Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 18. bis 24. Dezember 2004

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 
 


Zitat der Woche:
"Ich bin stärker als sämtliche Armeen der Welt. Ich habe mehr Menschenleben zerstört als alle Kriege der Welt. Ich bin tödlicher als Bomben und ich habe mehr Heime verwüstet als die mächtigste Belagerungskanone. Ich vernichte jedes Jahr Tausende von Lohnarbeitern. Ich erscheine an ungesehenen Stellen und tue dort am meisten Arbeit, wo ich am wenigsten vermutet werde. Ich bin unstet und überall - in der Fabrik, im Hause, auf der Strasse und auf der See. Ich bringe Krankheit, Hilflosigkeit und Tod, und dennoch suchen nur wenige mich zu meiden. Ich bin euer ärgster Feind. Ich bin der Kapitalismus."
- „Der Syndikalist“ 49/1925

 

Im Jahr 2004 wurden weltweit 42 Kriege und bewaffnete Konflikte geführt. Das ergeben jüngst publizierte Untersuchungen der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (Akuf) der Universität Hamburg. Damit hat sich diese Zahl gegenüber dem Vorjahr nicht verändert, allerdings wurden 7 kriegerische Konflikte beendet und ebenso viele neu begonnen. Hauptschauplätze waren Asien und Afrika sowie der Nahe und der Mittlere Osten mit insgesamt 39 Konflikten. Nur Europa, Nordamerika und Australien blieben von andauernden Kampfhandlungen verschont. Mit diesen Studien bestätigt sich auch im Jahr 2004 die regional ungleiche Verteilung des weltweiten Kriegsgeschehens: Weit mehr als 90 % aller Kriege seit 1945 fanden in der so genannten Dritten Welt statt. Dabei spielen der Kampf um die Macht im Staat und Sezessionsbestrebungen die Hauptrolle. Diese innerstaatlichen Konflikte dominieren das Kriegsgeschehen der vergangenen 50 Jahre. Zwischenstaatliche Auseinandersetzungen - wie zuletzt der 2003 von den USA mit ihren Verbündeten begonnene Irakkrieg und der bewaffnete Konflikt zwischen Indien und Pakistan - bilden längst schon die Ausnahme. Typisch ist die Wahrnehmung der Konflikte, die vor allem durch die Medien gesteuert wird: Wie schon 2003 konzentrierte sich die öffentliche Aufmerksamkeit auch heuer hauptsächlich auf den Irakkrieg. „Die vielfach vorausgesagte Eskalation nach Ende der Hauptkampfhandlungen zwischen März und Mai 2003 hat sich im Jahr 2004 fortgesetzt", kommentieren dies die Autoren der Studie. Dabei kämpfte eine Vielzahl von bewaffneten Gruppen gegen die Besatzungstruppen unter Führung der USA beziehungsweise gegen die irakische Übergangsregierung. Laut US-amerikanischer Darstellung herrscht aber offiziell kein Krieg mehr, seit Präsident George W. Bush im Mai 2003 die „größeren Kampfhandlungen" für beendet erklärt hat. Als gravierendste humanitäre Krise weltweit weisen die Autoren der Akuf-Studie für das Jahr 2004 die Situation in der sudanesischen Region Darfur aus.

 

Die Sozialistische Alternative SAV exerzierte in Rostock vor, wie auf lokaler Ebene den Ungerechtigkeiten von Hartz IV entgegen getreten werden kann. In der Hansestadt gehörte die SAV zu den Initiatoren der Montagsdemonstrationen und setzte die Kampagne auch nach dem Rückzieher der Arbeitnehmerverräter von PDS und DGB fort. Über ihre Bürgerschaftsabgeordnete Lehnert brachte die SAV ein Sofortprogramm ein: Vollwertige Arbeitsplätze statt Ein-Euro-Jobs, keine Zwangsumzüge, volle Übernahme der Nebenkosten und Einführung eines Sozialtickets für den ÖPNV. Zunächst lehnten alle Fraktionen der Rostocker Bürgerschaft das Paket ab, aber die SAV war imstande, massiven öffentlichen Druck gegen die Einheitsfront der asozialen Systemparteien zu organisieren. Zu nennen wären z.B. Unterschriftensammlungen, Protestkundgebungen und öffentliche Proteste während der Bürgerschaftssitzungen. Letztlich beugten sich die „Volksvertreter“ dem Druck des Volkes und beschlossen, dass es keinerlei Zwangsumzüge geben wird und dass Ein-Euro-Jobs der Zustimmung des Betroffenen bedürfen. Im Rahmen des Oberbürgermeister-Wahlkampfes sahen sich nunmehr PDS und SPD genötigt, ab dem 1. Februar 2005 ein Sozialticket mit einem um 33 % ermäßigten Tarif einzuführen. Respekt! Abschließend lassen wir die SAV zu Wort kommen: „Es hat sich gezeigt, dass nur die Mobilisierung von Arbeitslosen, Beschäftigten und Jugendlichen und die konsequente Ablehnung von Hartz IV dazu führen, dass überhaupt Verbesserungen erzielt werden. Die PDS Rostock, die für die Umsetzung von Hartz IV gestimmt hat und nur kleinere Anpassungen wollte, hat gezeigt, dass sie unfähig ist Verbesserungen zu erreichen, sondern im Gegenteil konsequenter Bestandteil des etablierten politischen Systems ist.“

 

In Palästina fanden Kommunalwahlen in 26 Gemeinden der Westbank statt (übrigens mit einer Frauenquote von 16 %). Die islamistische Hamas-Bewegung nahm erstmals an den Wahlen teil und konnte 7 Gemeinden für sich gewinnen. Wahlsieger war die regierende PLO-Mehrheitsfraktion Fatah, die sich in 12 Gemeinden durchsetzte. In 5 Gemeinden verhandeln Fatah und Hamas als stärkste Fraktionen mit PFLP, DFLP und Volkspartei sowie unabhängigen Kandidaten, um eine regierungsfähige Stadtverwaltung bilden zu können, und in 2 weiteren Gemeinden könnte es Große Koalitionen geben. Allerdings sind die Stimmen regional unterschiedlich verteilt: Während die Fatah im Norden dominiert, gingen die Gebiete südlich Jerusalems fast vollständig an die Hamas. Grundsätzlich sind die Islamisten von der Hamas bereit, mit ihren nationalistischen Fatah-Rivalen auf kommunaler Ebene zu koalieren, um den Wiederaufbau des Westjordanlandes und die Stärkung der palästinensischen Zivilgesellschaft voranzutreiben. Weitere Wahlgänge stehen in Bälde in den größeren Städten des Westjordanlandes und im Gazastreifen an. Die internationale Beobachtermission urteilte, die Wahlen hätten demokratischen Standards entsprochen. Allerdings wurden rund 100 Kandidaten innerhalb der letzten 24 Stunden vor Öffnung der Wahllokale von den örtlichen Mehrheitsfraktionen „überredet“, ihre Bewerbung zurückzuziehen. Nach palästinensischen Angaben lag die Wahlbeteiligung bei 81 %. Als vertrauensbildende Maßnahme kündigte die israelische Regierung ungeachtet neuer Gefechte im Gazastreifen die Freilassung von 170 inhaftierten Palästinensern an.

 

Die Bevölkerung im Westjordanland ist zu großen Teilen von einer ausreichenden Wasserversorgung abgeschnitten. In zahlreichen nördlichen Regionen wie Jenin steht der Bevölkerung lediglich ein Drittel der Wassermenge zur Verfügung, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Standard vorsieht, berichtet die Hilfsorganisation Care International unter Berufung auf eine Studie. Die schlechte Qualität des verfügbaren Wassers führt gleichzeitig zu einer alarmierend hohen Rate an Durchfall- und Infektionserkrankungen von 26 %. Diese zeige Auswirkungen auf die Kindersterblichkeit. Sie liege in den Palästinensergebieten bei 2,6 %, in Israel dagegen nur bei 0,7 %. Angesichts der demographischen Entwicklung in Palästina (den israelischen Juden droht mittelfristig eine Majorisierung durch die Araber) können nur Schelme daran denken, dass es sich hier um eine bewusste Methode der „Geburtenkontrolle“ durch die zionistischen Besatzer handelt. Seit der Besetzung der Westbank und des Gaza-Streifens im Juni 1967 befinden sich die Wasserressourcen der Palästinensergebiete unter israelischer Kontrolle. Der Bau von Brunnen, Kanalisation und anderer Wasserinfrastruktur ist ohne israelische Lizenzen untersagt. Dies erklärt, dass die bestehende Wasser-Infrastruktur seit 1967 nicht weiterentwickelt, Zerstörtes nicht wieder aufgebaut und kaum in die Instandhaltung investiert worden sei. Die gesamte Region und vor allem die Landwirtschaft können sich ohne ausreichende Wasserversorgung nicht entwickeln. Care forderte die palästinensischen Behörden, Israel und die internationale Gemeinschaft auf, sich gemeinsam mit den Hilfsorganisationen vor Ort um die Instandsetzung des bestehenden Wassernetzes zu bemühen, individuelle und kollektive Abwasser-Aufbereitungs-Systeme einzuführen und das Wissen um Wassermanagement in den Gemeinden und Verwaltungsstrukturen zu stärken. Außerdem gelte es, sich politisch dafür einzusetzen, die 1995 in Oslo vereinbarten Mindeststandards einer Wasserversorgung in den Autonomiegebieten durchzusetzen und die Anteile der Palästinenser an der gemeinsamen Wassernutzung mit den Israelis zu erhöhen. Wie die Weltbank berichtete, lebt inzwischen fast jeder zweite Palästinenser in Armut und hat pro Tag weniger als zwei Euro zur Verfügung. Armut und Arbeitslosigkeit im Gazastreifen und im Westjordanland hätten seit September 2000 drastisch zugenommen, heißt es in dem Bericht der Weltbank. Als Grund für die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen wurden vor allem die von Israel verhängten Restriktionen in den palästinensischen Gebieten und ausstehende Reformen der palästinensischen Autonomiebehörde genannt. 1,7 Millionen Palästinenser leben dem Bericht zufolge von weniger als umgerechnet 1,60 Euro pro Tag, fast ein Drittel von ihnen hat sogar weniger als umgerechnet 1,15 Euro zur Verfügung. Das Bruttosozialprodukt pro Kopf ging demnach auf rund 930 Dollar gegenüber 1490 Dollar im Jahr 1999 zurück. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 27 % (1999: 12 %), bei der Armutsrate wurde ein Anstieg auf mehr 48 % (1999: 20 %) verzeichnet.

 

Im Online-Magazin „Telepolis“ verbreiteten sich Ulrich Berger und Christoph Stein über das Scheitern des Liberalismus als letzter Großideologie des 20. Jahrhunderts: „Der Neoliberalismus ist die letzte Großideologie des 20. Jahrhunderts. Wie seine feindlichen Brüder lässt er keine historische Erfahrung und keine theoretische Reflexion gelten, die seinen Glaubenssätzen widersprechen könnte. Diese dogmatische Enge ist ein Makel seiner Herkunft. Er ist ein kämpferischer Anti-Anti-Liberalismus, konzipiert in den Zeiten der schwersten Niederlage der liberalen Ideale. Dies prägt seine Begriffsbildung und seine Kampfesweise. Er musste seinen Feinden auf gleicher Augenhöhe entgegentreten. So übernahm er, insbesondere vom Marxismus, die Grundkonzeption einer „geschlossenen wissenschaftlichen Weltanschauung". Er zwingt alle Weltprobleme in ein einfaches Korsett, hat auf alle Fragen einfache Antworten (im Wesentlichen immer dieselbe). Er verfügt über ein simples Menschenbild und er propagiert eine utopische Geschichtsphilosophie. Seine dogmatische Enge und sein utopischer Glaube hindern ihn allerdings daran, für die relevanten wirtschaftlichen Probleme pragmatische Lösungen zu finden. Dies macht ihn ebenso realitätsuntauglich, wie es der Marxismus war. Mit seinem Scheitern ist daher zu rechnen. Der Begriff "Neoliberalismus" wurde auf einer Konferenz in Paris 1938 ("Colloque Walter Lippmann") von der Avantgarde des militanten Wirtschaftsliberalismus (unter anderem Friedrich Hayek, Wilhelm Röpke, Walter Eucken) als Selbstbeschreibung und Kampfformel geprägt. Der Liberalismus kämpfte auf verlorenem Posten ums Überleben. Seine Feinde hatten an fast allen Fronten die Schlachten gewonnen. Durch die Weltwirtschaftskrise waren seine Rezepte politisch und theoretisch diskreditiert. Der Liberalismus hatte bei der Bewältigung der Krise kläglich versagt. In den Augen breiter Kreise war er selbst eine Ursache der Krise. Seine Feinde dagegen hatten die Krise überraschend erfolgreich gemeistert. In Europa war der Faschismus auf seinem offenbar unaufhaltsamen Siegeszug und selbst in den USA regierte der interventionsfreundliche New Deal. Eine Neukonzeption der liberalen Weltanschauung war die Antwort auf dieses Trauma, der "Neoliberalismus". Der klassische politische Liberalismus trat mit den Mitteln liberaler politischer Prinzipien gegen die alteuropäische societas civilis an und erkämpfte eine Änderung der politischen Institutionen. Dem gegenüber erblickt der Neoliberalismus im Staat als solchen seinen Gegner. Sein zentrales Prinzip ist die Entgegensetzung von Staat und Markt. Er ist ein Marktanarchismus. Gegen Sozialismus und Nationalsozialismus gerichtet, bleibt die Anarchie jedoch auf das Ökonomische begrenzt. Seine Antwort auf alle Probleme ist immer dieselbe: Der Staat, die Bürokratie ist schuld. Der Staat greift zu stark in das ökonomische Geschehen ein. Er ist zu groß. Er muss auf seine angeblichen Kernaufgaben, Justiz und Polizei, Außenpolitik und Armee reduziert werden. Nur ein Minimalstaat ein ist guter Staat. Diese Litanei wiederholt der Neoliberalismus seit mehr als 60 Jahren. Nach der Implosion des Kommunismus ist der Neoliberalismus allein auf weiter Flur, er hat als einziger den Kampf der Utopien um die ideologische Vorherrschaft überlebt. Die vormaligen Jünger der konkurrierenden Heilslehren lecken sich die Wunden, die Bedächtigeren wenden sich von jeder Heilslehre ab, die anderen konvertieren zum einzig verbliebenen Glauben. Die wenigen, schnell zu lernenden Glaubenssätze des Neoliberalismus erleichtern die Konversion ungemein. Und auch hier gilt: Der Konvertit ist der entschiedenste Kämpfer für seinen neuen Glauben. Daher stammt die ideologische Durchschlagskraft des Neoliberalismus im letzten Jahrzehnt. Seine Anhänger verstehen diesen ideologischen Sieg als welthistorischen Auftrag. Jedoch, wie schon beim Kommunismus, gilt: Es kommt weniger auf die Kontrolle der ideologischen Bastionen an, als auf die tatsächliche Lösungskompetenz bei wesentlichen Sachproblemen. An dieser Lösungskompetenz wird sich der Neoliberalismus messen lassen müssen.“ Wie weltweit anhand von Staatszusammenbrüchen, Massenarmut, Ausbeutung, sozialer Ungerechtigkeit oder Umweltzerstörung zu sehen ist, scheint es mit eben dieser Lösungskompetenz nicht sonderlich weit her zu sein!

 

Der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao hat in Peking den Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, empfangen. Im Mittelpunkt des Treffens stand nach Angaben des staatlichen chinesischen Radios die strategische Partnerschaft beider Länder. Bei dem fünftägigen China-Besuch des linksgerichteten Chávez geht es vor allem um Wirtschaftsfragen und den Ausbau der Kooperation der Volksrepublik China mit dem fünftgrößten Ölexporteur der Welt. Beide Seiten unterzeichneten eine Reihe von Abkommen. Es ist der dritte China-Besuch von Chávez in fünf Jahren. Der venezolanische Präsident wollte sich auch mit dem früheren Staats- und Parteichef Jiang Zemin treffen, eine Rede an der Peking-Universität halten und in die Ostprovinz Shandong reisen, zudem traf er mit Regierungschef Wen Jiabao und Vizepräsident Zeng Qinghong zusammen. Im Hinblick auf Chinas rasantes Wirtschaftswachstum, das die chinesischen Ölimporte in den ersten 11 Monaten des Jahres um 35 % steigen ließ, sagte der venezolanische Außenminister Ali Rodriguez zu Beginn des Besuches, sein Land sei zur Erhöhung der Ölproduktion bereit, um der wachsenden Nachfrage in anderen Ländern nachzukommen. Chávez sucht bei seinem Besuch mehr chinesische Investitionen in der Entwicklung der Öl- und Gasindustrie seines Landes. Das staatliche Ölunternehmen Petroleos de Venezuela (PDVSA) und die China National Petroleum Corporation (CNPC) haben sich bereits auf ein gemeinsames Projekt in Venezuela zur Produktion des neuen Treibstoffs Orimulsion geeinigt. Beide Seiten erkunden ferner Möglichkeiten zur gemeinsamen Erschließung von Ölfeldern in Venezuela. Kooperationen soll es zusätzlich in anderen Wirtschaftsbereichen geben. Das lateinamerikanische Land exportiert derzeit 85 % seiner Ölausfuhren in die USA, doch sind die Beziehungen zu Washington seit dem Amtsantritt von Chávez gelinge gesagt gespannt. Durch die strategische Zusammenarbeit mit Ländern wie Russland und China könnte es Venezuela gelingen, sich weiter aus der Abhängigkeit von den Yankee-Imperialisten zu befreien. Vor allem handelt es sich hier um Partner, die ihre Interessen durchaus gegenüber US-Pressionen zu wahren wissen.

 

Der Plan des baskischen Regierungschefs Juan José Ibarretxe zur Neuordnung der Beziehungen mit Spanien - gemeint ist eine erweiterte Autonomie - hat überraschend die erste Hürde im Regionalparlament genommen. Nach einer Debatte in der Institutionskommission wurde der so genannte „Plan Ibarretxe“ mit einer Mehrheit von neun zu sieben Stimmen angenommen. Dies wurde möglich, weil sich die Vertreter der Fraktion „Sozialista Abertzaleak“ (SA/Patriotische Sozialisten) der Stimme enthielten. Die SA wird von den Parlamentariern der linksnationalistischen Partei Batasuna gebildet, die von den spanischen Behörden verboten wurde. Die baskische Regierung und das Regionalparlament weigerten sich damals, die Mandate der Batasuna-Abgeordneten einzuziehen. Die Koalition aus den moderaten Nationalisten der PNV und der kommunistischen Vereinten Linken hatte erwartet, dass die SA zusammen mit den Sozialisten (PSOE) und der konservativen Volkspartei (PP) den Plan ablehnt, wenn auch aus konträren Gründen. Die PSOE und die PP bezeichnen die angestrebte „Neuordnung des Zusammenlebens“ mit Spanien als „Sezessionsplan“ und lehnen es ab, ein Referendum abzuhalten. Dass nur über den „freien Anschluss“ an Spanien, und nur in drei der sieben über Spanien und Frankreich verteilten baskischen Provinzen, entschieden werden soll, missfällt wiederum der linken Unabhängigkeitsbewegung. Sie ist nur mit der Präambel des Plans zufrieden, wo vom gesamten Baskenland und dessen Selbstbestimmungsrecht gesprochen wird. Trotzdem ließ die SA den Plan passieren. Batasuna-Sprecher Arnaldo Otegi erklärte, man begrüße die offizielle Beerdigung des Autonomiestatuts. Für eine Debatte über die Neubestimmung des Verhältnisses zu Spanien habe man 25 Jahre gekämpft und werde sie jetzt nicht behindern. Da alle spanischen Kabinette viele Autonomierechte nie an die Basken übertragen haben (und damit die Verfassung verletzten!), hatten auch die Parteien der baskischen Regierungskoalition begonnen, die Autonomie in Frage zu stellen. Die SA machte faktisch der baskischen Regierung erneut das Angebot, über ein gemeinsames Vorgehen zu verhandeln. Erst im November hatte Batasuna öffentlich einen Vorschlag zur friedlichen Beilegung des Konflikts gemacht. Wenn der Plan Ibarretxe am 30. Dezember dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt wird, braucht die Regionalregierung die Zustimmung der Linksnationalisten für seine Annahme.

 

Dem „Eurasischen Magazin“ entnehmen wir interessante Betrachtungen über das parasitäre Dasein der Vereinigten Staaten im kapitalistischen Weltsystem: „Amerika lebt über seine Verhältnisse, aber es lebt ganz gut damit. Denn die Lasten müssen andere tragen, vor allem das „alte Europa“. Das war zu Beginn des Jahres 2004 „das größte Ärgernis“ für den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet. Er meinte damit den Kurs des Euros, der sich durch den Dollarverfall steil nach oben entwickelte. Durch die damit verbundene enorme Verteuerung ihrer Produkte geriet die internationale Konkurrenzfähigkeit der Euro-Länder in Gefahr. Innerhalb der letzten zwölf Monate hat sich diese Situation weiter deutlich verschärft. Im Januar 2004, als Trichet seinem Ärger Luft machte, hatte der Referenzkurs des Euros zum Dollar noch 1,25 betragen, im Dezember 2004 erreichte er zeitweise fast 1,35. „Brutal“ sei diese Wechselkursentwicklung von Euro und Dollar inzwischen, sagte der europäische Notenbankchef Ende November in Berlin, als dort das informelle Dialogforum der Finanzminister und Notenbankgouverneure aus Industrie- und Schwellenländern (G 20) tagte. Auch US-Finanzminister John W. Snow nahm an diesem Treffen teil. Wie erwartet gab er jedoch keine Erklärung zur Schwäche des US-Dollars ab. Er versprach lediglich, das Etatdefizit der USA mittelfristig zu halbieren, eine Ankündigung an die schon lange niemand mehr glauben mag. Wie gewohnt hörte sich Snow die Klagen in aller Ruhe an, um dann zu sagen, daß er keinen Grund sieht, sich Sorgen zu machen. So unterschiedlich ist die Sichtweise zwischen dem „Delinquenten“ Amerika und dem „Opfer“ Europa. Und sie wird durchaus verständlich, wenn man den Dingen auf den Grund geht: Die Amerikaner kaufen in Hülle und Fülle Waren im Ausland, die sie gar nicht bezahlen können. Mit dem was sie selbst auf den Weltmärkten erwirtschaften, wären sie niemals in der Lage, sich das zu leisten. Egal - Amerikaner lassen einfach anschreiben. Zusammen mit ihrer Regierung benötigen sie pro Tag annähernd 1,7 Milliarden Dollar Kredit vom Rest der Welt. Das summiert sich in 365 Tagen auf 620 Milliarden Dollar, die sie mehr ausgeben, als sie selbst verdienen. Allein die Regierung von George W. Bush steht am Ende des Jahres mit 413 Milliarden Dollar weltweit in der Kreide. Daß Amerika derart über seine Verhältnisse lebt und die Menschen zwischen Seattle und El Paso, San Francisco und New York fast ihr gesamtes Geld für den Konsum ausgeben, wird de facto von den Nicht-Amerikanern auf unserem Globus bezahlt. Die USA schlucken momentan 75 Prozent der Leistungsbilanzüberschüsse aller anderen Industrieländer. Ihre größten Schuldner sitzen in Asien, vor allem in der Volksrepublik China und in Japan. Viele asiatische Länder haben ihre Währungen zu künstlich niedrigen Kursen an den US-Dollar gekoppelt. Die Probleme, die daraus erwachsen, hat im Januar 2004 auch der Internationale Währungsfonds (IWF) heftig kritisiert. Sein Präsident hieß damals noch Horst Köhler, heute deutscher Bundespräsident. In einer Verlautbarung hieß es, der IWF betrachte das auf neue Rekordhöhen angewachsene US-Haushaltsdefizit mit großer Sorge. Die US-Regierung sei dringend dazu aufgerufen, ihre Schulden abzubauen. Ein derart großes US-Defizit berge „bedeutende Risiken für den Rest der Welt“, warnte der IWF. Die US-Haushaltssituation habe sich innerhalb weniger Jahre drastisch verschärft. Während im Jahr 2000 in den USA noch ein Überschuß von zweieinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet worden sei, werde im laufenden Jahr 2004 mit einem Defizit von mehr als vier Prozent gerechnet. Noch vor wenigen Jahren habe die Regierung den Abbau sämtlicher Staatsschulden im Blick gehabt. Inzwischen seien „die Errungenschaften der Haushaltskonsolidierung eines ganzen Jahrzehnts ausradiert worden“, hielt der IWF fest. Die US-Regierung unter George W. Bush lassen solche Vorhaltungen kalt. Und in dem Maße, in dem die US-Währung fällt, steigt der Euro weiter. Europäische Exporte verlieren im gesamten Dollarraum an Wettbewerbsfähigkeit. Die deutsche Wirtschaft leidet darunter ganz besonders, da die Binnennachfrage hierzulande seit Jahren stagniert. Amerika reagiert deshalb so gelassen, weil es wenig zu verlieren hat. Solange der Dollar geordnet fällt, werden amerikanische Exporte langsam wettbewerbsfähiger. Man läßt sich nicht nur das Haushaltsdefizit bequem von anderen Ländern und Volkswirtschaften auf der Welt finanzieren. Auch das amerikanische Leistungsbilanzdefizit wird dadurch langsam abgebaut. US-Ausfuhren steigen, amerikanische Importe gehen zurück. So sei das nun einmal, befand schnippisch der ehemalige Finanzminister Washingtons, John Conally: „Unsere Währung - euer Problem“.“

 

Das monatelange Tauziehen um die Zerschlagung des russischen Yukos-Konzerns fand ein unerwartetes Ende. Der russische Interessent Gazprom hatte bereits einen vorbereitenden 10-Milliarden-Dollar-Kredit aufgenommen, um den zur Zwangsversteigerung ausgeschriebenen Ölförderbereich Jugansknefegas (der größte Ölförderer Russlands!) aufzukaufen. Der Kredit wurde unter Vermittlung der Bundesregierung von einem Konsortium aus Deutscher Bank, Dresdner Kleinwort Wasserstein (Allianz-Konzern), ABN Amro (Niederlande), J.P. Morgan (USA), BNP Paribas und Calyon (beide Frankreich) bereitgestellt. Da Yukos Gläubigerschutz bei einem US-Gericht beantragte (das Unternehmen besitzt eine starke nordamerikanische Kapitalbeteiligung) und somit Schadenersatzforderungen drohten, machte das Bankenkonsortium einen Rückzieher und Moskau schlug einen anderen Weg ein. Der Kreml will sich erklärtermaßen nicht von fremden Gerichten in innerrussische Angelegenheiten hineinreden lassen will und ist an einer Kontrolle der strategischen und gewinnträchtigen Wirtschaftssektoren interessiert. Nachdem sich offenbar nach „freundlichem Zureden“ der russischen Regierung die anderen innerrussischen Konkurrenten aus dem Rennen zurückzogen, ging der Zuschlag für Juganskneftegas an eine aus dem Boden gestampfte Briefkastenfirma namens Baikalfinanz, und zwar zum Mindestgebot von 7 Milliarden Dollar. Baikalfinanz wiederum wurde nach der Auktion postwendend vom staatlichen Ölriesen Rosneft geschluckt, wobei der Konzern zur Finanzierung Anteile an zwei Gasfeldern an Gazprom verkaufen musste. Die Versteigerungssumme wurde nun also durch Rosneft beglichen. Mit einem vergleichbaren Kuhhandel fiel Yukos seinerzeit übrigens in die Hände des in Moskau wegen Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe vor Gericht stehenden Chodorkowski. Der Clou an der Angelegenheit ist derjenige, dass Gazprom bereits seit Monaten mit Rosneft über eine Fusion verhandelt. Dem Plan zufolge soll Gazprom per Aktientausch Rosneft vom russischen Staat übernehmen. Bislang ist Moskau zu 38 % an Gazprom beteiligt; durch die Fusion würde sich der Anteil auf 51 % erhöhen. Damit würde der russische Energiesektor faktisch eine Wiederverstaatlichung light erleben und Gazprom doch noch in den Besitz von Juganskneftegas kommen. Ein anderes Szenario sieht dergestalt aus, dass Juganskneftegas direkt in russischen Staatsbesitz überführt wird, während die Fusion der beiden Energieriesen wie geplant abläuft. Russlands Präsident Putin schlug damit den nordamerikanischen Kapitalinteressen ein ziemliches Schnippchen. Der Erfolg des Kreml ist ein schwerer Schlag gegen die so genannten OIigarchen, die unter Ägide des haltlosen Säufers Jelzin wichtige Teile der privatisierten sowjetischen Staatsbetriebe in ihre Hände bringen konnten. Die allgemeine Empörung im Westen hielt sich bezeichnenderweise in bundesdeutschen Wirtschaftskreisen in Grenzen. Kein Wunder, denn der Eon-Ruhrgas-Konzern ist als einziges westliches Unternehmen direkt an Gazprom beteiligt und mit einem Sitz im Aufsichtsrat vertreten.

 

Die Bundesregierung soll einem Bericht der israelischen Zeitung „Maariv“ zufolge dem Verkauf von zwei weiteren U-Booten des Typs Delphin an Israel zugestimmt haben. Wie es weiter hieß, habe Berlin auch jeglichen Widerstand gegen eine mögliche Umrüstung der Boote für den Abschuss von Nuklearraketen aufgegeben. Die Zeitung führte dafür zwei Gründe an: Zum einen wolle Berlin künftig eine aggressivere Rüstungsexportpolitik verfolgen. Zum anderen gehe die BRD davon aus, dass die Versuche der Europäischen Union, den Iran von seinem Nuklearwaffenprogramm abzuhalten, wahrscheinlich keinen Erfolg haben würden. In den 90er Jahren hatten die Kieler Howaldtswerke Deutsche Werft AG bereits drei U-Boote des Typs geliefert. Umbauten an den Abschusseinrichtungen für Torpedos legten den begründeten Verdacht nahe, dass auch Trägerraketen mit Atomsprengköpfen verschossen werden sollen. Die Bundesregierung verweigerte eine Stellungnahme und ließ erklären, eine offizielle Anfrage Israels liege nicht vor. Zudem tagt der für derartige Angelegenheiten zuständige Bundessicherheitsrat unter strikter Geheimhaltung.

 

In 10 Jahren werden 50 % aller Westberliner Schüler nichtdeutscher Herkunft sein. In Kreuzberg weisen bereits jetzt 6 der 21 Grundschulen einen Ausländeranteil von mehr als 80 % auf, 3 sogar mehr als 90 %. 6 der Kreuzberger Hauptschulen haben weniger als 10 % deutschstämmige Schüler. Mit der Eberhard-Klein-Oberschule hat einem Bericht der „Berliner Morgenpost“ zufolge die erste Bildungseinrichtung einen Ausländeranteil von 100 % erreicht. Vier Fünftel der Schüler sind türkischstämmig, weitere 15 % haben arabische Eltern und rund 50 % sind auf Sozialhilfe angewiesen. Die Lage in der Bundeshauptstadt verschärfte sich seit Mitte der 80er Jahre. Damals galt noch die Vorschrift, dass jede Klasse mindestens 50 % deutschstämmige Schüler aufweisen musste. Ferner stand ausreichend Personal an Lehrkräften und Sozialpädagogen zur Verfügung, um in separaten Extrastunden vor allem für türkische Schüler integrationsfördernde Maßnahmen wie Sprachkurse durchzuführen. Im Rahmen des multikulturellen Wahns erfolgte jedoch eine Schulgesetzänderung: Extrastunden, Quotenregelung und Integrationsmaßnahmen entfielen. Das Resultat war, dass die deutschen Eltern ihre Kinder auf andere Schulen schickten und die Schulen an den sozialen Brennpunkten vorwiegend von Schülern mit migrantischem Hintergrund besucht wurden. Mittlerweile soll sich die Lage namentlich an der Eberhard-Klein-Oberschule so seit verschlechtert haben, dass selbst die türkischstämmigen Siebtklässler weder ihre Muttersprache noch die hiesige Landessprache in einem ausreichenden Maße beherrschen. Auch bis zur 10. Klasse laufende Deutschkurse konnten bislang nichts hieran ändern. Das Statistische Jahrbuch 2004 bestätigt die Mängel: 26 % aller Ausländer verlassen die Schule ohne Abschluss (Bundesdurchschnitt 19 %). Das Problem ist allerdings noch gravierender, denn nicht deutschstämmige Schüler mit bundesdeutscher Staatsangehörigkeit werden nicht mehr als Ausländer geführt, scheitern aber ebenfalls oft an mangelnden Sprachkenntnissen. Brennpunkte sind die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln - hier liegen die 48 Grundschulen mit einem ausländischen Schüleranteil von über 50 %. Die negative Entwicklung setzt sich bei der beruflichen Ausbildung fort. Nach Angaben der Landesstatistiker sind 46 % der Ausländer, also fast jeder Zweite, im Alter zwischen 30 und 40 Jahren ohne berufliche Ausbildung. Bei den ethnisch deutschen Altersgenossen sind es nur 12 %. 36 % aller ausländischen Jungarbeitnehmer sind arbeitslos gemeldet.

 

Die Leistungen für Asylbewerber in Berlin sind auf den niedrigsten Stand seit Einführung der Statistik 1994 gesunken. In der Hauptstadt erhielten Ende 2003 etwa 18 000 Menschen Gutscheine, Sachleistungen oder Geld zur Deckung des Lebensbedarfs nach dem Asylbewerbergesetz. Ein Jahr zuvor waren es noch 19 800, teilte das Statistische Landesamt mit. Für Berlin bedeutet das insgesamt einen Rückgang von 8,8 %. Der Höchststand in den vergangenen Jahren wurde 1998 mit 35 000 Menschen erreicht. Die Ausgaben sanken seit Jahren kontinuierlich. Ende 2003 lagen sie bei knapp 110 Millionen Euro. Im Jahr 2002 waren es noch 138 Millionen Euro und 1999 etwa 203 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge kommt aus europäischen Ländern (55 %), der größte Teil davon aus dem früheren Jugoslawien. Gemessen an jedem der 3,4 Millionen Berliner kostete ein Asylbewerber im Jahr 2003 pro Einwohner 32,36 Euro. Zum Vergleich: Die Bremer mussten im selben Zeitraum 44,14 Euro pro Einwohner aufwenden, die Hamburger 35,81 Euro. Im Vergleich der Bundesländer sind Zahl der Leistungsempfänger und Ausgaben am stärksten im Saarland gesunken (minus 16,2 %), gefolgt von Hessen (minus 11,2 %) und Bayern (minus 11 %). Bundesweit ist die Zahl der Leistungsempfänger gegenüber 2002 um 5,2 % zurückgegangen und liegt mit 264 000 Menschen auf dem niedrigsten Stand seit Einführung der Statistik. Der bisherige Höchststand wurde Ende 1996 mit 490 000 Personen festgestellt. Seit November 1993 erhalten Asylbewerber und sonstige Berechtigte anstelle der Sozialhilfe Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Ende 2003 waren 60 % der Regelleistungsempfänger männlich, 40 % weiblich. Mehr als die Hälfte der Bedürftigen (140 000 beziehungsweise 53 %) war jünger als 25 Jahre. Etwa 47 % stammten aus Europa, darunter insbesondere aus Serbien und Montenegro, wo 29 % aller Leistungsempfänger herkamen. Weitere 9 % hatten die türkische Staatsangehörigkeit. Seit 2003 kommen die meisten Asylbewerber aus der Türkei. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums haben von 2003 bis August dieses Jahres mehr als 11 100 Menschen aus der Türkei Asyl beantragt. Auch bei der Zahl der genehmigten Asylverfahren gehört die Türkei als Herkunftsland zu den Spitzenreitern. Mehr als 1000 politisch Verfolgte aus der Türkei, in der Mehrzahl Kurden, erhielten seit 2003 in Deutschland Asyl. Die Bruttoausgaben für Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz beliefen sich im Jahr 2003 auf insgesamt 1,44 Milliarden Euro. Nach Abzug der Einnahmen - größtenteils Erstattungen anderer Sozialleistungsträger - in Höhe von 87,5 Millionen Euro betrugen die Nettoausgaben rund 1,35 Milliarden Euro; dies entspricht einem Rückgang von 8,8 % gegenüber dem Vorjahr. Der größte Teil der Bruttoausgaben wurde für Regelleistungen aufgewandt (1,06 Milliarden Euro). Für besondere Leistungen wurden im Jahr 2003 etwa 0,38 Milliarden Euro ausgegeben. Vor 1994 hatten die Asylbewerber Sozialhilfe bekommen und waren nicht gesondert gezählt worden.

 

In Mailand folgten bis zu 50.000 Menschen einem Aufruf der Lega Nord und demonstrierten gegen den EU-Beitritt der Türkei. An der Spitze des Demonstrationszuges marschierte u.a. Roberto Calderoli, seines Zeichens legistischer Reformminister im Kabinett Berlusconi. Die Lega kündigte bereits an, einen Volksentscheid gegen die Aufnahme der Türkei in die EU einzuleiten. Laut einer Botschaft das Parteichefs Umberto Bossi verrate Europa durch den Beitritt Ankaras seine abendländische Identität: „Ohne unsere Geschichte sind wir tot.“ Viele Norditaliener erinnern sich daran, dass die Dogen von Venedig beinahe 500 Jahre lang Krieg gegen die Türken führten. Weitere Pluspunkte für die Legisten ist die Rolle der Türkei als konkurrierendes Billiglohnland - beispielsweise baut Fiat in Turin massenhaft Arbeitsplätze ab und verlagert immer weitere Anteile der Produktion in den neuen Beitrittskandidaten. Für einen Volksentscheid muss die Lega 500.000 Unterstützungsunterschriften sammeln, und auf die die EU-Aufnahme der Türkei unterstützende Regierung Berlusconi kommt eine existenzbedrohende Kraftprobe zu. Außenminister und Vizepremier Fini von der Alleanza Nazionale zeigte sich bislang unbeeindruckt und sprach sich erneut für den EU-Beitritt der Türkei aus.

 

Die im Bundestag vertretenen Parteien haben mit Ausnahme der Grünen auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Mitglieder verloren. CDU und CSU verbuchten zusammen Abgänge von mehr als 9000 Mitgliedern. Dies ergab eine Umfrage in den Parteizentralen. Bei den Grünen dagegen stieg die Mitgliederzahl seit Ende 2003 um rund 160 auf etwa 44.250. Die SPD, die bereits im Vorjahr wegen des Streits um die Reform-Agenda 2010 einen Mitgliederschwund von 6,2 % verkraften musste, hatte danach Ende November noch 606.474 Mitglieder (im Vergleich zu 650.798 im Vorjahres-Zeitraum). Rund 43.000 Genossen hatten die Partei in den ersten elf Monaten verlassen. Im selben Zeitraum konnte die Partei nach eigenen Angaben 12.766 Eintritte verbuchen - so viele wie seit vier Jahren nicht mehr. 8500 Parteimitglieder starben 2004. Trotz verstärkter Werbung um Neueintritte büßte die CDU erneut etwa 5000 Mitglieder ein. Ende Oktober waren 583.886 Personen eingeschrieben. Im Verhältnis größer waren die Verluste bei der bayerischen Schwesterpartei, die rund 4000 Mitglieder verlor. Ende November hatten knapp 174.000 Frauen und Männer ein CSU-Parteibuch. Bei der PDS setzte sich der kontinuierliche Mitgliederschwund auch 2004 fort. Die Parteizentrale rechnet mit etwa 4000 Mitgliedern weniger. Ende 2003 waren 65.753 Mitglieder gemeldet. Damit haben die Linkssozialdemokraten innerhalb von zehn Jahren rund die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Mit einem Zuwachs von 2000 Mitgliedern zeichnet sich erstmals seit Jahren aber wieder eine positive Tendenz bei den Eintritten ab. Auch die Zahl der eingeschriebenen Freien Demokraten ging leicht zurück. Sie verloren seit Ende 2003 rund 700 Mitglieder und zählen jetzt 64.500. Die FDP hat neben der PDS im Vergleich zu den anderen Parteien den größten Schrumpfungsprozess hinter sich. 1990 wies sie noch mehr als 178 000 Mitglieder aus. Nach Eigenangaben legte die NPD nach dem Erfolg bei der Sachsenwahl um rund 10 % zu und verfügt jetzt über 5600 Mitglieder.

 

Im Irak haben sich unter der Politik des Besatzungsregimes die Preise für Energiestoffe, Transport und Lebensmittel immer mehr verteuert. Das ist auch der Grund dafür, dass die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft ständig wächst und zum Jahresende 2004, zu einer wachsenden Zahl von Streiks und Protestaktionen geführt hat. Im Laufe des Dezembers traten die Arbeiter der zentralen Fabrik für Erfrischungsgetränke in Bagdad in einen mehrtägigen Streik, der die ganze Produktion zum Erliegen brachte. Ihre Forderungen lauteten auf Zahlung ausstehender Gelder und Lohnerhöhung entsprechend den Preissteigerungen. Die Belegschaft der Nationalen Gesellschaft für Chemie- und Plastikprodukte in Bagdad stellten einen Forderungskatalog auf, der neben Lohnerhöhungen zum Ausgleich der Preissteigerungen die Rücknahme der Bestrafungsmaßnahmen gegen 25 gewerkschaftliche Aktivisten und die Wiedereinstellung eines wegen Gewerkschaftsarbeit Entlassenen beinhaltet. Die Arbeiter des Elektrizitätswerks in Nasiriya - des größten im Süden des Irak - vertreten dieselben Forderungen sowie die Ausrichtung und Verbesserung der Stromerzeugung auf die Bedürfnisse der Bevölkerung. Währenddessen haben Tausende von Textilarbeitern in der Stadt Kut die Auszahlung und Erhöhung ihrer Gefahrenzulage gefordert und sind dafür in den Streik getreten - worauf die örtliche Verwaltung mit Entlassungsdrohungen und dem Ruf nach Polizei und Militär reagiert hat. Alle diese Streiks und Bestrebungen zum Widerstand der Beschäftigten wie der erwerbslosen Mehrheit haben mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen: Zum einen gelten die extrem reaktionären Arbeits- und Gewerkschaftsgesetze des Saddam-Regimes weiterhin. Zum anderen hat das Besatzungsregime mit dem Erlass Nummer 16 am 28. Januar 2004 - in enger Zusammenarbeit mit dem britischen Gewerkschaftsbund TUC - nur den Gewerkschaftsbund IFTU offiziell anerkannt, der in all diesen Auseinandersetzungen keine Rolle spielt. Die Beschwerde der Erwerbslosengewerkschaft UUI und des (um sie herum aufgebauten) Gewerkschaftsbundes FWCTUI bei der ILO ist auf der Novembersitzung 2004 des ILO-Komitees für Organisationsfreiheit nicht behandelt worden - wegen der fehlenden Stellungnahme der Regierung. Der FWCTUI hat im November in Basra eine offene Konferenz durchgeführt, an der sich 25 Gewerkschaften beteiligten und die drei grundlegende politische Orientierungen verabschiedet hat: Sofortige und bedingungslose Beendigung der Besatzung durch zivilen Widerstand, an dessen Spitze die Gewerkschaften stehen sollen; echte und aktive Beteiligung der Arbeiter bei der Bestimmung der künftigen gesellschaftlichen Strukturen, Arbeitsgesetze und Verfassung; Abschaffung aller Verwaltungen und Strukturen, die auf dem Stammessystem aufgebaut sind und Beseitigung jeglicher Diskriminierung wegen Religion oder ethnischer Zugehörigkeit.

 

In Belfast kam es zu einem spektakulären Bankraub, der den Versuchen zur politischen Normalisierung der Lage einen weiteren schweren Schlag versetzte. Mit geradezu militärischer Präzision und Planung räumten Unbekannte mit der Northern Bank eines der größten Kreditinstitute des Landes aus und erbeuteten 26,5 Millionen Pfund. An der Operation waren einige Dutzend Personen beteiligt, und von Anfang an ging die Polizei von einer Täterschaft republikanischer Untergrundorganisationen aus. Zunächst richtete sich der Verdacht gegen die Provisional IRA, und trotz aller Dementis durch Gerry Adams scheinen einige prominente Vertreter der irischen Nationalisten in die Angelegenheit verwickelt zu sein. Bald sickerten jedoch Berichte durch, die auch auf eine Beteiligung der Real IRA bzw. eines mit dieser kooperierenden kroatischen Waffenhändler-Syndikats hindeuten. Die RIRA unterhält gute Kontakte nach Kroatien und Bosnien, und eine der dortigen Führungsfiguren hat familiäre Wurzeln in Irland und diente einst in der britischen Armee. Hierbei handelt es sich um den nebulösen „Striker“, der in eine Reihe spektakulärer Terroranschläge und Untergrundoperationen sowohl auf dem Balkan als auch in Großbritannien verwickelt ist. Hierbei bedienten sich sowohl die Provos als auch die Reals seiner Talente, die letzteren beim Raketenwerferangriff auf das Geheimdiensthauptquartier in London. Der „Striker“ kämpfte im Bürgerkrieg offenbar in den Reihen der HOS-Milizen und wird vom Haager Tribunal als Kriegsverbrecher gesucht. Unter anderem sorgte er unter Nutzung seiner irischen Kontakte dafür, dass der ebenfalls gesuchte kroatische Milizgeneral Ante Gotovina (auf dessen Ergreifung die US-Regierung 2,5 Millionen Pfund aussetzte!) in Irland untertauchen konnte. Bislang konnten die nordirische Polizei und die britischen Nachrichtendienste jedoch keinerlei konkrete Beweise vorlegen oder Fahndungserfolge melden. Gegen eine alleinige Täterschaft der Real IRA sprechen in unseren Augen die mangelnde Professionalität und die Unterwanderung durch Spitzel.

 

Die Antiimperialistische Koordination meldete sich mit einer Erklärung „Zur Krise der Bewegung gegen die Globalisierung“ zu Wort: „1. Die Antiglobalisierungsbewegung beherbergte zwei unterschiedliche politische Strömungen, als sie im Dezember 1999 in Seattle entstanden ist. Die Mehrheitsströmung kritisierte ausschließlich die schlimmsten (neoliberalen) Auswirkungen der Globalisierung, besonders die ungerechte Verteilung der Einkommen. Diese gemäßigte Mehrheitsströmung forderte eine „demokratische" Globalisierung „von unten" und akzeptierte daher das grundlegende Paradigma der Globalisierung, nach dem nun der Zeitpunkt gekommen wäre sich von den veralteten Nationalstaaten zu befreien, die ein Hindernis für den „Fortschritt" darstellten. Eine Minderheitsströmung verurteilte nicht nur die Auswirkungen, sondern auch die Natur der Globalisierung, oder besser des Kapitalismus selbst, als Grundlage der immer schärferen Widersprüche zwischen Armen und Reichen.
2. In den Vereinigten Staaten war die Spaltung der Bewegung gegen die Globalisierung noch nicht so leicht zu erkennen, aber hatte diese Bewegung erst einmal nach Europa übergesetzt wurde diese Spaltung überdeutlich. Mit den Tagen von Genua im Juli 2001 wurde Europa zum weltweiten Zentrum der Mobilisierung, einer Mobilisierung, die Schichten einer neu radikalisierten Jugend auf die Straßen brachte und die traditionelle Arbeiterbewegung auf die Seite drängte, welche seit einiger Zeit ein Stützpfeiler des kapitalistischen Systems geworden war. Auf Grund der politischen Tradition in Europa konnte die Spaltung der Globalisierungsbewegung in Radikale und Gemäßigte nur die alte Dichotomie zwischen sozialdemokratischen Reformisten und der radikalen Linken auf die Bühne rufen. Allerdings fand die Radikalität ihren Ausdruck nicht auf einer politischen und programmatischen Ebene, sondern auf der Ebene der Kampfformen. Die radikalsten Teile konzentrierten sich tatsächlich darauf, die Bewegung in einen direkten Zusammenstoß mit den staatlichen Polizeikräften zu drängen, in dem sie auf jeder Demonstration Gelegenheit fanden aus dieser ein Spektakel des Straßenkampfes zu machen. Weil diese Radikalität bloß formal und methodologisch war, fiel es den sozialdemokratischen Apparaten leicht den Großteil der Bewegung unter ihrer Hegemonie zu halten. Dabei exponierten sich diese bereits disqualifizierten Apparate niemals selbst, sondern agierten gemeinsam mit Gruppen die die Bewegung selbst hervorgebracht hatte, Führungen aus der Neuen Linken nach 68.
3. Die Sozialforen, angepriesen als wundersame Organismen der Einheit, der Repräsentativität und der Kraft der Bewegung, waren tatsächlich Koordinationen in denen die verschiedenen politischen Strömungen um Hegemonie kämpften und versuchten die notwendigen taktischen Kompromisse zu finden, um die Kontinuität der Mobilisierungen zu gewährleisten. Das Weltsozialforum mit seinem Generalrat, war von Anfang an nicht nur eine Geisel der großen sozialdemokratischen Apparate,
sondern immer ein antidemokratisches Führungsgremium, das die Diversität der Bewegung niemals repräsentierte.
4. Antiimperialistische Kräfte, sei es in Europa, oder in den unterdrückten und semikolonialen Ländern, hatten niemals eine einflussreiche Stimme innerhalb des Weltsozialforums. Einer der wichtigsten Gründe dafür, war ein de facto Ausschluss, der am ersten Sozialforum in Porto Allegre vorgenommen wurde - gegen alle bewaffneten Bewegungen. Just zu dem Zeitpunkt, als die Zweite Intifada zum Kristallisationspunkt des weltweiten antiimperialistischen Kampfes wurde. Nach dem 11. September wurde im Weltsozialforum die Losung der sozialdemokratischen Apparate „weder Krieg noch Terrorismus" hegemonial. Und das, während die USA Afghanistan angriffen (Oktober 2001) und die „Schwarze Liste terroristischer Organisationen" einführten, in der sich nicht nur islamische Kräfte, sondern auch alle revolutionären Befreiungsbewegungen wieder fanden.
5. Aufgrund der pazifistischen Gründungsklauseln haben wir uns immer geweigert, Teil des Weltsozialforums zu werden, obwohl wir an allen Mobilisierungen der Anti-Globalisierungsbewegung teilgenommen haben. Dieser Schritt hat sich als notwendig und richtig erwiesen. Der Pazifismus hat nicht nur kämpfende antiimperialistische Organisationen ausgeschlossen, er war auch ein Zeichen dafür, dass die sozialdemokratischen Apparate die Zügel im WSF in der Hand hielten - wodurch es kein Instrument des notwendigen Zusammenhaltes zwischen den politischen und sozialen Kämpfen im Zentrum und den entschiedener antiimperialistischen der Peripherie werden konnte.
6. Es war der irakische Widerstand, der die Antiglobalisierungsbewegung mit dem Rücken zur Wand gedrückt hat und sie in ihre aktuelle und irreversible Krise gestürzt hat. Die „no global" Bewegung war Führer der Mobilisierungen gegen die angloamerikanische Aggression und für den Frieden. Aber als Bagdad einmal gefallen war, haben auch die Mobilisierungen aufgehört, genau zu dem Zeitpunkt wo man ihrer am dringendsten bedurft hätte, als der bewaffnete Widerstand des irakischen Volkes erst begann. Nur kleine Minderheiten, und auch diese mit einiger Verspätung, haben den Widerstand als legitim und unterstützenswert bezeichnet. Der Großteil der „no global" hat geschwiegen und sich geweigert für den Sieg des irakischen Widerstandes einzutreten. Die Stärkung des Widerstandes im Irak selbst, hat dann alle Widersprüche der Antiglobalisierungsbewegung offen gelegt: Die radikalen Teile, auch wenn sie nicht bereit waren den Widerstand offiziell zu unterstützen, waren gezwungen seine Legitimität anzuerkennen - wir sind davon überzeugt, dass auch unsere eigene Aktivität etwas zu den Schritten in diese Richtung beigetragen hat.
7. Der Rückgang der Bewegung wird sehr wahrscheinlich eine definitive Spaltung des WSF hervorrufen. Das scheint uns wahrscheinlich, weil jeder Versuch die Einheit auf künstlicher Grundlage aufrechtzuerhalten zum Scheitern verurteilt ist. Die breitestmögliche Einheit ist wünschenswert und notwendig, aber die Einheit unter der Kontrolle der Sozialdemokraten macht die Bewegung politisch hilflos und impotent. Das wird beim nächsten WSF in Porto Alegre noch deutlicher werden, das unter der Ägide der PT-Regierung stattfindet - eine Regierung, die sich der imperialistischen Globalisierung untergeordnet hat, welche die Bewegung zu bekämpfen vorgibt. Weil wir uns als Ziel den Aufbau einer internationalen antiimperialistischen Front gestellt haben, müssen wir unsere Versuche der Einheit mit jenen Kräften stärken, die aus dem WSF ausscheiden und mit den sozialdemokratischen Apparaten brechen. Unser Projekt ist ein schwieriges und langfristiges, nämlich der Einheit der antagonistischen Kräfte der imperialistischen Länder mit jenen der unterdrückten Länder. Ohne diese Einheit ist nicht nur der Sieg der kämpfenden Kräfte der halbkolonialen Länder unmöglich, auch die Antagonisten im Westen haben ohne diese Perspektive keine Zukunft.

 

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