Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 5. bis 11. Juli 2003

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

4,257 Millionen Arbeitslose

Good Morning, Iraq!!!

 

 

Zitat der Woche:
"Es ist alles glatt und gefährlich auf unserer Bahn, und dabei ist das Eis, das uns trägt, so dünn geworden: Wir fühlen alle den warmen unheimlichen Atem des Tauwinds - wo wir noch gehen, da wird bald niemand mehr gehen können."
- Friedrich Nietzsche

Die Bundesanstalt für Arbeit gab die Zahlen für die offiziell eingestandene Erwerbslosigkeit bekannt. Danach waren im Juni mit 4,2574 Millionen (10,2 %) 85.000 Arbeitslose weniger registriert als noch im Mai. Selbst BfA-Chef Gerster erklärte, der Rückgang sei saisonbedingt und deute keinesfalls auf eine wirtschaftliche Trendwende hin. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es hingegen 303.100 Arbeitslose mehr. In Ostdeutschland erreichte die Arbeitslosenzahl mit 1.594.400 Betroffenen bei einer Quote von 18,3 % den höchsten jemals gemessenen Juni-Wert. Beispielsweise kommen in Mecklenburg-Vorpommern auf jede offene Stelle 22 Arbeitssuchende. In den alten Bundesländern waren mit 2.663.000 Menschen so viele arbeitslos gemeldet wie zuletzt im Juni 1998. Die Arbeitslosenquote belief sich im Westen auf 8,1 %. In Nordrhein-Westfalen ging die Zahl der gemeldeten Lehrstellen gegenüber Oktober 2002 um 10,6 % zurück. Die Stadtstaaten Bremen und Hamburg weisen mit einer Erwerbslosenquote von 13,2 % bzw. 9,9 % die schlechtesten Werte im Westen auf. In Berlin verschärfte sich die kritische Lage weiter, die Bundeshauptstadt meldete 18,1 % Arbeitslosigkeit. Das Defizit der Bundesanstalt für Arbeit ist infolge der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit bereits auf 5,2 Milliarden Euro angewachsen. Abschließend verweisen wir auf eine Studie des Nürnberger Sozialmediziners Trabert, der zufolge infolge der zunehmenden Verschärfung der sozialen Gegensätze die Armen in der BRD im Schnitt eine um 7 Jahre geringere Lebenserwartung als der besserverdienende Teil der Bevölkerung aufweisen. Die steinreiche Oberschicht lebt sogar 12 Jahre länger und hat auch deutlich weniger mit Krankheiten und Behinderungen zu kämpfen. Willkommen im 21. Jahrhundert!

Nachdem der gescheiterte Metallerstreik in einen offenen Richtungskampf innerhalb der IG Metall mündete, mischte sich nun auch die Sozialdemokratie in denselben ein. Den Reigen eröffnete Rainer Wend als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit. Wend wünschte den wirtschaftsfriedlichen Gewerkschaftsrechten um Zwickel und Huber den Erfolg, da eine kämpferisch die Interessen der Erwerbstätigen vertretende IG Metall in seinen Augen „Isolation“ bedeute. Bundesinnenminister Otto Schily sprach sich im ZDF für einen Kandidaturverzicht des Gewerkschaftslinken Peters aus, welcher im Herbst den Bundesvorsitz der Metallergewerkschaft übernehmen wird. Bundeskanzler Gerhard Schröder legte den Gewerkschaften in seiner Eigenschaft als SPD-Bundesvorsitzender ebenfalls eine grundlegende Neuorientierung nahe. Die sozialdemokratische Bevormundung provozierte einen Proteststurm der in dieser Hinsicht selbstbewussten Metaller. Frank Teichmüller, der eher gemäßigte Bezirksleiter für Hamburg, entgegnete dem Kanzler, er sei dagegen "dass nun jeder Hans und Franz, auch wenn er der Bundeskanzler ist, glaubt, dass er uns Ratschläge geben soll“. Der IG Metall wäre sehr daran gelegen, wenn Schröder sich um seinen eigenen desolaten Laden kümmere.

Auch die 2. Krisensitzung des IG Metall-Vorstandes brachte keine Klärung. Peters hielt durch und verweigerte den geforderten Verzicht auf Amtsübernahme. Zwickels Wunschkandidat Huber, eigentlich designierter Vizevorsitzender, warf entnervt das Handtuch und zog sich aus der Personaldiskussion zurück. Der noch amtierende Bundesvorsitzende Zwickel zeigte sich erschüttert, dass die von ihm heraufbeschworene Auseinandersetzung zur völligen Handlungsunfähigkeit seiner Gewerkschaft führte. Mittlerweile konzentriert die gewerkschaftsinterne Kritik sich infolge offensichtlicher Inkompetenz immer mehr auf seine Person. Der Vorstand tritt erst wieder Anfang September zusammen, um sich auf einen neuen Personalvorschlag zu einigen. Einem Hinweis aus Kreisen der Gewerkschaftslinken folgend, merken wir an, dass man Peters nicht zu sehr in den Himmel loben sollte: Als Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Volkswagen stand er nicht gerade für eine konfrontative Linie, zudem war er für die IG Metall maßgeblich an den Verhandlungen über die skandalösen Tarifverträge im Zeitarbeitssektor beteiligt. Seit Jahresbeginn hat die IG Metall fast 47.000 Mitglieder verloren, mehr als im gesamten Jahr 2002.

Bei einer Volksabstimmung verwarfen (Beteiligung 60 %) knapp 51 % der Teilnehmer die Einrichtung einer ganz Korsika umfassenden Gebietskörperschaft. Die Verwaltungsreform des französischen Premiers Raffarin sollte die seit der Revolution von 1789 gültige Einteilung in Departements revidieren und Frankreich in 22 Regionen mit eigenen Parlamenten umgliedern. Korsika als Pilotprojekt würde so zwar kein eigentliches Autonomiestatut erhalten, aber immerhin ein einheitliches Territorium darstellen und Inselparlament mit 91 nach dem Verhältniswahlrecht bestimmten Abgeordneten besitzen. Die gemäßigten Autonomisten von Corsica Nazione unterstützten die Vorlage. Auf der Rechten stellten sich die korsischen Bonapartisten gegen den Plan, ebenso die über die reaktionäre Sozialpolitik der Zentralregierung verärgerte Linke inclusive der mächtigen korsischen Gewerkschaften. Einflussreiche Kreise befürchteten zudem eine Regionalisierung des französischen Zentralstaates. Ohnehin war die Abstimmung eine Farce: Stimmberechtigt waren alle Einwohner der Insel, darunter auch die zahlreichen nach dem Verlust Algeriens angesiedelten Algerienfranzosen und die mehrheitlich französischstämmigen Beschäftigten und Beamten des öffentlichen Dienstes. Nicht stimmberechtigt waren hingegen die nach Hunderttausenden zählenden aus wirtschaftlichen Gründen auf das französische Festland ausgewanderten Korsen. Damit ist das 5. Korsikastatut in 25 Jahren gescheitert und wohl auch die allgemeine Verwaltungsreform für Frankreich, auf die gerade Bretonen und Basken so große Hoffnungen setzten. Kurz nach der gescheiterten Abstimmung sprengten radikale Nationalisten der Korsischen Befreiungsfront FLNC 4 Ferienhäuser im Süden der Insel in die Luft. Seit Jahresbeginn hat die FLNC damit mehr als 130 Anschläge verübt. Auslöser der jüngsten Gewalttaten ist die Festnahme des wegen Mordes gesuchten FLNC-Aktivisten Yvan Colonna, der die vergangenen 4 Jahre im Untergrund lebte. Der Fahndungserfolg dürfte zahlreiche korsische Nationalisten dazu bewogen haben, in letzter Minute mit „Nein“ zu stimmen.

Der neue Bericht des UN-Entwicklungsprogrammes UNDP straft die neoliberalen Globalisierer Lügen: Liberalisierung und Marktöffnung haben dafür gesorgt, dass sich die Kluft zwischen den reichen Industriestaaten und den „Entwicklungsländern“ seit den 90er Jahren deutlich vergrößert hat. Jedes vierte Land auf diesem Planeten leidet unter zunehmender Armut. Vor allem südlich der Sahara hat eine tödliche Mischung aus Hunger, AIDS, Krieg und Misswirtschaft für eine hoffnungslose Lage gesorgt, und Aussicht auf Besserung besteht laut UNDP bei Fortbestand der gegenwärtigen Trends erst um das Jahr 2150 herum. Zwar ging die Zahl der Menschen, die von weniger als einem Dollar täglich leben müssen, von 30 auf 23 % zurück, aber dieser Rückgang ist auf die wirtschaftlichen Fortschritte der erwachenden Riesen Indien und China zurückzuführen. Nach dem Kollaps des Ostblocks und dem Einzug des Kapitalismus verschlechterte sich der Menschliche Entwicklungsindex HDI in 21 osteuropäischen und zentralasiatischen Staaten in geradezu einzigartiger Weise. Einkommen, Lebenserwartung und Alphabetisierung sind in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion dramatisch rückläufig. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung, ungefähr 60 Millionen Menschen also, verdient mittlerweile so viel wie die ärmsten 57 %. Das Einkommen der reichsten 25 Millionen US-Amerikaner hält sich die Waage mit dem Einkommen von fast zwei Milliarden der weltweit Ärmsten.

 

Anlässlich des Weltbevölkerungstages am 11. Juli beehren wir uns mitzuteilen, dass der geschundene Planet Erde im Jahr 2050 rund 3 Milliarden Menschen zusätzlich zu ertragen hat, und 99 % der Bevölkerungszunahme werden auf die Entwicklungsländer entfallen. Bereits jetzt zählt die Weltbevölkerung um die 6,3 Milliarden Menschen, was angesichts der mehr als mangelhaften statistischen Möglichkeiten der Drittweltländer und auch Chinas und Indiens beinahe zu wenig erscheint. Die Entwicklung der Weltbevölkerung zeigt dabei zwei große Trends: Die Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungsstaaten und den Rückgang in den Industrienationen. Dramatisch seien auch die Auswirkungen von Aids: Bis 2050 wird sich die Bevölkerung im südlichen Afrika um rund 22 % reduzieren. Wir gestatten uns die misanthropische Anmerkung, dass die berüchtigten malthusianischen Korrektive wie Krankheit, Naturkatastrophen, Hunger und Krieg den globalen Bevölkerungsprognosen jedoch erfolgreich gegensteuern werden, dem aufmerksamen Beobachter zeigen sich bereits die ersten Metastasen eines Dritten Weltkrieges.

 

Die palästinensische Hamas-Bewegung drohte knapp eine Woche nach Verkündigung ihres befristeten Waffenstillstandes mit einer Wiederaufnahme der Feindseligkeiten, sofern Israel nicht alle palästinensischen Gefangenen freilasse. Tel Aviv hingegen ist nur zur langfristigen Freilassung von 350 (von 6000) Häftlingen und KZ-Insassen bereit, signalisierte jedoch der Hamas Entgegenkommen. Allerdings verkündete Avigdor Lieberman, Transportminister der klerikal-faschistischen Regierung Sharon im Radio, man solle die Gefangenen und Internierten „im Toten Meer ersäufen“. Im israelischen KZ Megiddo sind mittlerweile mehrere 100 palästinensische Gefangene in einen Hungerstreik getreten. Weiterhin hält die israelische Armee ihren Würgegriff um die Autonomiegebiete und Flüchtlingslager aufrecht, und nach wie vor ist von einer Räumung der illegalen zionistischen Wehrdörfer nichts zu erkennen. Dennoch akzeptierte auch die PFLP die Waffenruhe, die in der Tat zu einer deutlichen Entspannung führte.

 

Palästinenserpräsident Arafat nutzte die Gunst der Stunde und heizte den Machtkampf mit seinem ungeliebten Ministerpräsidenten Abbas wieder an. Arafat hielt seinem Rivalen vor, durch den nachgiebigen Kurs gegenüber Israel die Interessen des palästinensischen Volkes zu verraten. Geschickt unterlief der Präsident die Bemühungen von Abbas, die Polizeikräfte und Lokalverwaltungen unter Kontrolle zu bringen. Offiziell ist Muhammad Dahlan als Staatsminister für Inneres für die Polizei zuständig, aber Arafat berief seinen ehemaligen Rivalen Jibril Rajub zum Sonderbeauftragten für Polizei und Verwaltung des Westjordanlandes, wo Dahlan ohnehin kaum Autorität besitzt.

 

Im Irak dehnte der militante Widerstand seine Angriffe auf nichtmilitärische Ziele aus, auch gegen die mit den Besatzern kollaborierenden Polizisten richteten sich Operationen. Bei einem Bombenanschlag auf die Absolventen eines Polizeilehrgangs in Ramadi kamen 7 Polizisten ums Leben, weitere 54 wurden verletzt. Nach einer Serie von Guerrilla- und Terroraktionen sowie nach massiven Protesten der Bevölkerung zogen die verunsicherten Amerikaner sich bereits aus dem Widerstandszentrum Falluja zurück und bezogen Positionen außerhalb der Stadt. Die stark mitgenommenen Einheiten der 3. Infanteriedivision sollen bis September komplett aus dem Irak abgezogen werden. Es scheint, als würde die in Aufstellung befindliche 1. Multinationale Division (Polen, Briten, Spanier usw.) ihren Platz im Zentralirak einnehmen. Hierbei handelt es sich um einen wüsten Haufen von 12.000 Soldaten aus 30 Nationen. Der Verband wird unter polnischer Führung stehen, leider hat man wohl übersehen, dass die polnische Kommandostruktur nicht mit derjenigen der NATO und schon gar nicht mit derjenigen anderer nichtosteuropäischer Nationen kompatibel ist. Das Pentagon gab bekannt, dass seit Beginn der Kampfhandlungen am 20. März im Irak 212 Gefallene (dazu mindestens 42 britische Gefallene) und 1044 Verwundete verloren gingen. Die eigentlichen Probleme begannen jedoch nach der Erklärung Bushs, der Feldzug sei vorüber: Seit dem 1. Mai verloren die Yankees im Durchschnitt pro Tag 1 Gefallenen und 6 Verwundete, und das nach offiziellen Angaben. Täglich erfolgen zwischen 12 und 25 bewaffnete Widerstandsaktionen, wobei das eher noch zu niedrig gegriffen sein dürfte. Wie berichtet, gibt es zudem eine Reihe von Indikatoren dafür, dass die amerikanischen Ausfälle weitaus höher sind. Unseren Berechnungen nach hat Uncle Sam alleine in den vergangenen 14 Tagen mindestens 17 und maximal 32 Gefallene sowie mindestens 50 Verwundete verloren. Beispielsweise unterschlugen die westlichen Medien einen blutigen Selbstmordanschlag auf dem Internationalen Flughafen von Bagdad.

 

Die amerikanische Truppe haust in ungewohnt spartanischen Quartieren ohne Kabelfernsehen, Hamburger und Kinderprostituierte, es soll bereits zu den ersten Selbstmorden gekommen sein und die Truppenpsychiater haben alle Hände voll zu tun. Moralisch sind die Invasoren am Ende, arabischen Agenturmeldungen zufolge konvertierte bereits ein amerikanischer Offizier zum Islam. Angesichts von mittlerweile bis zu 7000 Ziviltoten (es tauchen bereits Schätzungen auf, die um das Dreifache höher sind!) und der chronischen Tendenz zu Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung, zu Plünderungen und wahllosem Schusswaffeneinsatz brachten die Besatzer es fertig, sich selbst in den Gebieten, in denen sie anfangs begeistert begrüßt wurden, bei weiten Teilen der Iraker verhasst zu machen. Während die Truppe in einen gnadenlosen Partisanenkrieg hineingerät, kündigte Amerikas Prokonsul Paul Bremer die Privatisierung der in Staatsbesitz befindlichen Erdölwirtschaft und der staatlichen Industriebetriebe an. Geradezu grotesk mutet in Anbetracht der himmelschreienden Zustände Bremers Ausführung an, man werde in Kürze Aufträge an Investoren für ein Mobilfunknetz vergeben.

 

Angesichts des lauter werdenden Rufes aus den USA nach der Entsendung von Hilfstruppen von NATO und UNO in den Irak stellte die BRD Washington ihre Bedingungen. Die neudeutschen Imperialisten von SPD und Grünen fordern die Installation einer legitimierten irakischen Übergangsregierung, ein offizielles Hilfeersuchen derselben und ein klares UN-Mandat, ehe sie ihre Bundeswehr-Söldner an Tigris und Euphrat entsenden. Durch das Sprachrohr Gernot Erler, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, regte Berlin eine Beteiligung am „zivilen Wiederaufbau“ und die Entsendung von Polizeiverbänden an - also nach afghanischem Muster Infrastrukturaufträge für BRD-Konzerne und den Zugriff auf die nichtmilitärischen Sicherheitskräfte. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul dachte, sofern man zwischen den Zeilen zu lesen vermag, bereits eine Beteiligung der BRD an der Verwaltung der irakischen Öleinnahmen an. Unter diesen Bedingungen hätten bundesdeutsche Konzern- und Wirtschaftsinteressen weitaus bessere Erfolgsaussichten als unter der bestehenden amerikanischen Kolonialverwaltung. Wir erinnern daran, dass unseres Wissens nach das Bundesverteidigungsministerium seit Ende Mai in Verhandlungen mit den Amerikanern steht. Folgerichtig wies der Bundeswehr-Verband darauf hin, dass die Bundeswehr noch über 3000 auch für „robuste“ internationale Einsätze geeignete Soldaten verfüge. Ein Fingerzeig könnte auch der eingeleitete Abzug des Großteils der KSK-Einheiten aus Afghanistan sein.

 

Washington hat sich im Zweistromland mehr als übernommen: Die Kriegs- und Besatzungskosten liegen bei mehr als 1 Milliarde Dollar pro Woche (der ohnehin schon beängstigend defizitäre Haushalt für 2004 sieht KEINEN Posten für den Irak vor!), der bewaffnete Widerstand nimmt die Züge eines organisierten Guerrillakrieges an und die Lage im Irak bindet bereits 148.000 Soldaten (die bei weitem nicht ausreichen!). Der scheidende Oberbefehlshaber im Nahen Osten, Tommy Franks, prophezeite dem US-Kongress bereits, es sei eine Besatzungszeit von 2-4 Jahren zu erwarten. Außenminster Powell gab bekannt, dass es keinerlei militärische Aktionen gegen Syrien oder den Iran geben werde. Fachleute merkten an, falls Washington einen ernsthafteren Konflikt etwa mit dem Iran oder gar mit dem bis an die Zähne bewaffneten Nordkorea vom Zaun brechen sollte, müsse es Reservisten bzw. Nationalgarde einziehen oder die begrenzte Wehrpflicht wieder einführen. Das Problem der amerikanischen Militärmaschinerie ist nicht der in Bälde wieder behobene Engpass an Hightech-Waffen, sondern der Mangel an fronttauglichen Kampftruppen.

 

Nach wie vor ist die Gefahr einer Ausweitung der Kampfhandlungen im Irak gegeben. Bekanntlich operieren vom Nordirak aus Tausende PKK-Kämpfer gegen die Türkei, während Ankara umgekehrt eine Sicherheitszone auf irakischem Territorium besetzt hält. Die Türkei hat mehrfach bekräftigt, dass sie die Bildung eines kurdischen Staates oder auch nur eines Autonomiegebietes im Nordirak nicht hinnehmen werde. Nun hoben die Amerikaner in Suleymanya ein türkisches Sonderkommando aus, das offenbar ein Attentat auf den kurdischen Gouverneur von Kirkuk plante. Nach einer ernsthaften diplomatischen Verstimmung zwischen Washington und Ankara wurden die Soldaten wieder auf freien Fuß gesetzt. Derzeit festigt die Türkei ihren Einfluss auf die rund 2 Millionen Turkmenen im Irak. Mit türkischen Waffen organisieren diese vor allem in Nordirak lebenden Stammesverwandten ihre Verteidigung gegen marodierende Kurdenbanden, die wiederum mit den Amerikanern verbündet sind.

 

Michael Steiner räumte zum Monatswechsel seinen Posten als UN-Protektor im Kosovo. Die Lage in der mehrheitlich von Albanern bewohnten serbischen Provinz ist weiterhin gespannt. Eine Rückkehr der 200.000 heimatvertriebenen Serben ist angesichts anhaltender ethnischer Säuberungen durch albanische Nationalisten nach wie vor nicht möglich, und das Land ist weiterhin fest im Griff mafiöser Strukturen, die aus der von CIA und BND aufgebauten Untergrundarmee UCK hervorgingen. Zum Abschied hinterließ Steiner, dabei die bundesrepublikanische Zerschlagungspolitik gegenüber Jugoslawien fortführend, noch ein paar Kuckuckseier. Zunächst einmal führte der UNMIK-Leiter für das Kosovo ein eigenes Strafgesetzbuch ein und koppelte es damit von der serbischen Judikative ab. Noch schwerwiegender ist jedoch, dass Steiner die von UN-Truppen besetzte Region durch ein Freihandelsabkommen an den albanischen Wirtschaftsraum angliederte. Das Abkommen befreit 98 % der Industriegüter und 50 % der Agrarprodukte von Zollabgaben. Zwar betrachtet die EU das Freihandelsabkommen als eine rein wirtschaftliche Angelegenheit ohne politische Bedeutung, doch vor Ort wird es als eindeutige Ermunterung großalbanischer Tendenzen begriffen. Steiners Abschiedsgeschenke sind ein schwerer Verstoß gegen die UN-Resolution 1244, nach der das Kosovo weiterhin ein integraler Bestandteil Jugoslawiens ist.

 

Wenige Tage nach dem Putsch Lothar Biskys auf dem PDS-Sonderparteitag zeichnet sich ein grundlegender Kurswechsel ab. Mit deutlicher Mehrheit stellte sich der zumeist aus handverlesenen Bisky-Getreuen und Parteirechten bestehende neue Parteivorstand hinter einen Programmentwurf, der unter anderem eine Abkehr der PDS vom Staatssozialismus und eine Neuausrichtung in der Wirtschaftspolitik vorsieht. Auch der bislang wegen seiner erzkapitalistischen Ausrichtung kritisierte Entwurf zur EU-Verfassung wurde abgesegnet, damit ist wohl auch die Unterstützung der Sozialisten für eine Volksabstimmung hierüber vom Tisch. Interessant erscheint uns, wie die auf Landesebene an sozialen Kahlschlagskoalitionen mit der SPD beteiligten Sozialisten auf Bundesebene die Sozialpolitik eben dieser Partei kritisieren wollen. Lediglich Sahra Wagenknecht, die geschätzte Vertreterin der Kommunistischen Plattform, stimmte gegen Biskys Kurs. Der neue Partei-Führer der Sozialisten ernannte ferner den Europaabgeordneten André Brie zum Bundeswahlkampfleiter der Partei. Es nimmt nicht Wunder, dass dieser Tage die ehemalige Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt der PDS den Rücken kehrte und sie zum gescheiterten Projekt erklärte.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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