Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 21. bis 27. August 2004

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 
 


Zitat der Woche:
"Das bedeutet für uns in erster Linie, im Weltmaßstab die Eingliederung in die breite Einheitsfront des Kampfes gegen den Imperialismus und alle Weltherrschaftspläne, im europäischen Maßstab die Stärkung der Einheit und Solidarität der europäischen Völker, und im Inneren unseres Landes die Organisierung einer breiten Einheitsfront, die unter der ideologischen und politischen Führung der revolutionären Partei der Arbeiterklasse alle Klassen, Schichten, Parteien, Organisationen und Individuen zusammenschließt, die im Widerspruch zu den beiden Supermächten stehen, im Widerspruch zur Monopolbourgeoisie und anderen reaktionären Kräften, die die Interessen der Nation verraten.
Ja, aber alle? Höre ich schon einige Genossen sagen. Da gibt es z.B. einige kleinere nationalistisch beeinflusste Gruppen, die von sich behaupten, auch gegen die zwei Supermächte zu sein. Können wir denn auch mit denen? Natürlich können wir! Nur müssen wir ihnen dabei auch die Gretchenfrage stellen: wie aber ist eure Haltung zur Monopolbourgeoisie und den anderen reaktionären Kräften, die die Interessen der Nation verraten?"
 
- Genosse Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML in seiner unvergessenen Rede "Kampf der wachsenden Kriegsgefahr durch die zwei Supermächte - Für die Einheit und Solidarität der europäischen Völker" am 27. März 1975


Nach einer Bombendrohung der baskischen Untergrundorganisation ETA sind in zwei Orten im nordwestspanischen Galizien Sprengsätze explodiert. Nach Angaben des staatlichen spanischen Rundfunks detonierten die beiden Bomben auf einem Parkplatz am Strand von Sanxenxo sowie im Yachthafen von Baiona. In einem Anruf bei der baskischen Tageszeitung „Gara" hatte ein Mann zuvor im Namen der ETA vor den Sprengsätzen gewarnt; die Polizei hatte die Gelände geräumt und durchsucht. Da nur 2-300 Gramm Sprengstoff verwendet wurden, hatten die Ladungen eher demonstrativen Charakter. Die ETA hatte sich vor zwei Wochen zu zwei ähnlichen Anschlägen in den Urlaubsorten San Vicente de la Barquera und Ribadesella bekannt, bei denen niemand zu Schaden kam. In Pamplona demonstrierten 20.000 Menschen friedlich gegen die brutale Räumung des autonomen baskischen Kulturzentrums „Euskal Jai“, mit der die konservative Regierung der Provinz ihren Feldzug gegen die baskische Kultur fortsetzte.

 

Der bereits zu lebenslanger Haft verurteilte Johannes Weinrich, ehemaliger Weggefährte des international agierenden Terroristen Ilich Ramirez Sánchez alias Carlos, ist in einem zweiten Prozess in Berlin vom Vorwurf des Mordes freigesprochen worden. Das Landgericht entschied angesichts des reichlich dünnen Beweismaterials der Generalbundesanwaltschaft auf Freispruch aus Mangel an Beweisen. In der Tat hatte sich die Beweisaufnahme in dem anderthalb Jahre dauernden Prozess als sehr kompliziert erwiesen. Weinrich selbst schwieg zu den Vorwürfen. Der in Paris wegen Polizistenmordes verurteilte Carlos war zwar zu einer Vernehmung bereit, aber nur in Berlin. Das lehnte die Senatsverwaltung für Justiz nach Rücksprache mit dem Bundesjustizministerium jedoch aus Sicherheitsgründen ab. Weitere Zeugen, wie Carlos' Frau Magdalena Kopp und Vertraute des Terroristen aus Jordanien und Kuba, wollten oder durften nicht aussagen, andere Zeugen berichteten nur vom Hörensagen. Hinzu kamen unzureichende Vernehmungsprotokolle und lückenhafte Ermittlungsunterlagen. Allein in den aus Frankreich gelieferten Akten fehlten 8 000 Seiten. Dem Gericht zufolge war Weinrich nicht sicher nachzuweisen, dass er an dem 1982 verübten Sprengstoffanschlag in der Pariser Innenstadt und zwei folgenden Attentaten am Silvesterabend 1983 auf dem Bahnhof von Marseille und im Hochgeschwindigkeitszug TGV beteiligt war. Mit dem Urteil folgte das Gericht dem Antrag der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte für den heute 56-Jährigen eine lebenslange Haft wegen sechsfachen Mordes und 21-fachen Mordversuches gefordert. Weinrich war bereits im Januar 2000 für den Anschlag auf das französische Kulturzentrum Maison de France in Berlin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. In dem seit März 2003 andauenden Prozess ging es ursprünglich um zwei weitere Terrorattentate der Carlos-Gruppe. Der Anschlag auf eine Boeing 707 der jugoslawischen Fluggesellschaft im Januar 1975 auf dem Flughafen von Orly sowie im Februar 1981 auf das Gebäude von Radio Free Europa in München waren im Laufe des Prozess eingestellt worden.

 

In der „Berliner Zeitung“ vom 24. August verbreitete sich der Soziologe Oskar Negt über die Hintergründe des Sozialabbaus: „Da müssen wir reden über das, was vermögend ist, und darüber, wie das ursprünglich geplant war mit den Sparbüchern und der Vorratsbildung. Die Gesellschaft der Nachkriegszeit mit ihrer sozialen Marktwirtschaft verfolgte das Prinzip, durch Anlegen von Vorräten die Sozialängste zu reduzieren. Über den Sozialstaat haben sich die Menschen mit Demokratie versöhnt, nicht über Erziehungsprogramme. Dass die Just-in-Time-Produktion, das Abbauen von Lagerhaltung, jetzt auch die Sparbücher erfasst, auch die Sparbücher der Kinder, ist ein symbolischer Ausdruck für die gesellschaftliche Entwicklung. Es geht bei den Protesten nicht nur um die Realität. Der Freibetrag ist ja im Durchschnitt viel höher, als das, was angespart wurde. Es geht um die Übertragung des Prinzips des Abbaus von Lagern aus der Wirtschaft auf die einzelne Lebensgeschichte. Die großen Warenlager werden abgebaut aus Kostengründen. Aber wo befinden die sich? Auf der Straße. Die Just-in-Time-Produktion hat dazu geführt, dass der Lastwagenverkehr sich verzehnfacht hat. Lagerhaltung wird auch im Bildungssystem abgebaut. Man soll nicht geistige Vorräte anlegen: Denkweisen, Sichtweisen, die man nicht sofort anwenden kann, das also, was man Bildung nennt. Die ganze Bildungsreform ist stattdessen auf schnelle Anwendung aus. Ein Element der Erklärung ist der Zusammenbruch einer Abgrenzungsrealität. Die soziale Marktwirtschaft existierte in Konkurrenz zu der Daseinsvorsorge in der Sowjetunion und den so genannten sozialistischen Ländern, die ja nichts von authentischem Sozialismus hatten. Man wollte im Westen freier und gerechter sein. Der Zusammenbruch dieser Abgrenzungsrealität hat dem Kapital einen Legitimationsprofit eingebracht, den sich mancher Unternehmer überhaupt nicht mehr erhofft hatte. (...) Jedenfalls ist er (der Sozialismus, C.K.) ein Projekt, das nicht nur die Beseitigung der Armut betrifft. Sozialismus ist immer auch ein Fantasieprojekt gewesen, das Erarbeitete zu bewahren, zu verteidigen. Angst hemmt Fantasie. Wo die Globalisierungserpressung eine zentrale Rolle spielt, vergrößert sich die Angst lebendiger Arbeit. Wenn das Kapital mit Wegzug droht, droht es der lebendigen Arbeit mit Existenzentzug. So werden Kapital und Arbeit, tote und lebendige Arbeit, in der Tat zusammengeschweißt. Und die Opferbereitschaft der Träger lebendiger Arbeit nimmt gewaltige Ausmaße an. (...) Das mag sein, aber es muss in der Ökonomie des ganzen Hauses immer mehr darauf geachtet werden, dass der gesellschaftliche Reichtum in die Gesellschaft zurückkehrt. Mitte der 70er Jahre lautete die Parole, die auch Helmut Schmidt landauf, landab vertreten hat: Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen. Das stimmt nicht mehr. Die Gewinne von heute sind häufig die Arbeitslosen von morgen. Von den Gewinnen kehrt nur noch ein Drittel zurück in die Produktionsanlagen, ein Drittel wird für Rationalisierung genutzt und ein Drittel flottiert privat. Deshalb ist die Schonung der Gewinne kein Mittel mehr, wie noch Helmut Schmidt in dem Glauben annahm, dass die Unternehmen besonders gerne investieren. Man muss sie abschöpfen.“

 

Einer Studie des Hamburger BAT-Freizeit-Forschungsinstituts zufolge wird die Freizeit der Bundesbürger immer knapper. Jeder zweite Berufstätige gab, an täglich weniger als 3 Stunden Zeit zur freien Verfügung zu haben - der Traum vom „Freizeitpark Deutschland“ ist ausgeträumt. Das gilt für Frauen (55 %) noch mehr als für Männer (46 %). Insgesamt hat laut der Studie jeder dritte (34 %) der Befragten ab 14 Jahren keine drei Stunden Freizeit pro Tag. „Die Freizeit wird knapp und nicht nur das Geld", sagte Institutsleiter Horst Opaschowski. „Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich und der Trend zur 40-Stunden-Woche können folgenreich sein", betonte er. Gleichzeitig müssten zeitaufwendige Feierabendrituale eingeschränkt werden, erklärte der Forscher. Die Wirtschaft brauche aber auch Konsumenten mit Zeit zum Einkaufen und Essengehen, für Kinobesuche und Wochenendfahrten. „Konsumlust kann sich unter Zeitdruck kaum entwickeln", warnte Opaschowski. Verbraucher werden zu Zeitsparern, und oft werden berufliche Probleme auch in die eigene Freizeit mit hinein genommen. Insgesamt hat für Berufstätige mit dem Verlassen des Arbeitsplatzes der Feierabend noch längst nicht begonnen. Übergangsaktivitäten wie Nachhauseweg, Besorgungen, Erledigungen und Einkäufe, Hausarbeiten, Kinderbetreuung sowie soziale Verpflichtungen in Familie, Nachbarschaft und Gemeinde kosten demnach zunächst einmal Zeit und gehen der ganz persönlichen Freizeit verloren. Vor allem Frauen unterscheiden der Studie zufolge deutlich zwischen Familienfreizeit und persönlicher Freizeit, die sie für sich ganz allein haben wollen und nicht nur mit Partner und Kindern teilen müssen. So gaben auch 42 % der Hausfrauen an, täglich weniger als drei Stunden Freizeit zu haben. „Das 20. Jahrhundert ging als Jahrhundert der Freizeit in die Geschichte der modernen Arbeit ein.“ Zwischen 1950 und 2000 habe sich etwa die Urlaubsdauer der Arbeitnehmer von 9 auf rund 30 Tage mehr als verdreifacht. Im 21. Jahrhundert ist dagegen mehr Arbeitsproduktivität als Arbeitszeitverkürzung gefragt. Mit dem Ende des Kalten Krieges war es nicht mehr notwendig, die Illusion eines humanen Kapitalismus mit Massenkonsum und Sozialstaat aufrecht zu erhalten - das System zeigt (wieder!) sein wahres Gesicht.

 

Die nordkoreanische Führung setzt weiter auf eine Politik der Stärke und sagte ihre Teilnahme an der anstehenden vierten Gesprächsrunde zur Lösung des Atomstreits mit den USA ab. Grund sei die feindselige Haltung Washingtons gegenüber der Regierung in Pjöngjang. Angesichts dieser Politik sehe Nordkorea keine Veranlassung mehr, weiter an den Verhandlungen teilzunehmen. Ein von KCNA zitierter nordkoreanischer Außenamtssprecher kritisierte Bush mit äußerst harschen Worten: Dem US-Präsidenten fehle jegliche menschliche Moral. Seine Politik habe eine „friedliche Welt in eine in der Geschichte beispiellose Hölle verwandelt, die von einem Teufelskreis von Terrorismus und Krieg geplagt wird." Bush begehe im Irak und anderswo Völkermord. Der US-Präsident hatte Nordkorea bei einem Wahlkampfauftritt in der vergangenen Woche Tyrannei vorgeworfen. „Das beweist eindeutig, dass die Demokratische Volksrepublik Korea Recht hatte, als sie anmerkte, dass er ein politischer Idiot ist, der bar jeder grundlegenden Moral als Mensch und ein Bösewicht ist und weniger ein Politiker. Bush ist ein Tyrann, der Hitler in den Schatten stellt." Nordkorea trieb seine Verbalattacken gegen US-Präsident George W. Bush auf die Spitze, als ihn die amtliche Nachrichtenagentur KCNA auch noch als „faschistischen Tyrannen" titulierte. „Es ist die größte Tragödie für die USA, dass Bush, ein politischer Idiot und menschlicher Abfall, immer noch im Präsidentenamt der einzigen Supermacht der Welt ist." Zugleich stellte KCNA erneut den Nutzen der Sechs-Länder-Gespräche über die Beendigung des nordkoreanischen Atomprogramms in Frage. In den scharfen Angriffen Pjöngjangs sehen Beobachter eine Reaktion auf eine Wahlkampfrede Bushs in der Vorwoche. Dabei hatte Bush die Einigkeit mit Südkorea, China, Russland und Japan bei den Bemühungen um eine Beseitigung des nordkoreanischen Atomprogramms beschworen und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il als Tyrannen bezeichnet. Der stellvertretende südkoreanische Außenminister Lee Soo Hyuck flog unterdessen nach Peking, um über die nächste Sechser-Runde zu beraten, die im September stattfinden soll. Die dritte Sechserrunde war im Juni ohne Durchbruch geblieben.

 

Nach einer Zunahme von Gewalttaten der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat die türkische Armee einem Fernsehbericht zufolge die größte Offensive seit langem gegen die Rebellen gestartet. Rund 5.000 Soldaten sind an der Aktion bei Sirnak in der Nähe der Grenze zum Irak im Südosten der Türkei beteiligt. Ziel der Offensive ist es, ein Einsickern von Kämpfern der inzwischen in KONGRA-GEL umbenannten PKK aus dem Nordirak zu verhindern. Die PKK hatte Ende Mai nach militärischen Maßnahmen der türkischen Armee ihren Waffenstillstand aufgekündigt und verübt seitdem wieder verstärkt Anschläge auf türkischem Boden. Laut CNN-Türk nehmen an der neuen Offensive auch Ankara-treue Kurdenmilizen in Südostanatolien teil, die so genannten Dorfwächter. Sie sollten verhindern, dass die PKK-Trupps die Hügel in der Region als Stützpunkte nutzen könnten.

 

Aus Hamburg wurden Resultate der unter Kindern im Alter von 4 ½ Jahren vorgenommenen Vorschuluntersuchungen bekannt. Demnach muss jedes 5. Kind dieser Altersgruppe im Kindergarten oder in der Vorschule speziell gefördert werden, damit es zum Zeitpunkt der Einschulung die hiesige Umgangssprache ausreichend versteht und spricht. Bei den Kindern fremdsprachiger Eltern liegt der Anteil bei 51 %, bei Kindern deutscher Eltern sind es nur 4 %. Die Deutschkenntnisse sind zwischen den Stadtteilen allerdings sehr unterschiedlich verteilt. Während nur 10 % aller Kinder in den Walddörfern einen Förderbedarf in der deutschen Sprache haben, liegt der Anteil in Wilhelmsburg bei 40 %. Allerdings: Hier haben auch 62 % aller Kinder nicht Deutsch als Muttersprache. Auch in Billstedt (30 % Förderbedarf) und Mitte mit den Stadtteilen City, St. Georg, Hamm und Borgfelde (28 %) sind die Sprachdefizite hoch. Stadtweit weisen zudem 7 % aller Kinder körperliche Entwicklungsdefizite auf, und zwischen 3 und 5 % haben Bedarf an kinderpsychologischen Maßnahmen.

 

Der UNO-Sonderberichterstatter John Dugard hat Israel vorgeworfen, die Palästinensergebiete mit einem Regime der Apartheid zu kontrollieren. Dieses sei schlimmer als früher in Südafrika, zitierte die israelische Tageszeitung „Haaretz" aus einem Bericht Dugards für die UNO-Vollversammlung. Israel verletze im Westjordanland und im Gazastreifen fortgesetzt die Menschenrechte der Palästinenser. Dugard beobachtet für die internationale Gemeinschaft die Einhaltung der Menschenrechte in den Palästinensergebieten. Israel arbeite mit ihm nicht zusammen, weil sein Mandat nach Ansicht der Regierung unfair formuliert sei, berichtete „Haaretz". Er kann sich in den besetzten Gebieten immerhin frei bewegen. Der aus Südafrika stammende Dugard ist Jura-Professor und war in seinem Heimatland Mitglied der Wahrheitskommission, die die Verbrechen des Apartheidsregimes untersucht hat.

 

Bei 923 000 Ehepaaren in der BRD hatte im Mai 2003 einer der Ehepartner den bundesdeutschen, der andere einen ausländischen Pass, das waren 5% aller 19,2 Millionen Ehepaare. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilte, ist dieser Anteil gegenüber dem April 1996 um zwei Prozentpunkte gestiegen. Damals waren 618 000 (3%) der 19,6 Millionen Ehepaare deutsch-ausländisch. Deutsche Männer waren am häufigsten mit Frauen aus Asien (13%) und Polen (11%) verheiratet. Dagegen kamen die ausländischen Ehemänner deutscher Frauen am häufigsten aus der Türkei (16%) und Italien (12%). Damit haben türkische Ehemänner die italienischen Ehemänner im Vergleich zu 1996 in der Rangfolge überholt: Im April 1996 hatten 15% der ausländischen Ehemänner mit deutscher Frau einen italienischen Pass und 10% dieser Ehemänner die türkische Staatsangehörigkeit. Bei weiteren 6% (1,3 Mill.) Ehepaaren besaßen nach Ergebnissen des Mikrozensus 2003 beide Partner eine ausländische Staatsangehörigkeit. In drei Viertel dieser Ehen kamen beide Ehepartner aus einem Staat, der nicht zur Europäischen Union gehörte. Bei weiteren 22% der ausländisch-ausländischen Ehepaare hatten beide Ehegatten die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates.

 

Fast drei Viertel der bundesdeutschen Unternehmen wollen Geschäftsbereiche auslagern. In rund 70 % der Fälle setzen die Firmen dabei auf externe Dienstleister. Alternative Modelle wie die Ausgliederung in eine Tochtergesellschaft oder Kooperation mit anderen Unternehmen werden dagegen weniger genutzt, ergab die Studie „Erfolgsmodelle im Outsourcing" von Mummert Consulting und Inworks. Hauptsächlich vom Outsourcing betroffen ist demnach der IT-Bereich, der von rund 40 % der befragten Unternehmen ausgelagert werden soll. Jedes fünfte Unternehmen gibt außerdem die IT-Entwicklung aus den Händen. Das Auslagern anderer Bereiche ist dagegen laut Studie die Ausnahme. Nur 18 % der befragten Unternehmen planen, Betrieb, Vertriebsfunktion und Logistik an Outsourcing-Anbieter zu vergeben. Rechnungswesen, Geschäftsabwicklung und Personalwesen wollen noch weniger Unternehmen ausgliedern. Hauptmotiv für Outsourcing ist laut Studie für die Mehrzahl der Unternehmen nach wie vor die Kostensenkung (54 %). Fast die Hälfte will durch das Auslagern bestimmter Geschäftsbereiche die Flexibilität erhöhen (48 %) oder Geschäftsprozesse (46,5 %) bzw. den Service verbessern (40,9 %). Nach den Ergebnissen der Studie zeigte Outsourcing allerdings bei 40 % der Unternehmen nicht die gewünschte Wirkung. Im Schnitt sanken die Kosten nur um 17%, während die Unternehmen mit Einsparungen von rund 23 % gerechnet hatten. Kaum Wirkung zeigte Outsourcing vor allem in der öffentlichen Verwaltung, wo nur 2,5 % Kostensenkung realisiert wurden. In der Energiebranche konnten die Kosten dagegen um mehr als ein Viertel gesenkt werden.

 

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) will der Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat im September ein Konzept vorlegen, um die deutsche Sicherheitsarchitektur bei der Bekämpfung von Terrorismus und internationaler Kriminalität weiter zu verbessern. Dafür will Schily nach Informationen der „Berliner Morgenpost“ zum Teil Änderungen des Grundgesetzes durchsetzen. In Schilys Sicherheitsanalyse werden „Kompetenzdefizite“ des Bundes bei präventiven und länderübergreifenden Polizeimaßnahmen festgestellt. Ganz oben auf der Wunschliste des Bundes steht daher die bundesweite Rasterfahndung unter der Aufsicht des Bundesinnenministers. Rasterfahndungen dürfen bisher nur die Länder vornehmen, die ihre Informationen dann an das Wiesbadener Bundeskriminalamt (BKA) als Koordinator übermitteln. Schily will diese Präventivkompetenzen auf das BKA übertragen. Mittels besserer „Vorfeldbefugnisse“ soll das BKA die Möglichkeit erhalten, ohne einen konkreten Anfangsverdacht Ermittlungen aufzunehmen - natürlich nur bei terroristischen Bedrohungsfällen. Da für die Aufnahme solcher Ermittlungen nicht einmal Anhaltspunkte für eine konkrete Planung vorliegen müssen, wären polizeistaatlicher Willkür Tür und Tor geöffnet. Hierfür ist womöglich eine Verfassungsänderung erforderlich. Schily will auch dafür sorgen, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes und der 16 Länder effektiver zusammenarbeiten. Insbesondere soll die Kooperation zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den entsprechenden Landesämtern verbessert werden, und zwar durch ein Weisungsrecht des Bundesamtes gegenüber den dann nachgeordneten Landesbehörden. Ein Zugeständnis an die Länder, denn anfangs hatte Berlin geplant, den Verfassungsschutz vollständig zu zentralisieren.

 

Mit Kundgebungen in mehr als 140 Städten haben sich die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV zu einer Art Massenbewegung ausgewachsen. Die Kundgebungen werfen ein interessantes Licht auf den maroden Zustand der bundesrepublikanischen Linken (Vorsicht, vergröberte Darstellung!). Hauptantriebskraft der Demonstrationen ist in vielen Städten die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands MLPD bzw. deren Vorfeld- und Tarnorganisationen. Gegen den Versuch der MLPD, die Kundgebungen zu dominieren und für ihre eigenen politischen Zwecke umzufunktionieren, stemmen sich Antifanten und die anarcho-syndikalistischen Genossen von der FAU. Einer der Hauptkritikpunkte ist die Verwendung der Parole „Wir sind das Volk“ durch die MLPD, die darauf hindeutet, dass hier letztlich in nationalen Kategorien gedacht wird. Die Kritiker des „Sozialismus in einem Land“ sollten einmal die Begriffskombination aus „revolutionäres Subjekt“ und „Realismus“ durchdenken, anstatt dem liberalen Internationalismus zu frönen und streckenweise in einen an die Adenauer-Zeit erinnernden Antikommunismus zu verfallen. Angemerkt sei noch, dass schon Urvater Marx „Volk“ als Sammelbegriff für die unterdrückten Klassen definierte. Die antinationale Fraktion, die anscheinend gleich aus dem Stand die Weltrevolution und die staatslose Gesellschaft zu erreichen gedenkt, steht auch der dritten Strömung im Bunde, einer fragwürdigen, reformistischen Allianz aus von Sozialdemokraten unterwanderten Gruppierungen wie Attac und Wahlalternative sowie der PDS, ablehnend gegenüber. In der Tat ist Attac zumindest in Teilen nicht gerade für eine fundamentaloppositionelle Systemkritik bekannt, und die Teilnahme der PDS ist angesichts der Tatsache, dass sie in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Hartz IV gehorsam umsetzt, geradezu eine Frechheit. Den Beobachter beschleicht der Eindruck, den diversen Linksgruppierungen sind ihre Grabenkämpfe wichtiger als das eigentliche Anliegen, nämlich der Sturz Schröders und die Rücknahme von Hartz IV. In diesem Zustand fällt die bundesrepublikanische Linke als revolutionäre Kraft aus, und zwar durch effektive Selbstbehinderung.

 

Im Kampf um einen gesetzlichen Mindestlohn sieht Harald Werner, gewerkschaftspolitischer Sprecher der PDS, ein entscheidendes Mittel zur Entschärfung sämtlicher Hartz-Gesetze: „Vielen der geplanten Maßnahmen würde ihre Spitze genommen, wenn Lohndumping gesetzlich unterbunden würde. Wichtigste Voraussetzung ist jedoch, dass sich das Gesetz an den Normen der EU orientiert und keine Festschreibung von Armutslöhnen mit sich bringt, wie es offensichtlich SPD und Grüne beabsichtigen. Die Proteste gegen Hartz IV werden ihr Ziel nur erreichen, wenn sie die grundlegende Ablehnung des Gesetzes mit konkreten Forderungen nach einer radikalen Revision verbinden. Eine der wichtigsten Forderungen ist dabei die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, weil er die Zumutbarkeitsbedingungen entschärft, Armutslöhne verhindert und dem beabsichtigen Lohndumping entgegenwirkt. Nicht zuletzt der heftige Widerstand von Arbeitgebern und neoliberalen Ökonomen verrät, wie sehr die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn auf das Kernstück der Hartz-Reformen zielt. Daran ändere auch die Absicht von Rot-Grün zur Einführung eines Mindestlohnes nichts. Die von ihnen in die Diskussion gebrachte Höhe des Mindestentgelts deutet eher auf ein Ablenkungsmanöver, als auf denn auf eine Besserstellung hin. Ihr Spiel ist freilich gefährlich, denn wenn es zu einer wirklichen Bewegung für den Mindestlohn kommt, werden die Betroffenen zu rechnen beginnen und das Angebot von Rot-Grün mit der Praxis anderer EU-Länder und auch den Normen der Sozialcharta vergleichen. Nach dieser darf ein gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland nicht unter 1.400 Euro liegen. In vergleichbaren Ländern wie in Frankreich, den Niederlanden, Luxemburg oder Großbritannien werden monatliche Mindestlöhne zwischen 1.124 und 1.290 Euro gezahlt. Die PDS-Bundestagsfraktion hatte bereits vor der letzten Bundestagswahl einen entsprechenden Antrag ins Parlament eingebracht und neben einer europagerechten Höhe auch noch weitere Forderungen erhoben. So muss der Mindestlohn jährlich an die Tariferhöhungen angeglichen werden, um die Entkopplung von der gewerkschaftlichen Tarifpolitik zu vermeiden und die Gewerkschaften müssen das Verbandsklagerecht erhalten, um eigenständig die Unterschreitung des
Mindestlohnes gerichtlich zu verhindern
.“

 

Jeder 15. Jugendliche hat keinen Schulabschluss, und die Zahl der Schulabbrecher steigt sogar. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung in elf Kommunen zeigt, dass der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss von durchschnittlich 6,7 % (2002) auf 7,6 % (2003) gestiegen ist. Noch gravierender sind die Zahlen bei den aus¬ländischen Jugendlichen. Die Quote ausländischer Schulabbrecher ist um 5,5 Prozentpunkte gestie¬gen: von durchschnittlich 17,1 % (2002) auf 22,6 % (2003). Damit startet ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen mit schlechten Zukunftschancen in das Berufsleben. Ein wachsender Anteil an Schulabbrechern führt logischerweise zu höheren Quoten bei Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenhilfe. Noch deutlicher wird der Handlungsbedarf angesichts des Mangels an Ausbildungsplätzen und der ohnehin hohen Arbeitslosigkeit. Wichtig ist nach Meinung der Bertelsmann Stiftung, die Bildungsangebote innerhalb und außerhalb der Schulen zu vernetzen. Ein wesentlicher Ansatzpunkt bei ausländischen Jugendli¬chen ist die Sprachförderung, denn ihre Bildungsbenachteiligung ist in erster Linie in man¬gelnden Sprachkenntnissen begründet.

 

Alljährlich laden die Heinz-Nixdorf-Stiftung und die Bertelsmann-Stiftung in der politischen Sommerpause einige Dutzend ausgewählte Nachwuchsführungskräfte zur Sommerakademie. Hierunter ist eine einwöchige Klausurtagung im abgeschiedenen oberbayerischen Kloster Seeon (sic!) zu verstehen. Die aus der BRD und aus dem europäischen Ausland stammenden handverlesenen Teilnehmer meditieren hier in „wiederholter disziplinierter und geduldiger Übung“ gemeinsam über „Strategien für das zukünftige Europa“. Schwerpunktthemen 2004 sind Europas Ordnung, Wirtschaft und Finanzen und Sicherheit - also Strategien für die politische Absicherung des kapitalistischen Systems, die Profitmöglichkeiten für seine Nutznießer und die gewaltsame Wahrung der EU-Wirtschaftsinteressen auf aller Welt. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt durch so genannte Mentoren, und deren Zusammensetzung besagt eigentlich alles: Die Europäische Union ist ein bis zum Erbrechen kapitalistisches Projekt der Großkonzerne, korrumpierter Politiker und sozialreaktionärer Mediengruppen. Unter anderem finden sich hier Stefan Baron (Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“), Werner Bauer (Vorstandsmitglied des in die Finanzierung der kolumbianischen AUC-Todesschwadronen verwickelten Nestlé-Konzerns), Burckhard Bergmann (Vorstandsvorsitzender des Erdgasmonopolisten Ruhrgas), Elmar Brok (CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments und geistiger Mitvater der erzkapitalistischen EU-Verfassung), Hugo Bütler (Chefredakteur der „Neuen Züricher Zeitung“), Rocco Buttiglione (EU-Justizkommissar und Berlusconi-Freund), Wolfgang Clement (SPD, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), Hans Eichel (SPD, Bundesfinanzminister), Thomas Enders (EADS-Konzern), Joseph Fischer (Grüne, Bundesaußenminister), Sigmund Gottlieb (Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks und Unterzeichner einer Solidaritätserklärung für Michel Friedman, den Nutznießer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung), Christoph Keese (Chefredakteur „Financial Times Deutschland“), Matthias Kleinert (Direktorium DaimlerChrysler AG), Roland Koch (CDU, hessischer Ministerpräsident), Manfred Krüper (Vorstand E.ON AG, Atomstromlieferant), Dietmar Kuhnt (Vorstandsvorsitzender RWE AG), Hans Langendörfer (Generalsekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Societas Jesu), Klaus Liesen (Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen, des Allianz-Versicherungskonzerns und der E.ON AG), Angela Merkel (CDU-Parteichefin), Friedrich Merz (sozialreaktionärer Hardliner der CDU), Klaus-Peter Müller (Vorstandssprecher Commerzbank), Franz Müntefering (SPD-Fraktionsvorsitzender), Matthias Naß (Vizechefredakteur der „ZEIT“, Atlantikbrücke), Günther Nonnenmacher (Herausgeber FAZ), Thomas Osterkorn (Chefredakteur des STERN), Helmut Panke (Vorstand BMW), Jan-Eric Peters (Chefredakteur der „Welt“), Heinrich von Pierer (Vorstandsvorsitzender Siemens), Bernd Pischetsrieder (Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns, derzeit im Klassenkampf von oben gegen die Gewerkschaften stehend), Fritz Pleitgen (ARD-Vorsitzender, WDR-Intendant und bekennender Freimaurer), Romano Prodi (Präsident der EU-Kommission), Dieter Rampfl (Vorstandssprecher HypoVereinsbank), Kai-Uwe Ricke (Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom), Harry Roels (Vorstandsvorsitzender RWE), Dr. Michael Rogowski (BDI-Präsident, fordert derzeit die Alleinfinanzierung der Sozialsysteme durch die Lohnarbeitenden), Gerhard Schröder (SPD, Bundeskanzler), Dieter Schulte (DGB-Bundesvorstand), Gerd Schulte-Hillen (Vorstandsvorsitzender Gruner & Jahr), Henning Schulte-Noelle (Vorstandsvorsitzender Allianz AG), Michael Sommer (DGB-Bundesvorsitzender), Ron Sommer (Aufsichtsrat Motorola), Jürgen Strube (Vorstandsvorsitzender BASF AG), Peter Struck (Verteidigungsminister), Wolfgang Thierse (SPD, Bundestagspräsident), Norbert Walter (Chefvolkswirt Deutsche Bank), Klaus Zumwinkel (Vorstandsvorsitzender Deutsche Post AG), Bernd Ziesemer (Chefredakteur „Handelsblatt“). Willkommen im vereinten Europa!

 

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat bestätigt: Von den 2,3 Millionen Arbeitslosenhaushalten zum Jahresbeginn 2003 besitzen nur wenige (6 %) so viel Geld, dass sie nicht mehr unter die Freibetragsregelung von Hartz IV fallen. Vordergründig eine gute Nachricht. Der Umkehrschluss lautet jedoch, dass 70 % der Erwerbslosenhaushalte Vermögenswerte von durchschnittlich 23.000 Euro besitzen (im Osten verfügen 80 % über 12.200 Euro). Nun heißt es aber nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung, das durchschnittliche Haushaltsvermögen habe bereits im Jahre 1998 110.000 Euro betragen - die ungleichmäßige Vermögensverteilung verzerrt die Statistiken. Dem Armutsbericht 2001 zufolge besitzen (Zahlen von 1998) die unteren 50 % aller bundesrepublikanischen Haushalte lediglich 4,5 % der Vermögenswerte, während beispielsweise die reichsten 10 % über 42 % des Vermögens verfügen (neue Länder 48 %). Nennenswertes Wohneigentum besitzen nur 9 % aller westdeutschen und 3 % der ostdeutschen Erwerbslosenhaushalte.

 

Dem MLPD-Zentralorgan „Rote Fahne“ vom 26.08.04 entnehmen wir Interessantes zur Arbeitslosigkeit: „Denn tatsächlich ist die Arbeitslosigkeit noch weit höher. Sie stieg von 5,5 Millionen 1991 auf inzwischen 8,3 Millionen. Die Regierung tut alles, um diese Realitäten zu vernebeln. So ging nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von Mai 2003 bis Mai 2004 um 518000 zurück, während die Beschäftigung in diesem Zeitraum "nur" um 100000 fiel. "Die Differenz muss demnach durch den Zuwachs von nicht sozialversicherungspflichtigen Jobs ausgeglichen worden sein", folgert die "Financial Times Deutschland" am 18.8. Zurzeit haben 7,6 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einen Minijob. 142000 Menschen bekommen Zuschüsse für eine "Ich-AG" usw. Diese ganzen neuen "Arbeitsbeschaffungsinstrumente", die mit Schröders "Agenda 2010" auf den Markt gebracht wurden, beschaffen keineswegs reguläre Arbeitsplätze, sondern Jobs auf Zeit, die nicht sozialversichert sind und oft mit Hungerlöhnen bezahlt werden. (...) Die Hartz-Gesetze sind - glaubt man der Bundesregierung - eine entscheidende Maßnahme zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit. Denn durch den Druck, der damit auf Langzeitarbeitslose ausgeübt werde, würden sie motiviert, Arbeit anzunehmen. Das versteht Schröder unter "fordern". Was er mit "fördern" meint? Allenfalls die Förderung eines Niedriglohnsektors. Die "Reform" sieht vor, dass jeder arbeitsfähige Langzeit arbeitslose gezwungen wird, an jedem Ort jeden Job anzunehmen - für bis zu 30 Prozent unter Tariflohn bzw. dem ortsüblichen Entgelt allerdings. Die Propaganda: Billige Arbeitskräfte finden auch eine Anstellung. Und je billiger die Arbeitskräfte sind, umso mehr Arbeitsplätze gibt es. Die Realität: Mit Niedriglohn soll Druck auf die Löhne ausgeübt und eine allgemeine Lohnsenkung erreicht werden. Diese Richtung geben die Monopole vor. Aktuell setzt sich z.B. der Namensgeber der Hartz-Gesetze, Peter Hartz, Personalvorstand der Volkswagen AG, an die Spitze eines neuen Angriffs auf die Löhne. Er fordert bei VW unter anderem "Nullrunden" für die nächsten zwei Jahre. Dagegen muss die gewerkschaftliche Kampfkraft zur Durchsetzung der Lohnforderung von 4 Prozent voll entfaltet und die Solidarität in den anderen Betrieben organisiert werden. Das Lohnniveau ist nicht die Ursache für die rasante Arbeitsplatzvernichtung. Der Nettorealverdienst in Deutschland ist seit Anfang der 90er Jahre in der Tendenz rückläufig - gleichzeitig steigt die Massenarbeitslosigkeit. In Ostdeutschland ist real mindestens jeder Dritte ohne reguläre Arbeit - Ergebnis zu hoher Löhne? Oder gibt es etwa in Polen - mit 18,9 Prozent offizieller Arbeitslosigkeit - zu hohe Löhne? Die Hauptursache der steigenden Massenarbeitslosigkeit ist die sprunghafte Steigerung der Ausbeutung der Arbeiter. So verdoppelte sich der Umsatz je Industriearbeiter von 167800 Euro 1991 auf 355 441 Euro im Jahr 2003. In der gleichen Zeit wurden 2,346 Arbeitsplätze in der Industrie vernichtet. Diese gewaltig steigende Produktivität macht immer mehr Arbeitskräfte überflüssig, da die Produktion nicht im gleichen Maß wie die Produktivität ausgeweitet werden kann. Schon jetzt gibt es riesige Überkapazitäten, überschwemmen Waren die Märkte, die keine Abnehmer finden. Und doch kann sich kein Unternehmen dem allgemeinen Takt entziehen, dass nur derjenige, der durch eine weltmarktbeherrschende Stellung Maximalprofit einfährt, in der Konkurrenz bestehen kann. Jede Gesetzgebung, die Arbeit zu Niedriglöhnen, ohne Kündigungsschutz, in vollständiger Flexibilität fördert, erweitert die Manövriermasse der Monopole, erleichtert weitere Investitionen, die mit Arbeitsplatzvernichtung einhergehen. Sie verschafft den internationalen Übermonopolen mehr Kapital für ihren Raubzug um die ganze Welt. Unter den Bedingungen des Kapitalismus wendet sich die Entwicklung der Produktivkräfte gegen die Lebensinteressen der Masse der Bevölkerung. Riesiger Reichtum auf der einen Seite führt zur zunehmenden Verelendung derer, die diesen Reichtum schaffen. Grundsätzlich wird sich dieses Problem nur lösen lassen, wenn die gesellschaftliche Produktion dem Diktat der Monopole entrissen ist und dem Diktat der arbeitenden Massen unterstellt wird. Mit der heute entwickelten Produktion auf höchster Stufenleiter sind alle materiellen Voraussetzungen gegeben, jedem Arbeitsfähigen einen Arbeitsplatz zu geben mit einer gesellschaftlich notwendigen und möglichen Arbeitszeitregelung, Vergütung und Arbeitsbedingungen. Und dies im Zusammenhang mit einer Produktion, die sich am Maßstab der stets wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Massen orientiert. Das wird im echten Sozialismus der Fall sein.“

 

Jeder achte Einwohner der USA lebt einer Statistik der amerikanischen Zensusbehörde zufolge in Armut. Demnach stieg die Zahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, im vergangenen Jahr um 1,3 Millionen auf 35,9 Millionen. Dies entspricht einer Zunahme um 0,4 Punkte auf 12,5 %. Es war das dritte Jahr in Folge, dass die Armut in den USA zunahm und die höchste Armutsrate seit 1998, als die Quote bei 12,7 % lag. Die Armutsschwelle wird in der Statistik bei einem Jahreseinkommen von 18.810 Dollar (15.545 Euro) für eine vierköpfige Familie und von 9393 Dollar (7762,80 Euro) für eine allein stehende Person angesetzt. Von den in den USA lebenden Kindern musste im vergangenen Jahr sogar mehr als jedes Sechste der Statistik zufolge in Armut leben. Die Zahl nahm um rund 800.000 auf 12,9 Millionen oder um 0,9 Punkte auf 17,6 % zu. Die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung stieg um 1,4 Millionen auf 45,0 Millionen beziehungsweise um 0,4 Punkte auf 15,6 %.

 

Kuba hat die diplomatischen Beziehungen zu Panamá abgebrochen. Die Regierung in La Habana reagierte damit auf die Begnadigung von vier exilkubanischen Terroristen in Panamá. Die in wenigen Tagen aus dem Amt scheidende panamesische Präsidentin Mireya Moscoso hatte zuvor vier wegen eines geplanten Attentats auf Kubas Staatschef Fidel Castro verurteilte Exilkubaner begnadigt, und zwar auf Bestellung aus Washington. Moscoso, die am 1. September ihr Amt an Martin Torrijos abgibt, sagte auf einer Pressekonferenz, mit der Begnadigung wolle sie eine mögliche Auslieferung der Delinquenten durch eine künftige Regierung verhindern. Die vier Männer, unter ihnen der in den vergangenen Jahrzehnten mit zahlreichen Anschlägen gegen Kuba in Verbindung gebrachte CIA-Veteran Luis Posada Carriles (76), haben Panamá bereits verlassen. Die Exilkubaner waren im November 2000 in Panamá-Stadt festgenommen worden, als sich Castro dort wegen eines Iberoamerika-Gipfels aufhielt. Im April dieses Jahres wurden sie zu Haftstrafen zwischen vier und acht Jahren verurteilt. Die bevorstehende Begnadigung der vier Männer hatte in den vergangenen Tagen zu einer diplomatischen Krise zwischen Kuba und Panamá geführt. Am Mittwoch hatte Panamá den kubanischen Botschafter ausgewiesen und den eigenen Botschafter in La Habana zurückbeordert. Der jetzt freigelassene Posada Carriles ist einer der ausdauerndsten Castro-Gegner. Er war schon 1961 bei der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht dabei. Gemeinsam mit dem Exilkubaner Orlando Bosch soll er außerdem eine Bombe platziert haben, die 1976 an Bord einer kubanischen Verkehrsmaschine kurz nach dem Start von der Karibikinsel Barbados explodierte. Alle 73 Insassen kamen ums Leben.

 

In der Republik Irland sitzen deutlich mehr Hardliner der republikanischen Bewegung ein als in ihrem traditionellen Schlachtfeld Nordirland. Nachdem die IRA sich zusehends auf eine politische Lösung des Konfliktes orientierte, kam es zu mehreren Abspaltungen, und die Continuity IRA und die Real IRA setzen den bewaffneten Kampf gegen die britische Fremdherrschaft in Nordirland - mehr oder weniger erfolglos - fort. Während südlich der irischen Demarkationslinie 67 Kriegsgefangene, gehörend zu 4 verschiedenen republikanischen Fraktionen, vor allem in Portlaoise und Castlerea einsitzen, weisen die letzten Statistiken für Nordirland nur 28 republikanische Häftlinge (vorwiegend in Maghaberry) aus, die bis auf 2 zur CIRA oder RIRA gehören. Demgegenüber sitzen derzeit im Norden 44 loyalistische Paramilitärs ein. Im Hochsicherheitsknast von Portlaoise befinden sich 10 Aktivisten der Continuity IRA sowie zwei verfeindete Fraktionen der Real IRA: 18 Gefangene unter der Führung von Liam Campbell und 11, die nach wie vor dem ehemaligen RIRA-Generalquartiermeister Michael McKevitt folgen. Hinzu kommen weitere 7 republikanische Insassen, die sich keiner der Fraktionen angeschlossen haben. In Castlerea sitzen unter erleichterten Haftbedingungen 11 Angehörige der Provisional IRA ein, darunter die Mörder des Polizeibeamten Jerry McCabe und 5 Aktivisten der Brigade Dublin, die für eine Reihe von bewaffneten Raubüberfällen im Knast landeten. Ferner warten hier zwei Angehörige der Irish National Liberation Army INLA, darunter der legendäre Border Fox Dessie O´Hare, auf ihre Freilassung nach den Regelungen des Karfreitagsabkommens.

 

Am Freitag trafen in Berlin 4.500 Mitarbeiter und Gäste des Rationalisierers McKinsey auf ein knappes Hundert Gegner von Hartz IV, die ihrerseits von mehr als 500 Polizisten begleitet wurden. Die protzige Inszenierung des Firmenjubiläums von McKinsey ist aber nicht nur ein Stein des Anstoßes, in dieser Stadt mit ihrer wachsenden Armut, sie gibt auch Denkanstöße und wirft ein erhellendes Licht auf Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft, meinte Harald Werner, Mitglied des PDS-Parteivorstandes. „Manches an diesem spektakulären Fest gibt zu denken. Da wäre zunächst einmal die Selbstverständlichkeit, mit der der Milliarden schwere Rationalisierungskonzern und seine Spitzenverdiener den öffentlichen Raum besetzten, um Glanz und Erfolg der neoliberalen Eingreiftruppe zu feiern. Ob Brandenburger Tor, Staatsoper, Humboldt Uni oder Palast der Republik - alles McKinsey-Land. Kein abgeschirmter Festsaal, sondern die gute Stube Berlins war gerade gut genug, um auf den Linden flanierend hier ein Schlückchen Sekt oder da ein Hummerbeinchen zu goutieren, die Armani-Garderobe auszuführen und die Privatisierung öffentlicher Güter einmal von der angenehmen Seite zu genießen. Man fühlt sich in feudale Zeiten zurück versetzt und möchte sich beinahe wünschen, dass das Millionenheer der Arbeitslosen demnächst auf die gleiche Weise die privaten Refugien der Bestverdienenden heimsucht. Das wäre ein Fest, wenn plötzlich allen alles gehört. So aber gehörten Oper und Humboldt Uni zunächst einmal McKinsey. Natürlich kostenfrei, von wegen Sponsoring, denn immerhin verdient McKinsey Millionen an der Durchrationalisierung öffentlicher Einrichtungen - gerade auch in Berlin. Und dann diese wunderbare Symbolik: Gibt es eine treffendere Metapher für den Siegeszug der kapitalistischen Modernisierung, als wenn die neoliberale Elite durch die Ruinen des Palast der Republik schlendert?
Muss man den vereinzelten und vom übermächtigen Polizeischutz hoffnungslos abgeschirmten Hartz-Gegnern nicht dankbar sein, dass sie ihrerseits ein ganz anderes Symbol setzten? Ist es nicht überaus symbolträchtig, wenn hierzulande Obdachlose mit Polizeigewalt aus den Bahnhöfen vertrieben werden, während der öffentliche Raum der Spaßgesellschaft immer mehr zur Kulisse umfunktioniert wird, in der der bessere Teil der Gesellschaft seine Events inszeniert? Nun gut, schon bald wird dieser Raum wieder der Montagsdemo gehören und noch koexistieren diese widersprüchlichen Realitäten - hier der selbstgefällige Reichtum der Modernisierungsgewinner, dort der soziale Protest der Verlierer. Aber wie viel Widersprüche verträgt diese Gesellschaft, und wie lange noch? Wer sich fragt, woher der Triebkraft der Montagsdemos kommt, der wird nicht nur Hartz IV studieren müssen, sondern muss genau diese Gegensätze ins Auge fassen: Das Nebeneinander von Sozialkürzungen und öffentlicher Wohlstandsdemonstration ist nicht nur sozial unverträglich, es ist eine soziale Demütigung, die nicht ohne Folgen bleiben wird. Vielleicht Folgen, die sich niemand von uns wünschen mag
.“ Wir schon.

 

Die Serie der durch die angeblich in Demobilisierung befindlichen kolumbianischen Paramilitärs verübten Morde reißt nicht ab. Nunmehr richtete eine Todesschwadron der u.a. von Nestlé und Coca Cola finanzierten AUC keinen Geringeren als Jorge Eliecer Valencia, den Vorsitzendes des Gewerkschaftsdachverbandes CUT, in Tulua hin. Man stelle sich vor, irgendwer würde den DGB-Bundesvorsitzenden erschießen, dann hat man die Dimension des Verbrechens. Nach Angaben der CUT wurden in den vergangenen vier Jahren mehr als 570 Gewerkschafter in Kolumbien getötet. Erst Anfang August waren in dem südamerikanischen Land drei ranghohe Gewerkschafter getötet worden. Nach Armeeangaben wurden sie im Kampf getötet, als sie in Begleitung von Guerilleros des Nationalen Befreiungsheers ELN waren. Augenzeugen zufolge wurden die Gewerkschafter dagegen schlichtweg von Regierungssoldaten hingerichtet. Bei den Getöteten handelte es sich um den CUT-Schatzmeister Leonel Goyeneche, einen örtlichen Chef der Gewerkschaft der Krankenhausangestellten Anthoc, Jorge Prieto, und den Vorsitzenden einer Bauernvereinigung in Arauca, Hector Martínez. Gewerkschaftsvertreter hatten der Regierung nach dem Vorfall die systematische Verfolgung von Gewerkschaftern vorgeworfen. Die Regierung versprach nach internationaler Kritik eine umfassende Untersuchung, welche jedoch bisher ohne Ergebnisse blieb. Die Menschenrechtlerin Lilia Solano, Leiterin der nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisation Proyecto Justicia y Vida, hat telefonische Morddrohungen erhalten, nachdem sie im kolumbianischen Parlament eine Protestaktion gegen mutmaßliche Pläne der Regierung, den von der Armee unterstützten paramilitärischen Gruppierungen Immunität vor Strafverfolgung zu gewähren, durchgeführt hatte. amnesty international befürchtet nicht zu Unrecht, dass ihr Leben in Gefahr ist.

 

Der “Neusser Monat” vom 21. August 2004 setzte sich mit der „Bewegung der radikalisierten Sozialarbeiter“ auseinander: „In vielen Städten und Gemeinden sprießen „Umsonst-Kampagnen“ aus dem Boden. Voraussichtlich werden diese zum absoluten Renner innerhalb der linken Gemeinden zum Ende des Jahres 2004. Grund genug, sich einmal näher mit diesem Phänomen zu beschäftigen.
Bundesweit werden im linken Lager „Umsonst-Kampagnen“ gestartet oder „Aneignungsbewegungen“ initiiert, deren Anliegen es ist aufzuzeigen, „dass bestimmte menschliche Bedürfnisse zum Leben dazugehören und daher für jeden erfüllbar sein müssen.“ Sehr bescheiden mutet das Anliegen der Sozialrevolutionäre an, bekommt aber durch die Art und Weise der Durchsetzung und den internationalen Touch so etwas wie eine neue, weltumspannende Strategie des Klassenkampfes: „So sind ‚Aneignungsbewegungen’ unterschiedlicher Art weltweit zu beobachten, sei es in Venezuela oder in Chiapas, in Argentinien oder Brasilien, Indien, Hamburg oder Berlin.“ Der bloße Hinweis auf eine Bewegung ohne eine Untersuchung der Ursachen und Folgen legitimiert das eigene politische Tun, weil alles irgendwie unter dem Begriff „Aneignung“ zu subsumieren ist. Dass die Fabrikbesetzer in Argentinien (...) in die kapitalistische Konkurrenz eintreten, die Landlosen in Brasilien, wenn sie Felder besetzt haben, mit den Großgrundbesitzern und deren Maschinenpark mithalten müssen - denn erst auf dem Markt, wo sich die Konkurrenzsubjekte als Gleiche gegenübertreten, erweist sich, ob sich die Produktion überhaupt gelohnt hat - interessiert die Begutachter weniger in der Hinsicht, ob der Aufstand sich gelohnt hat, sondern vielmehr, dass ein Lernprozess stattgefunden haben könnte. (...)
Seit über 150 Jahren schlagen sich Linke mit dem Problem herum, dass das auserkorene Subjekt der Revolution, das Proletariat, von jener offenbar nichts wissen will. Anstatt den Grund für die Bindungen des Lohnarbeiters an das sie schädigende System zu untersuchen und in der Agitation die schlechten Gründe für das Festhalten am Lohnarbeiterdasein zu kritisieren, versucht ein Teil der Linken, dem vermeintlich revolutionären Subjekt als Wegweiser seines Glücks zu dienen.
Bei der ständigen Suche nach Ansatzpunkten, um sich dem gemeinen Volke anzubiedern, trifft man auf das Phänomen, dass der eine oder andere Volksgenosse mit seiner Knete vorne und hinten nicht zurechtkommt. Die Beobachtung, dass überall geklaut und betrogen wird, gilt nun als möglicher Berührungspunkt mit der Perspektive der Aufhebung der kritisierten gesellschaftlichen Verhältnisse, denn „politisch subversiv werden diese Formen der Aneignung … durch den Übergang von der individuellen zur kollektiven Aneignung …“ Die neue linke Bewegung verhilft so dem vermeintlichen Bedürfnis nach Aneignung gesellschaftlichen Reichtums auf die Sprünge, indem sie es einfach vormacht. Kollektiv fährt man „schwarz“ mit öffentlichen Verkehrsmitteln, geht „bargeldlos“ einkaufen, pfuscht sich durch die Hintertür in kulturelle Veranstaltungen. Die öffentliche Reaktion geht über die Duldung linken Spinnertums, über verständnisloses Kopfschütteln bis hin zur Kriminalisierung. Die Beachtung der Aktionen - wie sie auch immer ausfällt - wird von den Aktivisten in jedem Falle positiv bewertet. Erstere Reaktion wird als verhaltene Zustimmung betrachtet, letztere getreu dem Motto des alten chinesischen Revolutionärs: „Wenn der Feind uns bekämpft ist das gut und nicht schlecht“ als Bestätigung der Gegenseite interpretiert, dass die Aktionen an den Grundfesten der Gesellschaft rütteln.
Selbstzufrieden kann die linke Gemeinde nach erfolgreicher Aktion der Einbildung frönen, einen kleinen Schritt in Richtung Veränderung - was auch immer das sein mag - getan zu haben. Dabei sind Klauen und Betrügen, ob individuell oder kollektiv, Wesensmerkmale einer kapitalistischen Konkurrenz, die dem Umstand geschuldet ist, dass der ökonomisch Unterlegene trotzdem auf seine Kosten kommen will. Daraus eine Strategie zur Veränderung der Gesellschaft zu entwickeln ist eine Kunst, die den Formulierungskünsten von linken Soziologen, Politologen und Sozialwissenschaftlern vorbehalten bleibt.
Die Notwendigkeit, eine neue Strategie des Klassenkampfes zu entwickeln, wird aus der veränderten weltpolitischen und ökonomischen Lage begründet, die durch Neoliberalismus und die in Folge grundlegende Transformation des Staates gekennzeichnet ist. „Seine Funktion als Ordnungs- und Wettbewerbshüter treten deutlicher zu Tage, seine sozialpolitischen Funktionen werden zurück gedrängt.“, heißt es bei der Vorbereitungsgruppe zum buko-Kongress. Einerseits erhält die alte Ordnung den sozialpolitischen Heiligenschein, schließlich sei es der auf die Versorgung der Bevölkerung angekommen, und die neue Ordnung lasse dies vermissen. Die Funktion von Sozialpolitik im Kapitalismus, ein funktionsfähiges Proletariat zu erhalten, wird nicht benannt oder einfach ignoriert. Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren so einiges verändert. Aber diese Veränderungen entsprechen genau den „sozialpolitischen Funktionen“ des Staates: Immer weniger Arbeitskräfte werden für eine immer produktivere Ökonomie vernutzt. Für eine ordentliche Mehrwertproduktion müssen diese immer mehr und intensiver arbeiten. Gleichzeitig wird der Kostenaufwand für den überflüssigen Rest der Arbeitsmannschaft drastisch reduziert. Dies wirkt einerseits erpresserisch auf die Betroffenen, denn sie sind gezwungen, zu jedem Preis eine Arbeit anzunehmen. Andererseits werden diejenigen, die noch Arbeit haben, durch die industrielle Reservearmee derart unter Druck gesetzt, dass sie - zwar mit einigem Murren - jeder Arbeitszeitverlängerung und Lohnkürzung zustimmen.
Die Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Veränderungen und die Verklärung der alten Verhältnisse sind Wesensmerkmale der neuen linken Bewegung. Inhaltlich fordert sie nicht mehr, als die Sozialhilfe ihrem Anspruch nach bislang und auch in Zukunft gewährleistet: „Der notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehören in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben.“ Wie schön passen doch die Forderungen der zu Beginn des Textes erwähnten Dresdner Umsonst-Gruppe mit den Formulierungen der staatlichen Sozialgesetzgebung überein! Nur das Outfit und das radikale Auftreten unterscheiden die linken Aktivisten vom engagierten Sozialarbeiter
.“

Lagefeststellung - Beurteilung der Situation - Möglichkeiten des Handelns - Entschluss - Umsetzung - Kontrolle

 

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