Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 24. bis 30. Januar 2004
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Zitat der Woche: |
"Die
Agitation in der Aktion, die sinnliche Erfahrung der organisierten
Einzelkämpfer in der Auseinandersetzung mit der staatlichen
Exekutivgewalt bilden die mobilisierenden Faktoren in der Verbreiterung
der radikalen Opposition und ermöglichen tendenziell einen
Bewusstseinsprozess für agierende Minderheiten innerhalb der
passiven und leidenden Massen, denen durch sichtbar irreguläre
Aktionen die abstrakte Gewalt des Systems zur sinnlichen Gewissheit
werden kann. Der städtische Guerillero ist der Organisator
schlechthinniger Irregularität als Destruktion des Systems
der repressiven Institutionen." |
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Rudi Dutschke |
In der Metall- und Elektroindustrie kündigte sich ein erneuter Arbeitskampf an. Die Arbeitgeberseite forderte über die Einführung einer „Öffnungsklausel“ faktisch die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich, was im westdeutschen Tarifgebiet einer Lohnkürzung um 14,5 % entspricht. Der Vorstand von DaimlerChrysler genehmigte sich hingegen unlängst eine Gehaltserhöhung um 131 %. Die Rückkehr zu längeren Arbeitszeiten solle im Bedarfsfall vor Ort zwischen Betriebsleitungen und Belegschaft „ausgehandelt“ werden. Zwar können die Arbeitnehmer in diesem Falle auch ablehnen, aber dann dürfte die Unternehmensführung kurzerhand mit Entlassungen oder Produktionsverlagerung in die neuen EU-Mitgliedsländer antworten. Nach Gewerkschaftsangaben würde die Arbeitszeitverlängerung in der Metall- und Elektroindustrie mindestens 100.000 Arbeitsplätze vernichten. Umgekehrt verlangte die IG Metall Lohnerhöhungen von 4 %, was mit einem Angebot von lachhaften 1,2 % beantwortet wurde. Für die kolonisierte Ex-DDR ist in der laufenden Tarifrunde mit dem endgültigen Todesurteil für den Flächentarifvertrag zu rechnen. Darüber hinaus forderte das Münchener Institut für Wirtschaftsforschung Ifo dramatische Lohnsenkungen für den Osten - Lohne und Gehälter sollen sich hier „mittelfristig irgendwo zwischen dem polnischen und dem westdeutschen Niveau einpendeln“. Nachdem die Verhandlungen im so genannten Pilotbezirk Baden-Württemberg scheiterten und die Friedenspflicht auslief, setzten vor allem in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Thüringen und Berlin erste Warnstreiks ein. Von den zunächst nur kurzfristigen Arbeitsniederlegungen waren bevorzugt Großbetriebe betroffen.
Im vergangenen Jahr verloren die bundesdeutschen Großgewerkschaften wie IG Metall und Verdi zusammen um die 300.000 Mitglieder. Der Gewerkschaftsexperte Horst-Udo Niedenhoff nennt als Hintergründe des chronischen Mitgliederschwundes u.a. politische Unbeweglichkeit in Gegenwarts- und Zukunftsfragen und die Aufblähung in anonyme Multibranchenverbände, in denen sich der einzelne Arbeitnehmer nicht wieder finde. Letzteres gilt vor allem für die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die anno 2001 aus ÖTV, DAG, HBV, IG Medien und Postgewerkschaft entstand. Ein weiteres Problem sind die internen Handlungs- und Entscheidungsprozesse. Die Betriebsräte an der Basis tendieren mitunter zur Anpassung an die Kapitalsinteressen; selbst, wenn die Führung der DGB-Gewerkschaften sich zur Stellungnahme gegen die sozialreaktionären Pläne von Regierung und Großkapital durchringt, verpuffe der Widerstand auf dem Weg in die Betriebe. Das Verhalten vieler Konzernbetriebsräte der westdeutschen Automobil- und Metallbranche während des Metallerstreiks bestätigt diese These Niedenhoffs. Bei gleich bleibendem Trend droht in den kommenden Jahren einigen Großgewerkschaften der Zusammenbruch. Allerdings entstehen mit kleineren Branchenverbänden bereits die ersten potenziellen Nachfolger.
Nach erheblichen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von „Beraterverträgen“ wurde der für seine politische Instinktlosigkeit berühmte Florian Gerster als Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit gefeuert. Der Verwaltungsrat der BfA entzog dem Schröder-Intimus mit 20:1 Stimmen das Vertrauen, was wohl nicht zuletzt auf mehrere Falschaussagen Gersters zurückzuführen ist. Ulrich Schwernin kommentierte in der „jungen Welt“ sehr treffend: „Florian Gerster versteht die Welt nicht mehr. Vor knapp zwei Jahren ist er von der Bundesregierung wegen seiner Skrupellosigkeit als Chef der Bundesanstalt für Arbeit eingesetzt worden. Jetzt musste Superminister Wolfgang Clement ihn aus dem gleichen Grund entlassen. In der Zwischenzeit war Gerster im Sinne seines Auftrags durchaus erfolgreich. Er krempelte die Behörde, deren ursprüngliche Funktion vor allem in Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Fortbildung bestand, zu einer feindlichen Institution für Erwerbslose um. Die Grundlage dafür lieferten die Hartzgesetze. Für die praktische Umsetzung verschaffte Gerster der Mafia der Unternehmensberaterfirmen, teilweise unter Umgehung des Vergaberechts, Dutzende Verträge in mehrstelliger Millionenhöhe. Gerster forcierte den »Ich-AG« genannten Zwang zu nicht existenzsichernder selbständiger Arbeit. Er führte private Personalserviceagenturen ein, mit deren weitgehend erfolglosen Geschäften Arbeitslose aus der Statistik fliegen. Währenddessen wurden ABM und Weiterbildungsmaßnahmen drastisch zurückgefahren und der Druck auf Arbeitslose mittels Sperrzeiten und anderen Schikanen dramatisch erhöht. So gelang es dem Snob aus Nürnberg, beträchtliche Summen einzusparen, weshalb ihm die Unterstützung der Bundesregierung bis zur letzten Minute sicher war. Dass er sich sein Gehalt gegenüber seinem Vorgänger auf 250 000 Euro verdoppeln und seine Vorstandsetage für 2,6 Millionen Euro renovieren ließ, hielt man dort selbstverständlich für »leistungsgerecht«.“ Gersters Hinauswurf wird ihm übrigens mit einer Abfindung von geschlagenen 430.000 Euro, selbstredend alles finanziert aus Geldern der Arbeitslosenversicherung, versüßt. Die Amtsgeschäfte leitet nunmehr kommissarisch sein bisheriger Vize Frank Weise. Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge ist es Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Clement (SPD) nicht unangenehm, wenn ausgerechnet Peter Hartz die Leitung der BfA übernimmt (oder wahlweise ein anderer Wirtschaftsmanager). Mit Weise, der sowohl das Wohlwollen Clements als auch der CSU besitzt, sitzt allerdings bereits der ehemalige Geschäftsführer der Braunschweiger Hüttenwerke und Ex-Vorstand der FAG Automobiltechnik in Nürnberg auf dem Thron. Allerdings ist die Berufung des BfA-Präsidenten mittlerweile Angelegenheit des Verwaltungsrates und nicht der Bundesregierung.
Bei einem Vorstoß israelischer Truppen in den Gazastreifen wurden 9 Palästinenser getötet, darunter 5 unbeteiligte Zivilisten und 4 Aktivisten des Jihad. Die Antwort der palästinensischen Seite bestand in einem Selbstmordanschlag (dem ersten seit dem 25. Dezember 2003, die Operation gegen den israelischen Militärposten Eres ausgenommen) in Jerusalem, der das Leben des in der Palästinenserpolizei dienenden Attentäters und von 10 israelischen Zivilpersonen kostete. Die sich unablässig drehende Gewaltspirale und ihre wirtschaftlichen Folgen sorgen mittlerweile für massive Verunsicherung unter den Israelis: Jeder dritte jüdische Israeli trägt sich mit Auswanderungsgedanken. 10 % von ihnen leben bereits im Ausland, und zwar vor allem in den USA. Die ost- und mitteleuropäischen Botschaften erleben einen wahren Ansturm auf die zweite Staatsbürgerschaft. Als Fluchtpunkt wird auch die BRD ins Auge gefasst, die Anträge auf die bundesdeutsche Staatsbürgerschaft haben sich 2003 um 40 % gesteigert. Gegenüber 2000 beträgt die Zunahme sogar 130 %. Es verdoppelten sich auch die entsprechenden Anträge bei der österreichischen Botschaft. Inoffiziellen Schätzungen zufolge besitzen 75 % der jüdischen Israelis bereits Doppelstaatsbürgerschaften.
Josep Lluís Carod-Rovira, Parteivorsitzender der Republikanischen Linken Kataloniens ERC und Ministerpräsident in Barcelona, verhandelte Anfang Januar im südfranzösischen Perpignan mit Vertretern der ETA über einen begrenzten Waffenstillstand für Katalonien. Carod-Rovira verfügt über Erfahrungen auf diesem Sektor, handelte er doch 1991 die Selbstauflösung der militanten katalanischen Untergrundorganisation Terra Lliure aus. Das Treffen in Perpignan wurde vom spanischen Geheimdienst CNI überwacht. Dieser spielte die Informationen im Auftrag der zentralistischen Madrider Regierung an die Presse, um die junge Linkskoalition in Barcelona zu sprengen. Die ERC ist dem Gedanken einer vollständigen Unabhängigkeit Kataloniens nicht abgeneigt, aber diese soll ausschließlich mit friedlichen Mitteln erreicht werden. Der Spaltungsversuch Aznars scheiterte an der Standfestigkeit der katalanischen Sozialisten und an Carod-Roviras freiwilligem Rückzug vom Amt des Chefministers. Bis zu den spanischen Parlamentswahlen Mitte März, die mit einer weiteren Stärkung der katalanischen Linksnationalisten enden dürften, verbleibt er jedoch als Minister ohne Fachbereich in der Generalitat. Auf Druck Madrids leitete die Staatsanwaltschaft nunmehr Ermittlungen gegen die ERC ein, die bis hin zum Verbot wegen Unterstützung der ETA gehen können. Die ERC wiederum verklagte die Zentralregierung wegen fünf verschiedener Vergehen vor dem Obersten Gerichtshof Kataloniens, um die näheren Hintergründe des Geheimdiensteinsatzes zu klären. Erst im Frühjahr 2003 erhielten die ehemaligen Leiter des spanischen Militärgeheimdienstes Cesid 3 Jahre Knast, und zwar wegen illegaler Überwachung baskischer Politiker.
Die selbsternannte „Parlamentarische Linke“ der SPD vollzog dieser Tage ihre Kapitulation vor Schröders sozialreaktionärem Kurs. Die Gruppe um die Bundestagsabgeordneten Andrea Nahles und Michael Müller sowie den Bremer Landesvorsitzenden Detlev Albers erklärte, endlich habe die SPD die Debatte um Innovation und Erneuerung des europäischen Gesellschaftsmodells angestoßen. Endlich habe die Schröder-Administration unter „schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen“ mit den „Aufräumungsarbeiten“ begonnen. Die Auswirkungen auf Millionen interessieren selbst „linke“ Sozialdemokraten offenkundig nicht mehr. Unter Reformen und Aufräumungsarbeiten subsumiert man Hartz-Gesetze, Agenda 2010, Steuergeschenke an die wohlhabenden Oberschichten und Gesundheitsreform. Am Umbau des Sozialstaates führe laut Müller kein Weg vorbei, man hätte derartige Maßnahmen bereits in den 80er Jahren ergreifen sollen. Kohl glatt rechts überholt, Respekt. Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine warf der kompletten Führungsriege seiner Partei Tatenlosigkeit angesichts verheerender Umfrage- und Wahlergebnisse vor. „Eine Partei, die bei solch verheerenden Ergebnissen ihre Politik nicht ändert, gibt sich auf.“ Für den Niedergang der Sozialdemokratie sei nicht nur Gerhard Schröder verantwortlich, sondern eine ganze Generation von Parteifunktionären in Bund, Ländern und Gemeinden. Lafontaine stichelte, die 18-Prozent-Partei sei nicht das Ziel der FDP, sondern der Schröder-SPD.
In Hamburg und in Schleswig-Holstein wurden europaweite Ausschreibungen
für die Datenverarbeitung in so genannten Disease Management Programmen
(DMP) für chronisch Kranke mit einem Volumen von vielen Millionen Euro
vorgenommen, ohne dass zentrale Datenschutzvorschriften beachtet wurden. Das
Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz als zuständige Aufsichtsbehörde
hat dies beanstandet und die eigentlich verantwortlichen Stellen im Bund - Bundesversicherungsamt
und Bundesgesundheitsministerium - aufgefordert, ihre Vorgaben gegenüber
den Krankenkassen der Länder zurückzunehmen. Stattdessen wurde nun
auf Bundesebene ein Verordnungsentwurf bekannt, mit dem der Rechtsbruch zementiert
würde. Mit DMP-Programmen sollen chronisch Kranke besser ärztlich
betreut werden. Hierfür wurden unabhängige Arbeitsgemeinschaften eingerichtet,
die die Vertraulichkeit des Umgangs mit den sensiblen Behandlungsdaten sicherstellen
sollen. Die Datenverarbeitung bei diesen Arbeitsgemeinschaften unterliegt im
Interesse des Schutzes des Sozial- und des Patientengeheimnisses hohen Anforderungen.
Daher verlangt das Sozialgesetzbuch, dass der ganz überwiegende Teil der
Datenverarbeitung unter direkter Verantwortung einer öffentlichen Stelle
erfolgen muss und nicht an private Stellen ausgelagert werden darf. Entgegen
diesen eindeutigen Vorschriften des Sozialdatenschutzes fordert das Bundesversicherungsamt
(BVA), die Datenverarbeitung auch an private, eventuell ausländische Firmen
zu vergeben. Diesen rechtswidrigen Weisungen unterwarfen sich die Stellen in
Schleswig-Holstein und Hamburg und starteten eine europaweite Ausschreibung,
bei der selbst ausländische private Stellen zur Abgabe von Angeboten aufgefordert
werden. Obwohl die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder das
BVA seit Monaten auf die datenschutzrechtliche Unzulässigkeit dieses Vorgehens
hingewiesen haben, wurde dies durch das BVA konsequent ignoriert. Statt den
Patientendatenschutz ernst zu nehmen, wurde ein Verordnungsentwurf erstellt,
der das Vorgehen legalisieren soll. Die Konsequenzen des Vorgehens des BVA für
chronisch Kranke wie für die Krankenkassen sind gravierend: Die Patienten
können nicht gewiss sein, dass ihre sensiblen Daten von ausländischen
Privatfirmen gemäß den Datenschutzstandards des Sozialgesetzbuches
verarbeitet werden. Auf die Krankenkassen kämen, so die Datenschützer,
aufwendige Ausschreibungen und millionenschwere Fehlinvestitionen in rechtswidrige
Datenverarbeitungsstrukturen zu.
Die weitere Auswertung der Grundschulstudie Iglu legte erneut
den Finger in die Wunden des bundesdeutschen Bildungssystems: Am Ende der 4.
Klasse können sage und schreibe 38 % der Schulkinder nicht richtig lesen
und schreiben. Bei dieser Gruppe reicht die Lesefähigkeit nicht aus, um
selbst den Sinn kurzer Texte zu erschließen. Jeder zehnte Viertklässler
ist faktischer Analphabet und kann allenfalls gesuchte Wörter in einem
Text finden, sie aber nicht wirklich lesen. Bei den bildungspolitischen Schlusslichtern
Bremen und Brandenburg beläuft sich der Anteil der Analphabeten sogar auf
20 %. An der Weser besitzen zudem weitere 21,1 % der Probanden nur rudimentäre
Lesekompetenzen. In die Risikogruppe fallen vor allem Kinder aus Migrantenfamilien
und sozial schwachen Gesellschaftsschichten. Zudem werden Schüler aus diesen
unterprivilegierten Gruppen bei den Übergangsempfehlungen am Ende der 4.
Klasse systematisch gegenüber den Zöglingen der Besserverdienenden
benachteiligt. Insgesamt erhalten beinahe 50 % aller Schülerinnen und Schüler
eine falsche Übergangsempfehlung.
Trotz aller Entspannungspolitik wird Russland seine gefürchteten
SS-18-Interkontinentalraketen weiter in Bereitschaft halten, und das mindestens
für die nächsten zehn bis 15 Jahre. Die Rakete kann 10 individuell
gelenkte Atomsprengköpfe auf Ziele in 11.000 Kilometern Entfernung abfeuern.
Gemeinsam mit der SS-19-Rakete bildet sie seit Sowjetzeiten den Kern der strategischen
Streitkräfte des Landes. Nach dem Abrüstungsabkommen START II von
1993 hätte Russland beide Raketentypen verschrotten müssen. Der Vertrag
trat aber nie in Kraft, und ein neues Abrüstungsabkommen zwischen Russland
und den USA lässt beiden Staaten die Wahl, welche Waffen sie behalten.
Lediglich die Zahl der atomaren Sprengköpfe muss bis 2012 um zwei Drittel
reduziert werden. Bei früherer Gelegenheit hatte der russische Generalstab
erklärt, Russland werde sein Arsenal von rund 150 SS-18-Raketen bis 2016
oder 2020 behalten, obwohl sie ihren ursprünglich geplanten Einsatzzeitraum
bereits überschritten hätten. Mitte März wird das russische Militär
seine größten Übungen seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion
abgehalten - geprobt wird unter anderem ein luftwaffen- und marinegestützter
Atomschlag gegen Nordamerika.
Da nimmt es nicht Wunder, dass Mohamed el-Baradei als Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA die Gefahr eines atomaren Krieges für „noch nie so groß wie heute“ hält. Baradei konstatierte, angesichts der atomaren Bewaffnung Indiens oder Pakistans und der Atomprogramme in Staaten wie Nordkorea, Lybien oder dem Iran sei es offensichtlich, dass das internationale Kontrollsystem völlig versagt habe. Wir fügen den reichhaltig mit ABC-Waffen gerüsteten Schurkenstaat Israel hinzu. Weltweit konnte sich ein atomarer Schwarzmarkt etablieren, mittels dessen interessierte Nationen den Atomwaffensperrvertrag zu umgehen vermögen. Ein weiterer Risikofaktor sind in den Augen des IAEA-Chefs auch die Pläne der US-Regierung. Diese arbeitet bekanntlich an so genannten Mini-Nukes, also an einer neuen Generation wirkungsbegrenzter Kleinstatomwaffen.
Das französische Verteidigungsministerium bestätigte Berichte, nach denen Paris von seinem Kurs einer Nichtbeteiligung an der Afghanistan-Protektoratstruppe ISAF abweicht. Frankreich prüft derzeit die Möglichkeit, den Stab des französisch-bundesdeutschen Eurokorps für einen Einsatz am Hindukusch bereitzustellen. Das Eurokorps verfügt über ausreichende Führungsmittel für 60.000 Soldaten. Auf die Möglichkeit einer massiven NATO-Intervention in Afghanistan deutet auch der Umstand hin, dass das Bundesverteidigungsministerium das bundesdeutsche ISAF-Kontingent in Bälde mit Schützenpanzern vom Typ Wiesel auszustatten gedenkt.
Wie ein Who-is-Who der deutschen Wirtschaft liest sich die
Namensliste der Konzernvorstände, die Bundeskanzler Schröder vergangene
Woche auf seiner Afrika-Reise begleiteten: Jürgen Schrempp von Daimler-Chrysler,
Wolfgang Mayrhuber von Lufthansa, Rolf Kunisch von Beiersdorf und Commerzbank-Aufsichtsratschef
Martin Kohlhaussen. Insgesamt 23 Wirtschaftsvertreter reisten mit Schröder
durch Äthiopien, Kenia, Ghana und Südafrika. Schon diese Zusammensetzung
der Delegation machte deutlich, dass es bei Schröders Reise um handfeste
Interessen ging. Der afrikanische Kontinent ist in den vergangenen Jahren verstärkt
ins Blickfeld der Großmächte geraten, und Deutschland will dabei
nicht abseits stehen. Neben verstärkten wirtschaftlichen Initiativen laufen
auch diskrete Planungen für militärische Interventionen. Dabei ziehen
Deutschland, Frankreich und Großbritannien ausnahmsweise an einem Strang.
Nachdem sich die USA ohne Rücksicht auf europäische Einwände
im Irak festgesetzt haben, soll Afrika zum bevorzugten Einsatzgebiet der im
Aufbau befindlichen EU-Streitkräfte werden. Schröders Reise diente
nicht zuletzt dazu, dafür das politische Terrain zu sondieren. Wir erinnern
hier an die Möglichkeit einer Intervention im bürgerkriegsgeschüttelten
und ölreichen Sudan. Der deutsche Handel mit Afrika stieg im letzten Jahr
auf ein Volumen von 23 Milliarden Euro. Dieses Anwachsen setzte einen jahrelangen
Trend fort. Allein in Südafrika beschäftigen heute um die 450 deutschen
Unternehmen über 70.000 Menschen - besonders in den Branchen Chemie, Automobilindustrie,
Elektrotechnik und Maschinenbau. 2,6 Milliarden Euro stecken in diesen Investitionen.
Auch Kenia gilt als zukunftsträchtiger Absatzmarkt und Produktionsstandort,
was nicht zuletzt durch ein geheimdienstliches Kooperationsabkommen mit der
BRD und die Verdoppelung der Entwicklungshilfe unterstrichen wurde.
Unter Ausnutzung ihrer tradionell guten Nahostkontakte (vor
allem nach Teheran) vermittelte die Bundesregierung in Person von Geheimdienstkoordinator
Ernst Uhrlau einen Gefangenenaustausch zwischen der libanesischen Hizbollah-Bewegung
und Israel. Die israelische Regierung entließ dabei auf dem Flughafen
Köln-Wahn 29 Aktivisten der Hizbollah und befreundeter Organisationen,
darunter der deutschstämmige Hizbollah-Kämpfer Smyrek. Unter den Freigelassenen
befanden sich auch die libanesischen Schiitenführer Abdel Karim Obeid und
Mustafa Dirani, letzterer ein Spitzenfunktionär der ehemaligen Amal-Miliz.
Ferner wurden die sterblichen Überreste von 59 Gefallenen der Hizbollah
übergeben. Israel setzte zudem 436 vorwiegend palästinensische Gefangene
aus seinen Lagern und Gefängnisse auf freien Fuß und ließ sie
ins Westjordanland ausreisen. Umgekehrt lieferte die Schiitenmiliz den israelischen
Geschäftsmann Elhanan Tenenbaum, einen alten Geschäftsfreund Ariel
Sharons und mutmaßlichen Mossad-Agenten, sowie die Leichen dreier israelischer
Soldaten aus. Der Gefangenenaustausch bedeutet nach dem weitgehenden Rückzug
der zionistischen Besatzer von libanesischem Boden eine weitere Aufwertung der
Hizbollah, die neben ihrer Miliz auch über eine Parlamentsfraktion in Beirut
verfügt. Das Wohlwollen und die Unterstützung des iranischen Mullah-Regimes
erkaufte Berlin sich, indem es die Freilassung zweier Libanesen und eines Iraners
ankündigte. Das dreiköpfige Mordkommando wurde wegen der Ermordung
eines iranischen Dissidenten in Berlin (1992) zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Zu den Hintergründen der israelischen Haltung gehören auch zwei jüdische
Glaubensgrundsätze: Die Rettung (jüdischen) Lebens sowie die Heiligkeit
der Totenruhe.
Im „Stern“ übte der renommierte Politikwissenschaftler
Wilhelm Hennis, SPD-Genosse seit 1946 (!!!), vernichtende Kritik an der Politischen
Klasse der „Berliner Republik“. Der Kampf um die Macht sei das einzige,
was die derzeitige Generation von Politikern noch interessiere. „Sie
ist eine einzige Fehlbesetzung.“ In den Ministerien regieren „Leichtfertigkeit
und Mittelmaß“. Statt mit Fachbeamten Gesetze handwerklich
sauber vorzubereiten, umgäben sich die Minister bevorzugt „mit
Jasagern und Schmeichlern“. Den bundesdeutschen Politikern gehen
Anstand und Ernsthaftigkeit vollkommen ab. Während die Bevölkerung
unter den Folgen der Gesundheitsreform leide, würde die politische Elite
„schenkelklopfend und grinsend bei Sabine Christiansen“
sitzen. In den zu beobachtenden Phänomenen sieht Hennis erfreulicherweise
Anzeichen eines Verfalls der politischen Ordnung, welcher von niemandem mehr
aufgehalten werden könne.
Die Zustände in der radikalen Rechten Italiens nähern
sich den hiesigen Verhältnissen an. Nicht nur innerhalb der Alleanza Nazionale
wüten erheblich Spannungen um den politischen Kurs, sondern auch ihre neofaschistische
Abspaltung Fiamma Tricolore geriet in Turbulenzen. Die FT schloss sich vor einiger
Zeit Europawahlbündnis der AN-Renegatin Alessandra Mussolini an, in dem
auch rechtskonservative und rechtskatholische Gruppierungen vertreten sind.
Geistiger Vater des Gedankens war Generalsekretär Luca Romagnoli, gegen
den es nun zu einer Parteirevolte kam. Parteichef Pino Rauti nutzte die Gelegenheit
und stellte sich an die Spitze des Widerstandes gegen die ungeliebte Liaison
mit der rechten Reaktion. Auf seinen Parteiausschluss antwortete Romagnoli,
indem er seinerseits den Hinauswurf Rautis ankündigte. Hintergrund des
Machtkampfes sind die innigen Kontakte der Romagnoli-Fraktion zur Alleanza Nazionale,
was vor allem auf kommunaler und regionaler Ebene zu gemeinsamen Wahllisten
und Absprachen mit der regierenden Rechtskoalition führte.
Lagefeststellung Beurteilung der Situation Möglichkeiten des Handelns Entschluss Umsetzung Kontrolle