Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 4. bis 10. Oktober 2003

Die Verhandlungen um eine Wiederherstellung der nordirischen Selbstverwaltung dauern weiter an. Martin McGuinness als Chefunterhändler Sinn Féins deutete an, die Internationale Entwaffnungskommission unter dem kanadischen General John de Chaistelain könne dem Friedensprozess mehr Unterstützung zuteil werden lassen, wenn die Provisional IRA erneut Teile ihres Waffenarsenals unbrauchbar mache. Eine Nennung genauer Details des zerstörten Kriegsmaterials sei nicht erwünscht, aber de Chastelain könne in seinen Äußerungen ruhig weiter gehen als bisher und nähere Angaben über die bei den ersten Entwaffnungsschritten unbrauchbar gemachten Waffen und Materialien machen. Diese als vertrauensbildende Maßnahme gedachten Anregungen kamen auf irischen Druck zustande - Dublin fordert eine eindeutige Gewaltverzichtserklärung der Provisional IRA. Die Provo-Einheiten vor allem in Tyrone und Armagh lehnen eine solche Erklärung jedoch strikt ab. Trimbles UUP als größte Protestantenpartei verlangt allerdings, sofort und umfassend über sämtliche Details jeder Entwaffnungsaktion informiert zu werden. Die Ulster Unionists haben indessen die vielleicht in Bälde anstehenden Wahlen zu fürchten, denn bei einer Neuwahl der Regionalversammlung könnte ihnen die radikalere DUP des reaktionären Pfaffen Ian Paisley den Rang ablaufen.

 

Alles redet vom Arsenal der Republikaner und schweigt über die Waffen der Loyalisten. Die eher gemäßigteren Gruppen Ulster Volunteer Force und Red Hand Commandos lehnen jede Kontaktaufnahme mit der Entwaffnungskommission ab. David Ervine von der UVF-nahen Progressive Unionist Party verwies darauf, dass die loyalistisch eingestellte protestantische Unterschicht praktisch zugunsten der Mittelklassepartei UUP von den Verhandlungen um die Zukunft Nordirlands ausgeschlossen wurde. Nicht hinzugezogen wurden allerdings auch die gemäßigte Katholikenpartei SDLP und die DUP. Ervine wehrte sich gegen die Dämonisierung des Loyalismus: So wie man auf katholischer Seite von „dissident Republicans“ spreche, so solle man für die Protestanten endlich einen Begriff des „dissident Loyalism“ definieren - ein klarer Seitenhieb gegen die aggressiveren Elemente der Ulster Defence Association und der Loyalist Volunteer Force. Die Loyalisten zeichneten im 3. Quartal 2003 trotz relativer Ruhe in Nordirland für 160 einzelne Übergriffe gegen die katholische Bevölkerungsgruppe verantwortlich. Darunter befinden sich mehrere Fälle von Schusswaffengebrauch, 54 Bombenanschläge und 43 schwere und gefährliche Körperverletzungen.

 

Noch immer verweigert die irische Regierung die Freilassung des im Gefängniskomplex von Castlerea einsitzenden Dessie O´Hare. Der legendäre „border fox“ wurde 1956 geboren und entstammt einer strikt republikanisch gesonnenen Familie. Schon die Großmutter saß 6 Monate im Knast, weil die Republikanern Unterschlupf gewährte. Während des Zweiten Weltkrieges waren sein Vater und 6 Onkel interniert, ein Onkel starb in einem britischen Konzentrationslager auf der Isle of Man. Im zarten Alter von 16 Jahren schloss Dessie O´Hare sich der IRA an, um den Kampf später in den Reihen der linksnationalistischen Irish National Liberation Army INLA fortzusetzen. Nach mehreren Gefängnisaufenthalten und einer spektakulären Hetzjagd durch die irische Polizei und Armee erfolgte 1988 wegen terroristischer Aktivitäten die Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Nun sieht das Karfreitagsabkommen von 1998 die Freilassung aller einsitzenden Paramilitärs vor, und obwohl O´Hare sich eindeutig zum Waffenstillstand und zum Friedensprozess bekannte, verweigert die irische Regierung ihm nach wie vor die Entlassung nach Artikel 3 und Anhang B, Sektion 2 des Vertrages - obwohl sie den prominenten INLA-Aktivisten bereits als eindeutigen Entlassungsfall anerkannte. Auch ein Versuch des irischen Justizministeriums, den border fox von Experten als gemeingefährlichen Psychopathen abstempeln zu lassen, musste ergebnislos abgebrochen werden. Seine ebenfalls 1988 inhaftierten Kameraden Edward Hogan und Fergal Toal wurden bereits freigelassen, aber Dessie O´Hare sitzt für seine republikanische Überzeugung bereits das 24. Jahr (von 47 Lebensjahren!) im Knast und gelangte auch nicht in den Genuss der für in Irland einsitzende Paramilitärs üblichen zeitweiligen Entlassungen auf Ehrenwort in dringenden Familienangelegenheiten. Freiheit für Dessie O´Hare!

 

In Haifa sprengte sich eine palästinensische Selbstmordattentäterin in einem Restaurant in die Luft, es gab 20 Tote und 55 Verletzte. Der Islamische Heilige Krieg rechtfertigte den Anschlag, bekannte sich aber nicht eindeutig zu ihm. Bei der Täterin handelte es sich um Hanadi Jararadat, eine angehende Rechtsanwältin aus Jenin, die Rache für die Ermordung eines Bruders durch die zionistische Soldateska nahm. Ihr jüngerer Bruder erklärte gegenüber Pressevertretern: "Warum sollten wir weinen? Es ist heute wie ein Hochzeitstag für sie. Es ist ihr glücklichster Tag!" Terror und Gegenterror: Wenige Tage später richtete die israelische Armee bei einer ergebnislosen Razzia im Flüchtlingslager Rafah im südlichen Gazastreifen ein Blutbad an. Auf der Jagd nach nicht existenten Stinger-Raketen erschossen Israels tapfere Soldaten zwei 8 und 12 Jahre alte Jungen. Bei der sinnlosen Gewaltorgie feuerte ein Kampfhubschrauber auch noch eine Rakete in eine palästinensische Menschenmenge. Insgesamt belief sich die Bilanz auf mindestens 7 Tote und 50 Verletzte. Die nächste Hanadi Jararadat wird mit Sicherheit auftreten - ein Produkt der zionistischen Gewaltherrschaft in den Palästinensergebieten.

 

Mit dem großen Bruder in Washington und dem eigenen Arsenal an Massenvernichtungswaffen im Rücken, betrieb Israel als Antwort die weitere Eskalation der Lage in Nahost. Die zionistische Luftwaffe bombardierte mit dem Flüchtlingslager Ain el Sahib bei Damaskus erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder ein Ziel tief in Syrien. In israelischer Diktion werden hier mit iranischer Hilfe Kämpfer der Hamas und des Heiligen Krieges ausgebildet. Allerdings reklamierte die PFLP das Lager für sich und fügte hinzu, Ain el Sahib werde schon lange nicht mehr militärisch genutzt und diene nur noch als Camp für palästinensische Heimatvertriebene. Vertreter des Islamischen Jihad verwiesen darauf, dass sich kein einziger Kämpfer ihrer Organisation auf syrischem Territorium befinde. Der ohnehin unter starkem amerikanischem Druck stehenden syrischen Regierung wurde von Sharon unter ausdrücklichem Hinweis auf die Anfeindungen aus Washington vorgeworfen, sie kooperiere mit terroristischen Organisationen. So soll Syriens Staatschef Bashar al-Assad nach Informationen der israelischen Armee in Damaskus etwa die Hamas-Führer Chalid Mashal und Mussa Abu Marsuk beherbergen, überdies den Chef der PFLP-GC, Ahmed Jibril, und Ramadan Shallah, den Generalsekretär des Islamischen Jihad. Assad lehnte jedoch die von den USA und Israel geforderte Ausweisung der palästinensischen Aktivisten und die Schließung ihrer Büros strikt ab, da sie nicht geltendem syrischen Recht zuwider handeln würden und keine Terroristen, sondern Kombattanten seien. Der Angriff kommt nicht ganz überraschend: Bereits seit Anfang September werden massive Verletzungen des libanesischen und syrischen Luftraumes durch israelische Militärmaschinen gemeldet. Die Fatah als PLO-Hauptfraktion versetzte alle Kämpfer in den libanesischen Flüchtlingslagern in Alarmbereitschaft. In den 12 libanesischen Camps fristen 367.000 von den Zionisten vertriebene Palästinenser ihr Dasein. Israelische Soldaten nahmen jenseits der libanesischen Grenze befindliche Mitarbeiter der Vereinten Nationen unter Feuer, laufende Feuergefechte in der Grenzregion waren die Folge.

 

Palästinenserpräsident Arafat rief den Notstand aus und installierte ein Notstandskabinett unter Kureia, was wiederum von der PFLP scharf kritisiert wurde. Die linksnationalistische PLO-Fraktion forderte eine Regierung der nationalen Einheit mit Vertretern aller relevanten Palästinenserorganisationen, also auch der Hamas und des Islamischen Heiligen Krieges. Zudem verlangte der zur Zeit in Israel inhaftierte PFLP-Generalsekretär Saadat, die in Agonie liegende PLO wiederzubeleben und zum Steuerorgan eines breiten Volkswiderstandes gegen die zionistische Besatzungsmacht zu machen. Hamas-Vertreter wiederum erklärten, die Regierung Kurei sei als Folge eines israelisch-amerikanischen Diktats zustande gekommen und solle sich hüten, gewaltsam gegen die radikalen Gruppierungen vorzugehen.

 

Der UN-Sicherheitsrat trat nach der israelischen Aggression auf Antrag Syriens zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, ebenso die Arabische Liga. Während die Liga den Angriff als „Staatsterrorismus“ verurteilte, entwickelten sich die Dinge im Sicherheitsrat wie gewohnt. Syriens Außenminister Faruk al-Shara forderte eine Verurteilung Israels und Maßnahmen, um derartige Vorfälle künftig zu unterbinden. Die Weltöffentlichkeit - sogar die Bundesrepublik, die alleine zwischen 1998 und 2001 Waffensysteme im Wert von beinahe 1 Milliarde Euro an Israel lieferte - verurteilte den Luftschlag scharf. Bis auf - natürlich - die Vereinigten Staaten von Amerika. Präsident Bush bekräftigte das israelische Recht auf „Selbstverteidigung“ (lies: auf jeden erdenklichen Völkerrechtsbruch) und forderte die palästinensische Autonomiebehörde auf, gegen die Hardliner vorzugehen. Diese Zumutung wurde selbst von dem als gemäßigt geltenden Ahmed Kureia zurückgewiesen - er wolle keinen innerpalästinensischen Bürgerkrieg auslösen. Der Sicherheitsrat vertagte zunächst (nicht zuletzt auf Betreiben der Regierungen in Berlin und Washington) die Entscheidung über eine etwaige Israels, nachdem die Vertreter der USA und Tel Avivs Syrien als „Schurkenstaat“ attackierten und die baathistische Regierung in Damaskus in die Nähe Osama bin Ladens rückten. Ebenfalls vertagt wurde die Entscheidung über eine von Syrien und der Arabischen Liga eingebrachte Resolution zur Verurteilung der zionistischen Apartheidmauer im Westjordanland.

 

Ein wunderbares Beispiel für die Herrschaftspraktiken des rassistischen Apartheidstaates Israel ist die palästinensische Stadt Hebron: In 3 Jahren Intifada erlebte die arabische Bevölkerung mehr als 600 Tage Ausgangssperre. Vor den Toren der Stadt leben 6000 jüdische Siedler, mitten in Hebron selbst werden 140.000 Palästinenser von 450 Hardcore-Zionisten terrorisiert, zu deren Schutz sich 4000 israelische Soldaten vor Ort befinden. Kein einziger Siedler gehört zur alteingesessenen jüdischen Bevölkerung, der harte Kern der selbsternannten Herrenmenschen reiste gar aus den USA und Frankreich zu. Die Palästinenser können Hebron nur durch einen einzigen Eingang betreten und verlassen, 140.000 Menschen sind faktisch zu Ghettoinsassen degradiert. Der Bau der zionistischen Apartheidmauer wird die Stadt mitten durch den Stadtkern trennen; zudem erhalten auch die 4 Siedlungen eigene Schutzwälle. Bereits 700 palästinensische Familien wurden beim Abriss ihrer Häuser zugunsten der Apartheidmauer auf die Straße gesetzt. Die Siedler und die zionistische Soldateska sind für 90 % aller Gewalttaten in Hebron verantwortlich. Durch systematischen Terror gegen die quasi rechtlosen Palästinenser erfolgt hier eine nicht nur schleichende ethnische Säuberung. Im nach dem Oslo-Abkommen der israelischen Verwaltung zugeschlagenen Teil der Stadt sind seit Mitte der 90er Jahre fast alle der 10.000 palästinensischen Bewohner geflüchtet. Die Arbeitslosigkeit unter den palästinensischen Bewohnern Hebrons liegt bei 70 %, und mehr als zwei Drittel aller Kinder sind unterernährt.

 

In einem Interview mit der Zeitung „Berria“ forderte Arnaldo Otegi, ehemaliger Sprecher der im März von der spanischen Regierung verbotenen linksnationalistischen Baskenpartei Batasuna, die Untergrundarmee ETA zum Überdenken ihrer Position auf. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die ETA ihre Situation reflektieren muss.“ Diskret deutete Otegi an, dass die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes der baskischen Sache derzeit eher schade als nutze. Die baskische Regionalregierung unter dem bürgerlichen Nationalisten Ibarretxe beabsichtigt, im Jahr 2005 eine Volksabstimmung über eine Art Personalunion des Baskenlandes mit dem spanischen Zentralstaat abzuhalten. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch die Einstellung des bewaffneten Kampfes durch die ETA. Batasuna lehnt den „Plan Ibarretxe“ zwar ab, weil er Navarra und das französische Baskenland außen vor lässt, aber die linksnationalistische Bewegung wird die Durchführung des Referendums keinesfalls behindern. Otegi forderte auch die spanische Zentralregierung auf, ihren Sicherheitsorganen im Baskenland Zurückhaltung aufzuerlegen und sich nicht länger in die internen Angelegenheiten der autonomen Region einzumischen. Bereits kürzlich zeichnete sich die Annäherung zwischen der Regierungskoalition aus Baskischer Volkspartei PNV und Vereinigter Linker und den als Patriotische Sozialisten firmierenden ehemaligen Batasuna-Abgeordneten im Regionalparlament ab: Gemeinsam stimmte man eine Vorlage der Konservativen nieder, nach welcher den Familien der mehr als 700 inhaftierten baskischen Nationalisten die Fahrtkostenzuschüsse für Haftbesuche gestrichen worden wären. Die Gefangenen wurden über ganz Spanien verstreut.

 

Presseberichten zufolge ordnete die irakische Übergangsregierung an, alle ehemaligen Mitglieder der Baath-Partei von ihren Arbeitsplätzen zu entfernen - als wenn die Lage im Irak nicht schon desolat genug wäre. Die Protestaktionen der demobilisierten und arbeitslosen irakischen Soldaten für die Zahlung eines Übergangssoldes nahmen ihren Fortgang. Weiterhin erschütterten blutige Unruhen und Zusammenstöße mit Kollaborationspolizei und Besatzungstruppen die Metropolen Basra und Bagdad. In Najaf bildete der schiitische Extremist Moqtada al-Sadr eine Gegenregierung mit mehreren Ministerien. Sadr rief seine Anhänger zu friedlichen Kundgebungen auf, um seine Arbeit zu unterstützen. Nachdem diese in den Vorstädten Bagdads demonstrierten, führte ein Selbstmordanschlag auf eine Polizeiwache in Sadr City die Eskalation herbei. Es kam zu tagelangen Straßenschlachten in diesem schiitischen Armenviertel der irakischen Hauptstadt, und offenbar beteiligen sich jetzt auch erstmals Einheiten von Sadrs schiitischer Mahdi-Armee an Widerstandsaktionen. Wenig später wurde in Bagdad der spanische Diplomat José Antonio Bernal Gómez von einem Mordkommando erschossen. Bernal entpuppte sich bald darauf als 2. Attaché des spanischen Militärgeheimdienstes CNI im Irak. Nach zwei relativ verlustarmen Wochen büßten die amerikanischen Besatzer im Berichtszeitraum mindestens 7 Gefallene ein. Da das türkische Parlament die Entsendung von 10.000 Soldaten in den Irak beschloss, dürften in Bälde Komplikationen um die 5000 KADEK-Guerrilleros im Nordirak bevorstehen. Angesichts der chaotischen Zustände entzog Präsident Bush dem vollkommen überforderten Pentagon die Zuständigkeit für Ordnung und Wiederaufbau im Irak und kündigte die Einrichtung einer Irak-Sicherheitsgruppe unter seiner Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice an.

 

Die Kette amerikanischer Provokationen gegen das kommunistische Nordkorea nimmt kein Ende: Auf demonstrative Manöver der amerikanischen Besatzungstruppen und der südkoreanischen Armee, die Verlegung von Luftwaffenverstärkungen nach Guam und die eingeleitete Modernisierung der Raketenabwehr in Südkorea folgte nun der nächste Schritt: Admiral Walter Doran als Kommandeur der amerikanischen Pazifikflotte kündigte die Verlegung eines weiteren Flugzeugträgers nach Hawaii oder Guam an, um „besser auf Entwicklungen in Korea oder anderen asiatisch-pazifischen Spannungsgebieten reagieren zu können“. Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA erklärte, Washington habe offenkundig nicht die Absicht, seine feindselige Politik zu beenden und setze ihre Versuche fort, das Land „mit Gewalt in die Knie zu zwingen“.

 

Eine Studie aus dem Umfeld der University of Maryland lieferte neue Belege für die Verdummung der Bevölkerung durch Privatmedien. Objekt der Untersuchung waren 3000 US-Amerikaner, die ihre Informationen aus nur einer einzigen Medienquelle beziehen. Konfrontiert wurden die Probanden mit drei „unerhört falschen Annahmen“, wie sie leider nicht nur von den anglo-amerikanischen Medienkonzernen verbreitet wurden: Saddam Hussein stehe im Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. September; der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen; und die Weltöffentlichkeit stehe hinter der anglo-amerikanischen Invasion des Zweistromlandes. Interessanterweise hingen die Konsumenten des privaten Fernsehsenders Fox (Rupert Murdoch) mit um 400 % höheren Wahrscheinlichkeit diesen falschen Standpunkten an als beispielsweise die Nutzer nichtkommerzieller Medien. 80 % aller Fox-Opfer hielten wenigstens eine der drei „unerhört falschen Annahmen“ für zutreffend. Das gleiche gilt für 56 % aller CNN-Seher und 47 % derjenigen Amerikaner, die sich bevorzugt durch Zeitungen informieren. Die Studie legt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Art und Weise, wie Nachrichten verstanden werden und der Nachrichtenquelle nahe. Dieser Zusammenhang besteht über unterschiedliche Bevölkerungsschichten, Bildungsniveaus und Parteilichkeit hinweg. Generell sind 48 % der Amerikaner der Ansicht, die Invasoren hätten Beweise für Verbindungen zwischen Saddam Hussein und der al-Quaida gefunden. Immerhin 22 % glauben an das Ammenmärchen, die Besatzer hätten Massenvernichtungswaffen im Irak entdeckt, und 25 % sind der Ansicht, die Bush-Administration habe im Einvernehmen mit der Weltöffentlichkeit gehandelt.

 

Die Jahreskonferenz des Verbandes Südoastasiatischer Staaten ASEAN verabschiedete auf der indonesischen Insel Bali den ASEAN Concord II-Vertrag. Das Abkommen der 10 Mitgliedsstaaten sieht bis 2020 die Schaffung eines gemeinsamen Marktes vor. Dieser wird über ein Potenzial von 500 Millionen Menschen und ein BIP von 720 Milliarden Dollar verfügen. Neben den ASEAN-Staaten werden sich jedoch auch China, Indien, Japan und Südkorea an dem Projekt beteiligen. - dann wird die südostasiatische Wirtschaftszone ein BIP von fast 3 Billionen Dollar aufweisen. Südkoreas Staatspräsident Roh prophezeite, der gemeinsame Wirtschaftsblock werde sich zum „Wachstumsmotor der Weltwirtschaft“ entwickeln, und das 21. Jahrhundert werde das „Zeitalter Ostasiens“ sein. Die ASEAN wurde 1967 gegründet und ist nach der Asien-Pazifik-Wirtschaftskooperation APEC der größte wirtschaftliche Zusammenschluss im asiatischen Raum. Mitglieder sind Brunei, Malaysia, Indonesien, Vietnam, Singapur, Laos, Kambodscha, die Philippinen, Birma und Thailand. Bislang ist der Zusammenschluss nur eine Freihandelszone. Beim Thema Sicherheit wird nicht ein Militärbündnis angestrebt, sondern eine Zusammenarbeit bei der Konflikt-Verhütung, -Lösung und Aussöhnung nach einem Konflikt.

 

In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ wetterte Peter Vetter als Präsident des Sozialverbandes Deutschland gegen die sozialreaktionäre Politik von Bundesregierung und Opposition. Als eine Folge der Gesundheitsreform würden Arme früher sterben müssen. Die geplanten Einschnitte würden dem schon jetzt belegbaren Trend „endgültig zum Durchbruch verhelfen und so zur bitteren, weit verbreiteten Wahrheit in Deutschland werden lassen“. Viele Geringverdiener sowie die meisten Sozialhilfeempfänger und Heimbewohner können sich künftig Arztbesuche, Medikamente oder Zahnersatz nicht mehr leisten. Für sie gibt es - anders als bisher - keine Befreiungen von den Zuzahlungen. Nach den Worten des Verbandspräsidenten ist dies ein sozialer Skandal, da der Staat seiner Aufgabe nicht mehr nachkomme, eine medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten. So müssten auch pflegebedürftige Heimbewohner, denen oft nur ein Taschengeld vom Sozialamt in Höhe von monatlich weniger als 90 Euro zur Verfügung steht, die Zuzahlungen leisten, erläuterte Vetter. Wer krank sei und auf dem Land wohne, den treffe die Regelung besonders hart, dass Taxifahrten zum Arzt künftig nicht mehr erstattet würden. Gehbehinderte und viele ältere Menschen könnten meist keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, um zum Arzt zu kommen. Im Gesundheitsreformgesetz ist vorgesehen, dass grundsätzlich bei allen Leistungen 10 % - mindestens 5 und höchstens 10 Euro - zugezahlt werden müssen. Für alle Zuzahlungen gilt die Höchstgrenze von 2 % des Bruttoeinkommens, bei chronisch Kranken 1 %.

 

Die Bush-Administration kündigte die Einrichtung eines Beraterstabes an, um „Empfehlungen für einen Regimewechsel“ auf Kuba auszuarbeiten. Im Klartext: Die Imperialisten in Washington geraten allmählich außer Rand und Band. Bedroht werden derzeit Nordkorea, der Iran, Syrien, Libyen, Venezuela und nun auch noch die Karibikinsel Kuba. Der Leiter der kubanischen Interessenvertretung in Washington, Dagoberto Rodriguez, kommentierte, Bush solle aufhören, sich "wie ein gesetzloser Cowboy" zu benehmen. Seit 12 Jahren fordere die UN-Vollversammlung die USA jeden Herbst auf, das Handelsembargo gegen Kuba aufzuheben. Die US-Regierung müsse davon Abstand nehmen, Lügen über Kuba zu verbreiten, "nur um einer kleinen Minderheit von Radikalen zu gefallen", sagte Rodriguez in Bezug auf die Exilkubaner im Süden von Florida. Diese sind interessanterweise in das jüngste CIA-Komplott zur Ermordung des venezolanischen Staatschefs Hugo Chávez verwickelt.

 

Die anstehende EU-Erweiterung wird vom Ausbau des Schengener Informationssystems zum SIS II begleitet sein. Die neue Datenbank wird nicht nur als Informations-, sondern auch als Ermittlungssystem dienen. Bislang enthält SIS etwa 11,3 Millionen Datensätze, darunter fast 900.000 über Personen, die gesucht werden, sowie fast 800.000 Hinweise auf Personen, die nicht einreisen dürfen. Neben einer Terroristendatenbank sollen in SIS II auch Daten über Menschen eingegeben werden, die den Schengen-Raum nicht verlassen dürfen, die als Unruhestifter gelten oder als politische Aktivisten aufgefallen sind. Zudem sollen neue Daten wie biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke sowie Lichtbilder einbezogen, eine Verbindung zu anderen Datenbanken hergestellt werden und mehr Behörden, einschließlich Kraftfahrzeugregistrierungsstellen, Europol, Eurojust und Geheimdienste, Zugriff erhalten - auch zu anderen Zwecken als denjenigen, für sie erhoben wurden. Auch bei Ermittlungen im Rahmen des Europäischen Haftbefehls soll SIS eingesetzt werden. Erwägt wird zudem die Öffnung von SIS für nichtstaatliche Organisationen wie Kreditinstitute. An neuen Daten will insbesondere die spanische Regierung einbeziehen: "Art des Verstoßes; Boote, Flugzeuge und Container, industrielle Ausstattung, Aufenthaltsgenehmigungen und Reisedokumente, Kraftfahrzeug- Registrierungs-Zertifikate, Kreditkarten, Wertpapiere usw., die gestohlen wurden oder verlorengegangen sind."

 

In der sardischen Hauptstadt Cagliari fand die diesjährige Konferenz der staatenlosen Völker Europas (CONSEU) statt. Den Vorsitz der Tagung führte Efisio Serrenti als Präsident des Sardinischen Regionalrates. An den mehrtägigen Beratungen nahmen Vertreter von Unabhängigkeitsbewegungen, Gewerkschaften, Kultur- und Sprachorganisationen sowie Wissenschaftler verschiedener staatenloser Nationen teil. Vertreten waren Katalonien, Nordirland, das Baskenland, Sizilien, die Faröer-Inseln, die Bretagne, Schottland, die Kanarischen Inseln und Korsika. Hauptthema waren die Auswirkungen des 11. September - der Ausbau der staatlichen Sicherheitsapparate ermöglichte unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung die schärfere Unterdrückung nationalistischer und regionalistischer Strömungen vor allem in Frankreich, Spanien und Italien. Im kommenden Jahr wird CONSEU eine Antirepressionskonferenz in der Bretagne abhalten.

 

Da hierzulande kaum jemand über die Angelegenheit berichtet, hier noch einmal: Am 10. November 2003 beginnt vor dem OLG Celle das Verfahren gegen Michael R. Dickson, mutmaßlicher Aktivist der Provisional IRA. Der in Schottland geborene ehemalige Soldat der britischen Armee soll am 28. Juni 1996 an der Operation eines PIRA-Kommandos beteiligt gewesen sein, das eine Kaserne der britischen Besatzungstruppen in Osnabrück mit einem Mörser unter Feuer nahm. Eines der Geschosse verfehlte eine Militärtankstelle nur um Haaresbreite. Ebenfalls 1996 soll Dickson Planer eines Bombenanschlages auf eine britische Kaserne im nordirischen Lisburn gewesen sein. Die britischen Behörden suchen den Angeklagten wegen versuchten Mordes - angeblich soll er versucht haben, 1999 den Verräter Martin McGartland in Tyneside zu liquidieren. Dickson streitet die Vorwürfe der Generalbundesanwaltschaft ab. Bereits seine Auslieferung durch die Tschechische Republik ist fragwürdig, denn der Angeklagte ist mittlerweile Staatsbürger der Republik Irland - und zwischen der BRD und Irland besteht kein Auslieferungsabkommen. Sollte Michael Dickson verurteilt werden, so wird es sich bei ihm um das erste Mitglied der Provisional IRA seit dem Karfreitagsabkommen handeln, das eine Haftstrafe antreten muss.

 

Der neue UN-Bericht über den Zustand und die Entwicklung von Städten förderte zutage, dass bereits ein Sechstel der Weltbevölkerung in Slums dahinvegetiert - bei steil ansteigender Tendenz. Sollte sich in dieser Welt nicht sehr bald allerhand verändern, wird sich die Zahl der Slumbewohner bis zum Jahr 2030 von einer auf zwei Milliarden Menschen verdoppelt haben. Der globale Verstädterungsprozess wird am besten dadurch verdeutlicht, dass sich der Anteil der in Städten lebenden Menschen an der Weltbevölkerung von 2 % im Jahre 1800 auf 50 % im Jahre 2000 erhöhte. In 20 Jahren werden zwei Drittel der Menschheit in Städten leben, wobei das größte Wachstum auf die so genannte Dritte Welt entfallen wird. Besonders stark nehmen die riesigen Megastädte zu, aber auch die „kleineren“ Drittweltmetropolen mit um die 1 Million Einwohnern werden explosionsartig wachsen. Die katastrophalen Zustände in den ländlichen Regionen der meisten Entwicklungsländer treiben nach wie vor Millionen mit der Hoffnung auf ein menschenwürdigeres Leben in die Städte - wo sie zumeist in Elendsvierteln landen - die Armut wird gewissermaßen vom Land in die Städte exportiert, und die meisten Regierungen sind nicht willens oder außerstande, die katastrophalen Zustände zu bekämpfen. Jeder dritte Stadtbewohner haust in Wohngegenden, die kaum über Trinkwasserversorgung, Kanalisation, Müllabfuhr, kommunale Dienstleistungen oder sonstige Infrastrukturen verfügen. Alleine in den 90er Jahren nahm die Zahl der Slumbewohner um 36 % zu. Laut UN sind Slums „das Produkt gescheiterter politischer Programme, einer schlechten Regierung, von Korruption und einem Mangel an politischem Willen“. In den 30 reichsten Ländern der Welt gibt es nur 2 % der Slumbewohner, während 80 % der urbanen Bevölkerung in den 30 am wenigsten entwickelten Ländern dort hausen müssen. Bezogen auf die gesamte Stadtbevölkerung, leben in den Industrienationen 6 % in Elendsvierteln; in Entwicklungsländern sind es 43 %. Nicht nur zwischen reichen und armen Ländern gibt es hier ein großes Gefälle, sondern auch zwischen den Kontinenten. Über die Hälfte der Slumbewohner leben in Asien, 20 % in Afrika und 14 % in Lateinamerika, obgleich ihr Anteil im subsaharischen Afrika mit über 70 % am höchsten ist. In den nächsten 30 Jahren wird nach dem UN-Bericht die Stadtbevölkerung in den Entwicklungsländern weiter rasant zunehmen und sich auf 4 Milliarden Menschen verdoppeln. Jährlich strömen um die 70 Millionen Menschen in die Städte. Städte seien zum Kern einer neuen Art der Kolonisierung geworden, zur Endstation für immer mehr Menschen, die ohne Ausbildung und Schutz Billigjobs ausführen.

 

Die Finanzpolitik von Bundesminister Hans Eichel, in einem uns zugetragenen norddeutschen Insiderwitz auch als „der blanke Hans“ bezeichnet, endet in einem Debakel. Einem Bericht des SPIEGEL zufolge wird die BRD im laufenden Jahr so viele Schulden machen müssen wie noch nie in ihrer Geschichte. Die Nettokreditaufnahme klettert auf rund 41 Milliarden Euro statt der vorgesehenen 18,9 Milliarden Euro. Für den 15. Oktober steht infolge der desolaten Kassenlage des Bundes ein Nachtragsetat über 23 Milliarden Euro an. Damit wird die Neuverschuldung die nach Brüssel gemeldeten 3,8 % sogar noch übersteigen - die BRD wird damit wie Frankreich ein potenzielles Opfer von Strafmaßnahmen der EU.

 

Im September 2003 belief sich die Zahl der offiziell eingestanden Arbeitslosen auf 4,207 Millionen, rund 107.400 weniger als im August, aber immer noch 265.000 mehr als im Vorjahresmonat. Ein Großteil des Rückganges, nämlich 76.900 Personen, entfällt auf statistische Bereinigungen - die Ämter streichen rigoros „Scheinarbeitslose“, die dem Arbeitsmarkt angeblich nicht zur Verfügung stehen, als „arbeitsunwillig“ aus der Statistik und sperren ihnen die Kohle. Weitere 21.000 Arbeitslose wurden in Personal-Service-Agenturen untergebracht und schuften für Hungerlöhne. Neben der Anpassung an ILO-Standards (wer auch nur eine Wochenstunde arbeitet, erscheint nicht mehr in der Statistik) erwarten den Beobachter ab 2004 weitere Tricks: Ab Jahresbeginn werden die Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen des Arbeitsamtes nicht mehr als Arbeitslose gezählt, sondern der Stillen Reserve aus nicht gemeldeten Erwerbslosen und Rentenaspiranten zugeschlagen. Diese wird dann voraussichtlich 2,82 Millionen Menschen umfassen. Die Arbeitslosenquote liegt bundesweit bei 10,1 %; vor einem Jahr waren es „nur“ 9,5 %. Während die Erwerbslosenquote im Westen bei 8,1 % liegt, beträgt sie in den neuen Ländern 17,8 %. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 17,3 % auf 1,53 Millionen gestiegen. Ebenfalls im Vergleich zum September 2002 hat sich die Anzahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz mehr als verdoppelt. Lediglich 47 % der Interessenten an einer Berufsausbildung konnten in Betrieben untergebracht werden - den Rest schob man in Schulen und befristete Arbeitsverhältnisse ab, sofern er nicht in den Korridoren der Arbeitsämter anzutreffen ist. Die Bundesanstalt für Arbeit rechnet erst für 2005 mit einem deutlichen Rückgang der Massenarbeitslosigkeit.

 

Dem Mikrozensus 2002 des Statistischen Bundesamtes zufolge hat sich gegenüber dem Jahr 2001 die Dauer der Arbeitssuche deutlich verlängert. Erschreckende 30 % aller gemeldeten Arbeitslosen finden erst nach 2 Jahren wieder einen neuen Arbeitsplatz. Weitere 20 % benötigen länger als 1 Jahr, um einen adäquaten Job zu finden. Da immer noch 18 % erst nach 6 bis 12 Monaten wieder „in Lohn und Brot“ stehen, besteht strukturell gesehen bei 68 % aller Erwerbslosen eine Tendenz zur Langzeitarbeitslosigkeit. Jährlich werden 10-13 % aller in der BRD bestehenden Arbeitsverhältnisse beendet, und in nur 15 % der Fälle gibt es eine Abfindung.

 

Die gesellschaftliche Marginalisierung von Arbeitslosen ist in der BRD stärker ausgeprägt als in jedem anderen EU-Mitgliedsland. Zu diesem Ergebnis kommt eine Vergleichsstudie der Arbeitslosenforscher Thomas Kieselbach und Gert Beelmann. In der BRD sei „das Ausmaß sozialer Exklusion am stärksten ausgeprägt, was dem Faktor sozialer Isolation und Stigmatisierung geschuldet sein dürfte“. In Ländern wie Griechenland, Spanien oder Italien erfahren junge Arbeitnehmer durch die Familien eine andere „soziale Unterstützung“, so die Studie. Ein Indiz für die wachsende soziale Kälte und gesellschaftliche Vereinsamung der Menschen hierzulande. Weil außerdem ein erheblicher Prozentsatz der südeuropäischen Erwerbslosen Schwarzarbeit verrichte, litten sie nicht so sehr unter „subjektiven Gefühlen ökonomischer Exklusion“. Auch die „gesellschaftliche Normalisierung und billigende Akzeptanz“ von Arbeitslosigkeit in südeuropäischen Ländern helfe, „die „Tendenzen sozialer Isolation zu verringern“. In Deutschland aber wurde „von einem allgemeinen Gefühl kultureller Ausgrenzung berichtet, in Form von Stigmatisierung oder des subjektiven Eindrucks, als Außenseiter behandelt zu werden“.

 

Derzeit gibt es in der BRD nach offiziellen Angaben rund 4,2 Millionen Erwerbslose, jedenfalls offiziell. Inoffiziell gehen Experten von etwa 7 Millionen Menschen aus, die mehr schlecht als recht von Staats wegen alimentiert werden müssen. Dagegen stehen 33 Familien oder Einzelpersonen, die über ein Geld-, Anlage- oder Sachvermögen gebieten, das sich auf 107 Milliarden Dollar beläuft. Zu nennen sind hier u.a. die Gebrüder Albrecht (Aldi), Erivan Haub (Tengelmann), die Quandt-Sippe (BMW, Altana), die Herz-Familie (Tchibo) oder die Medienmogule Mohn (Bertelsmann), Holtzbrinck, Burda und Springer. Laut der vom US-Magazin Forbes jährlich herausgegebenen Liste der Superreichen dieser Welt liegt die BRD gemessen an der Anzahl der Milliardäre auf dem 2. Platz hinter den USA. Damit hat die Bundesrepublik die zweithöchste Arbeitslosigkeit in der EU, aber die höchste Dichte an Milliardären.

 

In der „jungen welt“ vom 10.10.2003, deren Bezug wir an dieser Stelle dringendst empfehlen möchten, findet sich ein hochinteressanter Aufsatz, den wir ausnahmsweise einmal vollständig wiedergeben werden: „Gehören Arbeitslose noch zur Arbeiterklasse? Über Konsequenzen der sozialen Spaltungen für die Klassentheorie
Nach der Phase eines sozialstaatlich regulierten Kapitalismus, der - zumindest in den westeuropäischen Kernländern - die drängendsten sozialen Probleme gelöst zu haben schien, brechen gesellschaftliche Widerspruchsformen auf, die schon als überwunden galten. Die Arbeitslosigkeit verfestigt sich, und die Zahl der Menschen, die für den kapitalistischen Produktionsprozess benötig werden, schwindet. Die Überzähligen werden an den Rand, in eine Zone der Unsicherheit gedrängt. Mit der Ausgrenzungsgefahr haben auch Menschen zu kämpfen, die noch vor einem Jahrzehnt in gesicherten Verhältnissen lebten. Scheinbar unaufhaltsam vermehrt sich auch die Gruppe der arbeitenden Armen, also jener Arbeitskraftverkäufer, die durch ihre Berufstätigkeit kaum ihren Lebensunterhalt verdienen können.
Durch die eskalierende Widerspruchsentwicklung drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass die Epoche eines sozialstaatlich regulierten Kapitalismus endgültig in ihr Endstadium eingetreten ist, zumal der herrschende Block nichts unversucht lässt, die Ergebnisse der Spaltungs- und Ausgrenzungsdynamik durch die Demontage sozialer Sicherungssysteme zu zementieren: Selbst auf den propagandistischen Gebrauch von Formeln eines »sozialen Interessenausgleichs« wird nunmehr verzichtet. Nicht Armut und Arbeitslosigkeit werden bekämpft, sondern die Betroffenen: Das »soziale Netz« wird ausgedünnt und der Druck auf die Krisenopfer erhöht.
Zwar existierten auch in den »Wirtschaftswunderzeiten« der alten Bundesrepublik große soziale Unterschiede und Unsicherheitsmomente. Es gab Armut und Arbeitslosigkeit, jedoch hatten sie gesamtgesellschaftlich einen anderen Stellenwert als heute. Bis in die 80er Jahre dominierte das Gefühl, dass die meisten Schwierigkeiten überwunden werden könnten. Das hat sich entscheidend geändert: Kaum jemand glaubt noch, dass es ihm morgen besser gehen wird als heute.
Bei der Einschätzung der aktuellen Spaltungstendenzen herrscht oft Ratlosigkeit: Sie wollen nur noch schlecht in traditionelle Interpretationsraster hineinpassen. Zwar ist die Intensität und sozial zerstörerische Kraft der Krisenentwicklung unbestritten, unklar sind jedoch die daraus resultierenden Konsequenzen: Wie sind soziostrukturell die Arbeitslosen und vor allen Dingen die Ausgegrenzten, die kaum noch Hoffnung haben, jemals wieder Arbeit zu bekommen, klassenanalytisch einzuordnen? Können sie noch mit ihren beruflichen Positionen, die sie nun verloren haben, erfasst werden? Gehören Menschen, deren Arbeitskraft offenbar nicht mehr gebraucht wird, noch zur Arbeiterklasse?
Die sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, von denen uns nun gesagt wird, dass davon Abschied genommen werden müsse, hatten mehrschichtige Voraussetzungen. Sie waren zunächst das Ergebnis politischen Drucks und gewerkschaftlicher Kämpfe. Insoweit waren die sozialpolitischen Zugeständnisse der Preis, den das Kapital zu zahlen bereit war, um weitergehenden Forderungen der Arbeiterbewegung das Wasser abgraben zu können. Möglich wurde der »Sozialstaat« jedoch durch Besonderheiten der ökonomischen Entwicklung: Die langen Konjunkturwellen nach dem Zweiten Weltkrieg bildeten in Verbindung mit einem raschen Anstieg der Arbeitsproduktivität die Basis sozialstaatlicher Konzepte: Es gab real mehr zu verteilen als in früheren Entwicklungsphasen, und es entwickelte sich durch den Anstieg der Konsumgüterproduktion in einem bisher nicht gekannten Umfang auch die Notwendigkeit, die soziale Basis des Konsums zu verbreitern. Sozialstaatliche Zugeständnisse waren also prinzipiell möglich geworden.
Und sie waren auch durchsetzbar, weil in der Phase ökonomischer Prosperität die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften gestärkt war. Hinzu kam, dass im Schatten der Systemkonfrontation zwischen Kapitalismus und Sozialismus das Kapital bereit war, Zugeständnisse zu machen. Diese Voraussetzungen des »Klassenkompromisses« können in wesentlichen Teilen als nicht mehr gegeben angesehen werden.
Es haben sich sowohl die Verwertungsbedingungen für das Kapital verändert, aber auch die gesellschaftliche Machtachse hat sich verschoben. Seit den 80er Jahren schien die Zeit günstig, um die Ausbeutung der Arbeitskraft zu intensivieren: Eine konjunkturelle Schwächephase, die auf die Arbeitenden verunsichernd und disziplinierend wirkte, wurde ausgenutzt, um tiefgreifende betriebliche Veränderungen vorzunehmen. Ziel dieser Umgestaltungsaktivitäten war es nicht nur, die Produktivität zu erhöhen, sondern allmählich auch die Widerstandsfähigkeit der Belegschaften zu schwächen. So führten die ergriffenen Rationalisierungsmaßnahmen zur Ausdünnung der Stammbelegschaften, die (zumindest in den großen Betrieben) die Träger einer wirksamen Interessenvertretung waren. Bei Neuanstellungen wurden die traditionellen Kernbelegschaften durch Angelernte, zunehmend auch durch Zeitarbeiter ersetzt, die innerhalb des betrieblichen Ablaufes sehr oft eine selbständige Gruppe darstellen. Weil sie eigene Interessen und zwar hauptsächlich nach Festeinstellung haben, verhalten sie sich oft besonders beflissen und angepasst.
Zusätzlich werden durch betriebliche Auslagerungen die Positionen der Beschäftigten geschwächt. Verschiedene Betriebsteile und Zuliefersegmente konnten gegeneinander ausgespielt werden. Durch die Neugestaltung des Systems der internationalen Arbeitsteilung im Rahmen einer kapitalistischen »Globalisierung« stand dem Kapital nun fast weltweit eine Reservearmee von Arbeitskraftanbietern zur Verfügung. Dadurch konnte der Druck auch auf die Beschäftigten in den kapitalistischen Zentren weiter verstärkt werden.
Die Unsicherheit des Arbeitsplatzes wurde zur prägenden Erfahrung. Nach einiger Zeit reichte es schon aus, mit der bloßen Möglichkeit der Auslagerung zu drohen, um weitreichende Zugeständnisse zu erreichen. Allmählich gelang es dem Kapital, die Lohnquote zu senken und die Profitrate zu erhöhen. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre muss sogar von explodierenden Gewinnen gesprochen werden, die nun wiederum zur verstärkten »Rationalisierung« eingesetzt werden konnten- bekanntlich mit regelmäßigem Arbeitsplatzabbau und einem weiteren Anstieg der industriellen Reservearmee. Denn mit den steigenden Unternehmensgewinnen wuchs das Kapitalvolumen, das in weitere arbeitsplatzvernichtende Rationalisierungen (alternativ auch zu betrieblichen Zusammenschlüssen und Übernahmen) investiert werden konnte - und im Sinne kapitalistischer Konkurrenzlogik auch investiert werden musste.
Ökonomische Progression wurde zur Ausgrenzungsmaschine: Mit immer größerer Geschwindigkeit wurde durch die gesellschaftliche Reichtumsvermehrung Armut produziert. Es trat das Gegenteil von dem ein, was vom »ökonomischen Sachverstand« mit demagogischem Eifer verbreitet wird: Mit dem Anstieg der Unternehmergewinne werden nicht neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen, sondern Arbeitsplätze in immer größerem Tempo vernichtet.
Aufgrund ihrer Intensität hat die gegenwärtige Krise nur wenig mit dem gewöhnlichen konjunkturellen Auf und Ab einer kapitalistischen Ökonomie zu tun: Wir erleben, dass auch durch wirtschaftliche Aufschwungstendenzen die Beschäftigungsmisere nicht überwunden wird. Die Gruppe, die gänzlich an den Rand gedrängt wird, weil sie für die Mehrwertproduktion nicht mehr benötigt wird, wächst in schnellen Schritten: Armut und Ausgrenzung werden zu festen Größen der gesellschaftlichen Entwicklung. Der Pariser Soziologe Robert Castel spricht von der »Wiederkunft einer massenhaften Verwundbarkeit«, die eigentlich als Relikt vergangener Armutsphasen galt. (»Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit«, 2000)
Das Besondere der gegenwärtigen sozial destruktiven Prozesse besteht jedoch nicht nur in einer schärferen Polarisierung des Verhältnisses von Kapital und Arbeit. Eklatant ist vor allem die Tatsache, dass Spaltungstendenzen mitten durch die Schichten der Arbeitskraftverkäufer selbst verlaufen: Da gibt es diejenigen, die Arbeit haben, und es gibt die Arbeitslosen. Und unter ihnen wächst die Gruppe, die keine realistische Chance besitzt, jemals wieder beschäftigt zu werden.
Aber es gibt auch noch die Spaltung innerhalb der Arbeitwelt, ja innerhalb des einzelnen Betriebes: Um die Kernbelegschaften auf der einen Seite entwickelt sich eine immer breitere Zone mit extrem belastenden, niedrig entlohnten und sozial unsicheren Arbeitsverhältnissen. Den Kernbelegschaften ist eine privilegierte Stellung zugedacht, weil sie - mit Beteiligung reformistischer Gewerkschaften - einen Stabilisierungsfaktor darstellen. Auf der Basis sozialer »Privilegierung« und gruppenzentrierter Organisationsstrukturen der Arbeitsprozesse sollen in den qualifizierten Produktionsbereichen Kreativitätspotentiale ausgeschöpft und loyale Haltungen gefördert werden. Diesen sozial verträglich gestalteten Bereichen der Arbeitswelt sind hierarchisch gegliederte Zuliefersegmente mit niedrigerem Status zugeordnet.
Während auch in Zeiten konjunktureller Schwäche die Konzerne bemüht sind, die Stammbelegschaften zu halten, sind die Beschäftigten in den »ungeschützten« Arbeitsverhältnissen unmittelbar den Marktschwankungen ausgesetzt: Sie sind nicht nur schlecht bezahlt, sondern werden geheuert und gefeuert, wie es gerade der Auftragslage entspricht. Das Leben dieser Gruppe ist sozial unsicher, beständig vom Absturz in die Bedürftigkeit bedroht: »Ein neues Proletariat ist im Entstehen, dem die kollektiv geregelten Normalarbeitsverhältnisse und die sozialstaatlichen Vermögenssurrogate für die Wechselfälle des Daseins zunehmend fremd werden. Es wird über den aktuellen Krisenzyklus hinaus langfristig durch die Erfahrung von Erwerbslosigkeit, von prekären Beschäftigungsverhältnissen, von ›zweiten‹ und ›dritten‹ Arbeitsmärkten und von abrupt eintretenden Armutsphasen geprägt sein.« (Karl Heinz Roth)
Diese Tendenzen zur sozialen Aufgliederung entsprechen dem Bedürfnis des Kapitals nach einer effektiveren Ausbeutung der Arbeitskraft. Der organisatorische Hebel ist die Etablierung von Bereichen der Arbeitswelt mit unterschiedlichen Rechts- und Entlohnungsformen, unterschiedlichen Standards der sozialen Absicherung und Perspektiven der Beschäftigungskontinuität. Wichtiges Element dieser veränderten Ausbeutungsstrategie ist der rapide Bedeutungsverlust des unbefristeten Arbeitsvertrages. Im Gegenzug erhalten unterdurchschnittlich bezahlte und ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse eine immer größere Bedeutung. Ihr Anteil beträgt in den meisten Industrieländern 35 Prozent - mit stark steigender Tendenz. Das »Normalarbeitsverhältnis« wird durch befristete Verträge, Leiharbeit, Arbeit auf Abruf und diverse Formen der Scheinselbständigkeit zurückgedrängt. Vor allem ein großer Teil der Neueinstellungen vollzieht sich in diesen »endtraditionalisierten« Formen.
Selbst diese knappe Problemskizze lässt deutlich werden, dass die in der sozialwissenschaftlichen Diskussion mit Betroffenheitspathos kolportierte These, die neuen Ausgrenzungsformen würden eine Konfliktdimension jenseits des antagonistischen Interessengegensatzes von Kapital und Arbeit darstellen, wenig Realitätsgehalt besitzt. Denn die destruktiven sozialen Entwicklungen entsprechen den gegenwärtigen Erfordernissen der Kapitalverwertung. Das Kapital benötigt beide Segmente der gespaltenen Arbeitswelt: sowohl die »Etablierten« als auch die Randständigen.
Während die Kernbelegschaften als stabiles Element in einer bewegten Soziallandschaft fungieren, dienen die Ausgegrenzten als Bedrohungspotential: Ihre Existenz mahnt die noch Arbeitenden daran, dass es ihnen auch schlechter gehen könnte. Es ist auch nicht zwingend, dass die Ausgeschlossenen für immer ausgeschlossen bleiben. Sie bilden eine Arbeitskraftreserve, die entsprechend den Marktschwankungen aktiviert oder wieder deaktiviert werden kann. Auch in ihrer Randständigkeit bleiben die Krisenopfer dem kapitalistischen Reproduktionsprozess unmittelbar zugeordnet: Auch in ihrer Wartestellung sind sie Angehörige jener Klasse, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft abhängig ist.
Für Marx und Engels waren übrigens Spaltungstendenzen kein unbekanntes Phänomen. Schon im »Kommunistischen Manifest« ist davon die Rede, dass die kapitalistische Konkurrenz auch die Arbeiter entzweit. Aber sie sahen in der Kollektivität der betrieblichen Situation ein wirksames Korrektiv, um die gemeinsamen Interessen zu erfahren. Das hat sich durch die geschilderten Prozesse der Spaltung und Absonderung geändert: Durch ungleiche Eingruppierungen, arbeitsrechtliche Differenzierungen, insgesamt einer Atmosphäre der Unsicherheit ist es für die Betroffenen schwieriger geworden, die strukturellen Gemeinsamkeiten ihrer sozialen Lage zu erfassen und ein Bewusstsein kollektiver Interessen zu entwickeln.
Eine Erhebung in der Bundesrepublik würde wohl französische Befragungsergebnisse bestätigen, nach denen zwei Drittel der Befragten der Meinung sind, dass der Unterschied zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen wichtiger als die Differenz zwischen Armen und Reichen sei. Solche selbstunterdrückende Verarbeitungsform der sozialen Widerspruchserfahrungen sind Ausdruck einer tiefen Verunsicherung und einer unterentwickelten Kultur des Widerstandes; sie sind auch Indiz dafür, wie »gründlich« das Denken der Herrschenden zum herrschenden Denken geworden ist.
Dass den meisten Angehörigen der gesellschaftlichen Unterklassen ein angemessenes Bewusstsein ihrer sozialen Position fehlt, wird meist gegen den Marxismus ins Feld geführt. Jedoch hat der Marxismus auch niemals das automatische Entstehen von Klassenbewusstsein behauptet. Denn für ihn ist es evident, dass die Herausbildung von Klassenorientierungen ein politischer und voraussetzungsvoller Prozess ist. Dennoch bleibt die objektive Soziallage entscheidend, denn durch die Stellung im Produktionsprozess entwickeln sich mit großer Regelmäßigkeit Klassenmentalitäten, die auch von den sozialen Konflikterfahrungen geprägt sind.
Zwar haben beispielsweise Arbeiter durch ihre subalterne Position nicht automatisch ein klares Bewusstsein über die herrschenden Klassenstrukturen - oft ist das Gegenteil der Fall. Jedoch ist in ihren Gesellschaftsbildern der gesellschaftliche Grundwiderspruch in einer vorbewussten Weise präsent. Trotz der Dominanz herrschaftskonformer Interpretationsmuster existieren bei der überwiegenden Mehrheit der Angehörigen der Arbeiterklasse immer noch Vorstellungen über die eigene Unterprivilegierung und die Dominanz kapitalistischer Interessen. Aber eine Vorstellung vom gesellschaftlichen Antagonismus ist noch kein Klassenbewusstsein. Ob es sich entwickeln kann, hängt von sehr unterschiedlichen Vermittlungen, von ideologischen Einflüssen, Widerstandserfahrungen, kulturellen Traditionen - kurz gesagt vom politischen Kontext ab.
Ohne Zweifel sind die Krisenopfer noch weit vom Aufbegehren und der Bereitschaft zum Widerstand entfernt. Weil sie ihre soziale Randständigkeit und Unterprivilegiertheit als Ausdruck des eigenen Versagens empfinden, verhalten viele sich schamhaft passiv: Gesellschaftliche Ausgrenzung wird durch Selbststigmatisierung komplettiert. Die Opfer übernehmen die Sichtweise derer, die sie herabzusetzen versuchen. Obwohl ihr Lebensschicksal kapitalistisch determiniert ist, spielen die Ausgegrenzten dadurch in den Konflikten zwischen Kapital und Arbeit keine aktive Rolle.
Unter den herrschenden politischen Verhältnissen und ideologischen Reproduktionsbedingungen ist es aber auch nicht überraschend, dass die (mittlerweile zur Massenerscheinung gewordenen) »Randgruppen« sich nicht zur Wehr setzen. Auch darin steckt immer noch etwas von einem verzweifelten Realitätssinn: Von wichtigen gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten ausgeschlossen, wird den »Marginalisierten« ihr beschränkter Aktionsradius ständig vor Augen geführt. Lähmend wirkt auf die Ausgegrenzten, dass für sie kein realistischer Punkt mehr existiert, an dem ihr Widerstand ansetzen könnte. Denn normalerweise bedeutet Widerstand für die Unterklasse, sich zu verweigern. Aber worin könnte die Weigerung der Arbeitslosen bestehen? In der Abweisung der spärlichen Unterstützungsleistungen? Schon an diesem simplen Beispiel ist zu sehen, dass es keine Alternative zur gemeinsamen Interessenartikulation aller Klassensegmente gibt. Fraglich bleibt natürlich, wie diese Interessenartikulation auf Grundlage der Segmentierung gelingen kann. Aber dieses Problem ist nicht neu: In allen Industrienationen hat die Arbeiterbewegung es versäumt, Strukturen zu schaffen, die verhindern, dass die Beschäftigungslosen in ein tiefes Loch der Isolierung fallen.
Aus dieser nicht sehr ermutigenden Beobachtung ergibt sich eine dringliche Aufgabe für die Klassenanalyse: Sie muss trotz der realen Spaltungstendenzen das Verbindende zwischen den Klassensegmenten herausarbeiten und die Möglichkeiten von organisatorischen Modellen erörtern, die eine Bewusstwerdung und Artikulation von Klasseninteressen fördern könnten
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Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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