Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 21. bis 27. Juni 2003

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Schwerer Zwischenfall an syrischer Grenze

Indien und China suchen den Ausgleich

 

Zitat der Woche:
"Gesegnet war die Zeit, als Einsame ihre Abgründe erproben konnten, ohne als Besessene oder Gestörte zu gelten."
- E.M. Cioran

An der syrisch-irakischen Grenze kam es bei Quaim zu einem schweren bewaffneten Zwischenfall. Auf der Suche nach dem untergetauchten irakischen Expräsidenten Saddam Hussein und weiteren Widerstandsführern attackierten die Amerikaner einen Fahrzeugkonvoi. Unseligerweise befand dieser sich bereits auf syrischem Territorium, woraufhin es zu einem Feuergefecht mit Grenzposten kam. Die Bilanz sind eine unbekannte Zahl getöteter Zivilisten und 5 Verwundete auf syrischer Seite. Zwar wurden die verwundeten Syrer von der US Army medizinisch betreut, aber Washington handelte sich dennoch einen geharnischten Protest des syrischen Außenministeriums ein.

 

Im Irak geraten nun auch die britischen Besatzungstruppen ins Visier des militanten Widerstandes. Im Raum Amarah nördlich Basra wurden britische Soldaten bei einer Razzia in einen Hinterhalt gelockt und von der aufgebrachten Menge angegriffen, es starben 6 Briten und um die 80 irakische Rebellen. Bei einem weiteren Angriff verloren die britischen Verbände 8 Verwundete. Die amerikanischen Verluste betrugen in dieser Woche mindestens 4 Gefallene, 18 Verwundete und 2 Vermisste. Weiterhin werden Sabotageakte gegen die Erdöl- und Erdgaspipelines des Landes verübt, zudem gab es im Süden und bei Bagdad eine Welle von Sprengstoffanschlägen auf Hochspannungsleitungen. Angesichts der mehr als kritischen Sicherheitslage ersuchten die USA ihre Verbündeten und befreundete Länder um Entsendung von Hilfstruppen, um mehrere gemischte Sicherungsdivisionen aufzustellen. Die bislang größten Beiträge hierfür kommen von Polen und Spanien. Washingtons Kolonialverwaltung kündigte den Aufbau einer neuen irakischen Armee an. Vorgesehen sind 3 leichte Infanteriedivisionen mit 40.000 Soldaten für Sicherungsaufgaben. Offensichtlich ist die derzeitige Präsenz von 146.000 amerikanischen und 12.000 britischen Soldaten im Irak und weiteren 67.000 US-Soldaten in Kuwait bei weitem nicht ausreichend, um Chaos und Widerstand zu bändigen. Nach Massenprotesten soll die Soldzahlung für die demobilisierten Soldaten der alten Armee fortgesetzt werden, sofern diese dem Baathismus abschwören.

 

Auf dem EU-USA-Gipfel in Washington bemühten sich die atlantischen Partner um eine Verbesserung ihres seit dem Irak-Krieg angespannten Verhältnisses. Während in puncto Wirtschaft, Handel und Verkehr beide Seiten verhandlungsbereit waren und Übereinkünfte erzielen konnten, gehen die Ansichten hinsichtlich des Irak und Palästinas weiterhin auseinander. Die aggressive Haltung Washingtons gegenüber dem vermutlich an einer Atombombe arbeitenden Iran traf bei den Europäern auf Zurückhaltung, zudem verweigern sie es bislang, den politischen Flügel der palästinensischen Hamas auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen. Allerdings bestätigte die EU ihr Einschwenken auf die amerikanische Linie, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen notfalls mit militärischer Gewalt zu verhindern - Europa hat damit unverhohlen das Rezept für imperialistische Angriffskriege übernommen. Europäer wie Amerikaner wollen zudem gemeinsam im Rahmen der WTO die Liberalisierung des Welthandels weiter vorantreiben.

 

Mit Premierminister Atal Behari Vajpayee besuchte erstmals seit mehr als 10 Jahren ein indischer Regierungschef den Nachbarn China. Vajpayee und sein chinesischer Amtskollege Wen Jiabao unterzeichneten 9 Abkommen über eine Vereinfachung der Visaerteilung, die Errichtung von Kulturzentren sowie eine Ausweitung der Kooperation in Bildung, Wissenschaft, Meeresforschung, Landwirtschaft und bei erneuerbaren Energien. Das Handelsvolumen soll in den kommenden Jahren verdoppelt werden. Im Vordergrund der Gespräche stand jedoch die Rolle der beiden asiatischen Atommächte in der Welt. Peking und Neu-Delhi lehnen die von den USA angestrebte monopolare Weltordnung ab und verfügen als Milliarden-Nationen über ein nicht zu unterschätzendes Machtpotential. Gemeinsam streben Indien und China danach, den wachsenden Einfluss der USA in Südostasien einzudämmen. Bereits im April dieses Jahres nahmen die beiden Staaten ihre Kooperation auf militärischem Gebiet wieder auf, und die bestehenden Grenzstreitigkeiten im Himalaya nähern sich einer Beilegung. Nun erkannte Neu-Delhi die Oberhoheit Chinas über Peking an und sicherte zu, den in Indien lebenden Tibetflüchtlingen keinerlei antichinesische Aktivitäten zu gestatten. Als Gegenleistung segnete Peking die 1975 erfolgte Annexion des Königreichs Sikkim durch die Inder ab.

 

Die Ausweitung des ostdeutschen Metallerstreiks löste bekanntlich eine wüste Kampagne von Arbeitgeberverbänden, Regierungsstellen und bürgerlichen Medien gegen die IG Metall aus. Dem öffentlichen Druck gaben nunmehr einflussreiche Kreise innerhalb der westdeutschen Gewerkschaftsbezirke nach: Die Konzernbetriebsräte der großen Automobilkonzerne stellten sich infolge der durch Bestreikung von Zulieferbetrieben auftretenden Produktionsausfälle gegen den Arbeitskampf zur flächendeckenden Einführung der 35-Stunden-Woche auch im Osten. Klaus Volkert, seines Zeichens Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Volkswagen, dachte öffentlich einen Austritt des Konzerns aus dem sächsischen Arbeitgeberverband an, um so den Ausstand zu torpedieren. Sein Amtskollege Erich Klemm von DaimlerChrysler titulierte den für den Streik verantwortlichen designierten neuen IG Metall-Bundesvorsitzenden Jürgen Peters als einen „tarifpolitischen Geisterfahrer“. Klaus Franz als Vorsitzender des Opel-Gesamtbetriebsrates warf gar die Frage auf, ob Peters überhaupt für einen solchen Posten geeignet sei. Dem gegenwärtigen Vizevorsitzenden der Gewerkschaft wurden mangelnde Fähigkeiten in den Bereichen Strategie und Konfliktmanagement vorgeworfen. Die Solidarität innerhalb der IG Metall erlitt durch das Ausscheren der genannten Funktionäre schweren Schaden, offensichtlich gehört das Konzept einer geschlossen agierenden Gewerkschaftsbewegung der Vergangenheit an. Den Peters-Kritikern ist eine rein betriebswirtschaftliche und westzentrierte Betrachtungsweise anzukreiden, gegen die tarif- und lohnpolitische Benachteiligung von Hunderttausenden ostdeutscher Arbeitnehmer haben sie offenbar nichts einzuwenden. Ebenfalls an ihnen vorbeigangen zu sein scheint die Tatsache, dass durch die Einführung der 35-Stunden-Woche in der westdeutschen Metall-, Elektro- und Stahlindustrie rund 3 Millionen Arbeitsplätze schuf. Auf der anderen Seite gibt es allerdings auch Konzernbetriebsräte wie beispielsweise von Siemens und Porsche, die Peters von „links“ kritisieren und anmerken, er sei ohne ausreichende Vorbereitung in den Konflikt gegangen. Wie dem auch sei, der scheidende IG Metall-Chef Klaus Zwickel, der bereits bei der Zerschlagung des Mannesmann-Konzerns durch verdächtig hohe Provisionen in die Schusslinie geriet, machte sich daraufhin für Verhandlungen mit Martin Kannegiesser, dem Vorsitzenden des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, stark, um den Arbeitskampf am Wochenende zu beerdigen. Zwickel und eine starke revisionistische Fraktion innerhalb der westdeutschen Bezirke favorisieren die Kandidatur des baden-württembergischen Bezirksleiters Berthold Huber für den Bundesvorsitz - Peters konnte sich im April nur per Kampfabstimmung durchsetzen. Innerhalb der Gewerkschaft braut sich ein offener Machtkampf zwischen Peters und Zwickel und den hinter ihnen stehenden Fraktionen zusammen.

 

Die für die Deutsche Volksunion charakteristische Kombination aus reaktionärer Einstellung und politischem Dilettantismus machte sich im Landtag von Brandenburg bemerkbar. Mit den Stimmen der Partei des Immobilienspekulanten und NS-Devotionalienhändlers Frey gelang es der CDU und der Mehrheit der SPD-Fraktion, eine neuerliche Erhöhung der Abgeordnetendiäten durch das Landesparlament zu bringen. Der seit Monaten auf Eis liegende PDS-Antrag, angesichts der dramatischen Finanzlage Brandenburgs und des öffentlichen Sparkurses die bereits beschlossene dreistufige Diätenerhöhung einzufrieren, wurde niedergestimmt. Am Vortag verabschiedete der Landtag das Haushaltssicherungsgesetz mit drastischen Sparmaßnahmen und betriebsbedingten Kündigungen im öffentlichen Dienst. Das Wort „sozialverträglich“ wurde sogar noch aus der Vorlage gestrichen. Ein Paradebeispiel für politische Instinktlosigkeit und für Selbstverortung im bürgerlichen Lager.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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