Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 24. bis 30. Mai 2003

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft

Regionalwahlen im Baskenland

 

 

Zitat der Woche:
"Das Ziel ist nicht eine Weltanschauung, eine Ordnung, nach der man zur Welt Stellung nimmt, sondern die Fähigkeit, in jedem Augenblick die Welt anzuschauen, bereit, die Urteile, die man im vorhergehenden Augenblick gefällt hat, unter dem Einfluss der neuen Beobachtungen zu widerrufen."
- Eberhard Köbel „tusk

 

Entgegen dem Bundestrend endeten die Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft mit einem Sieg der seit 46 Jahren regierenden SPD. Die Sozialdemokraten steigerten sich auf 42,32 % und 40 Abgeordnete, gefolgt von der CDU, welche auf 29,76 % und 29 Mandate zurückfiel. Beide Parteien regieren in einer Großen Koalition, um den drohenden finanziellen und wirtschaftlichen Kollaps des kleinsten Bundeslandes abzuwenden. Die Bundes-SPD versuchte gar nicht erst, den Wahlausgang für sich zu vereinnahmen, da dieser ausnahmslos auf die Persönlichkeit des Regierenden Bürgermeisters Scherf zurückzuführen ist. Drittstärkste politische Kraft blieben die Grünen mit 12,8 % und 12 Sitzen. Da das Bundesland in die Wahlgebiete Bremen und Bremerhaven zerfällt, gelang es der DVU und der FDP, durch Überspringen der Sperrklausel in Bremerhaven in die Bürgerschaft einzuziehen. Die DVU erhielt somit landesweit 2,28 % und 1 Mandat, die FDP 4,2 % und ebenfalls 1 Mandat. Nicht im Parlament vertreten sind die Partei Rechtsstaatlicher Offensive mit landesweit 4,41 % und die PDS mit 1,67 %. Die Stimmverteilung der beiden Wahlgebiete macht die Lage deutlich: In Bremen stimmten 43,4 % für die SPD, 29,5 % für die CDU, 13,5 % für die Grünen, 4,2 % für die PRO, 3,9 % für die FDP, 1,8 % für die PDS und 1,4 % für die DVU. Im Armenhaus Bremerhaven hingegen stimmten 36,9 % für die SPD, 31,8 % für die CDU, 8,9 % für die Grünen, 7,1 % für die DVU, 5,7 % für die FDP, 4,8 % für die PRO und 1,1 % für die PDS. Bei den Wahlen zu den - politisch bedeutungslosen - Ortsbeiräten sah das Resultat für die Kleinparteien besser aus: Die PRO erzielte in Blumenthal 10,8 % und 2 Beiräte, in Findorff 3,4 % und 1 Beirat, in Hemelingen 6,4 % und 1 Beirat, in Horn-Lehe 3,5 % und 1 Beirat, in Osterholz 6,4 % und 1 Beirat sowie Obervieland 5,4 % und 1 Beirat. Die Wahlbeteiligung lag bei 61,32 %. Die DVU zog mit 5,6 % in den Ortsbeirat von Woltmershausen, mit je 3,4 % in Osterholz und Huchting und mit 4,6 % in Vahr ein; in allen Beiräten stellt sie 1 Abgeordneten. Die PDS ist mit 6,8 % im Beirat Östliche Vorstadt, mit 4,7 % in Neustadt, mit 4,6 % in Walle, mit 3,8 % in Gröpelingen und mit 3,5 % in Vegesack vertreten, auch sie stellt überall 1 Abgeordneten. Die Republikaner agierten nach dem Prinzip „Hallo, wir sind auch noch da“ und kandidierten nur in Walle, wo sie 3,1 % erhielten und 1 Beirat stellen.

 

Generalmajor Geoffrey Miller als KZ-Kommandant von Camp Delta/Guantanamo Bay äußerte sich zu den Vorbereitungen für die anstehenden Massenprozesse gegen die in dem auf Kuba gelegenen amerikanischen Stützpunkt internierten Islamisten. In Guantanamo werden 680 Gefangene aus 43 Staaten festgehalten, denen man die Mitgliedschaft in islamistischen Terrororganisationen anlastet. Laut Miller soll Guantanamo in ein „Todeslager“ verwandelt werden. Hier sollen die Gefangenen angeklagt, abgeurteilt und gegebenenfalls in einer Todeskammer hingerichtet werden. Die Prozesse finden ohne Geschworene und ohne Berufungsinstanz vor Militärtribunalen statt. Eine Reihe der Häftlinge werden bereits seit 18 Monaten wie Tiere in Käfigen gefangen gehalten, es hat mittlerweile Dutzende von Selbstmorden und Selbstmordversuchen gegeben.

 

Die amerikanische Regierung leitete einen schärferen Kurs gegenüber dem als „Schurkenstaat“ definierten Iran ein. Sowohl das Pentagon wie das State Department sprachen sich für eine aggressive Politik aus, die zum Sturz der Islamischen Republik führen soll. Washington hält dem Mullah-Regime vor, es dulde von seinem Territorium ausgehende Aktivitäten der islamistischen Terrorganisation al-Qaida. Teheran wies die amerikanischen Vorwürfe zurück und verwies auf die Tatsache, dass unlängst mehr als 500 Aktivisten der al-Qaida im Rahmen einer Razzia verhaftet wurden. Ein weiterer Streitpunkt ist das iranische Atomprogramm, das nach amerikanischen Angaben auch militärischen Zwecken dient. Washington befürchtet zudem eine Einflussnahme der iranischen Regierung auf die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak. Bereits in der vergangenen Woche haben die Amerikaner die halboffiziellen Gespräche mit dem Iran abgebrochen, die in der Schweiz abgehalten wurden - die ersten Kontakte zwischen beiden Regierungen seit 23 Jahren. Die USA haben einem Bericht der russischen „Nesawissimaja Gaseta“ zufolge einen militärischen Angriff auf den Iran vorbereitet. Der Militäreinsatz solle vom Irak sowie von Stützpunkten in Georgien und Aserbaidschan aus geführt werden. Der Einsatz soll einen von Washington angeheizten Volksaufstand gegen die iranische Führung unterstützen.

 

Die Führung des baathistischen Syrien leitete unlängst weitere Wirtschaftsreformen ein. Um den Zustrom sowohl privaten inländischen als auch arabischen und internationalen Kapitals zu ermuntern, wurden erstmals seit 40 Jahren wieder Privatbanken zugelassen. Allerdings dauerte es von der Ankündigung bis zur Umsetzung beinahe 3 Jahre, was für die Schwerfälligkeit der syrischen Bürokratie bezeichnend ist. Als Überwachungs- und Steuerungsorgan für den Bankensektor wurde ein Rat für Finanzen und Kredite berufen, welcher dem Gouverneur der Zentralbank untersteht. In diesem Zusammenhang ist in absehbarer Zeit auch mit einer Reform der bestehenden Gesetze und Regelungen für die Geldpolitik zu rechnen.

 

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) listet in ihrem jüngsten Jahresbericht 2003 Menschenrechtsverletzungen auch in Deutschland auf. Die Generalsekretärin der deutschen ai-Sektion, Barbara Lochbihler, sprach insbesondere von Fällen "exzessiver Polizeibrutalität". So schildere der Bericht Misshandlungen durch Polizisten bei Festnahmen, Hausdurchsuchungen oder in der Haft. Ferner werden zwei Todesfälle in der Haft und bei der Abschiebung in dem Bericht aufgeführt. Lochbihler beklagte, dass in den aufgeführten Fällen die Ermittlungen zu langsam vorangingen. Der Jahresbericht von amnesty international kritisiert, es seien erneut Berichte bekannt geworden, denen zufolge die Polizei Häftlinge misshandelt und in übermäßiger Weise Gewalt gegen sie angewandt hat. Beschwerdeführer hätten den Vorwurf erhoben, mit Fußtritten und Fausthieben gequält oder verbal misshandelt worden zu sein. Einige der mutmaßlichen Opfer hätten sich unter den polizeilichen Übergriffen schwere Verletzungen zugezogen.

 

Die spanischen Kommunalwahlen endeten entgegen der Prognosen nicht mit einem Denkzettel für die infolge ihres Versagens bei Umweltkatastrophen, der Repression im Baskenland und der Teilnahme am Angriffskrieg gegen den Irak überaus unpopuläre Rechtsregierung unter José María Aznar. Die Sozialisten steigerten sich auf 34,71 % und liegen damit knapp vor der rechten Volkspartei mit 33,84 %. Allerdings stellt der Partido Popular weiterhin die meisten Bürgermeister und Stadträte - 35 der 53 Provinzhauptstädte werden konservativ regiert, während die Sozialisten nur von 9 auf 12 Provinzhauptstädte zulegen konnten. Da die Volkspartei ihre Hochburgen in Valencia, Galicien und Kastilien halten konnte und da die Sozialisten ihre Position im Süden des Landes verteidigten, ändert sich die politische Landschaft Spaniens kaum. Erwähnenswert ist jedoch, dass die Region Madrid an die Sozialisten fiel und dass die Volkspartei die Balearen für sich gewann. Damit stimmten 7 der 17 Regionen mehrheitlich konservativ, 6 sozialistisch und die übrigen blieben in der Hand von regionalistischen Kräften. Die kommunistische Vereinigte Linke steigerte sich leicht auf 6 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 68 %.

 

Die Kommunalwahlen im spanisch besetzten Teil des Baskenlandes fanden unter einem unerklärten Ausnahmezustand statt. Die Zentralregierung in Madrid ließ 224 kommunale Wahllisten der linksnationalistischen Plattform für das Selbstbestimmungsrecht AuB annullieren und leitete ein Verbotsverfahren gegen die Gruppierung ein. Eine Garantiekommission aus Gewerkschaftern, Künstlern, Mitgliedern sozialer Organisationen und Wahlbeobachtern aus aller Welt stellte sicher, dass die annullierten Stimmen ausgezählt und nicht aus ungültig gewertet wurden. Mit dem Votum von 160.000 Personen im Baskenland und in Navarra konnte die AuB einen Achtungserfolg erringen und erhielt mehr als 10 % der abgegebenen Stimmen. In Navarra errang die Batasuna-Abspaltung Aralar 7 % der Stimmen, weitere 8 % entfielen auf die AuB. In den Städten Hernani, Pasaia und Oiartzun wurde die AuB sogar zur stärksten Partei, in manchen Kleingemeinden stimmten zwei Drittel der Wähler für die Linksnationalisten. Die zentralistisch-spanischen Parteien wie Volkspartei und Sozialisten erlitten starke Verluste, was vor allem den gemäßigten Nationalisten des PNV zugute kam. Der PNV steigerte sich von 34 auf 44 %, wobei er auch vom AuB-Verbot profitierte. Stark zugelegt hat auch die kommunistisch orientierte Vereinigte Linke UI.

 

Nur 5 Tage nach den baskischen Kommunalwahlen meldete die linksnationalistische Untergrundorganisation ETA sich mit einem Bombenanschlag zurück. In der Kleinstadt Sangüesa bei Pamplona explodierte eine an einem Streifenwagen angebrachte Haftladung. Durch die Wucht der Detonation wurde das Fahrzeug 4 Stockwerke in die Höhe geschleudert. Zwei der Insassen wurden getötet, einem dritten Polizisten mussten beide Beine amputiert wurden. Verletzungen erlitten auch vier Passanten.

 

Nachdem die Continuity IRA sich offenbar mit dem Gedanken eines Mordanschlages auf André Shoukri, den Brigadekommandeur der Ulster Defence Association für North Belfast, trug, drohte die UDA damit, im Gegenzug 10 Katholiken zu töten. Die gleiche Quote wurde für jeden anderen von der CIRA getöteten UDA-Angehörigen angedroht. Allerdings stellte die UDA klar, dass sie keinesfalls an einem Schlagabtausch mit der Continuity IRA, der Real IRA oder auch der im Waffenstillstand befindlichen Provisional IRA interessiert sei. In West Belfast scheiterte ein von loyalistischen Hardlinern aus den Reihen der Red Hand Defenders verübter Bombenanschlag auf das Parteibüro der CIRA-nahen Partei Republican Sinn Féin. Im ländlichen Holywood verübte die Loyalist Volunteer Force einen Bombenanschlag auf das Haus eines Gefängniswärters. Die Fehde zwischen der UDA-Führung und dem Anhang des aus der Untergrundorganisation ausgeschlossenen Johnny Adair forderte ein weiteres Todesopfer, als ein UDA-Kommando den unlängst aus dem britischen Exil zurückgekehrten Alan McCullough, seines Zeichens Militärchef Adairs, entführte und liquidierte. Ein weiterer Mord geht auf das Konto der Provisional IRA, die als Konsequenz eines Konfliktes um Schutzgelderpressung den Real IRA-Angehörigen Gareth O´Connor verschleppte und spurlos verschwinden ließ. Zwischen Jahresbeginn und Ende April kam es in Nordirland angesichts der Untätigkeit der britischen Kolonialpolizei zu 88 Angriffen von Paramilitärs auf Kriminelle und Asoziale, darunter 54 sogenannte punishment shootings. Während alle Welt sich über die andauernden militärischen Aktivitäten der Provisional IRA ereifert, entfallen jedoch zwei Drittel dieser Bestrafungsaktionen auf loyalistische Untergrundorganisationen.

 

Im besetzten Irak erkannte die amerikanische Kolonialverwaltung sämtlichen ausländischen Diplomaten die diplomatische Immunität ab. Zudem wurden die Erdölkonzessionen für russische, chinesische und französische Unternehmen gekündigt, um den amerikanischen Zugriff auf die zweitgrößten Erdölreserven der Welt sicherzustellen. Gegen die Fremdverwaltung der irakischen Erdölwirtschaft protestieren sogar die kurdischen Kollaborateure im Nordirak und der Irakische Nationalkongress. Die angekündigte Auflösung der irakischen Armee (noch immer 400.000 Mann) provozierte landesweite Demonstrationen und die Androhung militärischer Führer, sich gewaltsam zur Wehr zu setzen. Nicht zuletzt forderten die Generäle die Einsetzung einer handlungsfähigen irakischen Nationalregierung anstelle des anglo-amerikanischen Kolonialregimes. Gleichzeitig erlebten die anglo-amerikanischen Besatzer eine der blutigsten Wochen seit dem angeblichen Ende der Kampfhandlungen. Damit verbuchten die Amerikaner in den vergangenen 14 Tagen bei landesweiten Widerstandsaktionen mindestens 8 Gefallene und 26 Verwundete. Ferner wurden 3 Kollaborateure aus den Reihen des Irakischen Nationalkongresses entführt und exekutiert. Infolge chaotischer Zustände musste der Versuch, lokale Stadtverwaltungen in Basra und Kirkuk aufzubauen, abgebrochen werden.

 

In der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie in den ostdeutschen Bundesländern steht ab Anfang nächster Woche ein Streik für die Angleichung an die im Westen geltende 35-Stunden-Woche bevor. Bei Urabstimmungen votierten zwischen 80 und 97 % der Teilnehmer für den Arbeitskampf. Auch 13 Jahre nach der Annexion der DDR hielt die Unternehmerseite es bislang noch nicht für nötig, die Angleichung an westdeutsche Standards vorzunehmen. Dabei hat die Lohnentwicklung bereits seit Jahren nicht mit der rasant steigenden Produktivität Schritt gehalten - die Lohnstückkosten betragen nur noch 90 % des westdeutschen Niveas und fallen weiter. Die IG Metall fordert, die Arbeitszeit in drei Stufen bis 2007 zu verkürzen, was dem Kapital wohl kaum wehtun dürfte. Auch das Argument der Arbeitgeberseite, niedrige Lohnkosten würden Investoren anlocken, zieht angesichts der trostlosen Lage in den besetzten Ostgebieten wohl kaum. Bereits im Vorfeld des Streiks soll es bei den Urabstimmungen zu bislang unbekannt massiven Einschüchterungsversuchen durch die Betriebsleitungen gekommen sein. Offensichtlich legt die Arbeitgeberseite es auf eine Kraftprobe mit den Gewerkschaften an, die sich seit Monaten einer anhaltenden Diffamierungskampagne in den bürgerlichen Medien von SPIEGEL bis FAZ ausgesetzt sehen.

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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