Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 3. bis 9. Mai 2003

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Überwachungsstaat BRD

Nordirland: Briten unter Druck

 

 

Zitat der Woche:
"Ich sage nicht, dass die vielen Apostel einer Ideologie etwa falsche Urteile gebrauchen. Ich sage nur, dass sie so lange nicht die Wahrheit verkünden, als sie nicht alle richtigen Urteile verkünden. Und das werden sie nie. Darum haben sie allein nie Recht. Darum gibt es keine rechte Lehre, darum sollt ihr nie Aposteln folgen…"
- Eberhard Köbel („tusk“)

 

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Joachim Jacob, legte seinen Tätigkeitsbericht für 2002 vor. Jacob stellte hierbei fest, dass staatliche und privatwirtschaftliche Überwachung und Datenerfassung dramatisch zugenommen haben. Besonders bedenklich erscheinen die Maßnahmenpakete, die nach dem 11. September 2001 verabschiedet wurden, nicht zuletzt die reaktivierte Rasterfahndung. Dramatisch angestiegen ist in den letzten Jahren die Zahl der gerichtlich angeordneten Telefonüberwachungen. Mit 21874 Fällen im Jahr 2002 sei ein historischer Höchststand erreicht worden, der eine Verfünffachung gegenüber dem Stand von 1995 bedeutet. Die Telefonüberwachung, also ein gravierender Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung, entwickelte sich von der Ultima ratio zum Standard. Erhebliche Bedenken äußerte Jacob hinsichtlich der Diskussion über die Sammlung genetischer Fingerabdrücke, bei der sich die Erfassung und Speicherung von DNA-Identifikationsmustern aller Bundesbürger abzeichne. Beunruhigend sei auch die Speicherung von Daten zur genetischen Disposition und von Krankheitsprofilen (Gesundheitskarte). Auf dem Privatsektor habe namentlich die Schufa ihre Datensammlung ausgeweitet und versorge inzwischen auch Wohnungsvermieter, Dienstleistungsanbieter und Versicherungsgesellschaften mit Informationen.

 

Kürzlich stattete Jean-Marie Le Pen, seines Zeichens Vorsitzender des rechtspopulistischen Front National, London einen Besuch ab. Hier verhandelte er mit Nick Griffin, seinem Kollegen von der British National Party, über die Bildung einer rechtsgerichteten Allianz. Nach den im Juni 2004 anstehenden Europawahlen wollen beide Parteien eine politische Fraktion im EU-Parlament etablieren, um wie beispielsweise die europaweit organisierten Sozialisten und Christdemokraten endlich in den Genuss von Geld aus der EU-Kasse zu kommen.

 

In Kolumbien wurden innerhalb von 48 Stunden 2 Journalisten ermordet, damit stieg die Zahl der seit Jahresbeginn getöteten Medienvertreter auf 4. Die Morde an den beiden Radiomoderatoren Jaime Rengifo jr. und Guillermo Bravo Vega gehen auf das Konto der angeblich im Waffenstillstand befindlichen AUC-Paramilitärs. Tatmotiv war offenbar die Berichterstattung über Korruption und die Verbindungen der AUC zu international operierenden Drogenkartellen. Mit mehr als 50 ermordeten Journalisten in den vergangenen 10 Jahren ist Kolumbien eines der gefährlichsten Länder der westlichen Hemisphäre. Bei einem Großeinsatz der kolumbianischen Armee in der Provinz Antioquia sind 10 Menschen ums Leben gekommen, die sich in der Gewalt der linksgerichteten FARC-Guerrilla befanden. Ums Leben kamen dabei auch der Gouverneur von Antioquia, Guilliermo Gaviria, und der ehemalige Verteidigungsminister Gilberto Echeverri. Bei den übrigen Toten handelte es sich um Soldaten und Polizisten. Die Operation sogenannter Spezialeinheiten zur Geiselbefreiung war dilettantisch vorbereitet und scheiterte auf ganzer Linie.

 

In einem ihrer wenigen halbwegs lesbaren Artikel lieferte die Hauspostille des reaktionären Immobilienspekulanten Frey („National-Zeitung“) einige Informationen über die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Nicht gerade unerwartet widmet sich die DIG der Lobbyarbeit für den zionistischen Apartheid- und Folterstaat in Palästina: "Israel braucht zur Zeit mehr denn je gute und verlässliche Freunde (…) Die Deutsch-Israelische Gesellschaft ist die Organisation der Freunde Israels." In diesem Sinne haben die Mitglieder sich die Beeinflussung von Öffentlichkeit, Parteien und Verbänden zum Ziel gemacht. Präsident der Organisation ist Prof. Dr. Manfred Lahnstein („Israel - wir stehen zu dir"), seines Zeichens langjähriger Bundesfinanzminister für die SPD, Manager des Medienriesen Bertelsmann und Aufsichtsratsvorsitzender der Bundesdruckerei. Pikanterweise soll Lahnstein, der das staatsterroristische Israel gerne als Musterbeispiel für Freiheit und Demokratie feiert, auch Mitglied der Trilateralen Kommission sein. Vizepräsidenten Lahnsteins sind u.a. Marieluise Beck (Grüne) als Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, die CDU-Bundestagsabgeordnete Anke Eylmer (stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), Dirk Nebel (als arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion einer der Hauptverantwortlichen für die asozialen wirtschafts- und sozialpolitischen Vorstellungen der Liberalen), Reinhold Robbe (Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestages für die SPD und damit an der neoimperialistischen Interessenpolitik der BRD beteiligt), der mit dem American Israel Public Affairs Committee in den USA verbandelte Sozialwissenschaftler Christian Bala, Jochen Feilcke vom Zentralverband der Berliner Arbeitgeberverbände oder Hermann Kuhn als justizpolitischer Sprecher der Bremer Grünen. Im erweiterten Präsidium finden wir u.a. Heinrich Bartel von der Bundeszentrale für Politische Bildung, Imrich Donath als Präsidenten der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Wirtschaftsvereinigung (treibt als solcher die Expansion des neudeutschen Imperialismus in Ostmitteleuropa voran) oder den langjährigen Chefredakteur des Käseblattes "Augsburger Allgemeine Zeitung", Gernot Römer. Zu den Aktivisten der DIG zählen beispielsweise Hamburgs Innensenator Ronald Schill, der Verdi-Gewerkschafter und SPD-Bundestagsabgeordnete Willi Brase, Ilse Janz als ehemalige Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Herbert Nierhaus als Ehrenvorsitzender des Verdi-Fortbildungswerkes in Hamburg, die Frankfurter PR-Unternehmerin Claudia Korenke (Rotkäppchen-Sekt und Pharmakonzern Aventis), der korrupte Berliner Ex-Finanzsenator Heinz Striek (SPD, Stichwort Kreisel-Affäre), der Philologe Prof. Dr. Klaus Sallmann, der Pädagoge Prof. Dr. Helmut Skowronek oder Angelika Köster-Lossack als ehemalige entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Vernetzungen bestehen mit vergleichbaren Organisationen wie der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag mit ihren 125 Mitgliedern, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der "Aktion Sühnezeichen", mit Springers "Welt" hat die DIG eine Medienpartnerschaft geschlossen. Zwar handelt es sich bei der DIG nicht um eine derartig machtvolle Organisation wie die Atlantik-Brücke e.V., aber sie hat ihre Verbindungen und versteht es durchaus, diese zu nutzen.

 

Die Sonderkammer des Obersten Gerichtshofes in Madrid annullierte 225 linksnationalistische Wählerlisten der Wahlplattform Autodeterminaziorako Bilgunea AuB im spanisch besetzten Teil des Baskenlandes und in Navarra, da es sich bei ihnen um eine Fortführung der verbotenen Batasuna-Partei handele. Damit kandidiert in 15 Gemeinden, in denen die Bevölkerung zu fast 100 % Batasuna wählte, nur noch die reaktionär-zentralistische Volkspartei von Ministerpräsident Aznar. In 10 weiteren Gemeinden Navarras werden gar keine Wahlen stattfinden, weil die Linksnationalisten die einzigen Listen ins Rennen schickten. Die ETA-nahe Partei Batasuna stellte vor ihrem Verbot 61 Bürgermeister und 882 Gemeinderäte. Sie vertrat rund 20 % der Wählerschaft und war damit nach der gemäßigt nationalistischen PNV die zweitstärkste Partei im Baskenland. Die baskischen Linksnationalisten geben indessen nicht bei. Mit Unterstützung der Gewerkschaften und anderer Parteien werden sie eigene Stimmzettel drucken und in einem Akt des zivilen Ungehorsams dennoch an den Regional- und Kommunalwahlen am 25. Mai teilnehmen. Verboten wurde mittlerweile auch der Rat der Gemeindevertreter, Udalbitza, in dem Kommunalpolitiker aus dem französischen und dem spanischen Baskenland sowie aus Navarra zusammenarbeiteten. Die eingereichten Verfassungsklagen gegen das Batasuna-Verbot und gegen die Verbote der Wählerlisten haben mittlerweile wenig Aussichten auf Erfolg, denn nach einer Serie von höchstrichterlichen Freisprüchen für zu Unrecht als angebliche ETA-Aktivisten verfolgte Personen wurden die Spitzen der Justiz von missliebigen Juristen gesäubert. Aus Protest gegen die Repressionsmaßnahmen der spanischen Regierung kam es im gesamten Baskenland zu Streiks und Demonstrationen, in Bilbao besetzten Demonstranten das Rathaus.

 

Die USA planen, die seit März in Spanien verbotene Baskenpartei Batasuna auf ihre Liste weltweiter Terrororganisationen zu setzen. Als erster Schritt seien die Guthaben von Batasuna in den USA eingefroren worden, teilte US-Außenamtssprecher Richard Boucher mit. Beobachter werteten die Entscheidung als Dank der US-Regierung an Spaniens Ministerpräsident Jose Maria Aznar für dessen Unterstützung der USA im Irak-Konflikt.

 

Republikanische Hardliner stellten einen mit Benzinkanistern und Rohrbomben vollgestopften Kleintransporter vor dem Kfz-Steuerbüro in der Belfaster Innenstadt ab. Die gefährliche Fracht konnte von der Armee entschärft werden. Bei einem Bombenanschlag der Continuity IRA auf ein Polizeifahrzeug in Armagh kamen die beiden im Auto sitzenden Polizisten mit dem Schrecken davon. Nur Stunden vor dem Besuch Tony Blairs in der irischen Hauptstadt Dublin wurde nahe der Nationalgalerie eine Rohrbombe entschärft. Bei den erneuten Verhandlungen um die Fortsetzung des festgefahrenen Friedensprozesses in Nordirland machte sich der irische Premierminister Ahern faktisch die Forderungen Sinn Féins zu eigen und drängte seinen britischen Amtskollegen, endlich für echte Reformen der nordirischen Polizei und der Strafjustiz zu sorgen und die strukturelle Diskriminierung der katholischen Bevölkerungsgruppe zu beenden. Anlässlich des Blair-Besuches in Dublin veröffentlichte die Provisional IRA ihre bereits den Regierungschefs von Großbritannien und Irland zugänglich gemachte Erklärung, in welcher sie sich zur vollständigen und unumkehrbaren Umsetzung des Karfreitagsabkommens bekannte. Diese Umsetzung und weitere Vereinbarungen sollen einen Kontext schaffen, in dem die Untergrundarmee ihre Waffen niederlegen könne. In einem zweiten Papier übten die Republikaner heftige Kritik an der Verhandlungsführung der beiden Regierungen, die durch öffentliche Erklärungen mehrfach die zugesicherte Vertraulichkeit verletzt haben. Der Army Council stellte sich eindeutig hinter die Position von Gerry Adams und ist bei entsprechendem Entgegenkommen durch die Briten zu einer endgültigen Einstellung des bewaffneten Kampfes bereit.

 

In der Region Lurgan-Portadown ersuchte Robin King für die Loyalist Volunteer Force vergebens die rivalisierende Ulster Volunteer Force um Verhandlungen über einen Ausgleich zwischen den beiden verfeindeten nordirischen Protestantenmilizen. Mit der Ablehnung scheint die UVF sich etwas überschätzt zu haben, denn kurz darauf erschoss ein LVF-Kommando in Crawfordsburn den Loyalisten Jim Johnston. Johnston gehörte den mit der UVF verbündeten Red Hand Commandos an und soll im Herbst vergangenen Jahres in die Ermordung des LVF-Aktivisten Stephen Warnock verwickelt gewesen sein. Beide Mordopfer waren in Drogengeschäfte verwickelt. In Antrim kam es daraufhin zu Zusammenstößen zwischen den Anhängern der LVF und der UVF.

 

Der ehemalige UN-Waffeninspekteur Scott Ritter hat den Krieg der USA im Irak mit dem Vorgehen Adolf Hitlers verglichen. "Ich sehe keinen Unterschied zwischen der Invasion Iraks und der Invasion Polens durch Hitler im Jahr 1939." Hitler habe seine Soldaten unter dem Vorwand der Selbstverteidigung in das Nachbarland einmarschieren lassen, George Bush habe sich 2003 genauso verhalten. Bush habe die Terroranschläge auf die USA vom 11. September 2001 in der gleichen Weise für seine Zwecke benutzt wie Hitler seinerzeit den Reichstagsbrand. Solange die Vereinigten Staaten nicht angegriffen würden, hält der Waffenexperte einen weiteren Krieg gegen Länder der so genannten Achse des Bösen für unwahrscheinlich, "zumindest nicht vor den nächsten Wahlen im November 2004". Allerdings habe der Irak-Krieg nicht zur Sicherheit in der Welt beigetragen, wie Präsident Bush angekündigt habe. "Der jüngste Krieg zeigt doch Ländern wie Syrien, Iran oder Nordkorea, dass nur derjenige, der Massenvernichtungswaffen besitzt, vor einem Angriff geschützt ist.“ Der Irak habe seine Massenvernichtungswaffen zerstört. Gleichzeitig hätten die Sanktionen das Land geschwächt. Am Ende hätten die USA ein nahezu wehrloses Land überfallen, und die Völkergemeinschaft habe dabei zugeschaut. "Damit haben die USA die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen nur beschleunigt, statt sie einzudämmen.“ Die USA haben eine Ära eingeläutet, in der die Vereinten Nationen jede Bedeutung verloren haben. "Das ist eine sehr gefährliche Situation.“ Die UNO müssten Präsident Bush, für Verstöße gegen das internationale Recht zur Verantwortung ziehen, ansonsten seien sie eine wirkungslose Institution.

 

Durch Meldung der Arbeitslosenzahlen für April 2003 lieferte die Bundesanstalt für Arbeit, wie die „junge welt“ sehr treffend formulierte, den allmonatlichen gesellschaftspolitischen Offenbarungseid. Mit 4,495 Millionen registrierten Arbeitslosen hat die Erwerbslosigkeit den Höchststand seit der Annexion der DDR erreicht. Zwar ging die Zahl der offiziell eingestandenen Arbeitslosen gegenüber dem März 2003 um 112.700 zurück, aber sie liegt um 471.000 über dem Vorjahresmonat. Damit beträgt die Erwerbslosenquote 10,8 %. Im Westen sind 2,811 Millionen Arbeitslose (8,6 %) zu vermelden, in den besetzten Ostgebieten 1,684 Millionen (19,1 %). Mit mehr als 522.000 Arbeitslosen unter 25 Jahren hat die Erwerbslosigkeit bei den unter 25-Jährigen ein neues Rekordniveau erreicht.

 

Zur Einigung von CDU und CSU über die künftige Richtung in ihrer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie das Angebot an die SPD, jederzeit in Verhandlungen über die Reform der Sozialsysteme einzutreten, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der PDS, Heidemarie Lüth: „Es verwundert nicht, dass die CDU-Vorsitzende Merkel der SPD Verhandlungen bei der Reform der Sozialsysteme zu jeder Zeit anbietet. Die Chance, aus der Opposition heraus an einem Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik aktiv mitzuarbeiten, ist so günstig wie nie und entspricht voll und ganz dem neoliberalen Grundkonzept der Unionsparteien.
CDU und CSU haben sich nach längeren Debatten auf einen Kompromiss zu den bisher umstrittenen Punkten geeinigt: Die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld soll auf 12 bis 18 Monate gekürzt werden, für ältere Arbeitnehmer mit mindestens 40 Jahren Beitragszahlung 24 Monate. Sozialhilfe für arbeitsfähige Menschen soll um 30 Prozent gekürzt werden, wenn angebotene Job abgelehnt werden. Der Kündigungsschutz soll gelockert werden. Voller Schutz für neu eingestellte Arbeitnehmer künftig nur noch bei Betrieben ab 20 Mitarbeitern. Mit der so gewonnenen gemeinsamen Linie und mit dem Übergewicht im Bundesrat wollen CDU/CSU Druck auf Schröder ausüben, wesentliche Punkte des mit der Agenda 2010 ins Auge gefassten Sozialabbaus möglichst rasch in Gesetzesform zu gießen. Das ist Druck auf Reformtempo und gleichzeitig Schützenhilfe von den Unionsparteien für Schröders Reformrichtung. Für die parlamentarischen Beratungen noch vor der Sommerpause heißt das de facto: eine große Koalition bzw. - wie von manchem fein umschrieben - eine große Koordination für einen beispiellosen Abbau sozialer und arbeitsrechtlicher Errungenschaften der arbeitenden Menschen in der Bundesrepublik
.“

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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