Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 21. bis 27. Februar 2004


Seit Dezember vergangenen Jahres tobt beim Landesverband Berlin der Sozialistischen Jugend Deutschland („Die Falken“) ein versteckter Arbeitskampf. Anlass sind die Bestrebungen der Belegschaft, einen Betriebsrat zu gründen. Der SPD-nahe Jugendverband, der dieses Jahr an Pfingsten in Berlin sein 100jähriges Bestehen feiert, kann sich allem Anschein nach nicht mit einer Mitarbeitervertretung anfreunden. Trotz aller Drohungen der Arbeiteraristokratie wählten die Mitarbeiter dennoch einen Betriebsrat - und dieser kassierte prompt am Tag seiner Ernennung, am 16. Februar 2004, die Kündigung. Die Falken wenden hiermit eine Methode an, wie wir sie bestens von großkapitalistischen Ausbeutern wie Schlecker oder Wal Mart kennen. Zu allem Überfluss besitzen die Falken noch die Stirn, sich in typisch sozialdemokratischer Verlogenheit an den Kundgebungen gegen Sozialabbau zu beteiligen.

 


Nach zweimonatigem Tauziehen gelang in Belgrad nun die Bildung einer neuen serbischen Regierung. Sehr zum Unwillen des Westens etablierte der ehemalige jugoslawische Staatspräsident Vojislav Kostunica eine Minderheitsregierung, der seine nationalkonservative DSS, die monarchistische Erneuerungsbewegung SPO und die wirtschaftsliberale G17 plus angehören. Das Kabinett ist auf die parlamentarische Tolerierung durch die Sozialisten angewiesen, also der Partei des in Den Haag unter fragwürdigen Begleitumständen als Kriegsverbrecher angeklagten Slobodan Milosevic. Der Regierungsbildung gingen vergebliche Gespräche um ein Zusammengehen der DSS mit den Demokraten voraus. Kostunica musste den Sozialisten zusichern, keinen serbischen Staatsbürger mehr an das Haager Tribunal der Siegermächte auszuliefern. Generell ist von der neuen Regierung eine härtere Haltung gegenüber den westlichen Kolonialinteressen auf dem Balkan zu erwarten.

 

Offenbar hat sich die Dauerkrise der Sozialdemokraten auch verheerend auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt. Einem Bericht zufolge verlor die SPD allein seit 1990 ein Drittel ihrer Genossen. Die SPD hat offenbar nur noch so viele Mitglieder wie 1963. Wie die Tageszeitung "Die Welt" unter Berufung auf ein ihr vorliegendes internes Papier der SPD-Führung berichtet, fiel die Mitgliederzahl seit Ende 1990 um 31 %. Besonders habe es den Bremer Landesverband getroffen, dessen Mitgliederzahl sich fast halbiert habe. Im Jahr 2003 erreichte der Mitgliederschwund mit 6,2 % (43.096 Personen) die höchste Rate seit der Annexion der DDR. Zugleich habe es im vergangenen Jahr die niedrigste Zahl von Eintritten seit Beginn der Statistik 1956 gegeben. Dem Bericht zufolge hat die SPD auch mit einer zunehmenden Überalterung zu kämpfen. Ende 2003 seien nur noch 7,99 % der Mitglieder im Juso-Alter gewesen. In der Gruppe "60plus" sei der Anteil auf 42,23 % gestiegen. Im Jahr 1974 habe das Verhältnis noch 30,9 zu 22,6 % betragen. Alleine im Januar 2004 sollen rund 10.000 Genossen ihr Parteibuch zurückgegeben haben.

 

In Hamburg trafen sich Geldsackaristokratie, Mittelstand und Kulturbourgeoisie zum 2. Internationalen Freundschaftsessen der Hamburger Freimaurer. Die 200 Teilnehmer aus 40 Ländern (allesamt in der Hansestadt beschäftigt) tafelten im feudalen Dorint-Hotel am Alten Wall. Gereicht wurden Seezungenröllchen, Perlhuhnbrust und Orangensorbet, stilvoll untermalt durch Musik aus Mozarts „Zauberflöte“. Organisator des Treffens ist Knut Terjung, Leiter des ZDF-Landesstudios Hamburg und Meister vom Stuhl der ältesten deutschen Loge „Absalom zu den drei Nesseln“. Nebenbei fungierte Bruder Terjung immerhin 7 Jahre lang als politischer Sprecher des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner und saß damit dicht an den Machtzentren der sozialliberalen Koalition. Die Schirmherrschaft übernahm Hamburgs Regierender Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Festredner waren Prof. Dr. Bruno Schultze und Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke. Schultze, Anglist und Vizegroßmeister der Vereinigten Großloge von Deutschland (VGDL) hielt Lobreden auf die multikulturelle Gesellschaft, während der Ratzinger-Zögling Jaschke, auch Koordinator der Aktivitäten zum Heiligen Jahr 2000, die gemeinsamen Grundwerte von katholischer Kirche und Freimaurerei betonte. Zu diesen gehört offenbar auch die Unterstützung des US-amerikanischen Hegemonialkrieges im Mittleren Osten: Der Überfall der USA auf Afghanistan war seinerzeit nämlich laut Jaschke „nicht blinde Rache, sondern eine Kulturleistung der Zivilisation, ein angemessenes Vorgehen gegen das Unrecht“. „Notfalls mit Gewalt“ müsse man der westlich-kapitalistischen „Zivilisation der Liebe“ - die Hunderte von Millionen weltweit im Elend dahinvegetieren lässt und auf kapitalistischer Ausbeutung basiert - Raum schaffen. Da passt es gut ins Bild, dass sich unter den Gästen auch Teilnehmer der gegenwärtig an der Hamburger Bundeswehr-Führungsakademie laufenden internationalen Fortbildungskurse befanden, darunter solche aus der autoritär regierten Ukraine und dem jahrelang vom Militär geknechteten Nigeria.

 

Nachdem bereits im Vorfeld des imperialistischen Angriffskrieges gegen den Irak ruchbar wurde, dass die Amerikaner die UN-Botschafter der im Sicherheitsrat vertretenen Drittweltstaaten Angola, Chile, Guinea, Kamerun, Mexiko und Pakistan ausspionierten, weitet der Geheimdienstskandal sich nunmehr aus. Da der NSA offiziell Abhörmaßnahmen auf US-Territorium untersagt sind, ersuchte sie kurzerhand das britische Äquivalent GCHQ um „Amtshilfe“. Dieses Vorgehen ist im Rahmen der nachrichtendienstlichen UKUSA-Union (Vereinigtes Königreich, USA, Australien) durchaus üblich. Allerdings ging es hierbei um die Überwachung von UN-Generalsekretär Annan. Neben diesem wurden auch die Waffeninspektoren Hans Blix und Richard Butler abgehört. Letzterer wurde beispielsweise von den Nachrichtendiensten aller vier Veto-Mächte überwacht, so dass er seine Informantengespräche bevorzugt auf Spaziergängen führte. Von der Mobilfunküberwachung, die durch die NSA bei Blix auf dessen Auslandsreisen durchgeführt wurde, profitierten die CIA und der britische SIS (MI 6) sowie die Geheimdienste Kanadas, Australiens und Neuseelands. Grundsätzlich sind Lauschangriffe auf UN-Beamte oder Diplomaten illegal. Gemäß der UNO-Konvention von 1946 sind die "Räumlichkeiten der Vereinten Nationen unantastbar". Theoretisch könnte Annan vor den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ziehen und den britischen Auslandsgeheimdienst auch wegen Bruch der Wiener Konvention für Diplomatische Beziehungen aus dem Jahr 1961 verklagen. Da spätestens seit Waldheim alle Generalsekretäre systematisch überwacht werden, wäre ein solches Vorgehen allerdings obsolet.

 

Im Kampf gegen Regierungstruppen sind die rebellischen Maoisten offenbar auf die merkwürdige Idee gekommen, bis Ende Mai eine Miliz mit 50 000 Schulkindern zu bilden. Niemand solle zur Teilnahme genötigt werden, erklärte ein Funktionär der Rebellen in der „Himalayan Times“. Allerdings solle an jeder Schule im Westen Nepals eine Miliz-Einheit entstehen. Eine Altersgrenze gebe es nicht. Mit den neuen Rekruten sollten Gegenangriffe auf die Armee gestartet werden. Die Entscheidung zum Aufbau der Kindermiliz sei bei einem Treffen der Maoisten im Westen des Himalaya-Königreiches im Januar gefällt worden, wurde der Funktionär weiter zitiert. Die Rebellen sind nach Regierungsangaben in den vergangenen Wochen unter Druck geraten. Die Maoisten kämpfen seit mehr als acht Jahren für ein kommunistisches Regime. Nach Angaben des nepalesischen Innenministeriums wurden dabei bislang 9441 Menschen getötet, darunter 1175 Zivilisten.

 

Der britische „Observer“ wusste von einem Geheimpapier aus dem Pentagon zu berichten, das es in sich hatte. Es handelt sich um eine wahrhaft apokalyptische Zukunftsaussichten prophezeiende Studie, erstellt durch Klimaexperten und die CIA, über die Auswirkungen des globalen Klimawandels. Demnach ist die ökologische Katastrophe rein fernes Zukunftsszenario mehr, sondern steht unmittelbar vor der Tür. Bereits um das Jahr 2020 herum dürfte sich das Wetter bei einer Fortsetzung der heutigen Entwicklung vollständig ins Extreme verändert haben. Großbritannien würde von sibirischen Wintern heimgesucht, Küstengebiete wie die Niederlande und Kalifornien durch Stürme und Fluten weitgehend unbewohnbar sein. Das teilweise eingedeichte Holland könnte demnach bereits ab 2007 von solchen Entwicklungen betroffen sein, was auch den Verlust der Metropolen Amsterdam und Den Haag an die Fluten mit sich bringen wird. Besonders drastisch wird sich demnach der baldige Kollaps des Golfstroms auf das europäische Klima auswirken, die Rede ist gar von einer neuen Eiszeit. Während die USA unter anhaltender Dürre leiden werden, suchen gewaltige Überschwemmungen den indischen Subkontinent (vor allem Bangladesh) und China heim. Die Verwerfungen - extreme Stürme und Überschwemmungen auf der einen, ein katastrophaler Energie- und Wassermangel auf der anderen Seite - würden zu Wanderungsbewegungen in ungeahntem Ausmaß führen, gegen die sich die USA und Europa nur noch mit militärischer Abschottung und durch Errichtung autoritärer Systeme zur Wehr setzen könnten. Der Rest der Welt würde in Chaos und Anarchie versinken. Zudem dürften ebenfalls um 2020 massive Kriege um die verbliebenen Ressourcen wie Wasser, Agrarland und Energiereserven ausbrechen, bei denen der Einsatz atomarer Waffen wahrscheinlich sei. Die Experten rechnen damit, dass sich neben Nordkorea auch die BRD, Japan, Südkorea und der Iran als Atommächte am Überlebenskampf beteiligen werden, ganz zu schweigen von Pakistan, Indien und Russland. Die Studie wird laut „Observer“ seit 4 Monaten von US-Verteidigungsminister Rumsfeld unter Verschluss gehalten. Bestätigt wird das düstere Bild durch Berechnungen des russischen Militärs, nach denen man weite Teile Nordrusslands und Nordsibiriens werde aufgeben müssen. Ein geregelter Zugriff auf die natürlichen Ressourcen des Landes sei nicht mehr gewährleistet, was wiederum Zusammenbruchsszenarien für die Zentren des Landes nach sich zöge. Moskau und Petersburg würden unter der Last von Flüchtlingsströmen zusammenbrechen.

 

Als erstes Unternehmen nutzt der Autokonzern DaimlerChrysler die Möglichkeiten des infolge der Kurzsichtigkeit - oder schlimmer noch, des Opportunismus - der reformistischen IG Metall-Führung abgeschlossenen Tarifvertrages in der Metall- und Elektroindustrie. Als Pilotprojekt muss das Werk Sindelfingen her halten, wo in der Abteilung „Entwicklung und Planung“ die Arbeitnehmer fortan ohne Lohnausgleich 40 Stunden die Woche malochen dürfen. Bisher konnten nur 18 % des Personals eines Betriebes länger als 35 Stunden arbeiten. Der mit der Drohung eines Stellenabbaus erpresste Betriebsrat stimmte einer Ausweitung auf bis zu 100 % zu, natürlich nur auf „freiwilliger Basis“. In den Genuss der Segnungen des neuen Tarifvertrages dürften bald auch die Arbeitnehmer des Bosch-Konzerns kommen, denen unter Androhung einer Produktionsverlagerung ins Ausland die Kürzung des Weihnachtsgeldes und die Verlängerung der Wochenarbeitszeit „nahe gelegt werden“. Offensichtlich hat die Arbeiteraristokratie in den Funktionärsetagen der Metallergewerkschaft die Büchse der Pandora geöffnet, denn entsprechende Meldungen gibt es auch von Bauknecht, Leoni Kabel, Prominent Dosiertechnik oder vom Düngemittelfabrikanten K+S.

 

Zu den Ergebnissen des vom Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum Berlin-Brandenburg e.V. vorgelegten Sozialreports 2004 zur sozialen Lage in Ostdeutschland erklärt der Bundesgeschäftsführer der PDS, Rolf Kutzmutz: „Zu den katastrophalen Wirkungen der Agenda 2010 gehört: der Weg Ostdeutschlands in eine Armutsregion beschleunigt und verfestigt sich. Das verunsichert die Ostdeutschen zutiefst und lässt sie pessimistisch in die Zukunft blicken. In den neuen Bundesländern trifft der Abriss des Sozialstaats prozentual wesentlich mehr Arbeitslose, mehr Empfänger/innen des Arbeitslosengeldes II, mehr Sozialhilfeempfangende und ältere Menschen. Das Arbeitslosengeld II wird in den neuen Ländern niedriger ausfallen (331 statt 345 im Westen). Löhne und Gehälter sowie Rentenniveau liegen ohnehin bereits seit der Wende unter den westdeutschen Werten, die Arbeitszeiten hingegen immer noch darüber. Die Abwanderung, vor allem junger Menschen wird damit weiter steigen. Von 2000 bis 2003 verlor der Osten erneut 2,4% seiner Bevölkerung. Nicht Deutschland bewegt sich, wie es uns millionenteure Regierungspropaganda einreden will, sondern Ostdeutschland, vor allem junge gut ausgebildete Ostdeutsche wandern in den Westen ab.
Diese Einschätzung der PDS wird durch die Daten und Fakten des Sozialreports 2004, der sich auf eine repräsentative Erhebung unter 1360 Bürgern in den neuen Bundesländern im Jahre 2003 stützt, bestätigt. Die Hauptergebnisse dieser Untersuchungen belegen:
* Die allgemeine Lebenszufriedenheit ist vor dem Hintergrund der Reformdebatten gesunken.
* Die wirtschaftliche Lage der Ostdeutschen hat sich weiter verschlechtert - für die nächsten Jahre wird von weiteren negativen Entwicklungen ausgegangen.
* Die Zukunftsverunsicherungen haben drastisch zugenommen.
* Die Sozialreformen finden keine bzw. nur geringe Akzeptanz. Sie werden als Entscheidung gegen die Interessen der Mehrheit der Bürger angesehen. Die Diskussions- und Mitbestimmungsmöglichkeiten werden als unzureichend bewertet.
* Die "Verfestigung" der beiden Teilgesellschaften in Deutschland hat zur Stabilisierung der Ost-Identität geführt.
Neu ist: Die subjektiven Befindlichkeiten erreichen in den neuen Ländern einen bisherigen Tiefpunkt und die soziale Verunsicherung beeinflusst die Bewertung in allen Lebensbereichen. Nicht zuletzt führt die fehlende Angleichung der Lebensverhältnisse bei vielen Bürgern zum Gefühl der kollektiven Abwertung erbrachter Lebensarbeitsleistung und nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung
.“

 

In Belfast-Mitte ließ sich ein Kommando der Provisional IRA von der Polizei erwischen, als es den der Real IRA nahe stehenden Bobby Tohill zwecks Liquidierung entführte. Tohill gehörte früher der Irish National Liberation Army an, was die Spannungen zwischen PIRA und INLA vor allem in North Belfast weiter anheizen dürfte. Bereits im vergangenen Jahr ließen die Provos Tohills RIRA-Kameraden Gareth O´Connor „verschwinden“ und malträtierten eine Reihe republikanischer Hardliner mit Bestrafungsaktionen und Morddrohungen. Noch brisanter wird die Affäre dadurch, dass mit Tommy Tolan einer der Haupttäter bereits mehrfach unangenehm bei seinen eigenen Leuten auffiel, weil er IRA-eigene Waffen für kriminelle Aktivitäten nutzte und interessanterweise außerdem als Polizeispitzel gilt. Wie dem auch sei, die protestantischen Parteien und die Regierungen Großbritanniens und Irlands reagierten gereizt auf den Vorfall und forderten die Provisional IRA in deutlichen Worten auf, endlich ihre paramilitärischen Aktivitäten einzustellen. Der Vorfall könnte sich als Sprengsatz für die laufenden Verhandlungen über eine nordirische Regierungsbildung und die Wiederherstellung der Selbstverwaltung erweisen, denn bekanntlich macht die Democratic Unionist Party als stärkste protestantische Partei die Entwaffnung und Auflösung der PIRA zur Vorbedingung für eine Regierungsbildung unter Beteiligung Sinn Féins. Im Wettstreit mit der DUP versuchte nun David Trimble als Vorsitzender der Ulster Unionist Party zu punkten, indem er seinen Rivalen Paisley an Kompromisslosigkeit überbot und sich mit der UUP kurzerhand aus den Gesprächen zurückzog.

 

Der IRA Army Council will die Aktion gegen Tohill nicht autorisiert haben, aber die Fakten sprechen Bände. Seit den nordirischen Wahlen Ende November kam es nach einer taktischen Pause zur explosionsartigen Zunahme von Betrafungsaktionen der Provisional IRA, die sich nicht nur gegen Kriminelle, sondern auch gegen politische Gegner richteten. In West Belfast beispielsweise wurde George McCall, Aktivist der Gefangenenhilfsorganisation des RIRA-nahen 32 County Sovereignty Committee, von 13 Provos überfallen und zusammengeschlagen; anschließend durchschoss man ihm beide Fußgelenke. Die Hintergründe eines ähnlich brutalen Überfalls in Feeny bei Derry sind noch unklar. Gegen weitere AktivistInnen des 32CSM richtete die Provisional offizielle Morddrohungen. Zudem liegen Hinweise darauf vor, dass die PIRA derzeit Informationen über in Nordirland lebende ehemalige Angehörige des in den Bloody Sunday verwickelten Fallschirmregiments sammelt. An eine Reihe von Ex-Soldaten wurden bereits Schusswaffen zur Selbstverteidigung ausgegeben.

 


Ab 1. September werden in Lettland die Kinder von Russen deutlich weniger Unterricht in ihrer Muttersprache erhalten. Das hat die lettische Regierung per Gesetz verfügt. Danach wird auch an den Gymnasien der großen russischen Minderheit die Unterrichtssprache grundsätzlich nur noch Lettisch sein. Die Regierung begründet diese Maßnahme damit, dass gute lettische Sprachkenntnisse erheblich bessere Berufschancen bedeuteten. Die lettische Bevölkerung besteht zu einem Drittel aus Russen, vier % sind außerdem Weißrussen. Nach der bisherigen Regelung mussten Schüler an den Gymnasien der russischen Minderheit 60 Prozent ihres Unterrichts in Lettisch erhalten. Nun steigt der Anteil auf über 90 %. In den letzten Januarwochen ist es wegen dieses neuen Sprachgesetzes in Riga zu Protesten Tausender betroffener Schüler und Studenten gekommen. Die russische Regierung unterstützt diese Proteste. Das Außenministerium in Moskau will deswegen auch die EU einschalten und um Unterstützung nachsuchen.

 


Die "Gesundschrumpfung" von Unternehmen verdoppelt das Risiko von Herz- und Gefäßkrankheiten und hat ernsthafte gesundheitliche Auswirkungen auf jene Mitarbeiter, die nicht freigesetzt wurden. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie des finnischen Finnish Institute of Occupational Health gekommen. Bei den 22.430 teilnehmenden Angestellten des öffentlichen Dienstes zeigte sich, dass nicht nur die Entlassenen unter gesundheitlichen Auswirkungen zu leiden haben. Am stärksten betroffen waren jene Teilnehmer, die mehr als 18 Prozent ihrer Kollegen verloren hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie innerhalb der nächsten vier Jahre an einer kardiovaskulären Erkrankung starben, war fünf Mal so hoch als bei Unternehmen ohne Kündigungen. Im gesamten Verlauf der Studie waren sie doppelt so gefährdet an derartigen Erkrankungen zu sterben. Das Team wertete Arbeitnehmerunterlagen und Sterbeakten aus den Jahren 1991 bis 2000 aus. Zwischen 1991 und 1993 verdreifachte sich die Arbeitslosigkeit in Finnland nahezu auf 16,6 Prozent. Der leitende Wissenschaftler Jussi Vahtera erklärte gegenüber dem „New Scientist“, dass diese Form von Arbeitsstress ernst zu nehmen sei. Mehrarbeit, weniger Kontrolle über die Arbeit und verstärkte Unsicherheit hinsichtlich des eigenen Arbeitsplatzes hätten deutlich negative Auswirkungen. Mitarbeiter, die am stärksten betroffen waren, meldeten sich ebenfalls häufiger krank. Dieser Unterschied zeigte sich am deutlichsten bei Festangestellten. Das legt nahe, dass nur befristet Beschäftigte auch krank zur Arbeit gehen.
Herz- und Gefäßkrankheiten entwickeln sich über viele Jahre. Sie traten am häufigsten bei jenen Teilnehmern auf, die auch an derartigen Krankheiten starben. Laut Vahtera kann der von massiven Umstrukturierungen verursachte Stress einen Herzanfall oder einen Schlaganfall auslösen. Zusätzlich erhöht war dieses Risiko bei jenen, deren Lebenspartner kürzlich verstarben. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass das reale kardiovaskuläre Risiko höher sei könnte als in der Studie nachgewiesen. Verantwortlich dafür sei der Umstand, dass die Weiterbeschäftigten durchschnittlich gesünder waren als jene die ihren Arbeitsplatz verloren. Frauen unter 62 Jahren, die über ein geringeres Risiko verfügen, übertrafen in der Studie die Männer nahezu mit drei zu eins. Die Studie wurde im British Medical Journal veröffentlicht.

 

Basierend auf dem Eurobarometer, liegen nun die ersten Studien über Wanderungsbewegungen nach der EU-Osterweiterung vor. Aus den Beitrittsländern werden beispielsweise 10 % aller Studenten, vor allem aber die Begabten, nach Westen abwandern. In den ersten 5 Jahren nach der Osterweiterung dürften so insgesamt 2-3 % aller Akademiker und Studenten verloren gehen. Für die EU-Altstaaten bedeutet das einen Zustrom gut ausgebildeter Fachkräfte, der sich positiv auf die unter Fachkräftemangel leidende Wirtschaft auswirken wird. Kehrseite der Medaille ist die Zuwanderung von sonstigen Arbeitskräften in den westmitteleuropäischen Arbeitsmarkt, welche durch Lohndumping die schlechter ausgebildeten „Randbelegschaften“ verdrängen könnten. Der Verlust gerade der bestausgebildeten Arbeitskräfte und der Intelligenz wird massive Negativauswirkungen auf das Wachstumspotenzial der Beitrittsländer haben. Außerdem werden ihre Gesellschaften rascher altern, denn gerade die jungen und mobilen Arbeitskräfte wandern gen Westen ab. Nicht auszuschließen ist auch die Abwanderung osteuropäischer Erwerbsloser gen Westen, da die Arbeitsmarktsituation hier immer noch günstiger ist. Mindestens 2 % aller Arbeitslosen in den Beitrittsländern haben in Umfragen ihre Wanderungsabsicht bekundet. Innerhalb der ersten 5 Jahre werden mindestens 1,1 Millionen Menschen (zu mehr als zwei Dritteln Singles, mit einem höheren Frauen- als Männeranteil) in die alten EU-Staaten einwandern, vielleicht aber auch bis zu 4 Millionen. Polen und die baltischen Staaten weisen eine potenzielle Migrantenquote von 6,3 % der erwerbsfähigen Bevölkerung auf. Im Falle des EU-Beitrittes von Bulgarien und Rumänien ist mit einer weiteren Million Arbeitsmigranten zu rechnen - hier gelten mehr als 10 % der Gesamtbevölkerung als auswanderungsbereit. Tritt die Türkei der EU bei, steht eine weitere Wanderungswelle ins Haus - und zwar in Stärke von 8,3 % der erwerbsfähigen Türken. Das Institut für deutsche Wirtschaftsforschung geht für den hypothetischen Fall einer Freizügigkeit für alle 10 mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten (ohne Zypern und Malta, aber mit Bulgarien und Rumänien) bereits im Jahr 2004 für die BRD von einer Nettozuwanderung in Höhe von 180.000 Personen binnen 12 Monaten aus. Bereits im Jahr 2005 wäre mit 225.000 Zuwanderern der Höhepunkt erreicht, und bis ca. 2030 würde sich der aus Osteuropa stammende Bevölkerungsteil in der BRD bei 2-2,8 Millionen Menschen einpendeln, was einer Nettozuwanderung von 1,4-2,2 Millionen entsprechen würde. Das Großkapital und entsprechende Lobbygruppen propagieren aus Interesse am Sozial- und Lohndumping bereits seit den 80er Jahren eine weitergehende Öffnung der Grenzen und die multikulturelle Gesellschaft - unisono mit dem Großteil der bundesdeutschen Linken. Offensichtlich sind die Folgen für Sozialstandards und Lohnniveau sowie die Auswirkungen auf die osteuropäischen Volkswirtschaften und Gesellschaften einer vollends internationalistischem Schwärmertum anheim gefallenen Mehrheitslinken gleichgültig - das deutsche Proletariat wird sich dereinst bei ihr bedanken können.

 

Generell dürfte die BRD wie bisher rund 60 % der aus Osteuropa in die EU einwandernden Menschen aufnehmen. Die Höhe der Zuwanderung wird letztlich von der wirtschaftlichen Entwicklung sowohl in den Ziel- als auch in den Herkunftsländern abhängen. Da Staaten wie Großbritannien, die Niederlande und Dänemark von Anfang an Freizügigkeit gewähren, wird ein Teil der prognostizierten Einwandererströme sicherlich in diese Länder umgelenkt. Zudem zeigten ältere Untersuchungen über Wanderungsbewegungen innerhalb der alten EU, dass nur ein Teil derjenigen, die ihr Interesse an einer Arbeitsmigration äußern, dieses auch tatsächlich umsetzen. Ferner ist zu beachten, dass beispielsweise im Falle Spaniens die Wanderungsbewegung nach dem Beitritt schlagartig auf den faktischen Nullpunkt zurückfiel. Da die EU ihren Mitgliedern das Verhängen von Sperrzeiten zwischen 2 und 7 Jahren freistellte, verhängte die BRD zunächst eine zweijährige Zuwanderungssperre. Ausgenommen sind diejenigen osteuropäischen Arbeitnehmer, welche eine offizielle Arbeitsgenehmigung vorweisen können.

 


In „Internationale Politik“ 02/2004 verbreitete sich der Berliner Soziologieprofessor Herfried Münkler über „Die Asymmetrisierung des Krieges“: „Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Bedrohung durch terroristische Anschläge das politische (und wirtschaftliche) Geschehen der nächsten Jahrzehnte bestimmen wird. Mehr als die kontinuierlich wachsenden Ungleichgewichte zwischen den reichen und den armen Weltregionen sind dafür die sich noch schneller vertiefenden Ungleichheiten in den militärischen Fähigkeiten zwischen den technologisch fortgeschrittenen Staaten und dem „Rest der Welt“ verantwortlich. Terrorismus ist nicht, wie immer wieder behauptet wird, eine Waffe der Armen, sondern er ist die Kampfweise der Schwachen. Er hat darin den Partisanenkrieg abgelöst, der während des 20. Jahrhunderts lange Zeit diese Funktion innehatte. Aber die Ablösung des Partisanenkrieges durch den Terrorismus ist mehr als eine operative Innovation auf Seiten derer, die sich keine militärische Hochtechnologie leisten und keine komplexen Militärapparate unterhalten können: Partisanenkrieg ist eine im Wesentlichen defensive, Terrorismus hingegen eine im Kern offensive Strategie. Partisanen nämlich sind auf die nachhaltige Unterstützung durch die Bevölkerung angewiesen, und die erhalten sie nur dort, wo sie mit dieser Bevölkerung ethnisch oder auch sozial eng verbunden sind. Che Guevaras Projekt einer offensiven Ausrichtung des Partisanenkriegs ist im bolivianischen Dschungel kläglich gescheitert. Die jüngeren Formen des transnationalen Terrorismus dagegen haben sich von der Unterstützungsabhängigkeit durch die Bevölkerung, der auch der klassische sozialrevolutionäre wie ethnoseparatistische Terrorismus unterlag, in hohem Maße unabhängig gemacht, indem sie die Infrastruktur der angegriffenen Länder in Waffen verwandelten (etwa Flugzeuge zu Trägersystemen und Kerosin zu Sprengstoff) und ihre Logistik in die Ströme der Schattenglobalisierung einlagerten. Der Terrorist, der lange Zeit dem Partisanen eng verbunden gewesen war und sich selbst als eine von dessen Erscheinungsformen begriffen und dargestellt hatte, wurde damit zu einem strategisch selbständigen Akteur. In der medialen Karriere Osama Bin Ladens hat dies bereits seinen Niederschlag gefunden. Im Partisanenkrieg ging (und geht) es um die Kontrolle und Beherrschung des Bodens, weswegen Carl Schmitt den „tellurischen Charakter“ als eines der wesentlichen Merkmale des Partisanen bezeichnen konnte. Terrorismus dagegen zielt, jedenfalls wenn er eine eigene Strategie und nicht ein untergeordnetes taktisches Element der Revolution oder Separation darstellt, auf die Unterbrechung der Ströme von Waren und Dienstleistungen, Kapital, Menschen und Informationen, die das Lebenselixier moderner Gesellschaften darstellen. Partisanen waren (und sind) auf Räume angewiesen, in denen sie ihre Logistik aufbauen und verfügbar machen, ihre Kämpfer rekrutieren und ausbilden sowie ansatzweise die von ihnen angestrebte sozio-politische Ordnung entwickeln (so genannte befreite Gebiete). Terroristen haben sich dagegen weitgehend vom Raum gelöst, indem sie Gewaltanwendung und Logistik in die letzten Endes unkontrollierbaren Ströme der modernen Gesellschaften einlagern. Das ist zugleich die Voraussetzung dafür, dass netzförmig organisierte terroristische Gruppen überhaupt operations- und überlebensfähig sind. Damit ist aber auch klar, dass es sich bei den jüngeren Formen des Terrorismus um eine Form des Krieges handelt: Politische Akteure wollen auf diese Weise mit den Mitteln der Gewalt ihren Willen durchsetzen. Die auf Clausewitz zurückgehende Definition des Krieges als Durchsetzung eines politischen Willens mit den Mitteln der Gewalt ist flexibler als die empiristisch ausgerichteten Definitionen, die auf die Anzahl der Toten oder die Beteiligung eines Staates abheben, weil sie von bestimmten historischen Konstellationen unabhängig sind. Wer Krieg per definitionem auf eine bestimmte Art seiner Führung beschränkt, etwa auf staatliche Kontrahenten, die mit professionalisiertem Personal um die Kontrolle von Territorien kämpfen, wird selbstverständlich die jüngsten Formen des Terrorismus nicht als Krieg bezeichnen, sondern bestreiten, dass Terrornetzwerke, Milizenführer und Warlords Krieg führende Parteien seien. Bestenfalls seien es Agenten organisierter Gewaltanwendung. Aber damit gleitet ihm zugleich die Geschichte des Krieges wie Sand durch die Finger, und was hängen bleibt, sind nur die Staatenkriege der europäischen Geschichte zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert. Damit ist weder in wissenschaftlicher noch in politischer Hinsicht irgendetwas gewonnen. Statt dessen sind wir hier davon ausgegangen, dass der Krieg im Verlauf der Geschichte in Relation zu den sozialen und wirtschaftlichen, demographischen und politischen Konstellationen immer wieder seine Erscheinungsformen gewechselt hat und dass dies nicht als ein in eine einzige Richtung weisender Evolutionsprozess begriffen werden kann, weder als schrittweise Zivilisierung des Krieges mit der Perspektive seiner endgültigen Abschaffung noch als sicherer Weg zur Selbstauslöschung der Menschheit. Der Wandel der Kriegsformen lässt in langfristiger Perspektive keine klaren Regelmäßigkeiten erkennen, vielleicht mit Ausnahme dessen, dass die unterschiedlichen Formen des Krieges, wenn sie ihre möglichen Varianten entfaltet haben und sich die Perspektive einer Lähmung oder gar Abschaffung des Krieges entwickelt, durch neue Formen abgelöst werden, die das Entwicklungspotenzial mehrerer Varianten enthalten. So scheint es auch bei der jüngst von zahlreichen Beobachtern konstatierten Privatisierung und Asymmetrisierung des Krieges zu sein: Sind die zahllosen Warlords an der Peripherie der Wohlstandszonen inzwischen zum Inbegriff der Privatisierung und Kommerzialisierung des Gewaltgeschehens geworden, so stellen die neuen Formen des transnationalen Terrorismus Strategien einer gezielten Asymmetrisierung dar, mittels derer sich technologisch wie organisatorisch unterlegene Akteure gegen unendlich überlegene Gegner kriegführungsfähig machen. Der klassische Staatenkrieg ist unterdessen infolge der potenzierten Vernichtungskraft von Nuklearwaffen und der hohen Zerstörungsanfälligkeit moderner Gesellschaften zu einem historischen Auslaufmodell geworden. Terroristische Kriegführung ist eine der neuen Formen, die das Kriegsgeschehen des 21. Jahrhunderts aller Wahrscheinlichkeit nach bestimmen werden, und zwar unabhängig von der engen Verbindung, die der Terrorismus gegenwärtig mit dem radikalen Islamismus eingegangen ist. (…) Es sind also im Wesentlichen asymmetrische Konstellationen, die für die terroristische Bedrohung charakteristisch sind. Nun waren aber auch der herkömmliche Terrorismus und selbstverständlich auch die Strategie des Partisanenkriegs Formen asymmetrischer Kriegführung, jedoch fast immer mit der Einschränkung, dass die Asymmetrie Ausdruck einer anfänglichen Schwäche der Insurgenten bzw. Revolutionäre sei und in dem Maße, wie diese im Verlaufe des Krieges an Stärke gewannen, schrittweise in Symmetrie überführt werde. Die Entscheidungsschlacht als symmetrische Konfrontation war der Zielpunkt fast aller Konzeptionen des Partisanenkriegs, an erster Stelle der maoistischen Guerilladoktrin. Genau dies ist bei den jüngeren Formen des transnationalen Terrorismus nicht der Fall: Asymmetrische Konfrontationen werden nicht länger als Stufen zur angestrebten Symmetrie konzipiert, sondern die Perspektive einer zu erreichenden Symmetrie mit dem Gegner ist verabschiedet. Das ist eine weit reichende politisch-strategische Innovation, die zugleich eine realistische Kräfteeinschätzung seitens der strategischen Planer der jüngsten Terrorkampagnen zeigt. (…) Die jüngeren Formen des Terrorismus beruhen also darauf, dass in ihnen Asymmetrie nicht als eine zeitlich begrenzte Notmaßnahme, sondern als der definitive Schlüssel des Erfolgs gedacht wird. Eine Konfrontation mit dem Militärapparat der westlichen Vormacht wird darum auch nicht für die ferne Zukunft angestrebt. Im Gegenteil: Alles kommt darauf an, sich dessen Zugriff zu entziehen, um immer wieder die zivile Infrastruktur der westlichen Gesellschaften attackieren zu können. Diesem Zweck ist die Organisationsstruktur der Gruppen in Form entterritorialisierter Netzwerke optimal angepasst.“

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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