraltete - Pipeline aus dem Ölgebiet nach Norden zusammengehalten, und das Projekt der Bundesregierung und des bundesdeutschen Kapitals ist dazu angetan, die staatliche Integrität des Sudan zu zerstören.

 

Flankiert werden die imperialistischen Pläne Berlins durch die katholische Kirche: Der Vatikan entsandte Erzbischof Paul Josef Cordes als Sonderbeauftragten in den Sudan, und Cordes vertritt mit Nachdruck die These von der Alleinschuld der sudanesischen Regierung und der Janjaweed-Milizen. Kulturkämpferisch äußerte der Kleriker in der „Berliner Morgenpost“: „Dass sich unsere Vorstellungen von einem humanitären Islam als illusorisch erweisen, wenn wir auf den Sudan schauen. Diese Leute denken nicht an den Menschen. Das ist das letzte Motiv für ihr Handeln.“ Das humanitäre Christentum erleben wir derzeit in Afghanistan und im Irak, Herr Erzbischof. In diesem Zusammenhang erscheinen auch die Äußerungen des sudanesischen Staatspräsidenten Bashir verständlich, der den Interventionsbestrebungen von EU und USA antiislamische Tendenzen unterstellt. Angesichts der bedrohlichen Lage kündigte die sudanesische Regierung eine politisch-strategische „Generalmobilmachung“ an und warnte, fremden Truppen werde es genau so ergehen wie im Irak.

 

Zum Thema „Hartz IV und die Frauen“ erklärte Christiane Reymann, Bundessprecherin von LiSA, der feministischen Arbeitsgemeinschaft der PDS: „10,5 Millionen Euro muss die Bundesregierung in die Chauvi-Kasse zahlen; fünf Euro für jeden und jede der 2,1 Millionen Langzeitarbeitslosen. Denn die Hartz-Gesetze erzeugen nicht nur Armut, sie sind auch frauenfeindlich. Zwei Drittel derjenigen, die nach der Einführung des Arbeitslosengeldes II überhaupt keine Leistungen mehr bekommen, werden Frauen sein. Allein erziehende Mütter müssen, sobald ihre Kinder drei Jahre alt sind, jede Arbeit annehmen, das Kindergeld wird auf das Arbeitslosengeld II angerechnet.
Weg und Ziel der Arbeitsmarktreformen sind ein großer Niedriglohnsektor und Minijobs. Der Niedriglohnbereich ist schon heute eine Frauendomäne, 70 Prozent der Minijobs werden von Frauen besetzt.
Minilöhne führen zu Minirenten, Altersarmut ist vorprogrammiert, ihr Gesicht ist weiblich.
All diese Wirkungen treffen Frauen in Ostdeutschland besonders hart. Mit ihrer Erwerbsarbeit hatten fast alle Frauen in Ostdeutschland eigenständige Ansprüche auf Lohnersatzleistungen erworben. Dafür werden sie jetzt von Rot-Grün bestraft. Beim Arbeitslosengeld II zählt nicht mehr ihre eigene Leistung, sondern das Einkommen des Partners. Das ist die Hausfrauisierung der Arbeitsmarkt- und Erwerbslosenpolitik. Hartz IV verstößt eklatant gegen das Grundgesetzgebot zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen und gegen die EU-Richtlinie zum Gender-Mainstreaming
.“

 

In den vergangenen fünf Jahren haben Arbeitsintensität und Verantwortungsdruck in rund 90 % aller Betriebe zugenommen, wie eine Betriebsräte-Befragung des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Nur die Hälfte aller befragten Betriebe hat mit einer Gefährdungsbeurteilung die Arbeitsbelastung ermittelt. Bei kleineren Betrieben sei es sogar nur ein Drittel gewesen, obwohl die Durchführung einer solchen Ermittlung seit acht Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist. Das veränderte Arbeitsschutzgesetz von 1996 fordert die Arbeitgeber auf, mittels einer Gefährdungsbeurteilung die körperlichen und psychischen Arbeitsbelastungen zu erfassen und so gering wie möglich zu halten. Damit nicht genug: Psychische Belastungen werden trotz gesetzlicher Vorgabe in noch nicht einmal einem Viertel der Beurteilungen berücksichtigt. Und nur ein Drittel der Betriebe, die eine Gefährdungsbeurteilung erarbeiten, setzte die empfohlenen Maßnahmen auch um. In nur 16 % der Betriebe gibt es „so etwas wie eine vorbeugende betriebliche Gesundheitspolitik. Das WSI moniert den „geringen und teilweise gesetzwidrigen Stellenwert" betrieblicher Gesundheitsvorsorge. Ursache ist nicht zuletzt die Scheu der Arbeitgeber vor entsprechenden Kosten. Die Ergebnisse legen die Frage nahe, ob das Arbeitsschutzgesetz in seiner jetzigen Ausprägung mit Betonung auf einer Freiwilligkeit der Betriebe seinen Zweck erfüllt.

 

Zum von Wirtschaftsminister Clement bestätigten Festhalten der Bundesregierung am 1. Februar 2005 als erstmaligem Auszahlungstermin für das Arbeitslosengeld II erklärte die stellvertretende Vorsitzende Dagmar Enkelmann: „Die Bundesregierung geht unter die Räuber. Nicht genug, dass mit Hartz IV den meisten bisherigen Empfänger/innen von Arbeitslosenhilfe gravierende Einkommenseinbußen bis hin zur völligen Streichung drohen. Nun hält die Bundesregierung auch noch daran fest, den Langzeitarbeitslosen das Arbeitslosengeld II im ersten Monat vollkommen vorzuenthalten. Das ist Sozialraub pur. Denn die Betroffenen können ja nichts dafür, dass der Auszahltermin vom Monatsende auf den Anfang gelegt werden soll. Jeder, der sich ein bisschen in deren Lage versetzt, weiß doch, dass die letztmalige Zahlung der Arbeitslosenhilfe Ende Dezember vermutlich gerade jene Löcher stopfen kann, die die Weihnachtstage in das schmale Budget gerissen haben.
Das Arbeitslosengeld II ersetzt ab 1. Januar 2005 für Erwerbsfähige die bisherige Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. D.h. den Betroffenen steht für Januar die Leistung zu - völlig unabhängig vom Auszahltermin. Minister Clement musste ja einräumen, dass der Pauschalbetrag an die Krankenkassen natürlich für den Januar überwiesen werden muss. Es gehört schon ein großes Maß an Zynismus dazu, unter diesen Umständen davon zu sprechen, dass man mit der Auszahlung ab Februar den doppelten Bezug von Leistungen verhindern will. Da ist nichts doppelt. Leistungen für Januar müssen auch im Januar ausgezahlt werden, so wie das ja auch bei den erwerbsfähigen
Bezieher/innen von Sozialhilfe geschieht. Alles andere ist schlichter Betrug.
Dem Ganzen wird aber noch eine Krone aufgesetzt. Immer deutlicher wird, dass diejenigen Langzeitarbeitslosen, die wegen des Einkommens ihrer Partner/innen überhaupt kein Geld mehr bekommen, auch noch aus der Sozialversicherung herausfallen sollen. Für sie muss dann auf Kosten der Partner/innen auch noch eine Extra-Krankenversicherung abgeschlossen werden. Zumindest dann, wenn sie nicht auf eine beitragsfreie Mitversicherung setzen können, weil sie nicht verheiratet sind. Auch eine Zahlung in die Rentenkassen erfolgt nicht. Hunderttausende drohen damit vollkommen durch das soziale Netz zu fallen
.“

 

Die Bundesregierung versucht sich im Verein mit der Bundesagentur gerade darin, Hartz IV als halb so schlimm darzustellen. Doch offensichtlich wird es noch schlimmer kommen, als man es sich vorstellen konnte. Diejenigen, die künftig wegen eigenen Vermögens kein Arbeitslosengeld II erhalten, müssen sich selbst um eine Krankenversicherung kümmern, wie Michaela Gottfried vom Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) bekannt gab. Nach Schätzungen der Bundesregierung werden etwa 469.000 der rund zwei Millionen Bürger, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, nicht als bedürftig eingestuft werden. Damit bekommen sie laut VdAK auch kein Geld von der Arbeitsagentur und fallen deshalb aus der bisher mit der Finanzhilfe verbundenen Pflichtversicherung heraus. Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Sachverhalt mittlerweile bestätigt. Wenn nach Prüfung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse feststehe, dass keine Bedürftigkeit vorliege, „dann ist auch sichergestellt, dass das Einkommen reicht, um auch die Krankenkassenbeiträge zu zahlen". Ein Teil der Erwerbslosen ist per Familienversicherung über die Krankenkasse des verdienenden Ehegatten abgesichert. Alleinstehende müssen sich allerdings freiwillig bei der gesetzlichen Krankenkasse versichern, zu einem Mindestbeitrag von 115 Euro im Monat, der bei Einnahmen aus Zinsen oder Mieten noch steigen könne.

 

Gernot Erler, außenpolitischer Experte und Vizevorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, forderte ein Gesamtkonzept zur Lösung der territorialen und ethnischen Probleme auf dem Balkan. Der künftige Status des Kosovo, Bosnien-Herzegowinas und Serbien-Montenegros müsse 2005 endgültig geklärt werden, und zwar auf einer internationalen Balkankonferenz. Der gegenwärtige Schwebezustand mit irredentistischen Bestrebungen in zahlreichen Staaten und Gebieten lähme die gesamte Region und verhindere jegliche innen- und wirtschaftspolitische Entwicklung. Zuvor hatte ein Bericht vom amnesty international der Protektoratswirtschaft im Kosovo ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Offenbar sind die bestehenden Grenzen auf dem Balkan in Berlin kein Tabu mehr. Erler dachte öffentlich über die völlige Zerschlagung Rest-Jugoslawiens nach: Montenegro könnte den Staatenbund mit Serbien verlassen und dadurch das Ausscheiden des Kosovo aus dem serbischen Staatsverband provozieren. Als Kompensation könnte Belgrad wiederum die Kontrolle über die Republika Srpska der ohnehin mit der Zentralregierung in Sarajevo unzufriedenen bosnischen Serben einfordern.

 

Jeder dreizehnte Berliner Haushalt bezieht Sozialhilfe. Insgesamt sind nach Angaben des Statistischen Landesamtes fast 140 000 Haushalte auf staatliche Unterstützung angewiesen - 2,2 % mehr als im Vorjahr. Auch die Personenzahl der Sozialhilfeempfänger ist weiter angestiegen. 266 000 Berliner bekommen Geld von Sozialämtern - 3 % mehr als im Vorjahr. Dazu gehören 93 756 Minderjährige unter 18 Jahren, überwiegend Kinder. Laut Statistik ist der Anteil der Sozialhilfeempfänger unter den Alleinerziehenden mit 27 378 Bedürftigen besonders hoch: Jeder sechste Haushalt mit Alleinerziehenden wird durch die Sozialämter unterstützt. Von Sozialhilfe leben außerdem mehr als 31 000 ausländische Haushalte - ein Anteil von 22,9 %. Die meisten Bedürftigen beziehen deutlich länger als drei Jahre Unterstützung. Im Durchschnitt zahlen die Behörden an die einzelnen Bezieher monatlich 421 Euro aus - rund die Hälfte ihres gesamten Lebensunterhaltes. Mitte und Neukölln gehören mit einem Anteil der Sozialhilfeempfänger von 15,8 beziehungsweise 15,7 % der Bevölkerung zu den Spitzenreitern unter den zwölf Bezirken der Bundeshauptstadt. Jeweils mehr als 40 000 Menschen gelten in diesen Bezirken als bedürftig. Alarmierend ist die Situation auch in Marzahn-Hellersdorf, wo sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger gegenüber dem Vorjahr um 11 % erhöhte.

 

Der Preis für ein Barrel US-Öl hat die Schallmauer von 43 Dollar durchbrochen - der höchste Stand seit Einführung des Erdölterminhandels in New York. Bei anhaltenden Sorgen über mögliche Lieferausfälle in Russland und im Irak erreichte der Ölpreis am Freitag im Fernosthandel ein Rekordhoch. Der Preis für die US-Ölsorte stieg bis auf 43,09 Dollar je Barrel (1 Barrel = rund 159 Liter) und damit auf den höchsten Stand seit 21 Jahren. Im weiteren Verlauf wurde US-Öl dann etwas niedriger bei 42,98 Dollar je Barrel gehandelt. Offenbar traut der Markt dem Burgfrieden zwischen russischer Regierung und dem Ölkonzern Yukos nicht. Man sei noch nicht über die Öllieferung des angeschlagenen russischen Konzerns Yukos sicher und auch die Förderung im Irak sei ungewiss, sagte ein Analyst der IFR Energy Services, Timothy Evans. Am Ölmarkt waren am Mittwoch Befürchtungen aufgekommen, dass der Streit zwischen dem russischen Staat und Yukos um Steuernachforderungen in Milliardenhöhe zu Lieferengpässen führen könnte. Zwar darf Yukos seit Donnerstag wieder Öl verkaufen, doch die Krise um den größten Öllieferanten des Landes, der etwa so viel Öl wie der Staat Kuwait liefert, ist keineswegs ausgestanden. Für weitere Unsicherheit sorgt die Anschlagserie im Irak. Nach Angaben des OPEC-Gouverneurs Maisar Rahman fördern die elf OPEC-Staaten derzeit am Limit ihrer Kapazitäten und mit 29 Millionen Barrel täglich deutlich mehr, als Anfang Juni festgelegt worden war. Lieferausfälle in Russland seien kaum aufzufangen, zumal die Lagerbestände in den USA zuletzt gesunken seien. Mit rund 900 Millionen Tonnen Öl pro Jahr verbrauchen die USA etwa so viel Rohöl, wie die beiden größten Erzeuger Saudi Arabien (500 Millionen Tonnen) und Russland (400 Millionen Tonnen) gemeinsam pro Jahr zur Verfügung stellen. Ein weiterer Faktor für die ansteigenden Preise ist der Energiehunger des aufstrebenden China.

 

Im „Neuen Deutschland“ vom 27. Juli befasste sich der Gewerkschafter Marcus Schwarzbach mit der „Kungelei im Aufsichtsrat“: „Dass im Mannesmann-Verfahren mit Klaus Zwickel auch ein ehemaliger IG-Metall-Chef angeklagt war, wurde von konservativen Medien mit Häme begleitet. Dabei sollte in erster Linie von der Selbstbedienungsmentalität der Konzern-Vorstände abgelenkt werden. Gewerkschafter sollten dieses Verfahren jedoch zum Anlass nehmen, über die Funktion und Ausrichtung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat nachzudenken.
Nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 stellen Kapitaleigner und Arbeitnehmer den Aufsichtsrat zu gleichen Anteilen. Der Aufsichtsratsvorsitzende, der in der Regel ein Vertreter der Kapitalseite ist, hat jedoch in einer Pattsituation doppeltes Stimmrecht. Bei Abstimmungen haben die Arbeitnehmervertreter so meist das Nachsehen. Deren Einfluss ist noch aus einem anderen Grund eher gering. In Konzernen stehen den Vorständen Stäbe mit Hunderten von Mitarbeitern zur Verfügung, die Unterlagen ausarbeiten oder Statistiken erstellen. Geschäftsleitungen sind deshalb in der Regel für Sitzungen besser vorbereitet. Arbeitnehmer-Aufsichtsräte können in den seltensten Fällen auf derartige Zuarbeit zählen.
Für die Unternehmensleitung ist es in Auseinandersetzungen nicht selten leicht, Betriebsteile gegeneinander auszuspielen - etwa indem das Weiterbestehen einzelner Standorte in Frage gestellt wird. Die »Arbeitnehmerbank« tritt dagegen kaum mit einer gemeinsamen Strategie auf. Vereinnahmungsversuche erfolgen nicht nur durch Drohungen. »In einem engen Geflecht des Gebens und Nehmens ist es ratsam, nicht ohne Not den Terrier zu spielen«, erläutert anonym ein Gewerkschafts-Insider. Kapitalvertreter würden offensichtlich erfolgreich versuchen, Arbeitnehmervertreter über eine Politik des »guten Willens« einzubinden.
Diese Art der Kungelei reduziert die Rolle der Gewerkschaften im Aufsichtsrat oft auf die Rolle des Akzeptanzbeschaffers. Die eigentliche Funktion, den Vorstand zu kontrollieren und die Interessen der Belegschaften zu vertreten, gerät so zur Nebensache.
Das Verfahren gegen Zwickel sollten die Gewerkschaften zum Anlass nehmen, ernsthaft das Selbstverständnis der Rolle der Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten zu hinterfragen. Die Furcht vor Arbeitgeber-Kritik sowie vor Plänen der CDU-FDP-Opposition zum Abbau der sozialen Rechte darf nicht dazu führen, dass Konzepte einer offenen Informationspolitik zur Mobilisierung der Beschäftigten undiskutiert bleiben
.“

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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