Wochenschau
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Die politische Wochenschau
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Zitat der Woche: |
"Ich
hasse den gesunden Menschenverstand. Ich hasse ihn im Namen des
Lebens und meines unbezwinglichen Sinnes für das Abenteuer.
(…) Denn der gesunde Menschenverstand bedeutet Konservatismus;
er ist…die Philosophie der Klassen, die arriviert sind, nicht
derjenigen, die zu ihrem Ziel erst streben. Die Revolutionen muss
man als die Revanchen des Wahnsinns gegen den gesunden Menschenverstand
betrachten. (…) Die bürgerliche Gesellschaft hat den
Maschinenmenschen, den funktionierenden Menschen, den Uhrwerksmenschen,
den Regelmenschen geschaffen. Ich erträume hingegen den Ausnahmemenschen." |
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Benito Mussolini |
Im Bundestag setzte die Schröder-Administration ihre „Reformpakete“ Hartz III und IV durch und vollzog damit den endgültigen Abschied der Sozialdemokratie von der Arbeiterbewegung. Die „Arbeitsmarktreform“ hebelt den „asymmetrischen Klassenkompromiss“ der sozialen Marktwirtschaft aus. Diese Asymmetrie rührt aus der strukturellen Überlegenheit der gesellschaftlichen Interessenvertretung des Kapitals über die Arbeiterklasse her. Ebenfalls auf den vielzitierten Abfallhaufen der Geschichte geworfen wird die seit Bismarck bestehende sozialversicherungspolitische Parität von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, und zwar einseitig zugunsten des Kapitals. Obwohl eine Handvoll Sozialdemokraten und wundersamerweise auch ein Grüner gegen das Machwerk stimmten, wurde es mit breiter Mehrheit abgesegnet. Die Koalitionsspitzen von SPD und Grünen verabreichten ihren sozialreaktionären Hartz-Gesetzen noch ein paar kosmetische Korrekturen (vor allem keine volle Anrechnung von Altersvorsorgevermögen, keine wechselseitige Unterhaltspflicht von Eltern und erwachsenen Kindern sowie Garantie ortsüblicher Tariflöhne), um das Gewissen der parteiinternen Abweichler zu beruhigen. Diese ließen sich, allen voran der offenbar die Interessen seiner Kreuzberger Klientel aus in Wohngemeinschaften hausenden linken Spießern, berufsjugendlichen Sozialarbeitern, betroffenen Studienräten und kiffenden Hippies über das Wohl der werktätigen Bevölkerung stellende Opportunist Ströbele, sehr schnell von der Bundesregierung kaufen. Der Charakter der Grünen wird offenkundig, wenn mensch sich vor Augen führt, dass während der wochenlangen Diskussionen um die „Reformpläne“ der Schröder-Administration von 52 grünen Bundestagsabgeordneten fast keine einzige Äußerung zu vernehmen war. Als Totalausfall erwies sich vor allem Markus Kurth, seit immerhin einem Jahr „Sozialexperte“ der Fraktion. Der Marsch durch die Institutionen hat wahrlich sein Ziel erreicht. Die Opposition stimme (von der PDS abgesehen) gegen die Vorlagen; nicht etwa aus humanitären Erwägungen, sondern weil der Sozialkahlschlag ihr nicht weit genug ging. Dieser Tag, der 17. Oktober 2003, wird wie die - ebenfalls von der SPD abgenickten - Brüningschen Kürzungsorgien der frühen 30er Jahre in die Sozialgeschichte Deutschlands eingehen. Die Umfragewerte der SPD sind laut Forsa mittlerweile auf bundesweit 25 % abgesunken.
Wir zitieren größtenteils aus älteren Wochenschauen, um die Bedeutung der sozialreaktionären Politik der Regierung Schröder/Fischer noch einmal in Erinnerung zu rufen: Die berüchtigte Agenda 2010 zur „Reform“ des Sozialstaates und des Arbeitsmarktes, zu deren Kernstücken Hartz III und IV nun einmal gehören, sieht tiefgreifende Änderungen und Einschnitte vor. Das Arbeitslosengeld wird fortan nur noch für höchstens 12 Monate anstatt wie bisher für maximal 32 Monate ausgezahlt, über 55-Jährige erhalten es maximal 18 Monate lang. Lehnt ein Langzeitarbeitsloser eine „zumutbare“ Arbeit ab (und zumutbar ist ab Beginn des 7. Erwerbslosigkeitsmonats so gut wie alles inclusive eines Minijobs), sperrt das Arbeitsamt ihm die Kohle. Die Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden zum auf Sozialhilfeniveau liegenden Arbeitslosengeld II zusammengelegt, was zu gut deutsch knapp 350 Euro Hilfe zum Lebensunterhalt und diverse Pauschalen heißt. Wir erinnern daran, dass sich z.B. die Mietpauschalen an Werten orientieren, die bestenfalls aus den frühen 80er Jahren stammen. Kleinbetriebe unter 6 Mitarbeitern können fortan befristet Arbeitnehmer einstellen, ohne damit zu Fällen für das Kündigungsschutzgesetz aufgewertet zu werden, also hire and fire im Mittelstand. Mit Hilfe von Zeitarbeitsfirmen, Personal-Service-Agenturen und arbeitsamtlich betriebenem Druck zur Annahme von Billigjobs soll ein unternehmerfreundlicher Billiglohnsektor etabliert werden. Ab dem 42. Krankheitstag sollen die Arbeitnehmer durch eine private Zusatzversicherung selbst für das Krankengeld aufkommen. Ab 2006 wird die elektronische Gesundheitskarte eingeführt, der gläserne Bürger naht heran. Das Mutterschaftsgeld wird komplett aus der Krankenversicherung herausgenommen und durch eine Erhöhung der Tabaksteuer finanziert. Ebenfalls aus der GKV heraus fällt ab 2005 der Zahnersatz, auch dieser Posten muss zusätzlich versichert werden. Nach dem Vorbild Großbritanniens wird sich die Bundesrepublik solcherweise in ein Land der Zahnlosen verwandeln, denn als Geringverdiener kann mensch sich kaum derartige Zusatzbelastungen leisten. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Beitragssätze der Gesetzlichen Krankenversicherung zu drücken. Auf diese Weise will die Bundesregierung erklärtermaßen Vollbeschäftigung erreichen, also durch Zwangsarbeit und Abschieben in Billigjobs. Die aufgrund der Agenda 2010 anstehende Verlangsamung der jährlichen Rentenerhöhung wird zahlreichen Rentenaspiranten langfristig eine knappe Sozialrente bescheren. Langfristig ist damit zu rechnen, dass infolge der Kürzungsmaßnahmen das durchschnittliche Rentenniveau von derzeit 70 % des Nettoarbeitsentgeltes dramatisch auf 54 % absinkt. Ein Durchschnittsverdiener muss 34 Jahre lang Beiträge zahlen, um überhaupt mit einer Rente rechnen zu können, die wenigstens das Sozialhilfeniveau erreicht.
Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wird verheerende Auswirkungen für die Betroffenen haben und regelrecht zur Massenverarmung führen. Auf der Basis von derzeit 2,05 Millionen Beziehern von Arbeitslosenhilfe berechnete der DGB, dass 330.000 Betroffene einen höheren Leistungssatz beziehen werden. Immerhin 180.000 erhalten noch die gleiche Leistung wie vorher. Aber 980.000 Menschen, beinahe eine Million, davon 550.000 in den neuen und 430.000 in den alten Bundesländern, werden sich mit einem geringeren Leistungssatz durchschlagen müssen. Noch schlimmer: Überhaupt keine Leistungen mehr werden 570.000 Menschen bekommen. Damit werden 220.000 Betroffene im Westen und 350.000 im Osten ins blanke Elend gestürzt. Noch einmal: In den wirtschaftlich am Boden liegenden neuen Bundesländern werden mit dem Inkrafttreten von Hartz IV 780.000 Menschen weniger oder gar keine Leistungen aus Arbeitslosen- oder Sozialhilfe beziehen.
Hierzu erklärte
die stellvertretende PDS-Vorsitzende Katja Kipping: „Die heute getroffenen
Vereinbarungen von SPD und Grünen zu Änderungen bei den Hartz-Gesetzen
sind allenfalls kosmetischer Natur. Sie bringen zwar die eine oder andere kleine
Entlastung für Einzelne, doch der eingeschlagene Kurs der sozialen Ungerechtigkeit
wird beibehalten. Was bleibt ist die verschärfte Verwaltung von Arbeitslosen
statt die Schaffung Existenz sichernder Arbeitsplätze - vom Grundsatz "Fördern
und Fordern" ist nur noch das Fordern übrig. Was bleibt ist die völlige
Ignoranz gegenüber den besonderen Problemen des Ostens und anderer strukturschwacher
Regionen. Was bleibt ist das Abdrängen Hunderttausender in die Armut. Mit
Hartz III und IV gibt die SPD einen ihrer Grundwerte, die soziale Gerechtigkeit,
endgültig auf. Sollten die Minimalkorrekturen das Gesetz für die bis
jetzt der Kanzlerlinie widerstehenden und das SPD-Programm hoch haltenden Abgeordneten
zustimmungsfähig machen, müssen sie sich die Frage gefallen lassen,
ob ihr Aufbegehren nicht doch nur wenig mehr als ein Sturm im Wasserglas war.
Die riesigen Ausmaße dessen, was an sozialer Ungerechtigkeit droht, machen
einen entschlosseneren Widerstand nötig.“ Im DKP-Zentralorgan „unsere
zeit“ fügte Rolf Priemer hinzu: „Die Agenda 2010 ist die Bankrotterklärung
sozialdemokratischer Reformpolitik. Arbeit zu Löhnen, die arm machen. Heute
geheuert, morgen gefeuert. Jeder ist für seine Krankheit verantwortlich
und soll selbst dafür zahlen. Ein ganzes Leben gearbeitet und trotzdem
arm im Alter. Alle müssen opfern für die Unternehmen und die Reichen.
Das ist die Botschaft von SPD-Grün.
Sie schaffen das Solidarsystem ab und vernichten den Solidargedanken in den
Köpfen. Sie sagen: Der Sozialstaat ist an seine Grenzen gekommen. Wir können
uns Arbeit für alle und soziale Sicherheit nicht mehr leisten. Tatsache
ist: Seit den Achtzigerjahren reißt die Kluft zwischen oben und unten
immer weiter auf: immer mehr Geld für wenige - und weniger Geld für
immer mehr. Also mehr Millionäre - und mehr Arbeitslose. `Es muss
wieder rentabel sein, Arbeitssuchenden einen Arbeitsplatz anzubieten´,
schreiben sie, die selbst im Trockenen sitzen. Aber damit alles akzeptiert wird,
muss (sic!) die Arbeitslosenhilfe runter und die Sozialhilfe; das Gefühl
der Sicherheit muss verschwinden, damit die Leute bereit sind, zu allen Bedingungen
zu arbeiten. Und so entsteht ein Klima, in dem Marktliberale die Sozialhilfe
auf Almosen umstellen, erworbene Rechte durch Nächstenliebe ersetzen wollen
- die es aber in einer Gesellschaft, in der jeder der Konkurrent des anderen
ist, nicht mehr gibt. Sozialdemokraten und Mittelstandsgrüne reden von
`Wohltaten´ und `Missbrauch´, so als wären Löhne und soziale
Absicherung jemals Brocken vom Tisch der Reichen gewesen. Der `Neid der Besitzenden´
zerstört Solidarität und soziale Sicherung. `Vollkasko-Mentalität´
wird denen vorgeworfen, denen das Wasser bis zum Halse steht. Die soziale Sicherung
ist nicht an ihre Finanzierungsgrenze gekommen, weil die Versicherten den Sozialstaat
ausgebeutet haben, sondern ganz im Gegenteil, weil sie die Verlierer des Verteilungskampfes
zwischen Kapital und Arbeit sind.“
Angesichts immer besorgniserregender Meldungen über den ausufernden Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen gab das Bundesgesundheitsministerium eine Pilotstudie in Auftrag. Teildaten liegen aus Nordrhein-Westfalen vor: Seit dem Amtsantritt der rosa-grünen Bundesregierung stieg die Zahl der regelmäßig Alkohol konsumierenden Jungen unter 15 Jahren von 36 auf 44 %. Die Mädchen ließen sich auch nicht lumpen und legten von 31 auf 34 % zu, die meisten von ihnen hatten ihren ersten Vollrausch im Kindesalter. In einigen Regionen Baden-Württembergs sollen die Fälle von Alkoholvergiftungen bei Kindern unter 14 Jahren im Vergleich zum Vorjahr bereits um 250 % zugenommen haben. Bei so gut wie allen Studien seit 1973, selbst in der leidigen Ära Kohl, war der Alkoholkonsum der bundesdeutschen Jugend rückläufig. Ein überproportional hoher Anteil der jugendlichen Gewohnheitstrinker stammt aus so genannten „guten Familien“, offenbar machen Kohle und Konsum alleine doch nicht glücklich.
Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete einstimmig eine von der BRD eingebrachte Resolution, welche das Mandat der Protektoratstruppe ISAF über die afghanische Hauptstadt Kabul hinaus ausweitet. Damit steht der Stationierung von Bundeswehreinheiten im nordafghanischen Drogenmekka Kunduz nichts mehr im Wege. Sollten Berlins Truppen (die Verstärkung durch österreichische Soldaten ist im Gespräch) bei der Stabilisierung der Region erfolgreich sein, werden ISAF-Einheiten auch in Städte wie Herat, Kandahar und Mazar-i-Sharif entsandt. Die afghanische Kollaborationsregierung billigte derweil ein Parteiengesetz, allerdings laufen bereits Repressionsmaßnahmen gegen die Kommunisten an. In Nordafghanistan kam es bei Mazar-i-Sharif zu wochenlangen Gefechte zwischen Warlord-Verbänden. Die Kontrahenten waren und sind der Usbekenführer Rashid Dostum und der tadschikische Milizenführer Atta Mohammed. In der Südprovinz Zabul und in der zentralafghanischen Provinz Uruzgan dauerten die Kämpfe mit Taliban-Verbänden an, die weiterhin gegen Positionen der Kollaborationstruppen vorgehen. Die Demoralisierung der Kollaborateur-Truppen zeigt sich im Massenausbruch von Kandahar; hier entkamen 40 Taliban-Gefangene mit Hilfe ihrer Bewacher aus dem Knast. Angesichts des Erstarkens seiner Widersacher forderte Übergangspräsident Karzai bereits im vergangenen Monat die Entsendung von UN-Verstärkungen.
Der Verband der Deutsch-Amerikanischen Clubs lud unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Henning Scherf (SPD) ins Bremer Rathaus. Anlass war die Verleihung der „Lucius D. Clay“-Medaille (benannt nach dem amerikanischen Militärdiktator der 40er Jahre) für besondere Verdienste um die bundesdeutsch-amerikanischen Beziehungen. Die Deutsch-Amerikanischen Clubs entstanden in den 40er Jahren als Kungelrunden zwischen den amerikanischen Besatzern und ihren westdeutschen Kollaborateuren. Präsidentin des VDAC ist eine gewisse Brunhild Pütz, immerhin Trägerin der von der amerikanischen Militär- und Mordmaschinerie verliehenen „USAFE Medal of Distinction“. Der Bremer Club residiert in der Baumwollbörse, dem organisatorischen Rückgrat der hanseatischen Geldsackaristokratie. Als Vorsitzender an der Weser fungiert kein Geringerer als Hermann H. Schaedla, seines Zeichens Geschäftsführer der u.a. den Bundesgrenzschutz mit hochmodernen Patrouillenbooten beliefernden Schiffswerft Abeking & Rasmussen und - welch ein Zufall - Mitglied im Beirat Nord der offensichtlich überall mitmischenden Dresdner Bank. Diesjähriger Empfänger der „Lucius D. Clay“-Medaille ist General a.D. Wolfgang Altenburg. Im Rahmen seiner militärischen Karriere war Altenburg von 1983 bis 1986 Generalinspekteur der Bundeswehr und von 1986 bis 1989 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. In diesen Funktionen war er maßgeblich daran beteiligt, den berüchtigten NATO-Doppelbeschluss, also die Hochrüstung des westlichen Militärbündnisses auf atomare Erstschlagkapazität, durchzusetzen und via Rüstungswettlauf den Endsieg des westlichen Kapitalismus über die Sowjetunion sicherzustellen. Ein würdiger Preisträger also. Die Laudatio hielt der nebenbei auch vom Springer-Konzern als Korrespondent beschäftigte Historiker Prof. Dr. Michael Stürmer.
Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hat unlängst sein im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz erstelltes Gutachten vorgelegt und darin eine Reihe beunruhigender Feststellungen gemacht: Die Zahl der Ermittlungsverfahren, in denen TKÜ-Anordnungen erfolgten, hat sich im Zeitraum von 1996 bis 2001 um 80 % erhöht (1996: 2149; 2001; 3868). Ferner stieg die Gesamtzahl der TKÜ-Anordnungen pro Jahr im Zeitraum von 1990 bis 2000 von 2.494 um das Sechsfache auf 15.741. Zwischen 1994 und 2001 verdreifachte sich die Zahl der von Telekommunikationsüberwachung Betroffenen beinahe, und zwar von 3730 auf 9122. In 21 % der Anordnungen wurden zwischen 1.000 und 5.000 Gespräche, in 8 % der Anordnungen mehr als 5.000 Gespräche abgehört. Der Anteil der staatsanwaltschaftlichen Eilanordnungen („Gefahr im Verzug“) stieg im Zeitraum von 1992 bis 1999 von ca. 2 % auf ca. 14 % an. In 75 % dieser Fälle umfassen diese Eilanordungen das gesetzliche Maximum von 3 Monaten, sind aber nur in 24 % substanziell begründet. Mit 73 % wurden beinahe drei Viertel der betroffenen Anschlussinhaber nicht - wie eigentlich vorgeschrieben - nachträglich über die Überwachungsmaßnahmen unterrichtet.
Am 15. Oktober 2003 startete die Volksrepublik China mit der Shenzhou-5 ihren ersten bemannten Raumflugkörper. Als erster Chinese erhob sich Oberstleutnant Yang Liwei vom Raumbahnhof Jiuquan gen Erdumlaufbahn. Damit ist die Volksrepublik nach den USA und Russland der dritte Staat der Erde, welcher aus eigener Kraft bemannte Raumfahrtaktivitäten durchführen kann. Chinesischen Angaben zufolge werden Pekings Raumfahrer (nach den amerikanischen Astronauten und den russischen Kosmonauten nun die chinesischen Taikonauten) innerhalb der nächsten 10 Jahre eine eigene bemannte Raumstation einrichten und eine Mondlandung anstreben. Andeutungen aus chinesischen Militärkreisen nach zu schließen, arbeitet das Reich der Mitte auch an einer militärischen Nutzung des Weltraums, um wie die Amerikaner und Russen Killersatelliten, raumgestützte Raketenabwehrsysteme und Anti-Satellitenraketen zu entwickeln. In den Bereichen Satelliten- und Mobilfunktechnologie hat das Reich der Mitte bereits zum Westen aufgeschlossen.
Im Jahr 2002 wandten die USA nicht nur die höchsten Beträge für Rüstungsausgaben auf, sondern waren auch der größte Waffenexporteur der Welt. Mit Einkünften von 10,24 Milliarden Dollar lag Washingtons Anteil am weltweiten Waffenhandel bei 40,3 %. Als größter Käufer von Kriegsgerät fungierte weiterhin Saudi-Arabien mit 5,2 Milliarden Dollar. Auf dem zweiten Platz lag Ägypten mit 2,1 Milliarden Dollar, gefolgt von Kuwait mit 1,3 Milliarden Dollar. Die Vereinigten Arabischen Emirate investierten 900 Millionen Dollar in Rüstungskäufe, Israel immerhin noch 700 Millionen Dollar. Auch die weiteren Konfliktregionen liegen an der Spitze der Waffenkäufe: China (1,2 Milliarden Dollar) und Taiwan (1,1 Milliarden Dollar), Indien (900 Millionen Dollar) und Pakistan (600 Millionen Dollar) sowie Südkorea (600 Millionen Dollar). In puncto Waffenverkäufe lagen die 5 großen Nuklearmächte und Vetomächte des UN-Sicherheitsrates an der Spitze - gemeinsam beträgt ihr Weltmarktanteil mehr als 80 %. Zweitgrößter Exporteur des Todes nach den USA ist Großbritannien mit 4,7 Milliarden Dollar, gefolgt von Russland mit 3,1 Milliarden Dollar, Frankreich mit 1,8 Milliarden Dollar und China mit 800 Millionen Dollar. Die BRD bekleidet mit 500 Millionen Dollar den 9. Rang, gefolgt von Italien, Israel und Brasilien. Die Weltmilitärausgaben stiegen 2002 um 6 % auf beinahe 800 Milliarden Dollar an, was 2,5 % des Welt-BSP entspricht. Diese Steigerung der Rüstungsausgaben ist nicht nur auf die Hegemoniebestrebungen der USA zurückzuführen, sondern auch auf die Modernisierung der Streitkräfte in Russland, China und Indien. Mehr als 16.000 Atomsprengköpfe befinden sich in den Arsenalen der Nuklearmächte, und weitere 15.000 werden in Reserve gehalten oder sind eingemottet. Seit 1990 sind mindestens 5 Millionen Menschen bei bewaffneten Konflikten umgekommen.
Der US-Kongreß behandelt derzeit die seit mehreren Jahren vorliegende Syria Accountability Act, die einen langen Forderungskatalog an Damaskus formuliert. Bei Nichterfüllung soll der Präsident verpflichtet werden, weitere Sanktionen gegen Syrien - zusätzlich zu den schon bestehenden - zu verhängen. Dazu könnte vor allem das Verbot amerikanischer Technologieexporte und von Investitionen gehören, ferner ein Ausfuhrstopp für amerikanische Güter und ein Start- und Landeverbot für syrische Flugzeuge. Gefordert wird in der Gesetzesvorlage die sofortige Einstellung der Unterstützung terroristischer Organisationen (Hamas, Hizbollah, PFLP und PFLP-Generalkommando), eine öffentliche Verzichtserklärung auf alle Formen des Terrorismus abgeben, seine Truppen nach einem Zeitplan aus dem Libanon abziehen, die Entwicklung von Kurz- und Mittelstreckenraketen beenden und die Entwicklung und Produktion biologischer und chemischer Waffen einstellen. Kein Wort verlieren die Yankee-Imperialisten darüber, dass die syrischen Rüstungsanstrengungen wenige Erfolge gezeitigt haben und vor allem eine Antwort auf das israelische Potenzial an Massenvernichtungswaffen sind. Bereits Mitte September warf der berüchtigte John R. Bolton, Staatssekretär für Rüstungskontrolle und Sicherheitsfragen im US-Außenministerium, Syrien auch noch vor, nach Atomwaffen zu streben, und schloss hierbei auch gewaltsame Schritte wie eine Seeblockade nicht aus. Diese Woche legte Washington noch nach und behauptete, in Syrien würden sich private Vermögenswerte Saddam Husseins in Höhe von 3 Milliarden Dollar befinden - angesichts der seit Mitte der 60er Jahre andauernden erbitterten Rivalität zwischen den irakischen Altbaathisten und den syrischen Neobaathisten eine absurde Vorstellung. Insgesamt sind die amerikanischen Vorwürfe gegen Syrien jetzt schon schwerwiegender als die Kriegsgründe, die gegen Irak geltend gemacht wurden. Sie zu entkräften ist, wie das Beispiel des Irak gezeigt hat, praktisch unmöglich. Der syrische Generalstabschef Hassan Turkmani hat den USA bereits vorgeworfen, statt die Lehren aus dem Fehlschlag ihrer Politik im Irak zu ziehen, jetzt Syrien angreifen zu wollen. Turkmani ermahnte die Angehörigen der Streitkräfte zu erhöhter Aufmerksamkeit. Baathistische Politikwissenschaftler und Journalisten konstatierten eine weitere Verschlechterung der syrisch-amerikanischen Beziehungen. Eine Zweidrittelmehrheit stimmte der Vorlage in beiden Häusern des Kongresses zu, aber bisher wurde das Gesetz auf Drängen der Regierung noch nicht umgesetzt. Begründet wurde das insbesondere mit der Kooperationsbereitschaft der syrischen Regierung bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Ein noch wichtigerer Grund war vermutlich, daß die permanent schwebende Drohung des Gesetzes ein weit stärkeres Instrument darstellt als es Sanktionen überhaupt sein könnten: Der Anteil der USA an den Wirtschaftsbeziehungen Syriens ist minimal. Sanktionen wären also nur effektiv, wenn Washington die Haupthandelspartner der Syrer - in erster Linie Deutschland, Italien und Frankreich - zum Mitziehen veranlassen könnte. Und gerade diese verhandeln via EU derzeiten über ein Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Damaskus. Ausserdem scheint die Neigung Russlands und Chinas, Zwangsmaßnahmen gegen Syrien zuzustimmen, recht gering zu sein.
Vor diesem Hintergrund ist eine Konferenz zu sehen, die vom 12. bis 14. Oktober in Jerusalem stattfand. Die Tagung nannte sich „Erster jährlicher Jerusalem-Gipfel", unter den Teilnehmern befanden sich die Hardliner der israelischen Regierung (Infrastrukturminister Lieberman, Wohnungsbauminister Eitem, „Kanzleramtsminister“ Landau sowie Finanzminister Netanjahu), die Vertreter klerikalfaschistischer Gruppen aus Israel und Angehörige prozionistischer und imperialistischer Think Tanks aus den USA (unter anderem der berüchtigte Richard Perle, Jossef Bodansky als Leiter der Arbeitsgruppe Terrorismus des US-Kongresses und Avi Becker, seines Zeichens Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses). Perle begrüßte im Rahmen der US-Vertreter den zionistischen Luftangriff auf syrisches Territorium und erklärte, man dürfe keinen Unterschied zwischen Terroristen und den sie beherbergenden Staaten machen. Israel wurde quasi zu weiteren militärischen Maßnahmen gegen Syrien ermuntert, auch ein gewaltsames Vorgehen der USA wurde von den Falken aus Washington nicht ausgeschlossen. Der gesamte zweite Konferenztag galt dem Thema „Israel in Gefahr: Eine Bedrohung für die freie Welt“. Als Allheilmittel gegen die „Bedrohung“ Israels galt sämtlichen 11 Referenten die Verhinderung eines Palästinenserstaates, Tourismusminister Elon forderte unumwunden die Deportation aller Araber aus den israelischen Kerngebieten.
Der UN-Sicherheitsrat nahm die von den USA eingebrachte neue Irak-Resolution Nr. 1511 einstimmig an. Damit kapitulierten die sogenannten Kriegsgegner Russland, Frankreich, China und BRD vor dem amerikanischen Druck und legitimierten erneut die völkerrechtswidrige Eroberung und Besetzung des souveränen Staates Irak. Selbst die syrische Regierung stimmte der Resolution zu, was nicht zuletzt am massiven diplomatischen Druck Washingtons in den letzten Wochen liegen dürfte. Alle 15 beteiligten Regierungen stimmten ohne Zweifel in Erwägung eigener geopolitischer Interessen für die eindeutig illegale Besetzung des Iraks, die eine direkte Verletzung der UN-Charta darstellt. Die Resolution schreibt die vorherrschende Rolle der USA fest, indem sie die von US-Prokonsul Bremer abhängige und durch amerikanische Bajonette legitimierte Übergangsregierung als höchste Macht im Irak bestätigt und den von der amerikanischen Besatzungsmacht handverlesenen Irakischen Regierungsrat zur "Verkörperung der Souveränität des irakischen Staates" erklärt. Den Vereinten Nationen wird eine gestärkte Rolle im politischen und ökonomischen Wiederaufbau zugesagt - aber nur, sofern es die Umstände und besonders die Sicherheitslage zulassen. Die Resolution spricht ebenso eine Einladung an den Irakischen Regierungsrat aus, am 15. Dezember einen Zeitplan für den Entwurf einer neuen Verfassung und das Abhalten nationaler Wahlen vorzulegen. Dies wird allerdings auch davon abhängig gemacht, ob die Umstände es erlauben. Berlin, Paris und Moskau konnten sich nicht mit ihrer Forderung nach Kontrollübernahme der UNO im Zweistromland durchsetzen - ein Rückschlag für ihre massiven Wirtschaftsinteressen vor Ort. Die Resolution erteilt einer multinationalen Hilfstruppe unter US-Kommando das Mandat und ruft die Staatengemeinschaft auf, sich finanziell am Wiederaufbau des von den Amerikanern verwüsteten Irak zu beteiligen - wenn auch jeweils ohne konkrete Verpflichtungen für die UN-Mitgliedsstaaten. Die Bush-Administration hat einen diplomatischen Sieg errungen und sieht sich zweifellos in ihren Aggressionsplänen gegen „Schurkenstaaten“ wie Nordkorea, Syrien, den Iran, Libyen und Kuba bestärkt.
Die Zustimmung der „Kriegsgegner“ beruht auf eigenen Wirtschaftsinteressen und der Hoffnung auf amerikanisches Entgegenkommen. Die französische TotalFinaElf hat eine Erdölkonzession über 4 Milliarden Dollar im Irak offen (zudem schuldet Bagdad Frankreich insgesamt 8 Milliarden Dollar), und die russischen Firmen Lukoil und Zarubneft unterzeichneten mit der baathistischen Regierung Verträge über Ausbau und Modernisierung des irakischen Ölsektors mit einem Gesamtvolumen von bis zu 40 Milliarden Dollar. Bagdad schuldet Moskau darüber hinaus aus Krediten und Waffenlieferungen bis zu 16 Milliarden Dollar. Beachtlich sind auch die Interessen der neoimperialistischen BRD. Zwar liegt der bundesdeutsch-irakische Direkthandel nur bei jährlich 350 Millionen Dollar, aber hinzu kommt ein Betrag von rund 1 Milliarde Dollar aus dem Handel über Drittländer. Kurz vor der Verschärfung der Irak-Krise waren BRD-Firmen im Begriff, Marktführer in den Bereichen Klimaanlagen, Elektrizitätswirtschaft, Transport, Kosmetik und Textilien zu werden - auf den Sektoren Ersatzteilnachschub und Industrieanlagen war sie es bereits. Sehr wahrscheinlich sind auch noch bundesdeutsche Milliardenforderungen aus den ehrgeizigen irakischen Infrastrukturprojekten der 80er Jahre offen. Vor allem Baukonzerne wie Hochtief und Strabag gingen hier bei Brückenbauten, Straßennetz, Bewässerungsanlagen etc. in Vorleistung. Insgesamt steht der Irak bei der BRD bzw. bundesdeutschen Firmen mit 4,4 Milliarden Dollar in der Kreide. An die Adresse der friedensbewegten Demonstranten des Frühjahres sei gesagt: Jeglicher Widerstand gegen den amerikanischen Imperialismus kann nur in Opposition zu der ebenso imperialistischen BRD-Regierung entwickelt werden, nicht etwa in einer unheiligen Allianz mit dieser oder dem um keinen Deut besseren „Alten Europa“.
Derweil dauerte der Guerrillakrieg im Irak weiter an. Bei Bakuba scheiterte ein Bombenanschlag auf den Gouverneur der Provinz Diyala. Ebenso gescheitert ist ein Attentat auf Erdölminister Ibrahm Bahr al-Ulum nahe seiner feudalen Residenz im Bagdader Villenvorort Mansur. Bei einem Selbstmordanschlag auf das Hotel Bagdad im Zentrum der irakischen Hauptstadt gab es 7 Tote und mehr als 30 Verletzte, darunter auch das Ratsmitglied Muwaffaq al-Rubai. Im Hotel Bagdad logieren mehrere Mitglieder des irakischen Regierungsrates und nicht ganz unzufällig die Residentur der CIA. Ein weiterer Selbstmordanschlag traf die türkische Botschaft, wobei es 2 Tote und 8 Verletzte gab. Verhindert werden konnten Selbstmordoperationen u.a. gegen die irakische Zentralbank. Vor dem Ministerium für Arbeit und gesellschaftliche Angelegenheiten sowie an einem Eisenbahnknotenpunkt in der Bagdader Vorstadt entschärften die Amerikaner Autobomben. Östlich von Bagdad sprengten Widerstandskämpfer bei Haditha erneut eine Ölpipeline, ebenso zum 4. Mal die Leitung bei Kirkuk. Der irakische Regierungsrat lehnte die über seinen Kopf von Ankara und Washington ausgehandelte Stationierung von 10.000 Mann türkischer Truppen strikt ab, da er eine Eskalation in den nordirakischen Kurdengebieten befürchtet. Zum einen stehen hier 5000 KADEK-Partisanen aus der Türkei, zum anderen ist der Einmarsch türkischer Truppen auch für die irakischen Kurden eine Horrorvision. Die Amerikaner sind britischen Presseberichten zufolge zu kollektiven Vergeltungsmaßnahmen in den ländlichen Regionen übergegangen. Farmen, deren Besitzer im Verdacht stehen, den Widerstand zu decken, werden verwüstet, was der Ernährungslage nicht gerade zuträglich sein dürfte. Derweil nähert sich die Moral der Eroberer dem Tiefpunkt: In den letzten 7 Monaten wurden bereits 14 Suizide unter den Besatzern gezählt, möglicherweise kommen noch 11 weitere Fälle hinzu. Fast 500 Soldaten wurden wegen psychischer Probleme als dienstunfähig in die Heimat geschickt. Um die Moral der amerikanischen Besatzungstruppen ist es selbst einer Umfrage der Armeezeitschrift „Stars and Stripes“ zufolge nicht sonderlich gut bestellt. 49 % der Befragten bezeichneten die Stimmung in ihrer Einheit als schlecht und nur 16 % als gut. Immerhin ein Drittel der Soldaten erklärte die Irak-Mission für sinnlos. Auf dem Gipfel der islamischen Staatenorganisation OIC in Malaysia erklärte Bashar el-Assad: "Die Welt hat erkannt, dass der Krieg zur 'Befreiung' des Iraks die irakischen Bürger vom Staat, von Institutionen, von der Souveränität, von Würde, Lebensmitteln, Wasser und Elektrizität befreit hat. (…) Der irakische Bürger ist vom Geschenk des Lebens 'befreit' worden und ausnahmslos jeder hat erkannt, dass es den vorgebrachten Kriegsgründen an Glaubwürdigkeit fehlt."
Vor 55 Jahren begründete der ostdeutsche Bergmann Adolf Hennecke, der deutsche Stachanow, die DDR-Version der sowjetischen Aktivistenbewegung. Am 13. Oktober 1948 fuhr Adolf Hennecke seine Schicht, die historisch wurde. Bei Schichtende hatte er am wohlpräparierten Arbeitsplatz im Oelsnitzer Steinkohlenbergwerk die vorgesehene Norm um 387 % übererfüllt. Zwar war Hennecke wegen seiner Vereinnahmung durch den Stalinismus nie unumstritten, aber umgekehrt fungierte er als leuchtendes Vorbild für Hunderttausende, denen am Aufbau eines deutschen Sozialismus gelegen war. Zitieren wir hierzu die „junge welt“: „Henneckes Aktion aber hatte eine weitere Dimension: Es sollte - und wurde in bestimmtem Maße auch - eine neue Moral befördert werden, eine sozialistische Arbeitsmoral als bewußtes Eigentümerverhalten gegenüber Arbeit, Produktionsmitteln, auch Staat und Gesellschaft. Die kapitalistische Produktionsweise kann keine solche hervorbringen. Ausbeutung verdirbt die Moral. Sie ist gekennzeichnet durch Entfremdung gegenüber dem Produkt, der Tätigkeit und dem Mitmenschen. Daß die offizielle bürgerliche Ideologie den Schein erwecken will, der Kapitalismus entwickle eine höhere Arbeitsmoral als der Sozialismus, ändert nichts an der Tatsache einer unter Ausbeutungsbedingungen deformierten Arbeitsmoral. Was die kapitalistische Produktionsweise ausmacht, sind hoher Druck und Konkurrenzverhalten - ein äußeres Verhältnis zur Arbeit, zu ihren Sphären und Dimensionen.“
In Buenos Aires unterzeichneten der argentinische Staatspräsident Nestor Kirchner und sein brasilianischer Amtskollege Luiz Inacio Lula da Silva ein Abkommen. Der „Konsens von Buenos Aires“ sieht vor, dass Brasilien und Argentinien künftig die Rückzahlung ihrer Auslandsschulden von der sozialen Lage in den beiden größten Staaten Lateinamerikas abhängig machen werden. Konkret sollen nationale Ziele wie Wirtschaftswachstum, Armutsbekämpfung, Belange des Gesundheitswesens und Förderung des Bildungssystems Vorrang vor den Begehrlichkeiten der internationalen Großbanken, des IWF und der Weltbank erhalten. Brasilien und Argentinien haben mit 191 beziehungsweise 175 Milliarden Dollar die größten Außenverbindlichkeiten unter den Ländern der so genannten Dritten Welt. Argentinien bedient die Schulden bei Privatanlegern schon seit Januar vergangenen Jahres nicht mehr. Das Land löste damit den größten Zahlungsausfall der jüngeren Finanzgeschichte aus.
Die Gespräche zur Wiederbelebung des nordirischen Friedensprozesses nahmen ihren Fortgang. In London verhandelten Tony Blair, sein irischer Amtskollege Bertie Ahern, der protestantische Politiker David Trimble und Sinn Féin-Parteichef Gerry Adams. Trimble als ehemaliger Regierungschef und Führer der stärksten protestantischen Partei UUP forderte erneut eine Verpflichtung der IRA zur Vernichtung aller Waffen und zur Einstellung sämtlicher paramilitärischer Aktivitäten, bevor er in die nordirische Regierung zurückkehren werde. Die Republikaner wiederum wollen die Zusicherung, dass es keine erneute Rückkehr zur Direktverwaltung durch die britische Regierung geben werde. Außerdem soll Nordirland die bislang beim britischen Unterhaus liegende Zuständigkeit für Polizeifragen und Justiz erhalten. Dem Vernehmen nach will London bei einem halbwegs günstigen Ausgang der Gespräche Neuwahlen zur nordirischen Regionalversammlung noch für den November ansetzen.
Derweil wurde ein Anschlag republikanischer Hardliner wohl aus den Reihen der Real IRA mit einer 65-Kilo-Autobombe auf eine Polizeiwache bei Rosslea, Fermanagh, vereitelt. Die Continuity IRA meldete sich nach einer Reihe kleinerer Operationen mit einer 15-Kilo-Autobombe zurück, die vor einer Polizeistation in North Belfast platziert wurde. Auch dieser Sprengsatz konnte entschärft werden, weil es einen rechtzeitigen Warnanruf mit Kennwort gab. Nach Stephen Moore vom RIRA-nahen 32 County Sovereignty Movement verschleppte die Provisional IRA nun in Newcastle dessen Kameraden Brendan Rice, um auch ihn zu verhören und zu misshandeln. Bereits vor Monaten wurde Gareth O´Connor von den Provos in Armagh entführt und offensichtlich ermordet. Die Provisional IRA macht sich immer mehr zur Erfüllungsgehilfin der britischen Kolonialmacht.
Nachdem die Ulster Defence Association, die größte protestantische Untergrundorganisation Nordirlands, gerade im vergangenen Jahr den Putschversuch Johnny Adairs in ihrer Brigade West Belfast abwehren konnte und dessen Gefolgschaft ins Exil nach England bzw. Schottland trieb, wiederholten sich diese Vorgänge nun in North Belfast. Hier revoltierte der 2002 wegen Alkoholismus und sonstiger Auffälligkeiten abgesetzte Ex-Brigadier Jim Simpson, auch bekannt als der „Bacardi-Brigadier“, gegen seinen in Maghaberry einsitzenden Nachfolger Shoukri, einen Nachfahren arabischer Einwanderer. Zunächst räumten Simpson und sein Anhang einen Drogenumschlagplatz der UDA in der Lower Shankill Road aus, um daraufhin durch Angriffe auf Einzelpersonen und Geschäfte in North Belfast die Kontrolle der dortigen Brigade an sich zu reißen. Unseligerweise war die Führung der UDA gewarnt, so dass auch Simpson und seine Kameraden sich nach Schottland absetzen mussten. Polizeimeldungen zufolge ist eine Verwicklung von Überbleibseln der Adair-Fraktion in den Putschversuch nicht auszuschließen.
Einem Bericht des Internetmagazins Telepolis entnehmen wir nähere Hinweise zur in der BRD betriebenen Forschung an Massenvernichtungswaffen. Offiziell wurden die seit Ende der 60er Jahre auftauchenden Vorwürfe der DDR und aus DKP-Kreisen stets dahingehend abgetan, man befasse sich mit rein defensiven Projekten bzw. mit ABC-Abwehrmethoden. Zwar mag das für die Projekte der Bundeswehr zutreffen, aber der Militärisch-Industrielle Komplex wich zu weitergehenden Forschungen auf die Labors des Bayer-Konzerns aus. Bereits im Jahre 1957 ließ sich Bayer, übrigens auch der Inhaber des Patents für Heroin, in der BRD eine Substanz patentieren, die unter dem Namen VX als chemische Massenvernichtungswaffe bekannt werden sollte - ein tödliches Nervengas (auch die mörderischen Nervengase VE, VM, VS, VX und SM sind Bayer-Patente). Aus nahe liegenden Gründen deklarierte man das mörderische Patent als „Pestizid“. Die „Pestizid“-Forschungsabteilung bei Bayer leitete bis weit in die 60er Jahre hinein kein Geringerer als Dr. Gerhard Schrader, Vater einer Familie von Kampfstoffen auf Phosphorsäureester-Basis, deren bekannteste Abkömmlinge Sarin und Tabun sind. Ironischerweise vertrat der Menschheitsverbrecher Schrader die BRD jahrelang auf den Genfer Verhandlungen zur weltweiten Ächtung von Chemiewaffen. Auch am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Aerosolfoschung liefen (in Kooperation mit der Uni Göttingen und der Medizinischen Hochschule Hannover) diskrete Chemiewaffenprojekte.
In Berlin fand dieser Tage die Fachkonferenz Sicherheitsinteresse contra Privatsphäre statt, die von der Deutschen Telekom und der Telefonseelsorge ausgerichtet wurde. Bernd Köbele als Leiter der Abteilung Staatliche Sicherheitssonderauflagen wies unumwunden auf den übermäßigen Informationshunger der bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden. Laut Köbele soll das Interesse von Polizei, Nachrichtendiensten und Staatsanwaltschaften bereits verfassungsrechtlich bedenkliche Ausmaße angenommen haben. Selbst bei mittelschweren Straftaten ordnet der Sicherheitsapparat mittlerweile massenhafte Zielwahlsuchläufe an, und beispielsweise müssen zur Ermittlung von internationalen Handyverbindungen alle 50 Millionen Kunden von T-Mobile im Dreimonatsturnus durchgerastert werden. Täglich gehen Tausende Abfragen von allgemeineren Verbindungsdaten ein. Köbele konstatierte, die Ermittler würden die Deutsche Telekom geradezu wie eine für die Lieferung von Informationen zuständige Behörde behandeln. Rechtlichen Bedenken bezüglich der Wahrung des Fernmeldegeheimnisses wissen die Strafverfolger mit der Androhung eines Verfahrens wegen Strafvereitelung zu begegnen. Offenbar laufen bereits routinemäßig Überwachungsmaßnahmen ohne die erforderliche Originalvorlage einer richterlichen Überwachungsanordnung. Bereits eingereichte Beschwerden scheitern schon auf Ebene der Landesgerichte wegen Unzulässigkeit, ohne dass auch nur eine Prüfung der Sachargumente erfolgt.
Im von einem wochenlangen Generalstreik, Verkehrsblockaden und einem drohenden bewaffneten Aufstand der indigenen Aymará erschütterten Bolivien eskalierte die Lage: Ein Militäreinsatz gegen den Industriebezirk El Alto nahe der Landeshauptstadt La Paz, das Widerstandszentrum der revoltierenden Aymará und Gewerkschafter, löste tagelange Straßenkämpfen Dutzenden von Toten und Hunderten von Verwundeten aus; die Regierung verhängte daraufhin das Kriegsrecht. Damit stieg die Zahl der Todesopfer seit Beginn des „Gaskrieges“ (gerichtet gegen den Ausverkauf der Erdgasreserven an transnationale Konzerne und die neoliberale Ausbeutungspolitik der Regierung) Mitte September auf mindestens 86. Die Operation erfolgte offenbar auf Druck der US-Botschaft. Zitat US-Außenamtssprecher Richard Boucher: „Die USA unterstützen den demokratisch gewählten Staatschef.“ Der „demokratisch gewählte“ Staatschef Gonzalo Sánchez de Lozada erhielt seinerzeit 22 % der Wählerstimmen. Washingtons Botschafter David Greenlee verfügt bezeichnenderweise über einschlägige Erfahrungen in Counterinsurgency-Programmen der CIA, nicht zuletzt eben in den 80er Jahren in Bolivien. Felipe Quispe von der Landarbeitergewerkschaft CSUTCB, Jaime Solara als Exekutivsekretär des Gewerkschaftsverbandes COB und der linksnationalistische Oppositionsführer Evo Morales von der MAS forderten den Staatschef, einen 220 Millionen Dollar schweren und in den USA aufgewachsenen Bergbauunternehmer, zum sofortigen Rücktritt auf. Dieser kündigte daraufhin die Suspendierung aller geplanten Erdgasexporte nach Nordamerika bis Jahresende sowie Neuverhandlungen mit den Konzessionären, einem transnationalen Konsortium, an. Lozadas Flucht nach vorn beruhigte die Lage keineswegs; im Gegenteil erfasste die Streikbewegung auch bislang noch abseits stehende Berufsgruppen und radikalisierte die bislang relativ zurückhaltenden Kokabauern. Massenkundgebungen bewirkten den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in La Paz und weiteren Städten. Nachdem auch ein angebotenes Referendum über den Erdgasvertrag die aufgebrachten Massen nicht beruhigen konnte, und nachdem seine Regierung praktisch auseinanderfiel, gab der Präsident seinen Rücktritt bekannt und setzte sich in die Vereinigten Staaten ab, nicht ohne vorsorglich 200 Millionen Dollar Privatvermögen nach Amerika zu transferieren. Interimspräsident wurde der bisherige Vizepräsident Carlos Mesa an der Spitze einer Regierung aus parteiunabhängigen Technokraten, der zunächst einmal vorgezogene Neuwahlen ankündigte und in Verhandlungen mit den Führern der aufgebrachten Massen eintrat. Die Aussicht auf eine gerechte Lösung des Konfliktes um die neoliberale Politik der bolivianischen Regierung und vor allem die Ausbeutung der reichen Erdgasvorkommen durch internationale Konzerne stehen schlecht: Auch Mesa ist ein Angehöriger der bolivianischen Oligarchie, zudem schafften es die verschiedenen parlamentarischen und außerparlamentarischen Oppositionsgruppen nicht, sich auf eine gemeinsame Plattform zu einigen. Eine von Mesas ersten Besprechungen galt dem US-Botschafter Greenlee, und das Southern Command der US Army entsandte bereits ein Team von Militärexperten nach La Paz.
Bei den aserbaidschanischen Präsidentschaftswahlen setzte sich der bisherige Premierminister Ilham Alijew, Sohn des schwerkranken Staatschefs Heidar Alijew, gegen die Opposition durch. Von einer freien Wahl kann keine Rede sein, die Abstimmung wurde massiv von Regierungsseite beeinflusst und manipuliert - was von der Opposition mit Straßenschlachten honoriert wurde. Die USA und ihre Verbündeten sind am Verbleib der Alijews interessiert: Es geht um die seit Oktober 2002 im Bau befindliche BTC-Pipeline von Baku über Tiflis bis zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Über die von BP und dem aserbaidschanischen Staatskonzern Socar gebaute Leitung sollen die Erdöl- und Erdgasvorräte des kaukasisch-kaspischen Raumes gen Westen exportiert werden. Anfang 2004 wird auch die Regierung Kasachstans in das Projekt einsteigen. Die Erschließung der Exportroute bis 2005 hat sich ein Konsortium aus BP/Amoco, türkischen Firmen, dem US-Ölriesen Unocal und dem norwegischen Statoil-Konzern zum Ziel gesetzt. Bislang laufen die Erdölxporte nämlich über russisches Territorium, was dem Westen eindeutig ein Dorn im Auge ist. Vor allem hinsichtlich des Erdgasmarktes hat zudem der russische Gazprom-Konzern ein faktisches Monopol in Ost- und Südosteuropa. Um dieses Monopol aufzubrechen, ist parallel die sogenannte BTE-Leitung geplant, welche kaspisch-kaukasisches Erdgas ins türkische Erzurum bringen soll. Von dort aus soll bis 2009 eine Fortsetzung über den Balkan geführt werden, um Südeuropa zu beliefern. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch die militärische Präsenz der NATO in Mazedonien, dem Kosovo und Albanien eine interessante Note - Erdölimperialismus in Reinkultur.
Wie erinnerlich, stellten sich der Vorstand der Deutschen Bank und namhafte Regierungsvertreter hinter Josef Ackermann, als ein Korruptionsverfahren gegen diesen aufgenommen wurde. Ackermann, seines Zeichens Vorstandssprecher der Deutschen Bank, hatte sich seinerzeit in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen IG Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel und anderen Wirtschaftskriminellen bei der Übernahme des Mannesmann-Konzerns durch die britische Vodafone Millionenbeträge als „Abfindungen“ genehmigt. Pikanterweise leitete die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nun ein weiteres Verfahren gegen den u.a. von Wirtschaftsminister Clement und Finanzminister Eichel gedeckten Spitzenbanker ein, ferner wird auch gegen den Deutsche Bank-Aufsichtsratsvorsitzenden Rolf Breuer ermittelt. Dieses Mal geht es um den Verkauf des Lebensversicherers Deutscher Herold an die Zurich Financial Services im April 2002 durch die Deutsche Bank. Hier besteht der Tatverdacht, dass sich der offensichtlich notorisch korrupte Ackermann und sein Kumpan Breuer durch die Übernahmefirma aus Vermögenswerten (also Versichertengeldern) des Deutschen Herold schmieren ließen. Bleiben wir beim Thema: Der gescheiterte Medienmogul Leo Kirch und sein Sohn Thomas sollen laut StA München im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Kirch-Imperiums mit rechtswidrig vergeben Darlehen einen Schaden in Höhe von mindestens 50 Millionen Euro angerichtet haben. Hinzu kommen obskure Beraterverträge, welche die Kirch-Gruppe um weitere 8 Millionen Euro schädigten. Politikersohn Max Strauß, Ehemann der bayerischen Kultusministerin Monika Hohlmeier und FJS-Sohn, ist bekanntlich Gegenstand eines anstehenden Verfahrens wegen Steuerhinterziehung. Strauß soll für seine „Hilfe“ beim Verkauf von 51 Airbussen an Kanada und Thailand 2,7 Millionen Euro „Provisionen“ aus der Tasche des flüchtigen Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber kassiert haben. Der Angeklagte befindet sich allerdings seit 4 Wochen in der Psychiatrie, und ein Beginn des Prozesses im Januar 2004 erscheint dem Verfasser angesichts des Vorliegens einer seit mindestens 10 Jahren verschleppten geistigen Erkrankung des Angeklagten doch etwas fraglich. Des weiteren, es handelt sich hier alles um Ereignisse aus einer Woche, wurde Ulrich Misgeld als ehemaliger Chef der Berliner Volksbank von der Wirtschaftsstrafkammer des LG Berlin vom Vorwurf der Untreue und der Beihilfe zum Betrug freigesprochen. Misgeld und seine Kompagnons aus der Immobilienbranche schädigten zwischen 1993 und 1996 mehr als 650 Zeichner eines Immobilienfonds um 66,5 Millionen Euro - sie verheimlichten, dass die Euwo-Gruppe als Initiatorin des besagten Fonds faktisch pleite war, gaben dieser Zwischenfinanzierungskredite und glänzten mit öffentlichen Garantieerklärungen für den Partner. Die Staatsanwaltschaft fiel aus allen Wolken und kündigte Revision an. Aber keine Sorge: Korruption ist in der BRD ein Kavaliersdelikt. Beispielsweise veruntreute Südmilch-Chef Wolfgang Weber nach der „Wiedervereinigung“ geschlagene 8 Millionen Euro aus dem Vermögen der durch die Treuhand verschacherten Sachsenmilch AG, um seinen West-Konzern zu sanieren (an und für sich banal, nach den durch die Führung des Bremer Vulkan aus Ostwerften veruntreuten rund 650 Millionen Euro kräht allerdings kein Hahn mehr). Infolge falscher Angaben beim Börsengang der Sachsenmilch schädigte Weber zudem Anleger und die Emissionsbank um weitere 30,67 Millionen Euro. Die Strafe für den „Glücksritter“ wird nach einem Kuhhandel zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft auf lachhafte 2 Jahre Bewährung und 100.000 Euro Geldstrafe lauten.
Lagefeststellung Beurteilung der Situation Möglichkeiten des Handelns Entschluss Umsetzung Kontrolle