Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 1. bis 6. Februar 2004

 

ie unserer Leserschaft erinnerlich sein dürfte, eskalierte der so genannte Gaskrieg um die Verschleuderung der bolivianischen Erdgasreserven an transnationale Konzerne im vergangenen Herbst. Eine breite Volksbewegung, getragen von den Gewerkschaften, fegte den amerikahörigen Staatspräsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada davon. Allerdings blieb die Bewegung auf halbem Wege stehen und sah zu, wie Carlos Mesa als neues Staatsoberhaupt installiert wurde. Mit der Parlamentsmehrheit im Rücken übte Mesa, wie sein Vorgänger ein Abkömmling der steinreichen Oberschicht, sich seitdem vornehmlich in der Verteidigung des neoliberalen Wirtschaftsmodells, anstatt dringend notwendige Reformen zur Bekämpfung des Massenelends in Angriff zu nehmen. Seinerzeit räumten die Gewerkschaften und sozialen Bewegungen Mesa eine Frist von 3 Monaten ein, um ihre Forderungen umzusetzen. Kernpunkt derselben war vor allem die Abschaffung des umstrittenen „Treibstoffgesetzes“, das privaten Erdölgesellschaften bei der Ausbeutung der bolivianischen Bodenschätze erhebliche Profite garantierte. Verlangt wurde von der Regierung in La Paz vielmehr die Wiedererrichtung des staatlichen Erdöl- und Erdgasmonopols, auf dass die Gewinne dem bolivianischen Volk zugute kämen. Mesa übte sich in Untätigkeit und brachte nun das Fass zum Überlaufen, da er im Begriff ist, mit dem Internationalen Währungsfonds drastische Kürzungen von Staatsausgaben und Sozialleistungen auszuhandeln. Der mächtige Gewerkschaftsbund COB kündigte nunmehr an, einen unbefristeten Generalstreik vorzubereiten. Flankierend werden die Transportarbeiter und die sozialen Bewegungen das Verkehrsnetz lahm legen. Notfalls will man so lange streiken, bis der Forderungskatalog der Volksbewegung umgesetzt und das Parlament entmachtet ist. Als Spaltpilz erwies sich Evo Morales, Führer der Kokabauern und der linksnationalistischen Parlamentsopposition. Morales unterstützt weiterhin Mesa und schlug vor, auf Neuwahlen zu warten.

 


Im vergangenen Jahr meldeten einer aktuellen Creditreform-Studie zufolge 157.138 Unternehmen in Westeuropa Insolvenz an. Das wären knapp 6.000 Firmen oder 3,9 % mehr als noch in 2002. Damit habe sich die Zunahme der Insolvenzen allerdings verlangsamt: Waren in 2002 noch 10,7 % mehr Insolvenzen als 2001 zu verzeichnen, ging die Steigerungsrate um 6,8 Prozentpunkte zurück. Die Steigerungsrate der BRD liegt allerdings über der des EU-Durchschnitts: Hier mussten im Vorjahr 39.700 Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten; das waren 5,5 % mehr als 2002. 1,7 Millionen Arbeitsplätze gingen verloren, weil der Arbeitgeber Insolvenz anmelden musste. Das entspricht im Jahresverlauf einem Zuwachs um 100.000 betroffene Arbeitnehmer oder einem Anstieg von 6,3 %. Den größten Zuwachs an Unternehmensinsolvenzen meldet Portugal: Um 42,4 % auf insgesamt 2.980 betroffene Firmen sei die Zahl binnen Jahresfrist gestiegen. Platz zwei der Negativ-Rangliste belegt Norwegen. Um 18,3 % auf 3.080 Insolvenzen stiegen hier die Unternehmenspleiten. Auch die Schweiz verzeichnete einen Insolvenzanstieg im zweistelligen Bereich: 13,4 % mehr Konkurse als noch in 2002 und insgesamt 4.539 Unternehmensheimgänge hatte das Land zu verkraften. Die Zahl der Gesamtinsolvenzen (also Unternehmenskonkurse plus Konkurse von Privatpersonen sofern vorhanden und statistisch erfassbar) in Westeuropa stieg um 10,3 % auf insgesamt 269.762 Fälle. Verantwortlich für diesen Zuwachs waren insbesondere die Insolvenzzahlen in der BRD und Großbritannien, so das Ergebnis der Studie. In der BRD stiegen die Gesamtinsolvenzen um 18,3 % auf 99.800 Fälle, in Großbritannien um 5,4 % auf 53.640. Das Dienstleistungsgewerbe trage den Löwenanteil am Insolvenzgeschehen in Westeuropa: 42,9 % aller Insolvenzanträge (Vorjahr 40,6 %) kommen aus dieser Sparte. Lediglich 11,2 % (Vorjahr: 12,4 %) am Insolvenzaufkommen trägt das verarbeitende Gewerbe.

 


Die sich vertiefende Spaltung zwischen den so genannten Antideutschen und der Restlinken führte in Hamburg zu einer neuen Eskalation. Nachdem es bereits auf der Antifa-Demo in Hamm zu Schlägereien zwischen Antideutschen und Antiimps kam, sah auch die Hamburger Kundgebung vergleichbare Vorfälle. Hier kam es bekanntlich anlässlich der sattsam bekannten Wehrmachtsausstellung zu rechts- wie linksgerichteten Kundgebungen. Eine Gruppe von Berliner Antideutschen (AANO) versuchte unter Mitnahme von israelischen, amerikanischen und britischen Fahnen, sich an die Demospitze zu drängen. Dieser selbst mit Hamburger Gesinnungsgenossen nicht abgesprochene Versuch, die Kundgebung zu dominieren und umzufunktionieren, führte zu einer herzhaften Keilerei mit den ohnehin seit Hamm reichlich gereizten Hamburger Antiimps. Nach einem Polizeieinsatz beruhigten sich die Gemüter, und daraufhin kam es zu den bekannten Zusammenstößen mit der Knüppelgarde des reaktionären Hamburger Senats. Die Bilanz beläuft sich auf 221 Ingewahrsamsnahmen, 15 Festnahmen und 30 Verletzte; 26 Beamte von Polizei und BGS wurden verletzt. Zur Motivation der antideutschen Provokateure ein aufschlussreiches Zitat des Bahamas-Redakteurs Justus Wertmüller: "In diesem Sinne hoffe ich, dass der Bruch der in Deutschland durch die Linke geht, sich bis zur Unversöhnlichkeit vertiefen möge. In diesem Sinne hoffe ich, dass jede Zusammenarbeit mit Antiimperialisten, Globalisierungsgegnern und anderen Feinden Israels sich in Zukunft verbietet. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir stark genug sein werden, in nächster Zeit mehr und wirkungsvollere Interventionen gegen die deutschen Zustände und für Israel unternehmen zu können und zwar ohne Rücksicht auf die bedenklichen Bedenkenträger, die immer ihr Menschenrecht, Israel kritisieren zu dürfen, einklagen."

 


Im Rummel um die Wehrmachtsausstellung dürfte untergegangen sei, dass sich das Reemtsma-„Institut für Sozialforschung“ schon längst zum Propagandisten des neudeutschen Imperialismus gemausert hat. Bereits 1999 setzte sie der später wegen Inkompetenz gefeuerte Institutsleiter Hannes Heer ganz im Sinne der rosa-grünen Bundesregierung für den NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien ein: „Ich bin ein Befürworter der Intervention gewesen. Ich habe das auch geäußert im Rahmen der Öffnung der Ausstellung, und ich bin als Privatmann zufällig derselben Meinung wie die Bürgermeisterin." Sein Kollege Wolfgang Kraushaar propagierte die nicht zuletzt durch das Bundesverteidigungsministerium in Umlauf gebrachte Lüge von einem planmäßigen Völkermord im Kosovo (Hufeisen-Plan). Wer glaube, er könne sich hier neutral, friedensstiftend oder diplomatisch verhalten, der mache sich zum „Komplizen eines Massenmordregimes". Nach dem Endsieg über Jugoslawien, dessen Zerschlagung die BRD seit den 80er Jahren betrieb, feierte Heinz Bude als Leiter des Institutsbereiches „Politik und Gesellschaft der alten und neuen Bundesrepublik“ den „Stilwechsel in der Performanz“ der „neuen Politikergeneration“; allen voran Rudolf Scharping als „psychodynamische Führerfigur“. Die Führerfigur wurde bald danach wegen Unaufrichtigkeit, Unfähigkeit und Korruption abgelöst. Wahrlich ein Stilwechsel: Berlin führte erstmals seit 1945 wieder einen offenen Krieg und etablierte sich endgültig als imperialistischer global player. Mit Budes Worten gesagt, konnte sich das Kellerkind BRD endlich im Ernstfall bewähren. Vielleicht hätte es mehr Sinn gemacht, diese Funktion des Reemtsma-Institutes zu thematisieren, anstatt sich im Stil von um ihr Spielzeug fürchtenden Kleinkindern an naiven und unkritischen Militarismus zu klammern.

 


Die baskische Untergrundorganisation ETA hat mit neuen Anschlägen in spanischen Feriengebieten gedroht. Wie jedes Jahr im Frühling verschickten die militanten Linksnationalisten Drohbriefe vor allem an Reiseunternehmen und touristische Einrichtungen. Bereits im Sommer letzten Jahres erklärte die ETA Spaniens Ferienorte zum Kriegsgebiet und führte eine Reihe von Anschlägen auf Strandhotels und Flughäfen durch. Fast im gleichen Atemzug erklärte die Organisation sich jedoch zu einem Dialog über die Zukunft des Baskenlandes bereit. Das spanische Innenministerium lehnte jegliche Verhandlungen ab und erhob die Selbstauflösung der Untergrundbewegung zum Ziel. In Frankreich wurde derweil mit Antonio Zurutuza Sarasola ein altgedienter Aktivist der ETA verhaftet. Zurutuza werden mehrere Morde aus den 80er Jahren angelastet. Er wurde bereits 2002 festgenommen, musste aus Mangel an Beweisen allerdings auf freien Fuß gesetzt werden und tauchte unter.

 

Vor dem Landgericht Berlin begann das Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Horst Mahler, Uwe Meenen und Reinhold Oberlercher, allesamt Mitglieder des Deutschen Kollegs. Die Angeklagten sprachen dem Gericht als Organ „des völkerrechtswidrigen Reichs- und Volksvernichtungsregimes BRD“ die Legitimation ab und erklärten, sie würden sich lediglich der Gewalt beugen. Stein des Anstoßes ist ein rassistisches und antisemitisches Pamphlet aus dem Jahre 2000 namens „Aufruf zum Aufstand der Anständigen“, das grob zusammengefasst eine Anleitung zur rigorosen ethnischen Säuberung der BRD, wenn nicht gar des Reichsgebietes in den Grenzen von 1937, darstellt. Mahler wird darüber hinaus vorgeworfen, im September 2002 volksverhetzende Schriften in Umlauf gebracht zu haben, in denen er den Hass auf Juden als „völlig normal“ und als ein „Zeichen geistiger Gesundheit“ bezeichnete. Wir sorgen uns eher um die geistige Gesundheit Horst Mahlers. Der RAF-Renegat gedenkt offenbar, sich vor Gericht mittels einer auf 3 Tage angesetzten Einlassung zur Sache als Holocaustleugner zu profilieren und rief zum Sturz der „jüdischen Fremdherrschaft“ auf - womit er sich wohl eine Reihe weiterer Verfahren einhandeln dürfte. In Hamburg ist ohnehin noch ein weiteres Berufungsverfahren anhängig, weil Mahler in der ARD-Sendung „Panorama“ die Anschläge des 11. September als rechtens bezeichnete und in erster Instanz nicht gerade zu Unrecht freigesprochen wurde. Als vierter Kollegiat steht ab dem 23. Februar Frank Kerkhoff in Magdeburg vor Gericht, und zwar als Verantwortlicher für die deutschnational-reaktionäre DK-Flugschrift „Deutschland wird wieder Deutsch (sic)!“ (Aufstachelung zum Rassenhass, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole usw.). Die Einstellung des Verfassers gegenüber dem Deutschen Kolleg sollte in der Vergangenheit deutlich geworden sein, so dass sich weitere Worte wohl erübrigen. Noch ein Satz an die Adresse von Mahlers Hofberichterstatter Peter Töpfer: Friedrich Hielschers Autobiographie ist nicht mit „50 Jahre Fremdherrschaft“ betitelt, sondern mit „50 Jahre unter Deutschen“. Freudscher Versprecher?

 

Der Rat der Kärntner Slowenen verurteilte den laufenden Wahlkampf der rechtspopulistischen FPÖ in Kärnten als "gegen die Volksgruppe und gegen den Rechtsstaat" gerichtet. Landeshauptmann Jörg Haider spielt hier wieder einmal die zugkräftige antislowenische Karte und zählt zu seinen Verdiensten, die Aufstellung weiterer zweisprachiger Ortsschilder verhindert zu haben. Mit diesem chauvinistischen Schritt überging die Kärntner Landesregierung ein höchstrichterliches Urteil sowie die österreichische Verfassung. Der Slowenenrat wandte sich bereits an den Botschafter der Republik Slowenien in Wien und ersuchte ihn, die Regierung in Ljubjana/Laibach über „diesen neuerlichen Ausdruck der Missachtung gegenüber den Rechten der slowenischen Volksgruppe in Kärnten durch einen der höchsten Repräsentanten einer österreichischen Regierungspartei" zu informieren. Ferner wandte die slowenische Bevölkerungsgruppe sich auch an das Europäische Sprachenbüro in Brüssel.

 

Seit November 2003 verfügt der Bundesgrenzschutz bundesweit über die Möglichkeit zur Aufzeichnung des Datenmaterials aller aktiven Videokameras auf Bahnhöfen und Haltepunkten. Diese technische Neuerung im Bereich der Videotechnik ist auf eine gemeinsame Initiative des BGS und der Deutsche Bahn AG zurück zu führen. Bundesinnenminister Otto Schily erklärte hierzu unter anderem: "Der Videoüberwachung und -aufzeichung kommt eine besondere Bedeutung im Rahmen der bahnpolizeilichen Tätigkeiten des Bundesgrenzschutzes zu. Sie ist ein wichtiges Unterstützungsinstrument präventiver und ermittlungstaktischer Arbeit.
Ziel ist es einerseits, mögliche Gefahren, insbesondere bei sprengstoffverdächtigen Gegenständen, qualifiziert abzuwehren und andererseits, entstehende Beeinträchtigungen des Bahnverkehrs so gering wie möglich zu halten. Beim Vorliegen einer Straftat wird die Beweisführung und somit die Aufklärung durch die Videodokumentation erheblich erleichtert. Die Zusammenarbeit zwischen dem BGS und der DB AG gestaltet sich in diesem Bereich sehr kooperativ und partnerschaftlich. Gemeinsam werden wir auch weiterhin in enger Abstimmung mit benachbarten Sicherheitsbehörden (…) lageangepasst mittels Videotechnik beobachten und auswerten sowie an weiteren Schwerpunkten gegebenenfalls zusätzliche Kameras installieren
." Die Überwachungskameras werden entsprechend einer ständig aktualisierten und gemeinsam mit der DB AG abgestimmten Festlegung in und an Bahnhöfen (Bahnhofsvorplätze!) im gesamten Bundesgebiet angebracht. Sammlung und Speicherung der gewonnenen Daten obliegen ausschließlich der Bundespolizei.

 

Mit Verhandlungen zwischen den nordirischen Parteien sowie den Regierungen in Dublin und London begann die Überprüfung des Karfreitagsabkommens. Erneute Wahlen nach den auf 3 Monate angesetzten Gesprächen werden nicht mehr ausgeschlossen, falls sich die Parteien nicht auf eine Regierungsbildung einigen können. Die protestantische Democratic Unionist Party DUP als stärkste nordirische Partei stellte erneut klar, dass sie nicht mit Sinn Féin zusammenarbeiten werde, solange die Provisional IRA nicht entwaffnet und aufgelöst sei. Ihre Vorschläge zur Überarbeitung des Karfreitagsabkommens beinhalten unter anderem eine deutliche Stärkung des Regionalparlaments bzw. seiner Ausschüsse. Diesen würde nämlich die Führung der Ministerien obliegen. Für Beschlüsse wären dann jeweils die Stimmen von 50 % der protestantischen und der katholischen Abgeordneten oder eine allgemeine Stimmenmehrheit von 70 % erforderlich. Nach dem gleichen Verfahren werden bereits die Gemeinden Nordirlands regiert, und es fand auch Anwendung beim Aufbau der walisischen Selbstverwaltung. Der Plan würde Sinn Féin zwar Mitspracherechte im Parlament einräumen, blockiert aber die Möglichkeit einer republikanischen Regierungspolitik und wird folgerichtig entschieden von SF abgelehnt. Andererseits bevorzugt die DUP eine normale Koalitionsregierung für Nordirland, und zwar gemeinsam mit der katholischen SDLP oder gegebenenfalls nach Entwaffnung und Auflösung der PIRA mit Sinn Féin. Generell sprachen sich Sinn Féin und die gemäßigte SDLP gegen eine Neuverhandlung des Friedensabkommens von 1998 aus. Allerdings sind sämtliche nordirischen Parteien bezüglich der Wiederherstellung der Selbstverwaltung einer Meinung. Sinn Féin erinnerte die britische Regierung an ihre Verpflichtungen bezüglich Truppenabzug, Polizeireform und Menschenrechtssituation. Erst nach vollständiger Umsetzung des Karfreitagsabkommens durch London ist die IRA bereit, endgültig die Waffen niederzulegen. Weitere Forderungen sind ein Grundrechtekatalog und Förderung der gälischen Sprache und Kultur. Der republikanische Verhandlungsführer Martin McGuinness bezog bereits eindeutig Stellung: Entweder die DUP werde gemeinsam mit Sinn Féin in einer Allparteienregierung sitzen, oder überhaupt nicht. David Trimble, wankender Parteichef der bei den letzten Regionalwahlen schwer angeschlagenen Ulster Unionist Party, kritisierte die Vorschläge der DUP, da sie das Problem des Paramilitarismus nicht lösen würden.

 

Im Interview mit der Onlinezeitung „telepolis“ spekulierte der kritische Bundeswehr-Offizier Oberstleutnant Jürgen Rose über die Möglichkeit, das Imperium Americanum auf wirtschaftspolitischem Wege zu stürzen: „Eine vertiefte Europäische Union wäre angesichts ihres großen Wirtschaftspotenzials und auch bei einem äußerst moderat dimensionierten Verteidigungsarsenal eine Alternative, zumal dann, wenn sie sich auf eine strategische Allianz mit der Russischen Föderation stützen könnte. (…) Aber es geht auch nicht um eine politische und schon gar nicht um eine militärische Achse, sondern um wirtschaftliche Kooperation zum beiderseitigen Vorteil. West- und Mitteleuropa brauchen aus Russland zuvörderst Rohstoffe, Öl und Erdgas. Die Russische Föderation benötigt im Gegenzug Kapital und Technologie für die Modernisierung des Landes und dürfte daher einem Assoziierungsvertrag mit der EU durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen - vielleicht der Beginn einer "wunderbaren Freundschaft". Auch sollten die Westeuropäer mit Blick auf das dramatisch vernachlässigte Instrumentarium friedlicher Konfliktbewältigung das russische Interesse an der OSZE wieder stärker schätzen lernen. Verglichen mit den USA, deren Interesse an der OSZE gegen Null tendiert, scheint Russland ein in dieser Hinsicht erheblich verlässlicherer Partner zu sein. Würde also die EU privilegierte Beziehungen zu den Öllieferstaaten Iran, Irak und Libyen aufbauen sowie eine strategische Partnerschaft mit Russland eingehen, könnte dies den Anfang vom Ende des Imperium Americanum einläuten. Die Tage für den exklusiven Status des US-Dollars als Weltleitwährung wären gezählt, der Euro käme als funktionales Äquivalent in dessen Position, so dass ein jähes Abschwellen des Kapitalstroms in Richtung USA - derzeit liegt er bei anderthalb Milliarden Dollar pro Tag - unvermeidlich wäre. Damit gerieten die USA als weltgrößter Schuldner in eine prekäre ökonomische Abhängigkeit von ihren Gläubigern in Europa und Asien.
Der überragende Effekt einer solchen Strategie resultiert aus dem Umstand, dass die USA mit ihrem Potenzial als Supermacht unmittelbar auf den Erhalt der gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung angewiesen sind - sie allein garantiert die ökonomische Ressourcen, die für einen gigantischen US-Militärapparat unverzichtbar sind. Zur Zeit liegt das jährliche Leistungsbilanzdefizit, das die USA im globalen Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital erzielen, bei etwa 500 Milliarden Dollar, während ihr jährliches Rüstungsbudget 400 Milliarden Dollar erreicht hat. Vereinfacht gesagt: Der Rest der Welt finanziert den Amerikanern die Fähigkeit zu imperialer Machtentfaltung mit und legt sogar noch 100 Milliarden Dollar drauf, um die Kosten der Kriege auffangen zu helfen, die von den USA primär mit dem Motiv geführt werden, diese Weltwirtschaftsordnung beizubehalten. In dem Maße, wie es gelingt, die Strukturen dieses Systems zu ändern, werden die Amerikaner das bei ihren globalen Ambitionen zu spüren bekommen
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Im Januar 2004 stieg die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen um mehr als eine Viertelmillion auf 4,597 Millionen. Die amtliche Arbeitslosenquote legte, auch saisonbereinigt, auf 11 % zu. Zwar weisen die vorgelegten Statistiken einen Rückgang gegenüber dem Vorjahresmonat um 26.400 Erwerbslose aus, aber das wird sich gleich klären. Im Westen legte die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Januar 2003 sogar um 28.600 zu. Die „positiven“ Veränderungen in der Erwerbslosenzahl sind nicht zuletzt auf die statistischen Manipulationen zurückzuführen. Seit Jahresbeginn werden Personen in Trainingsmaßnahmen nicht mehr als erwerbslos geführt, wovon insgesamt 81.000 Arbeitslose betroffen sind. Ferner macht sich auch die ausufernde Verhängung von Sperrzeiten bemerkbar: 2003 stiegen sie um rund 180 % an. Regional ist die Lage mitunter noch schlimmer, Nürnberg beispielsweise verzeichnete alleine zwischen Januar und Juli einen Anstieg um mehr als 300 %. Monatlich betrachtet, beträgt die der verhängten Sperrzeiten Zunahme gegenüber 1998 500 %. Besonders rücksichtslos ist das Vorgehen in der kolonialisierten ex-DDR: Zwischen Januar und September schnellte die Zahl der Sperrzeiten um 500 % empor. Ein Ende des Stellenabbaus ist übrigens nicht in Sicht. In den vergangenen Jahren schufen bundesdeutsche Unternehmen zwar 450.000 Arbeitsplätze - allerdings befinden diese sich in den osteuropäischen EU-Beitrittsländern. Einer Studie des Münchener Osteuropa-Instituts zufolge werden bis 2013 weitere 450.000 Arbeitsplätze als Auswirkung der EU-Osterweiterung verloren gehen, und zwar durch Produktionsverlagerung.

 


Anlässlich des Opferfestes Eid al-Adha kam es in Erbil, Irakisch-Kurdistan, zu zwei verheerenden Selbstmordattentaten auf Regionalbüros der rivalisierenden Kurdenparteien KDP und PUK. Die Opferzahlen belaufen sich auf 109 Tote und rund 250 Verletzte. Unter den Todesopfern befanden sich der Provinzgouverneur, der Polizeichef und mehrere ranghohe Angehörige der kurdischen Autonomiebehörden. In der Provinz Erbil wurde nach dem Blutbad der Ausnahmezustand ausgerufen. Für den Anschlag verantwortlich zeichnen dürfte wohl die im Nordirak operierende islamistische Kurdenmiliz Ansar al-Islam, die über Verbindungen zum nebulösen Terrornetzwerk al-Qaida verfügt. Die nordirakischen Kurdenführer machten sich namentlich bei schiitischen Hardlinern unbeliebt, da sie ihren Autonomieplänen Vorrang vor landesweiten freien Wahlen einräumen. Als die treuesten irakischen Verbündeten der Amerikaner gelten sie zudem als Verräter. Bereits am Vortag gab es 9 Tote und 45 Verletzte bei einem Autobombenanschlag auf eine Polizeiwache im nahe gelegenen Mosul. Eine weitere Operation gegen eine Polizeiwache in Suwayrah forderte 4 Tote und 11 Verletzte. Gegen Ende der Woche gab es zudem mindestens 53 Tote und mehr als 60 Verletzte, als eine Polizeiwache in Iskandariyah in die Luft gesprengt wurde. Hier wurden neue Rekruten für die Kollaborateur-Polizei gemustert. Damit hat die irakische Polizei seit April mindestens 604 Tote und Tausende von Verwundeten verloren.

 


Alleine im Januar 2004 haben die amerikanischen Invasoren mindestens 45 Gefallene und 209 Verwundete zu beklagen. Diese Ausfälle treiben ihre bisherigen Verluste auf (Mindestzahlen) 534 Gefallene, 2617 Verwundete und 8500 Kranke empor. Unabhängigen Meldungen zufolge beläuft sich die Zahl der tödlichen Verluste durch den Tod von Kranken und Verwundeten auf um die 1200 Soldaten. Hinzu gerechnet werden können die Ausfälle dieser Woche, welche sich auf mindestens 9 Gefallene und 28 Verwundete belaufen. Über den Daumen gepeilt und die Ausfälle durch Krankheit und Erschöpfung eingerechnet verlieren also alleine die Amerikaner derzeit über 100 Soldaten wöchentlich. Angesichts des anhaltenden Widerstandes hat das Pentagon bereits einen Teilabzug aus Bagdad angeordnet. Hier wie in den anderen größeren Städten werden die Einheiten in außerhalb gelegene Stützpunkte zurückgezogen, während man bestrebt ist, den Krieg in den Städten durch Einsatz von Kollaborateur-Verbänden zu irakisieren. Schon im Dezember wurde die Patrouillentätigkeit in den Städten um zwei Drittel reduziert. Einer australischen Quelle zufolge haben die Amerikaner und ihre Verbündeten derzeit lediglich 42 % des irakischen Territoriums unter Kontrolle, möglicherweise sogar noch weniger.

 


Die SPD erlitt im Jahr 2003 die größten Mitgliederverluste seit den frühen 50er Jahren. Die Zahl der Parteimitglieder ging um 6,21 % auf 650.798 Genossen zurück, und beinahe ein Drittel der Austritte entfiel auf die Hochburg Nordrhein-Westfalen. Damit hat die gesamtdeutsche SPD nur noch so viele Mitglieder wie 1963 in Westdeutschland alleine. Massenaustritte gab es vor allem in den der Arbeiterbewegung verhafteten LV Saarland und Nordrhein-Westfalen. Auch nach dem Jahreswechsel ebbte die Austrittswelle nicht ab, weiterhin geben Tausende ihrer Parteibücher zurück. Der alarmierende Zustand der Sozialdemokratie führte nunmehr zu einer Art Parteirevolte gegen Parteichef Gerhard Schröder und seinen Generalsekretär Olaf Scholz. Wortführer waren Niedersachsens Landesvorsitzender Wolfgang Jüttner, seine hessische Amtskollegin Andrea Ypsilanti und der baden-württembergische Fraktionschef Wolfgang Drexler, die unumwunden eine Kabinettsumbildung verlangten. Immer lauter wurde auch die Forderung erhoben, die sozial Schwachen nicht noch weiter zu belasten und die „Reformen“ abzubremsen. Hierbei taten sich vor allem der saarländische Spitzenkandidat Heiko Maas, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück, der dortige Landesvorsitzende Harald Schartau und der niedersächsische Fraktionsvorsitzende Sigmar Gabriel hervor. In NRW nahen 2004 die Kommunal- und 2005 die Landtagswahlen, und wenn die SPD das bevölkerungsstärkste Bundesland verliert, kann sie schon für die Zeit nach den Bundestagswahlen 2006 planen - als Opposition. Im Bundesvorstand wurde bereits befürchtet, man werde keine einzige der 2004 anstehenden 14 Wahlen gewinnen. Kreise innerhalb der Bundestagsfraktion erwarten spätestens für den Frühsommer eine Kabinettsumbildung, als Ablösekandidaten werden vor allem die Minister Manfred Stolpe (Verkehr), Hans Eichel (Finanzen), Edelgard Bulmahn (Bildung) und Ulla Schmidt (Gesundheit) gehandelt.

 

Der Genosse der Bosse ist nicht mehr der Boss der Genossen: Schröder hörte angesichts des sich zusammenbrauenden Unwetters die Signale und stellte daraufhin sein Amt als Bundesvorsitzender der SPD zur Verfügung, um seine öffentliche Demontage durch die Landesverbände zu verhindern. Offensichtlich gedenkt der Bundeskanzler, auf diese Weise aus der Schusslinie zu kommen und weiterhin seine asoziale Reformpolitik betreiben zu können. Immerhin benötigte er nicht einmal anderthalb Legislaturperioden, um seine Partei an den Rand des Ruins zu manövrieren. Neuer Parteichef soll in Personalunion mit dem Vorsitz der Bundestagsfraktion das sozialdemokratische Urgestein Franz Müntefering werden; auch der ungeliebte Generalsekretär Olaf Scholz wird seinen Hut nehmen. Eine Kabinettsumbildung mehr oder weniger großen Ausmaßes wird angesichts der Tatsache, dass sich in der Bundesregierung ein Haufen von Totalversagern zusammengefunden hat, auch vom Kanzler selbst nicht ausgeschlossen. Es stellt sich die Frage, ob Schröders Rechnung aufgeht. Müntefering gilt als ausgesprochener Machtpragmatiker, der gegebenenfalls imstande wäre, zugunsten der Belange der SPD Schröder als Kanzler zu opfern. Immerhin hat Schröder mit seiner Demission die Kontrolle über den Parteiapparat aus der Hand gegeben. Auch nach dem Rücktritt pochen Drexler, Maas, Schartau und Juso-Chef Niels Annen weiter auf eine politische Kurskorrektur.

 

Zum Rücktritt Gerhard Schröders vom SPD-Parteivorsitz, zu dem Vorschlag, das Amt an Franz Müntefering zu übergeben und zu der angekündigten Demission des SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz erklärte der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky: „Die Abgabe des SPD-Parteivorsitzes soll für Gerhard Schröder innerparteilich ein Befreiungsschlag und nach außen ein Zeichen von verantwortlichem Handeln im Interesse des Landes sein. Doch es ist nichts weiter als eine Reaktion auf die wachsende Unzufriedenheit in der SPD und in der Bevölkerung und das Eingeständnis gescheiterter Politik. Deutschland braucht keine Ämterrochade, sondern eine andere Politik. Was der Kanzler für ein Vermittlungsproblem hält und nun mit Franz Müntefering als SPD-Vorsitzendem lösen will, ist das Ergebnis seiner Politik, die die kleinen Leute über Gebühr belastet und Konzern und Vermögende verschont. Mit dem Wechsel im Parteivorsitz ändert sich nichts am unsolidarischen Charakter der Sozialreformen, die Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 eingeleitet hat. Wenn der Kanzler seine Politik des Sozialabbaus nicht ändert, wird es auch Franz Müntefering vermutlich nicht gelingen, die SPD hinter dieser Politik zu versammeln.“

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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