Wochenschau
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Die politische Wochenschau
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Zitat der Woche: |
"Wer
da fühlt, dass er in seinem innersten Wesen mit anderen außer
Vergleich ist, der will sein eigener Gesetzgeber sein. Denn eins
ist vonnöten: seinem Charakter Stil geben." |
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Georg Brandes |
Die Parlamentswahlen in der Schweiz endeten mit einer erheblichen Erschütterung des seit Ende der 50er Jahre geltenden Regierungskonsenses. Die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei SVP legte unter Führung der Fraktion um den reaktionären Züricher Milliardär Christoph Blocher auf 27,7 % und 55 Abgeordnete zu und etablierte sich endgültig als stärkste Partei. Die Zugewinne erfolgten vor allem auf Kosten der anderen bürgerlichen Parteien und sind auf teilweise radikale Agitation gegen Zuwanderung, EU, UNO und die „Versagerkoalition“ in Bern zurückzuführen. Erstmals trat die SVP als Demokratische Zentrumsunion in der frankophonen Westschweiz an und etablierte sich als gesamtschweizerische Partei. Die christdemokratische Christliche Volkspartei CVP fiel um 3 Prozentpunkte auf 12,9 % und 28 Mandate zurück, während die liberalen Freisinnigen um 3,9 Prozentpunkte auf 16 % und 34 Sitze absackten. Die Sozialdemokraten steigerten sich auf 24,2 % und 52 Abgeordnete, die Grünen kamen trotz Stimmverlusten mit 7,7 % auf 13 Mandate (+ 4). Unter den sonstigen Parteien ist die regionalistische Lega die Ticinesi im italienischsprachigen Tessin zu erwähnen, die allerdings mit 9,7 Prozentpunkten mehr als die Hälfte ihrer Wählerschaft verlor und nurmehr mit 8 % und 1 Sitz im Parlament vertreten ist. Die SVP, seit 1999 stimmstärkste Partei in der Schweiz, eröffnete in der Folge den Angriff auf den seit 1959 geltenden Konsens, nachdem in der 7-köpfigen Regierung Sozialdemokraten, CVP und Freisinnige je 2 Vertreter und die selbst nur 1 entsendet. Blocher forderte unumwunden einen zweiten Sitz im Bundesrat, ansonsten werde die SVP kurzerhand in die Opposition gehen. Mit den in den letzten Jahren zusehends nach rechts abdriftenden Freisinnigen steht ihm ein potentieller Bündnispartner zur Seite, um die Konsensdemokratie auszuhebeln. Hinzu kommt die von ihm geführte Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz mit ihren 40.000 Mitgliedern als außerparlamentarische Kampftruppe. Das Schweizer Parlament setzt sich aus zwei gleichberechtigten Kammern zusammen: dem 200-köpfigen Nationalrat und dem 46-köpfigen Ständerat. Während im Nationalrat die Kantone entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sind, entsendet jeder Kanton je zwei Vertreter in den Ständerat.
Nach einer Serie erneuter Hausdurchsuchungen und der Verhaftung von 8 Aktivisten der baskischen Sprach- und Kulturbewegung (der Vorwand lautete wie üblich auf Unterstützung bzw. Mitgliedschaft in der Untergrundarmee ETA) demonstrierten in San Sebastián Zehntausende gegen den spanischen Zentralismus. Erstmals seit Jahren beteiligte sich mit den kommunistischen Arbeiterkommissionen CCOO auch die stärkste spanische Gewerkschaft wieder an einer Kundgebung der baskischen Nationalisten. Bereits am 8. Oktober führten die Spanier bei einer Razzia mit 34 Festnahmen eine Art Präventivhaft ein: Den Inhaftierten wird ohne jeden Beweis vorgeworfen, sie würden zum Rekrutierungsapparat der ETA gehören. Nach Anordnung aus Madrid sind übrigens mittlerweile auch Familienangehörige, Blutsverwandte und Freunde von echten oder mutmaßlichen Etarras automatisch der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtig, sofern sie mit den Inhaftierten in Briefkontakt treten - Sippenhaft in Reinkultur.
Im baskischen Parlament steht in Kürze die Debatte um den von der Regionalregierung vorgelegten Plan Ibarretxe an. Dieser Plan des gemäßigt nationalistischen baskischen Regierungschefs sieht ein Referendum über die Umwandlung des Baskenlandes in einen nur noch in Personalunion mit Spanien verbundenen Staat vor. Für den Fall seiner Umsetzung entschied das Parlament der baskischen Provinz Álava, sich vom Baskenland zu trennen. Der Beschluss wurde mit den Stimmen der spanisch-zentralistisch orientierten Konservativen und Sozialisten gefasst, während baskische Nationalisten und Kommunisten ablehnend votierten. Die ETA und die ihr nahe stehende Wahlplattform AuB lehnen den Plan Ibarretxe ab, weil er den Verzicht auf Navarra und die baskischen Departements in Frankreich bedeutet. Nach Umfragen billigen beinahe 65 % der baskischen Bevölkerung den Plan.
Der neue bolivianische Übergangspräsident Carlos Mesa, der nicht von ungefähr direkt nach seiner Amtsübernahme in Kontakt zur US-Botschaft trat, sicherte öffentlich zu, die ausländischen Investitionen in seinem Land schützen zu wollen. Darunter war vor allem eine Garantie für die Privatisierungen und die Direktinvestitionen zu verstehen. Hinsichtlich des derzeit auf Eis liegenden Gasgeschäftes, das den Export der größten Erdgasreserven Lateinamerikas durch ein internationales Konsortium in die USA und nach Mexiko vorsieht, strebt die neue Regierung lediglich nach höheren Abgaben. Zwar stellte Mesa die von der Opposition geforderte Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung in Aussicht, wies aber im gleichen Atemzug darauf hin, dass er nach der gültigen Verfassung bis zu den ordnungsgemäßen Wahlen im Jahr 2007 im Amt bleiben könne. Offensichtlich hat die außerparlamentarische Opposition lediglich bewirkt, dass der Gärtner durch den vielzitierten Bock ersetzt wurde. Die Allianz aus Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Indigénas veröffentlichte einen Forderungskatalog an Mesa: Annullierung der ruinösen Erdgaskonzession, Suspendierung und Überprüfung aller Privatisierungsmaßnahmen, ersatzlose Streichung des Landverkaufsgesetzes, Anerkennung des kommunalen Landeigentums der Indigénas, Widerstand gegen die von den USA betriebene panamerikanische Freihandelszone, Bestrafung der Verantwortlichen für die Massaker des „Gaskrieges“ zwischen der gestürzten Regierung und der außerparlamentarischen Koalition aus Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Indigénas und völlige Organisationsfreiheit für die linksnationalistische Volksbewegung. Für die Umsetzung der Forderungen hat die Regierung 3 Monate Zeit.
Dem Jahresbericht 2002 des Bundesgrenzschutzes entnehmen wir folgende Informationen: „Für die Bewältigung besonderer polizeilicher Lagen mit hohem Störerpotential ist die Unterstützung der Landespolizeien durch Einsatzverbände und Spezialverbände des Bundesgrenzschutzes unverzichtbar. Bei Großereignissen in 2002 (13 CASTOR-Transporte, Love-Parade in Berlin, zahlreiche Demonstrationen und Sportveranstaltungen) unterstützte der BGS die Landespolizeien in 180 Fällen mit 470.000 Personalstunden (2001: 448.700) und konnte mit konsequentem polizeilichem Handeln zu einem weitgehend störungsfreien Verlauf der Großeinsätze beitragen. (…) Unter dem Mandat der Vereinten Nationen (VN), der Europäischen Union (EU) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren in 2002 durchschnittlich 262 (2001: 201) Beamtinnen/Beamten des Bundesgrenzschutzes bei multinationalen Friedensmissionen in Krisengebieten im Ausland eingesetzt. Der Bundesgrenzschutz hat sich dabei durch hohes Engagement, Flexibilität und Qualität in der Aufgabenerfüllung national und internationale hohe Anerkennung erworben. In 2002 wurden wichtige Weichenstellungen für den Aufbau eines Zivilen Krisenmanagement (ZKM) der Staaten der Europäischen Union vorgenommen, zu dem der BGS ebenfalls seinen Beitrag leisten wird. Deutschland hat für das zivile Krisenmanagement ein Kontingent von bis zu 910 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten aus Bund und Ländern zugesagt. (…) In 2002 haben 40.441 Beschäftigte die umfangreichen und vielfältigen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes erfüllt. Seine Einsatzstärke betrug rund 30.000 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte. In Umsetzung der nach den Ereignissen vom 11. September 2001 beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus wurden in 2002 in einem ersten Schritt bereits 535 neue Dienstposten im Bereich der Luftsicherheit eingerichtet. Insgesamt sind 1.450 neue Dienstposten für Polizeivollzugsbeamte und 100 neue Dienstposten für IT-Personal zur Verstärkung der Luftsicherheit vorgesehen. Trotz der schwierigen Haushaltssituation standen dem Bundesgrenzschutz in 2002 über 106 Mio. Euro mehr an Haushaltsmitteln zur Verfügung als in 2001. In 2002 lagen die Ausgabemittel bei 1 812,4 Mio. Euro (2001: 1.706, 4 Mio. Euro) und stiegen damit um 5,8 % gegenüber dem Vorjahr. Auch in 2002 wurde die von Bundesinnenminister Otto Schily zur Verbesserung der Personal- und Planstellenstruktur im Polizeivollzugsdienst eingeleitete Offensive weitergeführt. Der Haushalt 2002 enthielt in allen Laufbahngruppen des Bundesgrenzschutzes zusammen 1.208 Hebungen von Planstellen, mit denen rund 3.200 Beförderungen ausgesprochen werden konnten. Rund 220 Mio. Euro hat der Bundesgrenzschutz im Jahre 2002 in Baumaßnahmen und Materialbeschaffungen investiert und damit die Einsatzfähigkeit des Bundesgrenzschutzes und die Arbeitsbedingungen seiner Beschäftigten weiter verbessert. Durch die Neubeschaffung von 880 neuen Kraftfahrzeugen und Anhängern verschiedner Ausführungen wurde die Fahrzeugflotte des Bundesgrenzschutzes verstärkt. Die Modernisierung der Hubschrauberflotte wurde durch die Beschaffung von drei weiteren Verbindungs- und Beobachtungshubschraubern des Typs 135 fortgesetzt. Alle drei sind mit Wärmebildgeräten, einem Hochleistungsscheinwerfer und einer Sanitätsversorgung ausgestattet, wodurch auch für dieses Hubschraubermuster das Einsatzspektrum erheblich erweitert ist. Das erste von drei hochseetüchtigen Patrouillenbooten ist seit Dezember 2002 in Dienst gestellt. Die Patrouillenboote kommen in den Küstengewässern und auf See zur Anwendung und begünstigen daher, nicht nur auch wegen hoher Verweilzeiten auf See, die enge nationale und internationale polizeiliche Zusammenarbeit. Zum besonderen persönlichen Schutz erhielten die neu eingerichteten sechs Entschärfergruppen des BGS eine komplette Spezialausstattung an Führungs- und Einsatzmitteln, wie z.B. Bombenschutzanzüge und Fernlenkmanipulationen für rund 7,1 Mio. Euro.“
Die Bundesregierung beabsichtigt, künftig die Ausbildungszeiten bei der Berechnung der Rentenhöhe nicht mehr zu berücksichtigen. Diese Kürzung wird schrittweise für alle Versicherten gelten, die ab 2005 in Rente gehen. Bislang wurden jedem Arbeitnehmer für seine Schul-, Fachhochschul- und Hochschulausbildung ab dem 17. Lebensjahr pauschal 3 Beitragsjahre angerechnet, obwohl keine Versicherungsbeiträge gezahlt werden. Zu diesem Vorhaben erklärte die stellvertretende PDS-Vorsitzende Katja Kipping: „Rot-Grün erweist sich einmal mehr als bildungsfeindlich. Das Vorhaben, schulische Ausbildungszeiten nicht bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen, läuft dem von der Bundesregierung verkündeten Anspruch, mehr für Bildung tun und eine höhere Zahl von Studierenden erreichen zu wollen, vollkommen zuwider. Neben der Tatsache, dass eine solche Entscheidung für die heute 40- oder 50jährigen Hochschulabsolventen von einst schlicht Rentenraub wäre, sehen sich junge Menschen, die über einen akademischen Berufsweg nachdenken, gleich mehrfach Hürden gegenüber: Studiengebühren drohen, die BaFöG-Rückzahlung nach dem Studium muss eingeplant und nun auch noch bedacht werden, ob sich das Ganze für die Alterssicherung rechnet. Keine attraktiven Voraussetzungen, um sich für eine längere schulische Ausbildung und ein Studium zu entscheiden. Angesichts der fatalen Lage auf dem Lehrstellenmarkt und der immer wieder verzögerten Entscheidung über eine Ausbildungsumlage stellt sich die Frage, welche Perspektive die Bundesregierung jungen Menschen bieten will. Einmal mehr erweist sich der rot-grüne Grundansatz für die Reformen als falsch. Wer einzig mit dem Kürzungsvorsatz an Reformen herangeht und jedes gesellschaftspolitische Konzept vermissen lässt, wird scheitern.“
Der politische Sinkflug der SPD hält weiter an: Dem ZDF-Politbarometer zufolge ist die Zustimmung zur Politik der Bundesregierung nach Verabschiedung der neuen Hartz-Gesetze im Bundestag von 27 % auf 22 % gefallen; bei den Rentnern fällt der Rückgang noch drastischer aus. Die Grüne sackten von 11 % auf 9 % ab, während die PDS auf 4 % zulegen konnte. Bei einem Nichteinzug der Sozialisten in den Bundestag hätten die Unionsparteien die absolute Mehrheit - vor welcher die vielzitierten Mächte des Schicksals uns bewahren mögen. Infratest-dimap ermittelte, dass 28 % der Bevölkerung die Verantwortung für die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise der BRD ganz richtig bei der Kohl-Administration sehen; nur 23 % machen die amtierende Bundesregierung verantwortlich. Bei der ZDF-Sonntagsfrage, die auch längerfristige Überzeugungen und Parteibindungen berücksichtigt, ist die SPD mit 29 % erstmals unter die 30-Prozent-Marke gefallen. Eine entsprechende Umfrage des Nachrichtensenders ntv sieht die Sozialdemokraten gerade noch bei 26 %. Forsa ermittelte gar nur einen potenziellen Stimmanteil von 25 % - der schlechteste Wert seit der Annexion der DDR. Bei der Einschätzung der 10 wichtigsten Politiker erhielten die Regierungsmitglieder den schlechtesten Durchschnittswert seit 1977.
Nach mehr als 12 Verhandlungsrunden zwischen Gerry Adams und David Trimble näherten sich die Gespräche zur Wiederbelebung des nordirischen Friedensprozesses unter irischer und britischer Vermittlung einem Erfolg. Sinn Féin und die Ulster Unionists bewegten sich in einem geschickt choreographierten „Tanz“ aufeinander zu. Zunächst kamen Adams und Trimble grundsätzlich darin überein, dass die Provisional IRA sämtliche paramilitärischen Aktivitäten einzustellen und ihr Waffenarsenal schrittweise zu vernichten hat. Ferner soll Sinn Féin den Widerstand gegen die lokalen Polizeiaufsichtsbehörden aufgeben, also faktisch die Existenz des britisch dominierten Polizeiapparates in den Six Counties anerkennen. Als Gegenleistung signalisierten die Unionisten, eine Bestandsgarantie für die nordirische Regionalregierung abzugeben und der Ausweitung der Kompetenzen des Stormont-Parlaments auf die Bereiche Polizei und Justiz zuzustimmen. Allerdings pochte Parteichef Trimble auf einen genauen Zeitplan, der schlussendlich zur Auflösung der republikanischen Untergrundarmee führen sollte. Die britische Regierung kündigte daraufhin nordirische Neuwahlen für den 26. November an, zudem stellte sie weitere Maßnahmen zur Entmilitarisierung und die Amnestie der ins Ausland geflüchteten IRA-Aktivisten in Aussicht. Den Reigen leiteten Sinn Féin und der IRA Army Council mit ihren bislang eindeutigsten Gewaltverzichtserklärungen und dem Bekenntnis zur demokratischen und friedlichen Konfliktlösung ein. Es folgte der dritte und bislang umfangreichste Schritt der Provisional IRA zur Unbrauchbarmachung von Teilen ihres Waffenarsenals. Hierbei zerstörten die Provos erstmals auch erhebliche Mengen des in den 80er Jahren aus Libyen bezogenen Kriegsmaterials. Nun tanzte jedoch Trimble wieder aus der Reihe und verlangte von der IRA und der Internationalen Entwaffnungskommission unter dem kanadischen General de Chastelain eine detaillierte Schilderung der Zerstörungsmaßnahmen und eine Aufstellung des bislang unbrauchbar gemachten Materials. Diese Forderung wurde bezeichnenderweise vom britischen Premier Tony Blair aufgegriffen, aber sowohl von den Republikanern als auch von de Chastelain zurückgewiesen, der sogar mit seinem Rücktritt drohte. Nachträglich erinnerte de Chastelain sich erstmals an seine vertragliche Verpflichtung zur transparenten Darlegung der Entwaffnungsmaßnahmen, aber der Army Council schaltete auf stur und spekulierte zu Recht, dass die Kommission kaum einen erneuten Kontaktabbruch durch die Untergrundarmee riskieren werde. Zu allem Überfluss bestätigte der Kanadier die Sorgen der Protestanten, als er einräumte, dass die IRA nach wie vor über eine erhebliche militärische Schlagkraft verfüge.
Damit steht eine Einigung der nordirischen Streithähne weiterhin in den Sternen, während umgekehrt die gemäßigte Fraktion innerhalb Sinn Féins und der IRA unter immer stärkeren Druck unzufriedener radikaler Elemente gerät. Faktisch hat ihr Entgegenkommen den nach der Wiedervereinigung Irlands strebenden Republikanern nicht mehr als Neuwahlen zu einem von ihnen ohnehin nur zähneknirschend anerkannten nordirischen Separatparlament eingebracht. Der „Sunday Business Post“ zufolge stehen Teile der IRA-Brigaden South Derry, South Armagh und Tyrone am Rande der offenen Rebellion gegen den Army Council. Die Hardliner von Real IRA und Continuity IRA bereiten sich derzeit darauf vor, die Unzufriedenen mit offenen Armen aufzunehmen. Umgekehrt hat Trimble sich sowohl bei den Republikanern als auch bei den Regierungen Irlands und Großbritanniens als Verhandlungspartner beinahe unmöglich gemacht. Auch große Teile der nordirischen Öffentlichkeit reagierten empört auf das destruktive Verhalten des Protestantenführers. Zu erwarten ist, dass die Wahlen die gemäßigten Elemente sowohl auf katholischer wie auf protestantischer Seite weiter schwächen werden - zugunsten Sinn Féins und der Democratic Unionist Party des reaktionären Predigers Ian Paisley. Während die Parteien streiten, leben beinahe 30 % der nordirischen Bevölkerung unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Auf die ärmsten 40 % der Haushalte entfallen nur 17 % des Gesamteinkommens, und das gemeinsame Einkommen der reichsten 10 % beträgt das 5,21-fache dessen, was auf die ärmsten 10 % entfällt. 36 % aller nordirischen Katholiken leben in Armut, verglichen mit 25 % der Protestanten. Damit existiert in Nordirland eine der sozial ungerechtesten Gesellschaften innerhalb der OECD. Seitens republikanischer Hardliner oder der linksnationalistischen Irish Republican Socialist Party wird kritisiert, dass die Unterstützung des Karfreitagseinkommens durch Sinn Féin lediglich der katholischen Mittel- und Großbourgeoisie, nicht aber der breiten Masse genutzt habe. Auf protestantischer Seite steigt in den von loyalistischen Paramilitärs kontrollierten Unterschichtvierteln ebenfalls der Unmut gegen die etablierten Unionistenparteien UUP und DUP.
Die von 77 Staaten (und 300 Großkonzernen mit Beobachterstatus) beschickte Irak-Geberkonferenz in Madrid endete durchwachsen für die Amerikaner. Zwar heimsten die Imperialisten in Washington Milliarden für den Wiederaufbau des von ihnen in anderthalb Jahrzehnten systematisch ruinierten Landes ein, aber Staaten wie Frankreich oder die BRD verweigerten finanzielle Kraftakte. Zwar zahlt Berlin keine 200 Millionen Dollar, aber bundesdeutsche Multis wie DaimlerChrysler und ThyssenKrupp bereiten sich bereits auf Großprojekte im Rahmen des Wiederaufbauprogramms vor. Die Weltbank schätzt den Geldbedarf bis 2007 auf 36 Milliarden Dollar - zusätzlich zu den 20 Milliarden Dollar, welche die Vereinigten Staaten bereits zugesagt haben. Der Internationale Währungsfonds wird 4,25 Milliarden Dollar geben, die Weltbank zwischen 3 und 5 Milliarden. Größer staatlicher Geldgeber ist Japan mit 5 Milliarden Dollar. Ansonsten übte sich selbst der treue Vasall Großbritannien in Zurückhaltung, so dass die Vorstellungen der Amerikaner bei weitem unterschritten wurden. Dem österreichischen „Standard“ war zu entnehmen, dass in den Kanälen der CPA, der Behörde des amerikanischen Zivilverwalters Bremer, bereits 4 Milliarden Dollar ohne jeden Beleg verschwunden sind. Der neue Irak-Wiederaufbaufonds wird folgerichtig von den Vereinten Nationen verwaltet, um ihn der amerikanischen Korruption und Inkompetenz zu entziehen. Offensichtlich werden die Amerikaner auf Druck von UNO und Weltbank sowie des irakischen Regierungsrates die Kröte schlucken müssen, auf die radikale Privatisierung der 200 staatseigenen Betriebe zu verzichten. Diese beschäftigen immerhin noch 500.000 Arbeitnehmer und ermöglichen ihnen die Ernährung ihrer Familien.
Im Irak sehen sich die amerikanischen Besatzungstruppen mittlerweile 25 oder mehr Angriffen pro Tag ausgesetzt. Monatlich gibt es zwischen 30 und 50 Gefallene, hinzu kommen 250 bis 300 Verwundete und weitaus mehr Ausfälle durch Erkrankung und Erschöpfung. Mittlerweile wurden die ersten Fälle gemeldet, in denen Heimaturlauber desertierten und nicht zu ihren im Irak stehenden Truppenteilen zurückkehrten. Der irakische Regierungsrat forderte angesichts des Versagens der Amerikaner, die einheimischen Armee- und Polizeieinheiten mindestens bis zur mittleren Führungsebene wieder irakischem Kommando zu unterstellen. Die Sicherung der irakischen Erdölpipelines und Förderanlagen wurde derweil einem britischen „Sicherheitsunternehmen“ (Klartext: einer Söldnerfirma) anvertraut, neu auf dem Markt sind auch die „Angestellten“ der schon in Kolumbien oder in Bosnien unangenehm aufgefallenen amerikanischen Söldnerfirma DynCorp. Eine Untersuchung von Human Rights Watch förderte zutage, dass amerikanische Soldaten für die Erschießung irakischer Zivilpersonen so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen werden. Diese Vorgehensweise erinnert an die skandalösen Erlasse zur Militärjustiz der Hitler-Wehrmacht während des Ostfeldzuges.
Einer ersten wirklich repräsentativen Meinungsumfrage zufolge betrachten nur noch 14,8 % der irakischen Gesamtbevölkerung die Amerikaner als Befreier; besonders schlecht ist das Ansehen der Invasoren bei der schiitischen Bevölkerungsmehrheit - 4,7 %. Mehr als 60 % trauen den Besatzungstruppen nicht zu, für mehr Sicherheit sorgen zu können. Zum Popularitätsgrad des von den Siegern eingesetzten Verwaltungsrates sei angemerkt, dass 64 % der Befragten angaben, kein einziges seiner Mitglieder zu kennen. Chefkollaborateur Ahmad Chalabi als Präsident des Irakischen Nationalkongresses wird hinsichtlich seines Popularitätswertes sogar noch vom gestürzten Saddam Hussein geschlagen. Die soziale Lage ist katastrophal: Alleine in Bagdad vegetieren 50.000 Obdachlose vor sich hin, die Arbeitslosenquote liegt bei 60 %, und bis Ende 2004 sind Neubau und Reparatur von 1,5 Millionen Wohneinheiten erforderlich. Das irakische Durchschnittseinkommen ist auf ein Sechstel des Standes von 1980 gefallen. Der Irak, welcher damals immerhin den 50. Platz auf dem UN-Index über den Stand der menschlichen Entwicklung bekleidete, ist mittlerweile auf Rang 126 abgestürzt.
Die diesjährigen Big Brother Awards gingen unter anderem an die Innenminister von Thüringen, Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, die auf der Grundlage der so genannten Anti-Terror-Gesetze des Bundes die Verschärfung ihrer jeweiligen Landespolizeigesetze vorantreiben. In diesen Bundesländern soll die präventive Telekommunikationsüberwachung durch die Polizei legalisiert werden - das vorsorgliche Abhören von Telefonaten und Mitlesen von Emails, Faxen und SMS, ohne dass ein Anfangsverdacht oder eine Straftat vorliegen muss. Nicht nur die Kommunikation von vollkommen unschuldigen, so genannten "vorverdächtigen" Menschen einschließlich ihren Verwandten, Bekannten, Arbeitskollegen etc. kann auf dieser Grundlage ausgehorcht werden, sondern zum Teil ist auch die Überwachung von Kontakten zu Vertrauenspersonen wie Rechtsanwälten, Seelsorgern, Ärzten und Journalisten möglich. Damit hebeln die Gesetze nicht nur das Brief- und Fernmeldegeheimnis aus, sondern auch das Zeugnisverweigerungsrecht von Berufsgeheimnisträgern und wichtige Elemente des Presserechts. Weitere neue Überwachungsmöglichkeiten und -maßnahmen der Polizei im Telekommunikationsbereich umfassen die Erfassung, Speicherung und Prüfung von Verbindungsdaten auf Vorrat, die den Telekommunikationsdienstleistern abverlangt wird, und den Einsatz so genannter IMSI-Catcher, mit denen Mobiltelefone elektronisch geortet werden können. Thüringen und Baden-Württemberg haben bereits den Einsatz von Lausch- und Spähwanzen in Privatwohnungen legalisiert, Rheinland-Pfalz wird hier bald nachziehen. Der Freistaat Bayern plant die automatische Erfassung von Autokennzeichen und ihre Abgleichung mit Polizeidaten. Diese Erfassung soll an der bayerischen Landesgrenze, an Flughäfen, Bahnhöfen, militärischen Anlagen, Einkaufszentren, Hauptverkehrsstraßen und Großparkplätzen erfolgen.
Der Bundestag verabschiedete mit den Stimmen der klammheimlich bestehenden Großen Koalition aus Grünen, SPD und Unionsparteien die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan auf die Drogen- und Textilmetropole Kunduz. Allerdings wurde in die Vorlage aufgenommen, dass die Bundeswehr sich keinesfalls in Angelegenheiten der afghanischen Drogenbarone einmischen werde. Generalmajor Dieter Budde als Kommandeur der Division Luftbewegliche Operationen wies darauf hin, dass die Kunduz-Mission reichlich riskant sei. Die Bundeswehr verfügt infolge des Mangels an entsprechend ausgerüsteten Transporthubschraubern nämlich mitnichten über die erforderlichen Kapazitäten, um Transport und Nachschub sicherzustellen. Anscheinend verlässt man sich im Verteidigungsministerium darauf, dass die Amerikaner oder die in Tadschikistan stehende russische Schützendivision im Ernstfall dem Bundeswehr-Kontingent zu Hilfe kommen werden. Ferner fehlt es selbst dem bundesdeutschen Hauptkontingent in Kabul an medizinischem Personal und Aufklärungskapazitäten. In der Zielregion verweigern die internationalen Hilfsorganisationen den Schutz auch durch die Bundeswehr, weil sie durch die Militärpräsenz einer ausländischen Macht schnell zur Zielscheibe werden könnten. Die Mission der Bundeswehr in Nordafghanistan kann sich rasch in ein Himmelfahrtskommando verwandeln: Machthaber im Raum Kunduz sind der zivile Gouverneur Hasi Abdul Latif und der Militärkommandeur General Daud, der eine 30.000 Mann starke Privatarmee unterhält und eng mit dem afghanischen Verteidigungsminister Fahim befreundet ist. Fahim wiederum gilt in der Kabuler Zentralregierung als Gegenspieler von Hamid Karzai, dessen Autorität die Bundeswehrsoldaten in der Region Kunduz ausbauen und sichern sollen. Latif und Daud sind eng in den Drogenhandel verstrickt und finanzieren durch das Geschäft mit Rohopium ihre Streitkräfte. Die Hauptexportroute verläuft mitten durch Kunduz nach Tadschikistan. Im benachbarten Mazar-I-Sharif hat mit Abdul Rashid Dostum, für den der Drogenhandel ebenfalls einiges abwirft, ein langjähriger Gegner von General Daud das Sagen. Wann die Gegnerschaft zwischen dem gefürchteten Usbekenführer Dostum und Daud in eine offene militärische Auseinandersetzung mündet, scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Erst vor wenigen Tagen hat ein brüchiger Waffenstillstand die Kämpfe zwischen Dostum und einem weiteren Widersacher, Atta, vorläufig beendet. Derweil haben die Taliban in mindestens 4 Grenzdistrikten zu Pakistan wieder die vollständige Kontrolle erkämpft.
In der BRD sind ca. 1 Million Menschen von „Mobbing“ am Arbeitsplatz betroffen. Zu den häufigsten Formen der Drangsalierung durch Vorgesetzte und Kollegen gehören Hänseleien, ungerechtfertigte Kritik und die Vorenthaltung wichtiger Informationen. Die Auswirkungen der Schikane am Arbeitsplatz sind gravierend: 98,7 % der Befragten gaben der Studie zufolge an, die Intrigen hätten Demotivation, Nervosität und sozialen Rückzug zur Folge. Jedes vierte Mobbing-Opfer erkrankt, und zwar vor allem an Schlafstörungen, Depressionen und psychovegetativen Erschöpfungszuständen. Insgesamt sind mehr als 11 % aller Berufstätigen in der BRD im Laufe ihres Lebens schon einmal gemobbt worden. Besonders betroffen sind Frauen in sozialen Berufen und jüngere Arbeitnehmer bis zum 25. Lebensjahr. Nicht zuletzt erhöhter Leistungsdruck, gesteigerte Anforderungen und zunehmende Entfremdung im Betrieb haben dafür gesorgt, dass Mobbing-Fälle sich seit den 90er Jahren explosionsartig vermehrt haben. Angesichts des oftmals schlechten Betriebsklimas erwägen einer Umfrage des Wirtschaftsmagazins „DMEuro“ zufolge 46 % aller Beschäftigten einen Arbeitsplatzwechsel.
Nach Aufkündigung des einseitigen Waffenstillstands durch die PKK-Nachfolgeorganisation KADEK vor eineinhalb Monaten kommt es in den kurdischen Gebieten der Türkei immer öfter zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Polizei und Armee. Das vor rund zwei Monaten verabschiedete Reuegesetz entwickelt sich zu einem Flop für die türkische Regierung. Mit der an eine Kronzeugenregelung gekoppelten Teilamnestie hoffte Ankara, die rund 5000 im Nordirak befindlichen KADEK-Guerrilleros aus den Bergen zu holen. Perfiderweise müssen die Amnestiekandidaten auch ihr Wissen über ihre ehemaligen Kameraden preisgeben. Wie eine erste Zwischenbilanz ergab, hatten sich zwar bis Anfang Oktober 2237 Personen gemeldet, um in den Genuss des Straffreiheitsgesetzes zu kommen. Doch tatsächlich stammen rund 2000 dieser Anträge von Gefangenen, die häufig wegen Geringfügigkeiten wie Flugblattverteilung für illegale Organisationen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Neben 1 242 angeblichen KADEK-Aktivisten haben auch 123 mutmaßliche Angehörige der DHKP-C und 545 Mitglieder der islamistischen Konterguerillaorganisation Hizbullah einen Antrag auf Straffreiheit gestellt. Von in Freiheit befindlichen KADEK-Militanten sollen sich nach Meldung der Zeitung Milliyet lediglich 120 gestellt haben.
Unlängst rückte Generalleutnant William „Jerry“ Boykin als Unterstaatssekretär ins Pentagon auf. Hier ist der Vietnam- und Delta Force-Veteran zuständig für geheimdienstliche Aufklärung und verdeckte Operationen, also für die Koordination zwischen Militär und Nachrichtendienst. Als freikirchlicher Fundamentalist ist Boykin symptomatisch für weite Kreise der Bush-Administration und der amerikanischen Öffentlichkeit. Seinen Worten zufolge hassen die radikalen Islamisten die USA, „weil wir eine christliche Nation sind, weil unser Fundament und unsere Wurzen judäo-christlich sind und der Feind ein Kerl ist, der Satan heißt.“ Nach einer erfolgreichen Operation gegen muslimische Warlord-Verbände in Somalia formulierte Boykin: „Ich wusste, dass mein Gott größer war als seiner. Ich wusste, dass mein Gott ein richtiger Gott ist und sein Gott nur ein Götze war.“ Nicht weiter verwunderlich, dass demzufolge die Kriegsmaschinerie der USA in quasi göttlichem Auftrag handelt: „Wir sind die Armee Gottes, im Hause Gottes, im Königreich Gottes, und für Zeiten wie diese sind wir großgezogen worden.“ Der Krieg gegen den Terror gilt Boykin geradezu als Kreuzzug gegen den „Fürsten der Dunkelheit“. Präsident Bush amtiert in den Augen des frömmelnden Fanatikers nicht etwa infolge von Wahlbetrug, sondern: „Er ist im Weißen Haus, weil Gott ihn dorthin gesetzt hat.“ Mit solcherlei Ansichten ist Boykin in guter Gesellschaft. Bush persönlich bekannte kurz vor Ankündigung seiner Kandidatur: „Ich fühle, dass Gott will, dass ich für die Präsidentschaft kandidiere. Ich kann es nicht erklären, aber ich spüre, dass mein Land mich nötig haben wird. Gott will, dass ich das mache.“ Wir erinnern daran, dass das amerikanische Regierungsoberhaupt vor wenigen Monaten entsetzten arabischen Gesprächspartnern erklärte, Gott persönlich habe ihm befohlen, Afghanistan und den Irak anzugreifen. Der medizinische Fachbegriff lautet auf religiös induziertes Irresein. Die „L.A. Times“ formulierte ironisch, dass Boykin seine Befehle offensichtlich nicht von seinen militärischen Vorgesetzten, sondern von Gott entgegennehme - „eine ziemlich besorgniserregende Kommandostruktur“.
Lagefeststellung Beurteilung der Situation Möglichkeiten des Handelns Entschluss Umsetzung Kontrolle