Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 28. August bis 3. September 2004


Der Internationale Währungsfonds forderte die Mitgliedsländer der EU zu einer weiteren Deregulierung der Arbeitsmärkte auf. Auf der Abschussliste des IWF stehen vor allem Tarifverträge und Arbeitsgesetzgebung, beispielsweise tritt New York für eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten ein. Da die nationalen Regierungen zu zögerlich seien, legte der IWF der EU-Kommission nahe, Schritte hinsichtlich Tarifdumping und Privatisierung der Rentenversicherungen zu ergreifen. Michael Deppler, Chef der Europaabteilung des IWF, empfahl der EU die Anpassung an amerikanische Arbeitsstandards. In den USA dürfen beispielsweise Angestellte von Disneyland für 19 Cent die Stunde arbeiten - wahrlich ein leuchtendes Vorbild. Im Musterland Amerika leben Angaben der Zensusbehörde zufolge 12,5 % der Gesamtbevölkerung, 36 Millionen Menschen, am oder unterhalb des Existenzminimums (17,6 % aller Kinder und Jugendlichen, 30 % aller allein erziehenden Mütter). 45 Millionen US-Bürger haben keinerlei Krankenversicherung. Insgesamt rutschten zwischen 1996 und 1999 35 % aller Amerikaner wenigstens zeitweilig unter die Armutsgrenze ab. Beinahe 40 % derjenigen, die in den US-Großstädten auf öffentliche Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, gehen einer Arbeit nach.

 

Während die USA ihren weltweiten „Krieg gegen Terror“ führen, misst man in Washington offenbar mit zweierlei Maß und unterscheidet zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Terrorismus. Vor allem Florida ist ein sicheres Zentrum für „gute“ Terroristen, und zwar der vor allem gegen Fidel Castro operierenden Exilkubaner. Zwar bediente man sich nach dem Desaster in der Schweinebucht anno 1961 subtilerer Mittel, aber gemeinsam mit der CIA waren exilkubanische Kreise auch weiterhin in die Stellvertreterkriege verwickelt, welche USA und Sowjetunion in Mittel- und Lateinamerika führten. Drehscheibe des mittlerweile auch gegen die Bolivarianische Revolution in Venezuela gerichteten exilkubanischen Terrorismus ist Miami. Beispielsweise traten Anfang August eine Reihe höchst dubioser Gestalten in einer Sendung des Privatsenders Miami TV auf. Moderator war kein Geringerer als Oscar Asa, Neffe des 1959 von Castro gestürzten kubanischen Diktators Batista. Seine Diskussionspartner waren Rodolfo Frometa, Anführer der paramilitärischen Terrororganisation Kommando F-4, und Eduardo García, einer der Hauptbeteiligten am gescheiterten Militärputsch gegen den venezolanischen Staatschef Hugo Chávez. Frometa gab vor laufender Kamera unumwunden zu, dass seine Organisation mit von der US-Regierung gelieferten Waffen Einheiten für den Kampf gegen Castro ausbildet. García wiederum erklärte, F-4 habe den Putschversuch unterstützt. Mittlerweile arbeiten Exilkubaner und die venezolanische Rechtsopposition eng zusammen. In Miami ist auch die Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung ansässig, die als Drahtzieherin der Terrorserie von 1997 dafür verantwortlich war, dass während eines Jugendfestivals in La Habana 10 Sprengsätze mit dem militärischen Sprengstoff C-4 explodierten. Im November 2000 scheiterte ein Bombenanschlag auf Castro, als er am Iberoamerikanischen Gipfel in Panamá City teilnehmen wollte, und wieder führen die Spuren nach Miami. Der exilkubanische Terrorismus provoziert Castro zu rigorosen Maßnahmen gegen Oppositionelle, welche wiederum von der US-Regierung als Rechtfertigung für ihren Wirtschaftskrieg gegen Kuba genutzt werden. Seit 2003 ist auch die EU auf die US-Linie umgeschwenkt, beispielsweise übt sich auch das Auswärtige Amt der BRD in diplomatischen Repressalien gegen Kuba, die bis hin zur Behinderung des Kultur- und Studentenaustausches reichen.

 

Die Zahl der Erwerbslosen hat den höchsten August-Stand seit 1990 erklommen. Auch die Zahl der Erwerbstätigen ist nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes gegenüber Juni 2003 um rund 122.000 zurückgegangen und belief sich im diesen Jahres noch auf 38,2 Millionen Menschen. Ende vergangenen Monats waren in der BRD offiziell 4,35 Millionen Menschen ohne Job. Damit sank die Zahl der Erwerbslosen zwar im Vergleich zum Juli leicht um 13.400, doch der Rückgang fiel deutlich schwächer aus als noch im Juli, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag in Nürnberg mitteilte. Wichtiger noch, im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl der offiziell als erwerbslos registrierten Menschen um 31.000 an. Ohne die statistischen Tricks der Bundesregierung liegt dieser Zuwachs sogar bei 110.000. In Westdeutschland erhöhte sich die Erwerbslosenzahl um 4700 auf 2,764 Millionen. Gegenüber dem Vorjahr waren hier 40.600 mehr Menschen ohne Job. Die Quote lag im Westen gegenüber Juli unverändert bei 8,4 %, nach 8,3 Prozent vor einem Jahr. In Ostdeutschland suchten Ende vergangenen Monats 1,58 Millionen Menschen Arbeit, 18.100 weniger als im Juli und 9800 weniger als vor einem Jahr. Hier lag die Quote bei 18,3 %, nach 18,5 % vor einem Monat und 18,2 % vor einem Jahr. Die bundesweite Arbeitslosenquote lag wie im Juli bei 10,5 %. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen nahm gegenüber dem Vorjahresmonat um 10,8 % auf rund 1,7 Millionen zu. Kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres klafft noch immer eine Lehrstellenlücke von mehr als 130.000 zwischen der Zahl der offenen Ausbildungsplätze und der Arbeit suchenden Jungarbeitnehmer.

 

Die PDS bleibt Gewinner der Debatte um die umstrittene Arbeitsmarktreform Hartz IV. Laut einer Umfrage von Infratest dimap kämen die Linkssozialdemokraten bundesweit auf 7 % und in den neuen Ländern auf 28%, wenn jetzt Bundestagswahl wäre. Die SPD konnte sich danach bei der so genannten Sonntagsfrage trotz der Proteste gegen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe um 3 Prozentpunkte auf 26 % verbessern. Die PDS hätte mit ihrem Ergebnis gute Chancen in den Bundestag zu kommen, wo sie derzeit nur mit 2 direkt gewählten Abgeordneten vertreten ist. Sie ist im Osten die zweitstärkste Kraft hinter der Union, die bundesweit mit 44 % jedoch klar vorn bleibt. Die Grünen verlieren gegenüber August einen Punkt und kommen auf 12 %. Die FDP verschlechtert sich um 2 Prozentpunkte auf 6 %. Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen im Saarland sowie in Brandenburg und Sachsen hat der „ARD-Deutschlandtrend“ auch das „rechtsextremistische“ Potenzial gemessen. Wären die Deutschen aufgerufen, an diesem Sonntag ihre Stimme bei einer Landtagswahl abzugeben, würden sich bundesweit 8 % der Wähler "sicher oder vielleicht" für eine der Parteien wie Republikaner, DVU oder NPD entscheiden. Im Westen seien es 7 und im Osten 10 %.

 

Nach einer halbjährigen Pause verübten militante Palästinenser erstmals wieder einen Selbstmordanschlag im israelischen Kernland. In Beersheba sprengten Attentäter sich selbst und zwei Linienbusse in die Luft, wobei es mindestens 17 Tote und 90 Verletzte gab. Zu den „Märtyreroperationen“ bekannte sich die Hamas und erklärte die wohlvorbereiteten Attentate zur Vergeltungsmaßnahme für die Ermordung ihrer Führer Sheikh Jassin und Rantissi. „Das ist nur eine von einer ganzen Reihe Antworten, die die Iss al-Din al-Kassam Brigaden als Antwort auf das Martyrium der Führer unserer Bewegung Scheich Ahmed Jassin und Abdel Asis al-Rantissi angekündigt haben. Unsere Religion befiehlt uns, auf Aggression gegen uns in dieser Art zu antworten. Ihr, ihr wählt eure Führer und ihr wählt, ihre Schutzschilder zu sein. Und deshalb werden eure Schutzschilder unter weiteren Explosionen leiden." Die Anschläge seien ein Geschenk an Neuankömmlinge, hieß es in Bezug auf die jüdischen Siedler. Im Gazastreifen feierten Tausende die Anschläge, Jassins Witwe verkündete, die Seele ihres Mannes sei „glücklich im Himmel“. Als unmittelbare Reaktion riegelten die israelischen Besatzer die Stadt Hebron im Westjordanland ab, und die Regierung Sharon kündigte an, den Bau der Apartheidmauer auf der Westbank zu beschleunigen.

 

Zunehmend gewaltbereite Jugendliche und mehr Schuldsprüche - das ist die Strafverfolgungs-Bilanz des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg für 2003. Allein 2003 sei die Zahl der wegen Körperverletzung verurteilten Mädchen und Jungen zwischen 14 und 18 Jahren im Vergleich zum Jahr davor um 8,5 % gestiegen. Seit 1991 habe sich die Zahl der wegen leichter, schwerer und gefährlicher Körperverletzung verurteilten Jugendlichen von 350 auf 1550 mehr als vervierfacht. Bei den Heranwachsenden und Erwachsenen habe sie sich knapp verdoppelt. Im Kindesalter erlebte Gewalt, auch in Form von emotionaler Vernachlässigung, ist verhaltensprägend für das spätere Leben und häufig eine Ursache für spätere Jugend- und Erwachsenenkriminalität. Laut einer neuen Studie der Statistikbehörde wird die Zahl der Verurteilungen von Jugendlichen und Heranwachsenden trotz Rückgangs der Bevölkerung bis 2020 voraussichtlich weiter steigen. Mehr als 20 % aller jugendlichen Verurteilten aus dem Bereich der klassischen Kriminalität wurden 2003 wegen Körperverletzung verurteilt (1991: 8 %). Dabei stand der Straftatbestand der gefährlichen und schweren Körperverletzung eindeutig im Vordergrund. Dagegen sei die Zahl der wegen Drogendelikten und Diebstählen verurteilten Jugendlichen 2003 um 19 und 3 % im Vergleich zu 2002 zurückgegangen. Insgesamt hat die Zahl der gerichtlich Verurteilten im vergangenen Jahr erstmals seit 1998 wieder die Marke von 120.000 überschritten. Nachdem die Verurteiltenzahlen im Zeitraum 1998 bis 2001 kontinuierlich gefallen waren, hat es im Jahr 2003 im zweiten Jahr in Folge wieder mehr Schuldsprüche - insgesamt rund 120.500 - gegeben. Das sind 4.300 oder 3,7 % mehr gewesen als noch 2002. Der erneute Anstieg der Verurteiltenzahl ist in erster Linie auf die Zunahme der Verurteilungen von Erwachsenen (mindestens 21 Jahre) zurück zu führen. Von den insgesamt 4300 zusätzlichen Verurteilungen im Vergleich 2002 entfielen allein 3700 auf diejenigen, die zum Zeitpunkt des Schuldspruchs das 21. Lebensjahr bereits vollendet hatten. Bei den Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) stieg die Verurteiltenzahl um rund 500 und bei den Jugendlichen nur um 100. Nach dem steilen Aufwärtstrend seit 1994 habe die Zahl der Schuldsprüche gegen Jugendliche 2003 erstmals seit acht Jahren mit plus 1,4 % im Vergleich zu anderen Altersgruppen nur unterdurchschnittlich zugenommen. Eine Ursache hierfür ist der Rückgang der Verurteiltenzahlen bei den ausländischen Jugendlichen um fast 5 % - obwohl deren Einwohnerzahl im entsprechenden Alter leicht zugenommen hat. Insgesamt ist die Zahl der verurteilten Ausländer im vergangenen Jahr um 2,4 % gestiegen, jedoch weniger stark als die der deutschen Verurteilten (plus 4,2 %). Diese Tendenz ist bereits seit Mitte der 90er Jahre zu beobachten: Der Anteil der Ausländer an den Verurteilten insgesamt fiel wegen der günstigeren Entwicklung von 1993 bis 2003 kontinuierlich von 36,6 auf 27,1% Der Ausländeranteil in der baden-württembergischen Bevölkerung betrug in diesem Zeitraum nahezu unverändert rund 12 %. Auch aus Brandenburg wird eine wachsende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen gemeldet. Die gesamte Gewaltkriminalität stieg 2003 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 8,9 % auf 2 669 Fälle. Doch während insgesamt ein Drittel aller Straftäter unter 21 Jahre alt ist, sind es bei Gewalttaten etwa die Hälfte, bei Raub sogar 60 %.

 

Zur Situation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt im Monat August erklärte der Bundesgeschäftsführer der PDS, Rolf Kutzmutz: „Nach dem Juli muss nun auch im August 2004 mit 4,35 Millionen die höchste Arbeitslosenzahl seit der Wiedervereinigung registriert werden - und das, obwohl Erwerbslose in Trainingsmaßnahmen seit Anfang des Jahres nicht mehr in der Statistik auftauchen. Die Zahl der freien Stellen hat sich gegenüber dem Vorjahr erheblich reduziert. Die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt in erschreckendem Maße zu. In einigen Ländern wie in Thüringen bekommen schon 60 Prozent der Arbeitslosen Arbeitslosenhilfe, fallen also ab 2005 unter die Regelungen von Hartz IV. Neben der Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt sich auch die Zahl der Jugendlichen ohne Arbeit immer mehr. Zugleich muss die Bundesagentur konstatieren, dass die Lehrstellenlücke mit 131 800 mehr Bewerbern als offenen Lehrstellen deutlich größere Ausmaße als im Vorjahr hat.
Diese Entwicklung auf dem Ausbildung- und Arbeitsmarkt markiert das Versagen der Politik. Nur statistische Tricks verhindern, dass das Ausmaß des Versagens noch deutlicher wird. Der Verzicht auf die Ausbildungsplatzabgabe zu Gunsten eines Ausbildungspaktes, der die Unternehmen gerade nicht zur Bereitstellung eines ausreichenden Angebotes an Lehrstellen verpflichtet hat, erweist sich als fataler Schuss in den Ofen. Es werden weniger Lehrstellen angeboten als vor einem Jahr.
Die Bundesregierung aber hat als einzige Antwort Hartz IV. Damit jedoch werden die Arbeitslosen und nicht die Arbeitslosigkeit bekämpft. Das Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitslosen wird Monat für Monat ungünstiger. Unter diesen Umständen wird die Politik der rot-grünen Regierung, die einseitig darauf ausgerichtet ist, Druck auf Arbeitslose auszuüben, statt sich für die Schaffung existenzsichernder Arbeitsplätze einzusetzen, zum Fiasko. Wer in befristeten Ein-Euro-Jobs den Königsweg aus der Misere auf dem Arbeitsmarkt sieht - und diese Beschäftigungsgelegenheiten dann auch noch statistisch wirksam machen will - dem geht es nicht um Arbeitsmarktreformen, sondern um Haushaltssanierung auf dem Rücken der Erwerbslosen.
Die angeblich alternativlose Politik der Bundesregierung im Verein mit Union und FDP hat vor allem eines zur Folge - sie schickt Hunderttausende sehenden Auges in Armut und Perspektivlosigkeit.
Alternativen dazu liegen auf dem Tisch: Vom gesetzlichen Mindestlohn, für den Verdi-Chef Bsirske 7,50 Euro pro Stunde vorschlägt, über Korrekturen der Hartz-Gesetze bei der Leistungshöhe, den Zumutbarkeitskriterien, der Anrechnung von Altersvorsorgevermögen und Partnereinkommen sowie der Dauer der Zahlung des Arbeitslosengeldes I bis zu einer armutsfesten soziale Grundsicherung, öffentlichen Investitionsprogrammen, Arbeitszeitverkürzung und einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Die PDS wird weiter für diese Alternativen kämpfen
.“

 

Die in Hamburg regierende CDU hat angekündigt, das schärfste Polizeigesetz der Republik auf den Weg zu bringen. Vorgesehen sind u.a. die Verhängung auf bis zu ein Jahr befristeter stadtweiter Aufenthaltsverbote, ein bis zu 14-tägiger Unterbringungsgewahrsam bei potenziellen Straftätern, verdachtsunabhängige Personenkontrollen und Durchsuchungen, Videoüberwachung von Straßen und Plätzen, der gezielte Todesschuss in Extremsituationen, die Einführung von Elektroschockwaffen (Taser), Videoaufzeichnung aller Verkehrskontrollen sowie ein computergesteuertes System zur Erkennung von Autokennzeichen. Innensenator Nagel legte noch nach und brachte die Ausweitung von DNA-Probenentnahmen auf alle erkennungsdienstlich zu behandelnden Personen ins Gespräch. Darüber hinaus soll die Telekommunikation so genannter Berufsgeheimnisträger überwacht werden können, solange die Maßnahme sich nicht gegen sie persönlich richtet. Hiervon wären beispielsweise Rechtsanwälte, Journalisten, Pfarrer oder Ärzte betroffen.

 

Der KPÖ droht eine Parteispaltung. Das deutete Parteivorsitzender Walter Baier in einem Rundschreiben an, mit welchem er die Einberufung eines Parteitages am 11. und 12. Dezember in Linz ankündigte. Bei diesem Parteitag soll die Krise der KPÖ gelöst und Versuche beendet werden, „die Partei in ein dogmatisches Fahrwasser zu drängen". Hintergrund der Entwicklung ist laut Baier ein parteiinterner Richtungsstreit. So gebe es Kräfte in der KPÖ, „die noch immer keine Abgrenzung gegenüber dem Stalinismus vornehmen und die die Partei in die Vergangenheit zurückführen wollen". Im Klartext wehren sich Teile der Partei gegen den von Baier betriebenen reformistischen Kurs hin zur Anpassung an das kapitalistische System. Auf Kritik der Dogmatiker stößt auch das Engagement der KPÖ im Rahmen der Europäischen Linken, den Zusammenschluss von 14 linken Parteien Ost- und Westeuropas. Zudem hat der dogmatische Flügel die von der Partei mehrheitlich beschlossene Unterstützung für die Linke-Liste Leo Gabriels bei den Europa-Parlamentswahlen verweigert. Nach dem negativen Ausgang des Novum-Prozesses in Berlin befindet sich die KPÖ in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten, da die ihr beim Zusammenbruch der DDR zugeschanzten SED-Millionen wegfielen. So wurden alle angestellten Mitarbeiter gekündigt. Auf Grund der schlechten finanziellen Lage der Partei habe sich der Richtungsstreit in der Partei verschärft, so Baier, der einen Rückzug von der Parteispitze nicht ausschloss. Am Parteitag wird die Parteiführung neu gewählt. Bei der letzten Nationalratswahl im November 2002 erhielt die KPÖ 27.568 oder 0,56 % der Stimmen.

 

Vor dem Haager Siegertribunal eröffnete der ehemalige jugoslawische Staatspräsident Milosevic seine Verteidigung. Milosevic steht seit Februar 2002 als angeblicher Hauptverantwortlicher für die Gemetzel während der jugoslawischen Bürgerkriege vor Gericht. In seiner vierstündigen Eröffnungsrede beschuldigte der kämpferische Serbe die NATO-Staaten, die treibende Kraft hinter den Balkankriegen zu sein. Wir erinnern hier an die seit den 80er Jahren vor allem durch die BRD (und BND-Präsident Klaus Kinkel, FDP) betriebene systematische Destabilisierung Jugoslawiens, die letztlich in militärische Gewalt des Westens mündete. Milosevic benannte vor allem den damaligen Bundesaußenminister Genscher als „Hauptkriminellen“ als Schuldigen. Alles zusammengenommen habe zur Zerstörung eines „multikulturellen, multikonfessionellen und multiethnischen Staates“ geführt. Das Projekt zur Sprengung Jugoslawiens verdanke sich einer „Allianz zwischen Deutschland, dem Vatikan, dem Rest der europäischen Gemeinschaft und den USA“. Dagegen sei der „Kampf des serbischen Volkes“ rechtens gewesen. Zudem stellte der Angeklagte die Legitimität des UN-Tribunals in Frage. Milosevic wies die Anklagepunkte gegen ihn als „skrupellose Lügen und betrügerische Verdrehungen der Geschichte“. Das serbische Volk sei Hauptopfer der Zerfallskriege gewesen. Der Angeklagte verwies nicht zuletzt auf die von kroatischen Verbänden verübten Massaker an serbischen Zivilpersonen. In Bosnien hätten die christlichen Serben dafür gekämpft, die Entstehung des ersten islamischen Staates auf europäischem Boden zu verhindern. Zugleich beschwerte Milosevic sich darüber, dass ihm für seine Eröffnungsrede nur vier Stunden eingeräumt worden seien. Die Ankläger hatten hingegen zu Beginn des Verfahrens im Februar 2002 drei Tage Zeit gehabt, um ihre Sicht der Dinge vorzutragen. Die Verteidigungsrede war ursprünglich für April anberaumt, wurde jedoch wegen gesundheitlicher Probleme des 63-Jährigen insgesamt fünf Mal verschoben. Um weitere Verzögerungen zu vermeiden, lehnte es Richter Patrick Robinson ab, den Antrag des Angeklagten über eine Verlängerung seiner Redezeit zu erörtern. Insgesamt hat Milosevic 150 Tage Zeit für seine Verteidigung. Dafür hat er eine Liste von 1.400 potenziellen Zeugen vorgelegt - darunter Bundeskanzler Gerhard Schröder, der britische Premierminister Tony Blair und der frühere US-Präsident Bill Clinton. Die Richter können allerdings Zeugen ablehnen, die ihrer Ansicht nach nichts zur Sache beitragen. Nach wie vor wird erwartet, dass das Gericht das Recht des Angeklagten auf Selbstverteidigung beschneidet und ihm einen Pflichtverteidiger beiordnet. Zuletzt hatten 90 Richter und Juristen aus 17 Ländern dies als eine „Perversion von Geist und Buchstaben des internationalen Rechts“ verurteilt.

 

Für den 1942 bei einem der damals verdächtig häufigen dubiosen Flugzeugunglücke ums Leben gekommenen Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Fritz Todt, kann ein so genannter Kissenstein auf dem Invalidenfriedhof an der Scharnhorststraße in Berlin-Mitte aufgestellt werden. Todt zeichnete für die Organisation des Autobahnbaues und die Errichtung des Westwalls verantwortlich, ehe er nach Kriegsausbruch im Kompetenzgerangel des „Dritten Reiches“ damit beauftragt wurde, endlich ein funktionierendes Rüstungsministerium aufzubauen. Ab Ende 1941 kam Todt zu der Ansicht, dass der Krieg angesichts des überlegenen Rüstungspotenzials der Sowjetunion und der USA auf politische Weise beendet werden müsse und geriet so in Gegensatz zur Führungselite. Zu Zeiten der Mauer war der Friedhof, der zu den ältesten der Stadt gehört, in der Mitte geteilt, viele Grabsteine wurden abgeräumt, um im Sperrgebiet freies Schussfeld zu haben. Nach dem Mauerfall kam der Bezirk mit dem Landesdenkmalamt überein, dass Hinterbliebene „Grabrestitutionssteine" auf dem Friedhof niederlegen dürfen. Ausgenommen von dieser Regelung wurden allerdings NS-Größen. Seit 1990 bemühen sich die in München lebenden Töchter Todts um einen Erinnerungsstein für ihren Vater und strengten schließlich eine Klage an, um ihr Vorhaben durchzusetzen. Nachdem eine Untätigkeitsklage beim Berliner Verwaltungsgericht einging, beugte sich das Bezirksamt Mitte den Fakten: Nach den vorliegenden Unterlagen der Berufungskammer und der Hauptkammer München, so heißt es in der Begründung der Fachbehörde, sei Todt „keine Verstrickung in die Verbrechen des Nazi-Regimes" nachzuweisen. In der Partei habe er sich nicht aktiv betätigt. Vielmehr habe es sich um „eine integre Person" gehandelt - wie im Übrigen auch trotz Kriegszustand die Nachrufe in der westalliierten Presse beweisen.

 

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin DGSPJ schlägt Alarm: Immer mehr Kinder aus armen Familien sind in Deutschland medizinisch unterversorgt. Erreicht werden können sozial benachteiligte oder arme Familien allenfalls noch über Angebote des öffentlichen Gesundheitsdienstes wie etwa der Einschulungs-Untersuchung. Doch in vielen Bundesländern fallen diese durchgängig für alle Kinder vorgesehenen Untersuchungen zunehmend dem Rotstift zum Opfer. Deshalb droht eine Gettoisierung armer Familie bei der Gesundheitsfürsorge. Rund ein Drittel aller Kinder von drei bis sechs Jahren haben erhebliche sprachliche wie auch motorische Entwicklungsdefizite. Betroffen sind vor allem Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien sowie aus Migrantenfamilien. Diese Kinder haben zudem überdurchschnittlich häufig mit Übergewicht zu kämpfen und seien häufig auch aggressiver. „Kinder aus armen Familien sind gesundheitlich in deutlich schlechterer Verfassung als Kinder aus der Mittel- und Oberschicht." Dabei ist es äußerst schwierig, diese Kinder an Gesundheitsangebote heranzuführen. Die Vorsorgeangebote der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte reichen bei weitem nicht aus, da gerade sozial schwache Familien auf diese freiwilligen Angebote nicht ansprechen. Daher sind die routinemäßigen Eingangsuntersuchungen der Gesundheitsämter vor der Einschulung die einzigen Untersuchungen, die noch alle Kinder eines Jahrganges erfassen, egal ob versichert oder nicht, egal ob reich oder arm. Stattdessen werden jedoch in vielen Bundesländern, die für den öffentlichen Gesundheitsdienst zuständig sind, immer mehr Stellen von Kinder- und Jugendärzten aus Kostengründen gestrichen.

 

Ungeachtet einer Periode relativer Ruhe in Nordirland sind die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen nach wie vor hoch und können jederzeit wieder eskalieren. Ein Vorfall in North Belfast brachte das Fass nun zum Überlaufen. Bei einem Überfall katholischer Jugendlicher auf Angehörige einer loyalistischen Folkloregruppe gab es 2 Schwerverletzte. Nachdem kurz zuvor die letzten verbliebenen protestantischen Familien aufgrund anhaltender Drangsalierung durch ihre katholischen Nachbarn den Torrens Estate verlassen mussten, ließ die loyalistische Ulster Defence Association, Nordirlands größte paramilitärische Organisation, ihren Kettenhund, die seit längerer Zeit inaktiven Red Hand Defenders, von der Leine. Die RHD rammten mit einem Gabelstapler die Frontseite einer vollbesetzten katholischen Kneipe und warfen eine Benzinbombe durch die zertrümmerte Scheibe. Direkt im Anschluss attackierten einige Dutzend loyalistische Randalierer das Gebäude. Ferner übernahmen die Red Hand Defenders die Verantwortung für an 12 Sinn Féin-Politiker, darunter Parteichef Gerry Adams, gerichtete Morddrohungen. Die Ulster Volunteer Force, nach der UDA die zweitgrößte protestantische Untergrundorganisation, machte durch einen selbst für Kenner der nordirischen Szenerie nicht nachvollziehbaren Mordanschlag auf sich aufmerksam. Das Opfer wurde durch mehrere Schüsse schwer verletzt. Seit 1994 wurden in Nordirland 179 Personen von Paramilitärs ermordet und 11.000 verletzt, 2300 waren von Bestrafungsaktionen betroffen. Alleine der Provisional IRA wird die Verantwortung für 40 Morde (an Katholiken) angelastet, zudem mussten 2500 Personen auf Befehl der Paramilitärs ihre Stadtviertel oder gleich die Insel verlassen. Nach wie vor betrachtet sich die IRA in den katholischen Unterschichtvierteln als Polizeimacht.

 

Die FU Berlin und das Projekt Subway legten eine Studie über die Umtriebe von Pädophilen in der Bundeshauptstadt vor. Danach wurde beinahe jeder 4. Berliner Junge schon einmal in der Öffentlichkeit von einem Fremden mit eindeutigen Absichten angesprochen. Jeder 12. wurde bereits Opfer sexuellen Missbrauchs, wurde von Pädophilen begrabscht oder vergewaltigt. Pädophile seien überall in der Stadt unterwegs, es gebe keine Unterschiede zwischen den Bezirken, erklärte FU-Professor Dieter Kleiber. Gymnasiasten würden ebenso angesprochen wie Hauptschüler oder Sonderschüler, das Bildungsniveau mache ebenfalls keinen Unterschied. „Das hat uns selbst überrascht", so Kleiber. Anders als Mädchen würden Jungen öfter außerhalb der Familie Opfer sexuellen Missbrauchs. Kleiber wies darauf hin, dass sexuelle Übergriffe „nicht einfach so passieren", sie seien „geplant und spielen sich nach ähnlichem Muster ab". Die Kontaktaufnahme laufe in der Regel über mehrere Stufen, in denen Vertrauen aufgebaut werde. Dass die Männer ein sexuelles Interesse haben, sei für die Opfer zunächst nur schwer zu durchschauen.

 

Kroatien will in der Nähe von Bleiburg in Kärnten ein Grundstück kaufen, um dort ein Denkmal für die im Mai 1945 ermordeten Anhänger des faschistischen Ustascha-Regimes zu errichten. Die Zagreber Regierung werde dem „Klub kroatischer Heimkehrer aus der Emigration" 125.000 Euro zum Kauf des Grundstücks zur Verfügung stellen, um ein Denkmal für die Opfer der „Bleiburger Tragödie" zu bauen, berichtete die kroatische Nachrichtenagentur Hina. Im Mai 1945 massakrierten Tito-Truppen in der Gegend Zehntausende von kroatischen Soldaten, Zivilisten und Ustascha-Angehörigen - nachdem sie sich den Briten ergaben und von diesen sehenden Auges in den sicheren Tod ausgeliefert wurden. Bereits seit 1945 werden alljährlich Gedenkmessen auf dem Feld bei Bleiburg zelebriert - zunächst von kroatischen Emigranten und nach der Unabhängigkeit Kroatiens im Jahr 1991 auch unter Teilnahme von hochrangigen Regierungsmitgliedern aus Zagreb. Der Bürgermeister von Bleiburg hat die Baupläne bestätigt. Das Denkmal soll bis 2005 fertig gestellt werden, und künftig soll die traditionelle Gedenkfeier am Muttertag von der kroatischen Regierung in Zagreb organisiert werden. Landeshauptmann Jörg Haider unterstützt das Mahnmalprojekt. Marjan Sturm als Obmann des Zentralverbandes der Kärntner Slowenen drückte sein Unbehagen für eine Ehrung der Ustaschis aus, hierbei wohl vergessend, dass seinerzeit Tausende seiner Landsleute auf deutscher Seite gegen die Tito-Partisanen (Slowenische Legion, Slowenische Landeswehr) oder in der Waffen-SS (Divisionen „Karstjäger“ und „Reichsführer-SS“) kämpften und 1945 ebenfalls Opfer brutalster Vergeltungsaktionen wurden. Peter Kuchar vom Kärntner Partisanenverband übte sich als Geschichtsklitterer und erklärte, in Bleiburg sei kein einziger Mensch getötet worden - gewissermaßen eine Bleiburg-Lüge, die sämtlichen historischen Tatsachen widerspricht und selbst bei der örtlichen SPÖ auf Widerspruch traf.

 

Nach drei Wochen endeten die in Najaf tobenden Kämpfe zwischen US-Einheiten und Kollaborateur-Verbänden einer- sowie der schiitischen Mahdi-Armee andererseits mit einem von Großayatollah Sistani herbeigeführten Kompromiss. Sowohl Muktada al-Sadr und seine Kämpfer als auch die Besatzer haben sich aus Najaf und Kufa zurückzuziehen, um die Heiligen Stätten der Schiiten zu schützen. Der Plan der Amerikaner und der Marionettenregierung in Bagdad, Sadr endlich auszuschalten, ist gescheitert. Zwar sollten die in Najaf kämpfenden Mahdi-Verbände ihre Waffen niederlegen, konnten sich aber größtenteils unter Mitnahme derselben absetzen. Der radikale Schiitenführer lehnte einen Waffenstillstand sowie die Umwandlung seiner Miliz in eine politische Partei ab und erklärte, seine Kämpfer seien bereit, dem Feind an jedem Ort des Landes entgegenzutreten. Bei den wochenlangen Gefechten dürften alleine in Falluja um die 1000 Milizionäre und Zivilisten umgekommen sein, zudem dehnten die Kampfhandlungen sich auf weitere Städte im Zentralirak und das Bagdader Schiitenviertel Sadr City aus. Die zugegebenen amerikanischen Verluste bewegen sich mittlerweile rapide auf die Schallmauer von 1000 Gefallenen seit Kriegsbeginn im März 2003 zu, und es hat den Anschein, als ob die Besatzer die Kontrolle über die schiitischen und sunnitischen Aufstandsgebiete im Zentral- und Südirak verlieren. Da Rebellen die Städte Falluja und Ramadi kontrollieren, sind die westlichen Zufahrtstraßen nach Bagdad gesperrt. Selbst im von den Briten besetzten Basra ist die Lage so ernst, dass die diplomatische Vertretung nur noch aus der Luft versorgt werden kann. Neben den Kampfhandlungen in den Rebellengebieten kommt es landesweit weiterhin zu Bombenanschlägen und Attentaten mit zahlreichen Opfern. Täglich sehen sich die Besatzungstruppen und ihrer Kollaborateur-Formationen zwischen 40 und 60 Angriffen gegenüber.

 

In der „jungen welt“ vom 1. September äußerte sich Christian Zeller in einer Replik auf den geschätzten Robert Kurz zur Globalisierungsproblematik: „Mit der Durchsetzung eines finanzdominierten Akkumulationsregimes hat das mit den transnationalen Konzernen verflochtene Finanz- und Anlagekapital die Steuerung des Akkumulationsprozesses übernommen. Aufgrund der errungenen Position und Macht kann sich das finanzielle Anlagekapital mittels Investment- und Pensionsfonds einen Teil der Gewinne in Form von Einkommen aus Börsenplatzierungen sowie Einkommen aus Mieten, Bodenrenten sowie über den öffentlichen Schuldendienst aneignen. Diese Einkommen sind einzig durch das Eigentum an Vermögen legitimiert. Die Abschöpfung eines Teils des Profits erfordert allerdings die Steigerung der Mehrwertrate und eine genügende Akkumulation von produktivem Kapital, was aber gerade aufgrund der Verwertungsschwierigkeiten nur ungenügend erfolgt. Das Anlagekapital zeichnet sich durch die Neigung aus, der »Ökonomie« mehr abzuverlangen als diese zu liefern imstande ist. Das äußert sich in der harten Deregulierung der Arbeit, den Angriffen auf soziale Errungenschaften, den umfassenden Privatisierungen, den Enteignungsmechanismen in den so genannten aufstrebenden Märkten (Zinszahlungen, Kapitalflucht) und schließlich in der imperialistischen und kriegerischen Aneignung von Territorien und ihren Ressourcen. Die Abschöpfung von Mehrwert und die Ausbeutung der Arbeitenden bleiben dennoch zentral im Akkumulationsprozess und wurden mit wachsender Arbeitsproduktivität gesteigert.
Die herrschenden Klassen nehmen die Eigentumsfrage also sehr ernst. Ganz im Gegensatz dazu ist das Eigentum ein Tabu bei den Gewerkschaften. Auch die globalisierungskritischen Bewegungen schlagen einen Bogen um diese zentrale Frage. Das Privateigentum ist ein Pfeiler des Kapitalismus und der Herrschaft der Kapitalistenklasse. Allerdings drücken das Eigentum an Konsumgütern, die wir verbrauchen, und das Eigentum an Produktionsmitteln, die eingesetzt werden, um mit menschlicher Arbeit neue Werte zu erzeugen, zwei sehr unterschiedliche Sachverhalte aus. Noch wichtiger ist der Unterschied zwischen dem Eigentum an einem Gut, das Ergebnis der persönlichen Arbeit ist, und der Aneignung von Gütern durch Unternehmen, die im Rahmen des Produktionsprozesses von vielen Lohnabhängigen in gemeinsamer Arbeit hergestellt wurden. Infolge der starken Arbeitsteilung und der intensiven Kooperation von Lohnabhängigen, die am selben oder auch an verschiedenen Orten arbeiten, sind mittlerweile alle denkbaren Güter vom Brot bis zum Medikament, von der Musikanlage bis zur Versicherungspolice Ergebnis eines kollektiven und gesellschaftlichen Arbeitsprozesses.
Seit Beginn der neokonservativen Gegenreform vor über zwanzig Jahren versucht das Kapital, sich die Gesamtheit der materiellen und intellektuellen Bedingungen des Produktionsprozesses, also das historische Werk der gesellschaftlichen Arbeit der Menschheit, anzueignen. Alles, was profitabel erscheint, soll zur Ware umgeformt werden. Voraussetzung dieser Umformung ist aber die Durchsetzung spezifischer Eigentumsrechte. Wenn ein Pharmakonzern einen Wirkstoff oder eine Technologie patentiert, eignet er sich wissenschaftliche Kenntnisse an, die gesellschaftlich produziert und öffentlich mitfinanziert wurden. Das Patent ist immer Ergebnis einer langen Akkumulation von Wissen und Erfahrungen, die unabhängig vom patentierenden Unternehmen produziert wurden. Das Patent erlaubt es den oligopolistischen Konzernen, das privatisierte gesellschaftliche Wissen zur Erzielung von Renten und zu einem Instrument der gesellschaftlichen Herrschaft zu transformieren.
Gleichzeitig haben sich mit der Ausweitung der produktiven Basis von Kapital und Arbeit das Lohnabhängigkeitsverhältnis und die Ausbeutung durch Lohnarbeit ausgedehnt. Diese Proletarisierung schließt alle ein, die in den unterschiedlichsten Konfigurationen und Ausmaßen von Unsicherheit gezwungen sind, ihre Arbeitskraft und ihre Kreativität zu verkaufen. Dazu zählen mehr oder weniger fest angestellte Lohnabhängige ebenso wie prekär Beschäftigte, kleine Selbständige, Scheinselbständige, Ich-AGs und alle Menschen, die von deren Einkommen leben. Robert Kurz rät, sich vom Klassenkampf zu verabschieden. Gewiss können nicht alle Kämpfe gegen die Herrschaft und Unterdrückung in der kapitalistischen Gesellschaft auf den reinen Klassenkampf reduziert werden. Aber wer, wenn nicht die - zwar heterogene - Klasse der Lohnabhängigen, also die große Mehrheit der Bevölkerung in den imperialistischen Ländern, soll Trägerin gesellschaftlicher Aneignungsprozesse und letztlich der Aufhebung der Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln sein?

Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle

 

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