Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 18 bis 24. Januar 2003
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Zitat der Woche: |
"Aber
es gibt Niederlagen, die Siege sind; und Siege, verhängnisvoller
als Niederlagen."
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Karl Liebknecht
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Unter dem Motto "Deutschland was ist das?" wurde dieser Tage der bundesweite Victor-Klemperer-Jugendwettbewerb eröffnet. Als Ausrichter fungieren das "Bündnis für Demokratie und Toleranz", die Dresdner Bank und das ZDF. Die hehren Ziele des Wettbewerbes kollidieren nicht unerheblich mit seinen Hintermännern. In der Jury sitzen unter anderem Bundesinnenminister Otto Schily als Polizeistaatsfanatiker par excellence, der millionenschwere PR-Unternehmer Paul Spiegel, auch als Präsident des Zentralrats der Juden bekannt, ZDF-Intendant Markus Schächter und nicht zuletzt zwei Vertreter des Vorstandes der Dresdner Bank: Siegfried Guterman und Prof.Dr. Bernd Fahrholz. Bei letzterem, einer zutiefst unsympathischen Person, wollen wir verharren und damit zugleich unsere Verunglimpfung des Jugendwettbewerbes abschließen. Bei Fahrholz, immerhin Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank, handelt es sich um einen neoliberalen Globalisierer der Güteklasse. Zudem ist der Banker und Wirtschaftswissenschaftler als geschworener Gegner des bisherigen Tarifsystems ein Verfechter einer radikalen Deregulierung des Arbeitsmarktes und des Tarifwesens. Fahrholz lehnt überbetriebliche Tarifverträge ab und propagiert zudem die rücksichtslose Umstellung des Bankgeschäftes auf das Internet also Arbeitsplatzvernichtung und Benachteiligung von Alten und Armen. Schon im Jahr 2000 wurde sein Jahreseinkommen auf 3,5 Millionen DM geschätzt. Ehe wir´s vergessen: Fahrholz sitzt auch im Vorstand des Allianz-Konzerns. Wir fassen zusammen: Die Jury steht für den totalen Überwachungsstaat, für die Lobby des zionistischen Apartheidstaates in Palästina, für die Interessen des bundesdeutschen Finanzkapitals und für Sozialdumping. Viel Spaß beim Mitmachen!
A propos Sozialdumping in der BRD: "Superminister" Wolfgang Clement hat den Abbau des Kündigungsschutzes eingeleitet. Nach den Worten Clements hätten Tabus in diesem Bereich vernünftige Regelungen über Jahre behindert. Frühere Vorschriften sollten zwar nicht wieder eingeführt, jedoch sollten neue, intelligente Lösungen für mehr Flexibilisierung gefunden werden. Der strenge deutsche Kündigungsschutz für Unternehmen mit über fünf Mitarbeitern behindere dringend notwendige Einstellungen im Mittelstand. Clement trat für einen gleitenden Übergang beim Schwellenwert der Beschäftigtenzahl ein. Vor vier Jahren hatte Rot-Grün diesen Wert auf fünf Mitarbeiter gesenkt, nachdem die Union den Kündigungsschutz für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten abgeschafft hatte. Das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" kommentierte sehr treffend: "Die Superideen und Denkanstöße, die Angriffe auf die erkämpften Schutzrechte der Beschäftigten nehmen zu. Unter Einbindung der Gewerkschaften und bei Strafe ihres Untergangs soll der Kündigungsschutz ausgehebelt, die Tarifautonomie zerstört und sollen Clementsche Sonderwirtschaftszonen eingeführt werden, in denen Arbeitnehmerrechte zu Freiwild werden."
Der Druck auf die einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen und die Sozialsysteme wächst weiter. Die Dresdner Stadtverwaltung strich beispielsweise den Anspruch von Kindern erwerbsloser Eltern auf einen Kindergartenplatz ersatzlos betroffen sind 1700 Familien. Nach einem Bericht des Magazins Stern soll die Bundesregierung der Rürup-Kommission zur Reform der Sozialversicherung grünes Licht gegeben haben, ein Kopfprämien-Modell zu entwickeln. Schröder will offenbar in der Krankenversicherung auf die lohnbezogene Finanzierung verzichten. Stattdessen sollen alle Erwachsenen einen Festbetrag in die Krankenkasse einzahlen, egal ob sie berufstätig sind oder nicht. Kommissionschef Rürup hatte bereits mehrfach signalisiert, dass er dieses Modell für überlegenswert hält. Auch der Berliner Wirtschaftswissenschaftler Gert Wagner, ebenfalls Mitglied der Expertengruppe, unterstützt einen solchen Systemwechsel.
Die Regierung des rechtsgerichteten kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe hat erstmals Friedensverhandlungen mit den rechtsextremistischen AUC-Paramilitärs aufgenommen. Sie strebt an, dass noch in diesem Jahr mehr als 10 000 Paramilitärs die Waffen niederlegen. Für die Paramilitärs nahm auch der Gründer der "Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen" (AUC), Carlos Castaño, an den Verhandlungen teil. Nach ihm fahnden die USA wegen Drogenhandels und Terrorismus. Damit sind die Anerkennung der Paramilitärs als Konfliktpartei sowie ihre geplante Eingliederung in staatliche Bürgerwehren zur Bekämpfung der linksgerichteten Guerrillaorganisationen ELN und FARC eingeleitet. Mit der Entsendung von Spezialeinheiten in Stärke von 2 Bataillonen verstärkt sich zudem die Intervention der USA in den seit Jahrzehnten andauernden Bürgerkrieg.
Aus den Neuwahlen in den Niederlanden gingen die regierenden Christdemokraten mit 28,6 % der Stimmen und 44 Abgeordneten als stärkste Partei hervor, gefolgt von den Sozialdemokraten mit 27,3 % und 42 Mandaten und der neoliberalen VVD mit 17,9 % und 28 Mandaten. Während die sozialdemokratische Arbeitspartei sich offensichtlich von ihrem Debakel bei den letzten Parlamentswahlen erholte, erlitt die rechtspopulistische Liste Pim Fortuyn eine schwere Niederlage. Die LPF verlor mehr als zwei Drittel ihrer Wähler und fiel auf 8 Sitze zurück. Zu nennen sind noch die Sozialisten, die sich auf 6,3 % und 9 Mandate steigern konnten. Im Gegensatz zu ihren internationalistischen Kollegen in der BRD sind die Sozialisten jedoch eher linksnationalistisch ausgerichtet. Nachdem die Rechtspopulisten sich ähnlich wie die FPÖ in Österreich infolge innerer Grabenkämpfe als regierungsunfähig erwiesen, stehen die Zeichen nun wohl auf eine Große Koalition aus Christdemokraten und Sozialisten.
Der Bundeswahlleiter veröffentlichte statistische Angaben zur letzten Bundestagswahl. Danach erreichte die SPD ihr bestes Zweitstimmenergebnis mit 41, % bei den weiblichen Jungwählerinnen zwischen 18 und 24 Jahren, während die Union bei über 60-Jährigen ihren Spitzenwert von 46,4 % einheimste. Von den jungen Frauen machten ihr Kreuz nur 30,7 % bei CDU oder CSU. Im Osten Deutschlands gingen deutlich weniger Bürger zur Wahl als im Westen. In den neuen Ländern (einschließlich Berlin-Ost) lag die Wahlbeteiligung nur bei 72,8 %, im Westen bei 80,6 %. Damit ist der Abstand im Vergleich zu 1998 noch größer geworden. Bei der Unterscheidung nach dem Alter hatte die SPD bei den Zweitstimmen in allen Gruppen einen ähnlich hohen Zuspruch. Bei den Unionsparteien steigt der Stimmenanteil mit dem Alter ihrer Wähler. Nur 32 % der 18- bis 24-Jährigen wählten CDU oder CSU, aber 46 % der Wähler ab 60. Generell lag die SPD bei den weiblichen Wählern mit 40,2 % klar vor den Unionsparteien mit 37,8 %. Bei den Männern war es umgekehrt: 39,2 % für CDU/CDU und 36,7 % für die SPD. Auch die FDP erfuhr einen überdurchschnittlichen Zuspruch bei der männlichen Wählerschaft. Die Grünen schnitten bei den Frauen besser ab. Die kleineren Parteien Grüne und FDP schnitten bei den jüngeren Wählern besser ab als bei den älteren. Die FDP holte bei den 18 bis 24 Jahre alten Wählern mit 10,2 % einen Spitzenwert, der deutlich über den insgesamt erreichten 7,4 % lag. Die Grünen erreichten in den Altersgruppen bis 59 Jahre Werte zwischen 8,8 und 12,6 %. Bei den Älteren ließ der Zuspruch deutlich nach und fiel mit 3,8 % unter die 5-Prozent-Marke. Am besten punkteten die Grünen mit 13,5 % bei den 35- bis 44-jährigen Frauen. Insgesamt schnitten die alten Volksparteien bei den Jungwählern zwischen 18 und 24 Jahren miserabel ab: 8,0 % für die SPD und 6,7 % für die Union. Besorgniserregende 18,2 % der Wähler zwischen 25 und 34 bevorzugen offenbar den politischen Opportunismus und die Belanglosigkeit: Sie wählten liberal.
In der BRD leben mittlerweile rund 2,6 Millionen türkischstämmige Einwohner, von denen mehr als 600.000 inzwischen eingebürgert wurden. Von den Eingebürgerten sind 350.000 im wahlfähigen Alter jedoch beteiligt sich nur jeder Zweite an den Wahlen. Umfragen zufolge hat der Rest keinerlei Interesse an der bundesdeutschen Politik. Von denen, die ihre Stimme abgeben, wählen rund 60 % die SPD. Weitere 16 % stimmen für die Grünen, 12 % für die CDU/CSU und 4 % für die FDP. In den kommenden Jahren wird der Anteil türkischstämmiger Wähler stark ansteigen. Alleine in den vergangenen Jahren ließen sich 260.000 Türken einbürgern. Bei rund 80.000 Einbürgerungen pro Jahr müssen sich die bundesdeutschen Parteien darauf einstellen, dass diese Bevölkerungsgruppe in Bälde bei knappen Wahlausgängen das Zünglein an der Waage sein wird.
Als erfolgreichste Investmentbank des Jahres 2002 zeigten sich nicht etwa die Deutsche Bank oder die Schweizer Bankriesen UBS und Crédit Suisse, sondern das Privatbankhaus Rothschild. Gemessen am Volumen der betreuten Übernahmen führt der britische Ableger das Feld an (nicht zuletzt durch die 20 Milliarden Euro schwere Fusion der britischen Versorgungsunternehmen National Grid und Lattice), Alessandro Daffina von der italienischen Rothschild-Niederlassung liegt bei der Zahl der Transaktionen an der Spitze. Daffina profitierte dabei von der rasanten Konsolidierung des italienischen Bankensektors und natürlich von der engen Zusammenarbeit mit der auf Privatisierungskurs befindlichen Regierung Berlusconi. Neben diesen beiden Stars ist Rothschild noch mit drei weiteren Bankern unter den Top-Ten der Mandatsjäger vertreten. In der BRD arbeitet die Bank eng mit den übernahmefreudigen Energieriesen Eon und RWE zusammen.
Nachdem bereits Kanada den Amerikanern Luft- und Seestreitkräfte sowie 3000 Mann Bodentruppen für den geplanten Angriffskrieg gegen den Irak zusagte, stellt sich nun auch die australische Regierung hinter Bushs imperialistische Pläne. Canberra entsendet Kommandoeinheiten, Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe an den Golf. Die Briten schicken nunmehr 31.000 Soldaten, beinahe ein Viertel ihrer Streitkräfte, an den Persischen Golf, und die Amerikaner werden bald mit um die 180.000 Soldaten vor Ort sein. Wasser auf die Mühlen der Kriegstreiber ist der Fund leerer Chemiewaffensprengköpfe, die von der irakischen Regierung nicht ordungsgemäß deklariert wurden. Auch die irakische Zusicherung, man werde hinsichtlich des Atomprogramms enger mit den Inspekteuren zusammenarbeiten, reicht den USA nach Aussage ihres Außenministers Powell nicht aus obwohl die Internationale Atomenergie-Behörde sich ausdrücklich mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden zeigte. Bush erklärte "Die Zeit läuft ab", und sein Sprecher Fleischer schloss auch einen militärischen Alleingang ohne UN-Mandat nicht aus.
Innerhalb der NATO zeichnet sich eine ernsthafte Krise ab, denn auf Druck Frankreichs und der BRD wurde die Entscheidung über den Antrag der USA auf logistische und indirekte militärische Unterstützung gegen Bagdad vertagt. Bei den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages bekräftigten Schröder und Chirac ihre Forderung nach einer friedlichen Lösung des Irak-Konfliktes. Auch im UN-Sicherheitsrat stellten beide Staaten sich gegen die Aggressionspolitik der USA, was ihnen postwendend durch Rumsfeld den Vorwurf einbrachte, sie würden das "alte Europa" verkörpern. Der US-Verteidigungsminister erklärte die BRD gar zum Problemfall und drohte unumwunden, die wider den Stachel löckenden europäischen Kontinentalmächte mit Hilfe der neuen NATO-Mitglieder in Osteuropa zu marginalisieren. US-Botschafter Coats wiegelte ab, fügte aber hinzu, die Haltung der Bundesregierung sei für Washington "nicht relevant". Der durchaus als Beleidigung zu verstehende Angriff löste dann auch selbst bei dem Atlantikbrücken-Mitglied Volker Rühe (CDU), seines Zeichens Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, heftige Kritik aus. Bernd Posselt, Europaparlamentarier der CSU, warf Rumsfeld gar Neokolonialismus vor. Geradezu aggressiv fiel quer durch alle Parteien die Reaktion der französischen Politik aus. Allerdings treten auch Russland und China dafür ein, UNMOVIC mehr Zeit für die Inspektionen im Irak einzuräumen, anstatt den Kriegsplänen Washingtons Tür und Tor zu öffnen. Man sollte die Haltung der BRD und Frankreichs jedoch nicht unter pazifistischen oder humanitären Gesichtspunkten betrachten, wie dies derzeit Hunderttausende von Flachdenkern tun. Moskau, Paris und Berlin haben handfeste Wirtschaftsinteressen im Irak und zumindest die Russen und Franzosen brachten bereits umfangreiche Vertragsabschlüsse über Investitionen in der Erdölindustrie unter Dach und Fach. Es handelt sich hier also um einen klassischen imperialistischen Interessenkonflikt.
Der irakische Staatspräsident Saddam Hussein stimmte in einer Rede die Generalität auf den bevorstehenden Abwehrkampf gegen die imperialistische Aggression ein. Sehr treffend kritisierte er die Forderungen der USA nach Demokratisierung des Irak und der arabischen Welt. Die USA hätten nach den Terroranschlägen vom 11. September Notstandsgesetze eingeführt, die irakische Regierung habe dagegen trotz der Angriffe der vergangenen zwölf Jahre die Befugnisse des Parlaments erweitert. Mit ihrer höchstens 300 Jahre alten Geschichte könnten die USA den Irakern, die auf 8 000 Jahre Zivilisation zurückblicken könnten, nicht beibringen, wie man regiert. Wir erinnern daran, dass Saddam Hussein erst kürzlich einen Analogieschluss zwischen dem Mongolensturm von 1258 und dem drohenden Einfall der amerikanischen Barbaren zog.
Einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge hat die Armut in der BRD in den 90er Jahren konstant zugenommen. Sowohl in den alten Bundesländern als auch in den besetzten Ostgebieten gelten 13 % der Bevölkerung als arm ihr Einkommen macht weniger als die Hälfte des durchschnittlichen bundesweiten Haushaltsnettoeinkommens aus. Jeder Zehnte, der unter die Armutsgrenze rutscht, bleibt dort für den Rest seines Lebens.
Der Sinn Féin-Politiker Martin McGuinness deutete gegenüber dem irischen Ministerpräsidenten Ahern an, dass die IRA einen historischen Schritt unternehmen und ihren bewaffneten Kampf definitiv für beendet erklären könnte, um die Wiederherstellung der nordirischen Selbstverwaltung zu ermöglichen. Entsprechende Meldungen in der angelsächsischen Presse wurden nicht von der Führung Sinn Féins dementiert. Als Gegenleistung erwarten die Republikaner jedoch von der britischen Regierung eine tiefgreifende Reform der nordirischen Polizei, die Entmilitarisierung Nordirlands, volle soziale Gleichberechtigung der beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt noch immer benachteiligten katholischen Bevölkerungsgruppe und die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards. Wenig Begeisterung lösten die Parteiführer mit ihren Andeutungen bzw. ihrem aussagekräftigen Schweigen zu entsprechenden Berichten allerdings bei der IRA aus, die auf der bedingungslosen Erfüllung der britischen Verpflichtungen aus dem Karfreitagsabkommen beharrt.
In Nordirland scheinen die republikanischen Hardliner der Continuity IRA eine neue Offensive gegen die britische Fremdherrschaft gestartet zu haben. Die CIRA plazierte Sprengsätze an einer Wasserleitung in Keady/South Armagh, vor einem Supermarkt in Dungannon und am Hauptquartier des Northern Ireland Prison Service. In den von ihr kontrollierten Teilen North Belfasts geht zudem die im Waffenstillstand befindliche Irish National Liberation Army INLA gegen die gegen den Willen der katholischen Bevölkerung installierten Überwachungskameras vor.
Einen Aufschrei der Empörung unter Nordirlands Protestanten löste der irische Sinn Féin-Abgeordnete Arthur Morgan aus, als er während einer Rede zur Erinnerung an einen 1977 vom SAS in Crossmaglen ermordeten IRA-Aktivisten unverhohlen eine Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes prophezeite, falls die Briten nicht innerhalb von 15 oder 20 Jahren Nordirland verlassen würden. Für weitere Unruhe sorgten Berichte, nach denen die IRA trotz ihres Waffenstillstandes weiterhin militärische Aufklärungsarbeit unter Loyalisten und Orangisten betreibt. Die Gemeindearbeiter der loyalistisch kontrollierten Stadtteile Belfasts stellten daraufhin die Konsultationen mit ihren Kollegen aus den katholischen Gegenden ein. Andauernde Aufklärungstätigkeit der IRA wurde auch aus Portadown, Derry und anderen Städten gemeldet.
Unter
der Überschrift "Im Westen nichts Neues" verbreitete das "Forum
für Diskussionen" im Vorfeld der Mobilisierung zur antiimperialistischen
Wiener Opernballdemo eine hervorragende Analyse der gegenwärtigen weltpolitischen
Lage, die wir hier trotz ihrer Länge auszugsweise wiedergeben möchten:
"Die strategischen Interessen der USA in der Golfregion sind der Schlüssel
zum Verständnis der Aggression gegen den Irak in ihrer historischen Dimension.
Dass die Ressourcenkontrolle die entscheidende Triebfeder hinter dem US-Engagement
ist, gehört spätestens seit dem eindringlichen No Blood for
Oil"-Slogan aus dem Jahr 1991 zu den politischen Binsenweisheiten. Selbst
dem Spiegel"...war dieser Aspekt jüngst eine bemerkenswert
offene Titelstory wert. Durch ihre allgemeine Verbreitung scheint diese Wahrheit
mittlerweile so abgelutscht, dass Teile sich linksradikal" und
emanzipatorisch" gebender Kräfte aufmachen, ihren elitären
Bestrebungen in der simplen Negation eines diffusen Common Sense freien Lauf
zu lassen. Prompt fangen sie an, den Anti-Amerikanismus" zu beklagen,
das unaussprechliche Böse des Tyrannen von Bagdad" hervorzukehren
und ihre Wertegemeinschaft mit der imperialistischen Führungsnation neu
zu entdecken ganz so, als wären sie selbst im Pentagon für
die Marketingstrategie des Krieges verantwortlich. Andererseits sehen viele
angesichts der sich nun zu wiederholen scheinenden Geschichte eines imperialistischen
Krieges keine Notwendigkeit mehr, eine gewissenhafte Analyse
der heutigen Situation vorzunehmen. Ganz so, als wäre die heutige Situation
mit der im Jahre 1991 identisch. Die harten Fakten sprechen eine eindeutige
Sprache: die letzten drei militärischen und geheimdienstlichen Interventionen
der USA (Afghanistan, Venezuela und Irak, d.Verf.) auf globaler Ebene geschahen
in Regionen, die für die globale Ressourcenkontrolle entscheidende Bedeutung
haben. (...)
So lassen sich also die strategischen Interessen der USA in drei hauptsächlichen
Prioritäten zusammenfassen: a. Die unmittelbare Kontrolle des Zuganges
zu strategischen Ressourcen, die sich vor allem entlang der strategischen
Kontrolle von nicht-OPEC-dominierten Pipeline-Routen ausdrückt, auch
wenn die USA dabei mitunter den Profitinteressen der Ölmultis diametral
entgegengesetzte Lösungen anstreben; b. die unmittelbare Kontrolle der
Preisgestaltung der strategischen Ressourcen, die sich entlang einer möglichst
weitgehenden Kontrolle innerhalb der OPEC...einerseits, sowie einem Aufbau
von Alternativen...andererseits entwickelt; sowie c. die langfristige Kontrolle
der dafür notwendigen Regionen arabischer Raum, Zentralasien und Lateinamerika.
Diese strategischen US-Interessen sind die treibenden Ursachen hinter den
Kriegsbestrebungen der USA, sie erklären jedoch noch nicht, warum der
Krieg jetzt zwölf Jahre nach der ersten Invasion wieder
auf die Tagesordnung gesetzt wird. (...) Wie eingangs festgestellt wurde:
imperialistische Hegemonialmächte sind in der globalen Situation keine
reagierenden Kräfte, sie agieren. Die USA legen also den Zeitpunkt des
Krieges, unabhängig von jeder Entwicklung innerhalb der Region oder von
irgendwelchen Funden von als Kriegsrechtfertigungsgrund entsandten IAEO-Inspektoren
selbst fest. Also können die Kriegsursachen auch nur innerhalb der USA
gesucht werden. Der Angriff vom 11. September traf die US-Ökonomie zum
ungünstigst möglichen Zeitpunkt. Er bildete einen Multiplikator
für die nach dem Platzen der Seifenblase der New Economy ohnehin notwendig
eintretenden Rezessionsphase und zerstörte alle Bemühungen, diese
Phase durch erweiterte
Kapitalspritzen in erträglichem Ausmaß zu halten, im Keim. Er traf
die Führungsmacht des imperialistischen Weltsystems und damit
das System als ganzes in der allgemeinen Phase seiner strukturellen
Krise, einer Krise, aus der es kein Entkommen gibt.
Der kurzfristige und schwindelerregende Boom der New Economy ist an sich integraler
Teil dieses krisenhaften Prozesses. Was schon an seinen Erscheinungen, der
unfassbaren Dekadenz des Handelns, der Präpotenz der Ideen und Konzepte,
ablesbar ist, bestätigt sich auf materieller Ebene bei der Analyse seiner
Entstehungsbedingungen. Dieser Boom konnte nur in einer Phase der kapitalistischen
Entwicklung entstehen, in der die Tendenz der fallenden Profitrate in den
traditionellen Sektoren der Binnenökonomie aufgrund der historisch rasanten
und letztendlich qualitativen Anhebung der Produktion von absolutem und relativem
Mehrwert in den letzten Jahrzehnten keine nennenswerten Profite mehr möglich
machen konnte. Das grundlegende Paradox der imperialistischen Ökonomie
kam zum Tragen: mit jeder zusätzlichen Investition sank die Profitrate,
da der immer stärker werdende Anteil an konstantem Kapital die Mehrwertrate,
die als einzige ursächlich für den Profit verantwortlich ist, weiter
sinken ließ.
Doch Kapital steht nicht still es will weiter investiert werden, und
wenn Kapitalexport im großen Stil aufgrund der allgemeinen Kapitalüberproduktion
wieder nur auf Kosten der mitkonkurrenzierenden Konglomerate gehen kann, sucht
es sich neue Spielwiesen: etwa die New Economy. So wurden Milliarden von Dollar
in Ideen und diffuse Dienstleistungen investiert, von denen die meisten für
die Weiterentwicklung der imperialistischen Ökonomie ohne jeglichen Belang
waren sie mussten also sterben. Das Pyramidenspiel der Börsen
drehte sich immer schneller je mehr investiert wurde, desto stärker
stiegen die eigenen Investments, doch bleibt der reale Output aus, kommt der
unvermeidliche Krach und er kam. Letztendlich ist die gesamte Boomphase
der New Economy also nur Ausdruck der strukturellen Krise der absoluten Kapitalüberproduktion,
von dem das System seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts geprägt
ist. Eine historisch bewährte, besser, die einzig historisch bewährte
Form der tendenziellen Lösung einer derartigen strukturellen Krise liegt
in der Kapitalvernichtung. Und zwar einer realen Kapitalvernichtung, die durch
darauffolgende Investitionsreize gekennzeichnet, also nicht mit einem Börsen-Crash,
der eigentlich nur einer gigantischen Umverteilung ähnelt, vergleichbar
ist: dem Krieg. (...)
Es reicht ein oberflächlicher Blick auf die binnenökonomischen Rahmenbedingungen
der USA, um die kriegstreibenden Aspekte darin zu erkennen: das augenscheinlichste
dabei ist der riesige militärisch-industrielle Komplex, der seine regelmäßigen
Kriege braucht, um die gigantischen Summen, die für Forschung und Produktion
von Waffensystemen aufgewendet werden, zu rechtfertigen. Die USA arbeiten
seit mehr als 50 Jahren als Kriegsindustrie, eine Dialektik, die sich
aus der Notwendigkeit der Rüstung zum Angriff geboren mittlerweile
umgekehrt hat und selbst den Angriff als
Notwendigkeit fördert und forciert.
Zudem gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Entwicklung der
US-Binnenökonomie und der Höhe des Ölpreises. Zwar ist der
Ölpreis bei allen Rezessionsentwicklungen der letzten drei Jahrzehnte
nach dem vorher Gesagten nur eine nachrangige Bedingung, allerdings bietet
eine signifikante Senkung (einhergehend mit einer eventuell zu erreichenden
Preiskontrolle) eine wesentliche Voraussetzung für einen kommenden Konjunkturzyklus,
da das so frei werdende Kapital wieder in Investitionen fließen kann
(so abgerissen dieser Zyklus aufgrund der allgemeinen
Bedingungen auch sein wird). (...)
Die Fakten sprechen also eine deutliche Sprache: angesichts der globalen und
regionalen Situation (wesentlicher Faktor ist hier auch der signifikante Einflussverlust
der USA in Saudi-Arabien), der Notwendigkeit zur progressiven Verwaltung der
ökonomischen Krise und dem Drang zur strategischen Sicherung der Vorherrschaft
in der innerimperialistischen Auseinandersetzung ist dieser Krieg für
die USA eine Notwendigkeit: genau darum wird er auch stattfinden. Wesentlich
dabei ist aber auch die sich aus den Fakten ergebende Erkenntnis, dass die
Notwendigkeit zum Krieg unabhängig vom persönlichen Willen der relevanten
politischen Entscheidungsträger besteht. (...) Die entscheidende Kriegsursache
liegt in der inneren Dynamik des imperialistischen Weltsystems, und letztendlich
bietet nur seine Aufhebung im Rahmen einer kommunistischen Perspektive die
Möglichkeit, diese kriegerische Entwicklung zu brechen."
Lagefeststellung Beurteilung der Situation Möglichkeiten des Handelns Entschluss Umsetzung Kontrolle