Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 3.  bis 9. Januar 2004

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Schill paktiert mit Hoffmann

DGB auf Talfahrt

Exporte laufen auf Hochtouren

 

 

Zitat der Woche:
"Die Welt erzittert, wenn die Revolutionäre des Gesetzes, in ihren Seelen den Sprengstoff der Wahrheit tragend, zum Sturmlauf antreten, um die Tore zu sprengen, die den Zutritt in ein neues Jahrtausend sperren wollen."
- Kurt Eggers

Der Machtkampf zwischen dem wegen völliger Politikunfähigkeit gestrauchelten Ronald Schill und dem Intriganten Mettbach geht in die nächste Runde. Schill hat sich nunmehr mit seinem ehemaligen Erzrivalen, dem Börsenspekulanten Bolko Hoffmann verbündet. Gemeinsam treten die Schill-Gruppe und Hoffmanns euroskeptische Pro DM-Liste bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen Ende Februar an. Ein eilends einberufener Landesparteitag von Pro DM nominierte den ehemaligen Partysenator Schill zum Spitzenkandidaten und wählte ihn zum Landesvorsitzenden - als Hausmacht bringt er 6 Bürgerschaftsabgeordnete ein. Der millionenschwere Hoffmann bleibt Bundesvorsitzender der Partei. Dem Vernehmen nach gedenkt die neue Gruppierung, auch bei den sächsischen Landtagswahlen anzutreten. Innerhalb der Partei Rechtsstaatlicher Offensive machen mittlerweile die Landesverbände Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen gegen den Bundesvorsitzenden Mettbach mobil, hierbei können sie sich auf Schützenhilfe von Angehörigen weiterer LV verlassen, darunter Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Die Parteirebellen fordern die Einberufung eines außerordentlichen Bundesparteitages, um den Hinauswurf Schills rückgängig zu machen und ihn als Ehrenvorsitzenden der Partei zu bestätigen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Hamburger Wahlen ohnehin das verdiente Ende des rechtsreaktionären Experiments PRO/Schill einläuten - beide Gruppierungen dürften an der Sperrklausel scheitern.

 

Wir kommen noch einmal auf den Verteilungsbericht 2003 des DGB-nahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung zurück. Im Jahre 2002 verblieben vom verfügbaren Einkommen der Privathaushalte nach Abzug der Lohnsteuer und der Sozialbeiträge als Nettolohn 43,5 % auf den Konten der Lohn- und Gehaltsempfänger. Bei den Masseneinkommen ist die Nettolohnquote seit 19 Jahren damit von knapp 50 % um 6 % abgesunken. Im Durchschnitt erreichten Bruttolöhne und -gehälter monatlich 2198 Euro. Nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialabgaben verbleiben davon 1433 Euro netto zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten. Zwischen West- (2277 Euro brutto) und Ostdeutschland (1762 Euro brutto) klafft demnach ein Abstand von 515 Euro - und dieser ist seit Mitte der 90er Jahre stabil. Demgegenüber gehören 7,3 % der Haushalte zu den so genannten einkommensstarken Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen von 3835 Euro. Wahrscheinlich bezieht hiervon eine Spitzengruppe von über 120 000 Haushalten ein Nettomonatseinkommen von mehr als 17 895 Euro. Die Hälfte dieser Haushalte bezieht ihr hohes Einkommen überwiegend nicht aus Erwerbstätigkeit, sondern aus Vermögenserträgen. An anderer Stelle heißt es: „Im Langfristvergleich von 1960 bis 2002 (...) machen sich ständige Steuerlastverschiebungen in Deutschland geradezu dramatisch aus. Danach haben Steuern im wesentlichen aus der Entstehung und Verwendung von Lohneinkommen, d.h. Lohnsteuer sowie Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer und andere wichtige Verbrauchssteuern, im Jahre 1960 rund 37,5 Prozent zum gesamten öffentlichen Steueraufkommen beigetragen, 2002 dagegen schon 79,2 Prozent. Diametral anders verlief die Entwicklung bei den Gewinnsteuern (veranlagte Einkommensteuer, nicht veranlagte Steuern vom Dividenden-Ertrag, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Zinsabschlagsteuer): Ihr Anteil sank kontinuierlich von 34,7 Prozent 1960 auf nur noch 12,2 Prozent 2002.“

 

Nach wochenlangen Streitigkeiten einigte sich die afghanische Ratsversammlung Loya Jirga mit den Vertretern der von den USA installierten Zentralregierung auf eine neue Verfassung. Präsident Karzai konnte mit Hilfe des UN-Sondergesandten Brahimi und der US-Botschaft die gewünschte Präsidialverfassung durchsetzen, ihm werden alle Mitglieder der Regierung direkt verantwortlich sein. Da es keinen Ministerpräsidenten gibt, ist der Präsident Staats- und Regierungschef in einer Person. Allerdings scheiterte Karzai mit dem Versuch, das Paschtunische als Landessprache zu etablieren. Fortan ist in den afghanischen Provinzen das Idiom der Bevölkerungsmehrheit die Verwaltungssprache. Die Verfassung erkennt die Gleichberechtigung von Mann und Frau zumindest auf dem Papier an und stärkt die Rolle des Zweikammerparlaments. Letzteres ist vor allem ein Zugeständnis an die Tadschiken und Usbeken. Noch im Jahresverlauf stehen Parlamentswahlen und die Bildung einer legitimierten Regierung an. Die bislang den Großteil des Landes kontrollierenden Warlords werden zur Demobilisierung ihrer Verbände zugunsten des Aufbaues einer afghanischen Nationalarmee verpflichtet. Wer sich auch nur halbwegs mit Landeskunde und Geschichte Afghanistans auskennt, wird feststellen, dass es der Zentralregierung auch weiterhin schwer fallen wird, ihren auf fremde Bajonette gestützten Machtanspruch außerhalb der Landeshauptstadt Kabul durchzusetzen. Die Taliban und ihre Verbündeten kündigten bereits an, ihren bewaffneten Kampf gegen Karzai fortzusetzen.

 

Die Machtverhältnisse in Nordirland verschieben sich weiter zugunsten von Ian Paisleys Democratic Unionist Party. Hardliner Jeffrey Donaldson und 2 weitere Abgeordnete in der Regionalversammlung traten aus der Ulster Unionist Party aus und schlossen sich der DUP an, die dann 33 gegen 24 Sitze hätte. Zudem sitzt Donaldson auch im britischen Unterhaus und würde dort die Zahl der DUP-Abgeordneten auf 6 (gegen 5 der UUP) bringen. Der Renegat wird zudem Mitglied des Verhandlungsteams der DUP für die im Januar stehende Überprüfung des Karfreitagsabkommens. Diese weitere Schwächung der UUP verschaffte den Paisleyisten somit den Anspruch auf nunmehr 4 Ministerposten, während UUP, Sinn Féin und SDLP nur jeweils 2 Kabinettssitze beanspruchen können.

 

Trotz Warnungen der Türkei und des Iran hat die US-Regierung beschlossen, den Kurdengebieten im Nordirak ihren halbautonomen Status zu belassen. Ankara und Teheran befürchten, dass durch diese Regelung die autonomistischen bzw. separatistischen Bestrebungen ihrer kurdischen Minderheiten neuen Auftrieb erhalten. Da die Amerikaner argumentieren, es wäre vor der Übergabe der Souveränität an die irakische Kollaborationsregierung am 30. Juni 2004 nicht mehr möglich, die Verwaltungsstruktur der Kurdenprovinzen den anderen Landesteilen anzugleichen, sind damit Planungen für einen Bundesstaat hinfällig. Die kurdischen Mitglieder im Übergangsrat haben derweil den Entwurf einer Autonomieverfassung erarbeitet, welche der Region weitreichende Zuständigkeiten hinsichtlich militärischer Verteidigung, Besteuerung und vor allem für die Einnahmen aus den Ölfeldern bescheren soll. Faktisch würden die Kurdengebiete nur noch formal Bestandteile des irakischen Gesamtstaates sein. Die Autonomieregelung trifft auf den erbitterten Widerstand der arabischen und turkmenischen Bevölkerungsgruppen, die vor allem in den Erdölstädten Mossul und Kirkuk zusammen zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen dürften. Verhandlungen zwischen Vertretern der Kurden und der arabischen Bevölkerungsmehrheit über die genaue Abgrenzung des Autonomiegebietes blieben ergebnislos - beide Seiten beanspruchen die nordirakischen Ölgebiete für sich. Ein weiteres Indiz für den zunehmenden Verfall der irakischen Zentralgewalt ist die Tatsache, dass mehrere Provinzen bereits die vollständige Kontrolle über ihre Energieerzeugung übernommen und sich vom ohnehin arg ramponierten irakischen Gesamtverteilungsnetz abkoppelten.

 

In Nantes/Bretagne hielt CONSEU, der Rat der staatenlosen Völker innerhalb der EU, eine Tagung über die zunehmende Repression in mehreren europäischen Staaten ab. Schwerpunkte waren die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die linksnationalistischen Bewegungen im Baskenland, in der Bretagne, in Irland und auf Korsika. Die Teilnehmer der Konferenz kamen aus Katalonien, Sardinien, von den Kanarischen Inseln, Galicien, dem Baskenland, Flandern und der Bretagne; ferner war die Celtic League als Dachorganisation der 6 keltischen Nationen Europas vertreten. Angesichts der restriktiven Antiterrorgesetze oder entsprechender Abkommen auf EU-Ebene oder bilateralen Charakters wirken sich Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte, hier vor allem in kultureller und politischer Hinsicht, nur noch begrenzt aus. Die Kritik der Delegierten richtete sich vor allem an die Adresse Spaniens und Frankreichs - gemeint waren die staatlichen Maßnahmen zur Unterdrückung der baskischen und bretonischen Unabhängigkeitsbewegung. In Spanien sitzen mittlerweile weit mehr als 700 baskische Linksnationalisten im Knast, also eindeutig mehr als unter der reaktionären Franco-Diktatur. Frankreich wiederum hält 11 bretonische Aktivisten gefangen; einige von ihnen sitzen seit 4 Jahren ohne jede Anklageerhebung ein. CONSEU hat nun eine paneuropäische Beobachtergruppe ins Leben gerufen, um besser auf Menschenrechtsverletzungen, rechtswidrige Behandlungen von inhaftierten Aktivisten und neue Sicherheitsgesetze reagieren zu können. Dies soll sowohl durch Öffentlichkeitsarbeit als auch durch Beeinflussung politischer Körperschaften und Europaparlamentarier geschehen.

 

Zu den Kürzungen und Streichungen bei den Betriebsrenten der Commerzbank und des Gerling-Konzerns erklärte PDS-Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz: „Ministerin Schmidt wird die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Wer die gesetzliche Rente kürzt, muss sich nicht wundern, wenn die Unternehmen dem Beispiel folgen. Letztlich machen Commerzbank und Gerling nach, was die Bundesregierung vorgemacht hat: eine Rentenzahlung nach Kassenlage. Die Aufregung aus den Regierungsparteien über diese fatale Entwicklung hat einen bitteren Beigeschmack.
Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten: Die beiden Großunternehmen haben mit ihrer Entscheidung eine Falltür aufgemacht, durch die die viel gerühmte zweite Säule der Alterssicherung in den Orkus zu rauschen droht. Wenn die betriebliche Rente ungestraft zur Disposition gestellt werden kann, sobald sich die Konzerne einer unsicheren Ertragslage gegenüber sehen, wird sie zum Muster ohne Wert. Dass der Maßstab bei der Commerzbank für die 160 Spitzenmanager nicht gelten soll, setzt dem Ganzen nur die Krone auf.
Einmal mehr erweist sich der von der Bundesregierung eingeleitete Ausstieg aus der solidarisch finanzierten gesetzlichen Rentenversicherung als Irrweg. Mit der Riester-Rente hatte eine Bewegung hin zu Betriebsrenten eingesetzt, die für Millionen Beschäftigte ein auskömmliches Niveau der Altersversorgung sichern helfen sollte. Diese Sicherheit erweist sich nun als trügerisch. Die Verantwortung dafür trägt letztlich die Bundesregierung, zumal sie gemeinsam mit der Union mit dem so genannten Reformkompromiss auch noch die Zahlung des vollen Krankenkassenbeitrages auf die Betriebsrenten verfügt hat.
Ministerin Schmidt steht nun vor einem Scherbenhaufen: gesetzliche Rente gekürzt, Betriebsrenten gestrichen, Riester-Rente nicht angenommen. Die Altersversorgung in Deutschland droht auf den Hund zu kommen. Hieß es bei Norbert Blüm - fälschlicherweise - noch: Eins ist sicher, die Rente, so muss man bei Ulla Schmidt konstatieren: Eins ist sicher, die Rentenkürzung. Solange sich die Bundesregierung um die Kernfrage herumdrückt, wie viel Deutschland eine menschenwürdige auskömmliche Alterssicherung seiner Bürgerinnen und Bürger wert ist, wird es dabei wohl bleiben
.“

 

Bedenkliche Angaben über den gewerkschaftlichen Organisationsgrad enthält eine Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Der Dachverband DGB hat über ein Drittel seiner Mitglieder eingebüßt. Nach der Wiedervereinigung seien insgesamt rund 11,8 Millionen Menschen in einer DGB-Gewerkschaft organisiert gewesen, im Jahr 2002 aber nur noch 7,7 Millionen. Besonders übel sieht es bei der IG Bauen-Agrar-Umwelt aus. Binnen 11 Jahren ist ihre Mitgliederzahl um erstaunliche 46 % gesunken - auf jetzt noch 490.000. Die Bahngewerkschaft Transnet verlor im untersuchten Zeitraum 44 % ihrer Mitglieder (nun 290.000), bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten ging die Zahl der Beitragszahler auf 245.000 zurück - ein Minus von 43 %. Bei der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie liegt der Rückgang bei mehr als 41 % - sie hat nun 833.000 Organisierte. Rund ein Viertel der Mitglieder haben laut IW die Gewerkschaften IG Metall (2,6 Millionen), die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di (2,7 Millionen) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (264.000) verloren. Insgesamt gehörten laut IW im Jahre 2002 noch 27 % der Beschäftigten einer DGB-Gewerkschaft an. Den höchsten Organisationsgrad hätten dabei Arbeiter mit 38 % gehabt. Beamte kämen auf 25, Angestellte auf 16 %. Bei weiblichen Beschäftigten liege der Anteil nur bei 16, bei Jugendlichen gar nur bei 13 %.

 

Die sudanesische Zentralregierung und die Rebellen der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee SPLA unterzeichneten einen Friedensvertrag. Dem Abkommen gingen 20 Jahre Bürgerkrieg zwischen dem arabisch-islamischen Norden und dem christlich-schwarzen Süden voraus. Hierbei erhielt die SPLA Unterstützung aus den USA sowie aus den benachbarten Staaten Eritrea, Äthiopien und Uganda, während die Zentralregierung sich auf Unterstützung aus islamischen Bruderländern verlassen konnte. Zudem reagierte Khartum auf die insurgentenfreundliche Linie Washingtons, indem es mit Erdölgesellschaften aus der EU, Russland, China, Kanada und Malaysia zusammenarbeitete. Kampfhandlungen, Hungersnot, völlige Zerstörung der Infrastruktur und genozidähnliche Vorgehensweise der Regierungstruppen forderten bislang mehr als 2 Millionen Todesopfer. Weitere 4 Millionen Menschen leben als Flüchtlinge im In- oder Ausland. Für eine Periode von 6 Jahren erhält der Süden eine begrenzte Autonomie und 50 % der in den Unruheprovinzen anfallenden Staatseinnahmen. Die SPLA wird darüber hinaus mit einigen Ministern in der Zentralregierung vertreten sein. Nach Ablauf der Übergangszeit soll ein Referendum über die staatliche Unabhängigkeit des Südsudans abgehalten werden. Ein positiver Ausgang würde wiederum diejenigen Kräfte im Nordsudan stärken, die seit jeher für einen Anschluss an Ägypten eintreten. Pikanterweise liegen die sudanesischen Vorkommen in der Grenzregion zwischen Nord und Süd. Umstritten sind vor allem die drei sudanesischen Zentralprovinzen, nicht zuletzt das ölreiche Abyei. Trotz aller Verhandlungsfortschritte verlängerte das sudanesische Parlament den Ausnahmezustand bis Januar 2005 und bestätigte die weitreichenden Vollachten von Staatspräsident Omar el-Bashir. Zwar verhandelt die SPLA, doch in der Westregion Darfur dauern die Kämpfe an. Hier führen seit 2001 die schwarze Sudan Liberation Army SLA und die arabischen Janjaweed-Milizen einen brutalen Bürgerkrieg gegeneinander. Mit Rückendeckung der Regierung betreiben die Milizverbände eine ethnische Säuberung Darfurs, die bereits 750.000 Menschen zu Flüchtlingen machte. Beide Kriegsparteien sind muslimischen Glaubens. Die SLA signalisierte zwar Verhandlungsbereitschaft, doch Khartum lehnt jedes Zugeständnis ab - wohl nicht zuletzt deshalb, weil durch das Ende der Kampfhandlungen im Süden starke Truppenverbände frei werden.

 

Die in der kenianischen Hauptstadt Nairobi durchgeführten Sudan-Verhandlungen standen unter anderem unter Beobachtung durch Kerstin Müller, ihres Zeichens Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Die grüne Politikerin setzte sich vehement für eine bundesdeutsche Beteiligung an einer etwaigen UN-Mission ein, und zwar sowohl in ziviler wie in militärischer Hinsicht. Die Region um das Horn von Afrika ist ein schon traditionelles Objekt der bundesrepublikanischen Begierde. Seit den frühen 90er Jahren tummelt sich hier die Bundeswehr zu „friedensstiftenden Maßnahmen“ oder zur „Terrorbekämpfung“. Die Stabilisierung der so genannten „gescheiterten Staaten“ in Ostafrika würde den Zugriff auf die auf 2 Milliarden Barrel geschätzten Erdölreserven des Sudan (und die vermuteten Vorkommen Somalias) ermöglichen.

 

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im Dezember 2003 4,3164 Millionen Menschen als erwerbslos registriert, was einer Quote von 10,4 % entspricht. Gegenüber dem Vormonat erhöhte sich die Arbeitslosenzahl um rund 130.000. In den alten Bundesländern waren 8,4 % der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung arbeitslos, im Osten lag die Quote bei 17,9 %. Nur der Umstand, dass alleine im Dezember 296.300 Erwerbslose auf ihren Arbeitslosenstatus verzichteten oder wegen fehlender Mitwirkung bei der Arbeitssuche aus den Statistiken gestrichen wurden, verhinderte noch höhere Zahlen. Bundesweit werden im Verlauf des Jahres 2004 die wichtigsten Branchen und der öffentliche Dienst beinahe 240.000 Arbeitsplätze abbauen. Mit einer durchschnittlichen Jahresarbeitslosigkeit von 4,376 Millionen Menschen (10,5 %) wurden die schlechtesten Arbeitsmarktzahlen seit 1997 erreicht. Gegenüber dem Jahr 2002 stieg die durchschnittliche Erwerbslosenzahl um 315.700 an. Zusammen mit den Krankmeldungen und Vorruhestand wurden im letzten Jahr mindestens 732.300 Arbeitslose durch „verschärfte Prüfungen“ zusätzlich aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen. Weitere 130.000 wurden mit Überbrückungsgeldern und Zuschüssen als Ich-AG aus der Statistik gedrängt, 65.300 ältere Arbeitslose erhielten den Status „nicht mehr vermittelbar“ und wurden ebenfalls nicht mehr mitgezählt. In der Industrie Baden-Württembergs gingen 2003 2 % aller Arbeitsplätze verloren (30.000), doppelt so viele wie noch 2002. Hier stieg die Zahl derjenigen, die sich im vergangenen Jahr aus vorheriger Erwerbstätigkeit heraus erwerbslos meldeten, um 18,5 % an. Der Anstieg der Akademiker-Arbeitslosigkeit beläuft sich auf 19 %, die Langzeitarbeitslosigkeit stieg sogar um 20,9 % an. Im Mai 2003 arbeitete in Baden-Württemberg mehr als jeder zweite Erwerbstätige (53 %) zumindest gelegentlich abends, nachts oder am Wochenende. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erwartet erst 2005 einen spürbaren Rückgang der Massenarbeitslosigkeit, wobei die Arbeitslosenzahl erst um die Jahreswende 2005/2006 unter die 4-Millionen-Schallmauer fallen wird. Allerdings wird der Aufschwung nicht auf eine Belebung der Inlandskonjunktur, im Klartext auf die Neuschaffung von - vernünftig bezahlten - Arbeitsplätzen zurückzuführen sein, sondern auf eine weitere Steigerung der Exporte.

 

Die BRD steigerte bezeichnenderweise allem Gejammer von angeblichen Standortnachteilen zum Trotz laut Statistischem Bundesamt ihre Exporte im Jahr 2003 um 2 % auf 664 Milliarden Euro. Exporte in EU-Mitgliedsländer legten sogar um 3 % zu. Der Außenhandelsüberschuss befindet sich mit 135 Milliarden Euro ebenfalls auf einem historischen Höchststand. Damit hat sich die BRD erneut als eine führende Wirtschafts- und Handelsmacht etabliert, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die bundesdeutschen Reedereien zusammengerechnet über die höchste Schiffstonnage weltweit verfügen. Die neuen Flottenrüstungsprogramme der Bundesmarine sehen übrigens den Bau des weltweit modernsten Kriegsschiffes für elektronische Kampfführung und Einsatzleitung vor. Wie formulierte Georg Grasnick im DKP-Zentralorgan UZ treffend: „Das deutsche Großkapital, entschlossen, seine Macht- und Profitinteressen durchzusetzen, hegt Weltmachtambitionen. Und so heißt es denn bei Schröder in der abschließenden Bundestagsdebatte am 19. Dezember 2003: Die „Reformen“ schafften Raum für weitere Schritte, durch die Deutschland „wieder an die Spitze Europas und damit der Welt“ könne.“ Die Profitinteressen beschränken sich auf das Ausland, während der Inlandsmarkt ist dem „Modell Deutschland“ gleichgültig ist - die Auswirkungen sind bekannt.

 

Wir halten fest, dass die Sozialpolitik der bundesrepublikanischen Regierungen seit 1994 diese als reine Erfüllungsgehilfinnen der Unternehmerinteressen demaskiert. Schon 1994 forderte die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände BDA die durchgängige Selbstbeteiligung der Krankenversicherten, die Selbstvorsorge für das Alter, die Schaffung einer ergänzenden Pflegeversicherung und die Absenkung des Sozialhilfeniveaus zwecks Schaffung eines Billiglohnsektors. 1998 wurde man konkreter: Lohnniveau im Billigsektor um 20-30 % unterhalb der gültigen Tarife, Öffnung der Tarifverträge nach unten, Zusammenstreichung staatlicher Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie schrittweise Reduzierung der staatlichen Rente, der Arbeitslosenhilfe sowie deren Verzahnung mit der Sozialhilfe. Hierin war man sich mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag einig, dessen Wunschzettel Leistungskürzungen bei Renten und Krankenversicherungen, Steuermäßigungen und den grundlegenden Umbau aller Sozialversicherungssysteme zuungunsten der Lohnabhängigen enthielt.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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