Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 15. bis 21. Februar 2003

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Giordano-Aufruf gegen die Friedensbewegung

Neue Anzeige gegen Schröder

 

Zitat der Woche:
"Ich will erst einmal nur, dass alles kaputt ist, was mir nicht gefällt, und dann ergibt sich schon etwas. Ich will, dass Amerika zerstört wird, ich will, dass die amerikanische Kultur zerstört wird, und dann gucken wir, was passiert. Ist doch egal. Veränderung ist der einzig erträgliche Zustand, speziell dann, wenn die existierenden Verhältnisse ungerecht sind"
- Gabi Delgado-López, DAF

 

Kaum verebbten die Proteste der bundesweit Hunderttausende und weltweit Millionen gegen den drohenden Irak-Krieg, wandte sich eine jüdisch dominierte Gruppe, das Bündnis gegen Antisemitismus, in einem offenen Brief gegen die Friedensbewegung. Der Brief erhebt den Vorwurf, die Demonstrationen seien "durch eine gefährliche Mischung aus Antiamerikanismus und politischer Naivität" geprägt gewesen. Der zentrale Begriff "Frieden" habe lediglich dazu beigetragen, "das Bedürfnis nach politischer Unschuld zu bedienen". Natürlich sind die Vorwürfe, die USA strebten die Weltherrschaft an, würden von einer aggressiv imperialistischen Clique geführt und die USA seien die Verkörperung des Kapitalismus, nichts als "antiamerikanische Ressentiments". Offensichtlich wird hier jegliche Opposition gegen die Gewaltpolitik der Bush-Administration mit Antiamerikanismus gleichgesetzt. Natürlich wird den Demonstranten vorgeworfen, sie seien "ohne große Mühe anschlussfähig an rechtsextreme und antisemitische Denkmuster". Die Kriegsgründe der Amerikaner seien nicht etwa knallharte wirtschaftliche Kalkulationen und geostrategische Absichten, sondern das Leid der irakischen Bevölkerung (als wenn die irakische Regierung das völkermörderische Sanktionsregime der UN selbst eingerichtet hätte, zudem ist Saddam Hussein ursprünglich eine Kreatur der Amerikaner) und natürlich die angebliche Unterstützung des palästinensischen "Terrors" gegen Israel. Kein Gedanke wird daran verschwendet, ob dieser "Terror" vielleicht Ausdruck der Verzweiflung eines von der zionistischen Besatzungsmacht zum Äußersten getriebenen Volkes ist. Mit seiner Position befindet sich das Bündnis gegen Antisemitismus in voller Übereinstimmung mit der kriegstreiberischen CDU (deren Parteichefin Merkel sich derzeit den Amerikanern geradezu penetrant andienert), dem hessischen Ultrareaktionär Roland Koch, dem Bundesverband der Deutschen Industrie, den "linken" Antideutschen und der konservativen Presse.

 

Zu den Unterzeichnern des Machwerkes gehören der Schriftsteller Ralph Giordano, der Historiker Michael Wolffsohn, Lea Rosh (Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas), Prof. Andrej S. Markovits (zieh schon einmal in einem sämtlichen wissenschaftlichen Gepflogenheiten hohnsprechenden Aufsatz die gesamte islamische Welt des Antijudaismus und erklärte den 11. September zur posthumen Erfüllung von Hitlers Vorstellungen), Anetta Kahane (Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung), Prof. Gerald Feldman (maßgeblich an den Verhandlungen über die Wiedergutmachungszahlungen der BRD an die osteuropäischen Juden beteiligt), die seit Jahr und Tag vehement gegen einen freien Palästinenserstaat agitierende Aktion 3. Welt Saar, der Bundesverband Jüdischer Studenten in Deutschland, die parteilose Europa-Abgeordnete Ilka Schröder, Gitti Götz (Mitglied des ATTAC-Rates), die bis zum Erbrechen prozionistische Initiative "honestly concerned", Thomas Richter vom Verein für ein multikulturelles Europa, diverse Vorstandsmitglieder jüdischer Gemeinden quer durch die Republik, Vertreter der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Gabriela Fenyes als Kuratoriumsmitglied der Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) "Erziehung nach/über Auschwitz" sowie ein Musiker der Kinderpunkband WIZO (viel Spaß beim Entsorgen der Tonträger).

 

Als Sekundant tat sich auch Rabbi Dr. Israel Singer, seines Zeichens Präsident der Jewish Claims Conference, ehemaliger Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses und vermögender Immobilienhai in New York, hervor, indem er sich über den wachsenden Antisemitismus in Europa sorgte. Unter Antisemitismus ist in Singers Diktion jegliche Kritik an den himmelschreienden Zuständen in Palästina zu verstehen. Natürlich ist der kriminelle Börsenspekulant George Bush, seines Zeichens Präsident dank eines Entscheids korrumpierter amerikanischer Richter, den Europäern moralisch überlegen. Wir konstatieren: Hier wird eindeutig der Holocaust an den europäischen Juden instrumentalisiert, und zwar im Sinne der zionistischen Gewaltpolitik gegen das palästinensische Volk und zugunsten des hemmungslosen Imperialismus der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Netzwerk Friedenskooperative hielt Giordano und Konsorten entgegen: "Die Diffamierung der Friedensdemonstranten – egal von welcher Seite – ist in dieser heiklen Situation ein Beitrag zur Kriegslogik."

 

Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag hat der Iran Klage gegen die USA erhoben. Teheran kreidet den Amerikanern die während des irakisch-iranischen Krieges erfolgte Lieferung von Chemikalien und Viren für Massenvernichtungswaffen an. Hierfür und für die Zerstörung von drei iranischen Bohrinseln im Persischen Golf sollen die USA Schadenersatz leisten. Rechtsgrundlage des Verfahrens ist der 1955 geschlossene Freundschaftsvertrag zwischen Washington und Teheran, gegen den die Amerikaner mit ihrer Handlungsweise eindeutig verstoßen haben.

 

Zur Absicht von Bundesfinanzminister Eichel und Wirtschaftsdiktator Clement (beide SPD), zum 1. Januar 2004 die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen, erklärte Judith Dellheim, Mitglied des Parteivorstandes der PDS: "Der Finanzminister weiß, dass die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe Armut mehrt, insbesondere in Ostdeutschland. 460.000 Menschen, mehrheitlich Frauen, sollen ihren Leistungsanspruch auf die Arbeitslosenhilfe verlieren. Auf das zukünftige Arbeitslosengeld II hätten rein statistisch zur Zeit 450.000 erwerbslose Sozialhilfebeziehende ohne SGB-III-Leistungen Anspruch. Diese Gruppe wäre wesentlich größer, gäbe es keine einschränkenden Definitionen von "erwerbsfähig", die insbesondere Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalten.
Auf die anhaltende bzw. wachsende Arbeitslosigkeit reagierten Eichel plus Regierung nicht mit Beschäftigungsprogrammen, sondern mit Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe und mit Streichung des steuerfinanzierten Zuschusses für die Bundesanstalt für Arbeit zum 1. Januar 2003. Es wurden also sowohl Mittel für die Arbeitsförderung als auch zur Stabilisierung der Einkommen von Arbeitslosen, insbesondere von Langzeitarbeitslosen gestrichen. Damit wurde deutlich gemacht: Sollen die Betroffenen doch selbst sehen, wie sie zu Beschäftigung und Lohn kommen. Ihrer "Aktivierung" sollen Angebote zu Niedriglohnarbeit und Ich-AG sowie Repressionen dienen. Die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe ist nichts anderes als soziale und moralische Repression!
" Legen wir gleich eine Presseerklärung der PDS gegen die geplante Einfrierung der Arbeitgeberanteile an der Gesetzlichen Krankenversicherung bei 6 bis 7 % nach: "Die vorgesehene Systemänderung vertieft das Ungleichgewicht, denn schon jetzt tragen die Arbeitnehmer mehr als die Hälfte, nämlich 60 Prozent der Gesundheitskosten. Wird diese Entwicklung weitergetrieben, schadet das dem sozialen Sicherungssystem in mehrfacher Hinsicht. Für alle Pflichtversicherten wird das Einkommen ein weiteres Mal geringer, und der Drang in eine private Krankenversicherung zu wechseln nimmt zu. Das zerstört die Solidarität zwischen Jung und Alt, Gesunden und Kranken endgültig.
Weiter steht zu befürchten, dass die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen durch diesen Dammbruch irreparabel geschädigt wird, und letztlich werden die Beiträge weiter steigen, weil sich die Versichertenstruktur zu Ungunsten der GKV entwickelt.
"

 

Auf einem Sondergipfel einigten sich die zerstrittenen Europäer sehr zur Freude Bushs auf einen Kompromiss in der Irak-Frage. In einer Resolution näherte sich die EU dem Standpunkt Washingtons an und erkannte einen Krieg gegen Bagdad als letztes Mittel ausdrücklich an. Bagdad wurde zur bedingungslosen Kooperation mit den UNO-Inspekteuren und zur Abrüstung aufgefordert, obwohl außer relativ harmlosen Kurzstreckenraketen keinerlei "Massenvernichtungswaffen" nachgewiesen sind. Damit übernahmen alle europäischen Regierungen die amerikanische Fiktion des Vorhandenseins solcher Waffensysteme im und einer Bedrohung des Weltfriedens durch den Irak. Großbritannien, Spanien und Italien als hartnäckigste Kriegsbefürworter machten ebenfalls Zugeständnisse, indem sie auf eine Befristung der UNMOVIC-Inspektionen verzichteten. Stattdessen soll nun der Sicherheitsrat die in seinen Augen erforderlichen Bedingungen für die Mission bestimmen. Das Statement entspricht mehr oder weniger der französischen Haltung. Innerhalb der Bundesregierung hat sich der proamerikanische Grüne Fischer gegen den eher an einem eigenständigen Imperialismus interessierten Schröder durchgesetzt, da die BRD sich somit nicht mehr eindeutig in der Kriegsfrage festlegt.

 

Die NATO erklärte sich schlussendlich bereit, der Türkei für den Fall eines – von dieser durch ihre Parteinahme für die Amerikaner eindeutig provozierten – irakischen Militärschlages vorbeugend AWACS-Aufklärungsflugzeuge, Abwehrraketen und ABC-Einheiten zur Verfügung zu stellen. Damit erhält Ankara einen Freifahrtschein für eine Beteiligung am Irak-Krieg, ganz gleich ob mit UN-Mandat oder an der Seite einer US-Koalition. Presseberichten zufolge bereiten die Türken den Einmarsch von bis zu 55.000 Mann in den Nordirak vor. Das Invasionsheer soll im Kriegsfall bis zu den Ölquellen von Mosul vorrücken, ein gemeinsames Kommando mit den Amerikanern in Diyarbakir ist in Planung. Allerdings pokert Ankara noch immer mit den Amerikanern um den Preis für die Kriegsbeteiligung, der aus Wirtschaftshilfen in Milliardenhöhe, territorialen Zugeständnissen und Beteiligung an der Beute bestehen dürfte. Medienberichten zufolge werden die Amerikaner Mitte März angreifen. Der Neumond ist ein beliebter Zeitpunkt für Luftschläge, da es mit den vielgerühmten Allwetterkapazitäten westlicher Luftstreitkräfte wohl doch nicht soweit her ist. Das britische Kontingent wurde nunmehr auf 42.000 Soldaten aufgestockt, die Amerikaner werden Mitte März wohl mit 200.000 vor Ort sein. Die Mitarbeiter der Vereinten Nationen verlassen bereits den Irak, die britische Regierung forderte ihre Staatsbürger ebenfalls zur Ausreise auf.

 

Die Initiative gegen den Irak-Krieg reichte nach der PDS die zweite Strafanzeige gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder wegen Vorbereitung eines Angriffskrieges ein. Betroffen sind ferner Bundesaußenminister Joseph Fischer und Bundesverteidigungsminister Peter Struck. Die BRD beteilig sich in mehrfacher Hinsicht an den Vorbereitungen für den Krieg: indem »Fuchs«-Spürpanzer auch im Falle eines Krieges nicht aus Kuwait abgezogen werden, Israel zum Schutz gegen etwaige Gegenschläge Saddam Husseins Patriot-Flugabwehrraketen erhält, deutsche Crew-Mitglieder von AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO auch im Kriegsfall an Missionen im türkisch-irakischen Grenzgebiet teilnehmen sollen und den USA Überflug-, Lande- und Transitrechte in Deutschland gewährt werden. Die Bundesregierung unterstützt die Kriegsvorbereitungen darüber hinaus durch ihre Entscheidung, Patriot-Flugabwehrraketen auch an die Türkei zu liefern, sowie durch ihre Zustimmung zum Beschluss der NATO, der Türkei Verteidigungshilfe zu gewähren. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages betrachtet einen amerikanischen Angriff ohne UN-Mandat eindeutig als völkerrechtswidrig.

 

Der israelischen Zeitung Haaretz zufolge soll John Bolton, Untersekretär im US-Außenministerium und daselbst zuständig für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit, der israelischen Regierung die weiteren Schritte seiner Regierung dargelegt haben. Nach der Eroberung des Irak wollen die Amerikaner sich um Syrien, den Iran und Nordkorea kümmern. Also stehen der (neben Libyen) letzte politisch relativ unabhängige arabische Staat und die beiden nach der Atombombe strebenden "Schurkenregierungen" in Teheran und Pjöngjang auf der Speisekarte. Sollte der UN-Sicherheitsrat die geforderte neue Resolution gegen den Irak ablehnen, will Washington sein Verhältnis zu Westeuropa und Russland einer eingehenden Überprüfung unterziehen. Da wir beim Thema sind: Es mehren sich die Anzeichen, nach denen sich das sozialistische Kuba ebenfalls darauf einstellt, seine Streitkräfte in Verteidigungsbereitschaft zu versetzen.

 

Die USA bereiten offenbar eine Wirtschaftsblockade gegen Nordkorea vor. Da das Land zu großen Teilen vom Export seiner hochentwickelten Militärtechnologie und von den Transfers in Japan arbeitender koreanischer Gastarbeiter abhängig ist, setzt Washington genau hier an. Die US-Streitkräfte sollen aktiv Waffenexporte unterbinden, und Gespräche mit der japanischen Regierung zur Verhinderung von Geldüberweisungen der Fremdarbeiter sind in Vorbereitung. Zudem halten in Kürze Amerikaner und Südkoreaner ihre gemeinsamen Frühjahrsmanöver ab. Ein amerikanischer Militärschlag gegen die nordkoreanischen Atomanlagen wird in Erwägung gezogen – obwohl dieser Schritt einen offenen Krieg auf der koreanischen Halbinsel auslösen kann und damit den Ausfall einer der wichtigsten Volkswirtschaften der gesamten Welt. Für den Fall von Wirtschaftssanktionen drohte Nordkorea unumwunden mit der Aufkündigung des Waffenstillstandsabkommens von 1953, mit dem der blutige Koreakrieg beendet wurde. Pjöngjang erklärte, es werde amerikanische Truppenverstärkungen und Wirtschaftssanktionen als einen Vertragsbruch werten. Für Spannung sorgte eine demonstrative Verletzung des südkoreanischen Luftraums durch eine MiG aus dem Norden. Nahe der Demarkationslinie, der waffenstarrendsten Grenze der Welt, haben amerikanische Einheiten mit Übungen begonnen – simuliert wird eine Invasion der nordkoreanischen Truppen.

 

Im Baskenland erfolgte eine Großoperation der Guardia Civil gegen die unabhängige baskische Presse. Neben zahlreichen Wohnungen wurden die Redaktionen der Zeitungen "Euskaldunon Egunkaria" und "Jakin" gestürmt und durchsucht. Per richterlicher Anordnung wurde unter dem Vorwand der ETA-Unterstützung die "Egunkaria" geschlossen, 10 baskische Journalisten wanderten in die Folterzellen der Guardia Civil. Das Blatt – bemerkenswerterweise die einzige baskischsprachige Tageszeitung des ach so autonomen Baskenlandes - erscheint seit 13 Jahren und hat eine Auflage von 15.000 Exemplaren. Die noch in Freiheit befindlichen Mitarbeiter kündigten an, die Zeitung unter einem anderen Namen fortzuführen. Ranghohe französische Staatsschutzbeamte bezeichneten das Vorgehen der spanischen Kollegen unumwunden als Anschlag auf die Pressefreiheit. Von der Razzia war auch die Zentrale der baskischsprachigen Schulen in San Sebastián betroffen – offensichtlich ist bereits jeder, der sich für die Erhaltung der baskischen Nationalkultur einsetzt, wie zu Zeiten Francos ein Terrorist. Ebenfalls verhaftet wurden 20 Jugendliche, denen Zugehörigkeit zum ETA-Umfeld vorgeworfen wird.

 

Mit einem Nagelbombenanschlag auf eine Polizeiwache in North Belfast setzte die Continuity IRA ihre Offensive fort. Bei dem Attentat erlitten mehrere Polizeibeamte leichte Verletzungen. Ein Rohrbombenanschlag auf eine Polizeistation in West Belfast scheiterte, und eine für die nordirische Polizei tätige Arbeitsvermittlungsagentur wurde mit einer Paketbombe bedacht. In Strabane lockte man die Polizei mit einer falschen Bombendrohung in einen Hinterhalt, wo sie von Randalierern angegriffen wurde. Die Continuity IRA und die Real IRA dementierten mit Entschiedenheit Berichte, nach denen sie eine formelle Allianz geschlossen haben. Allerdings scheint es regelmäßige Koordinierungstreffen zu geben. Die republikanischen Untergrundorganisationen streben beide nach einer internen Straffung, und bei einer direkten Zusammenarbeit ist das Einsickern von Polizeispitzeln wesentlich einfacher. In South Belfast regte sich wieder die loyalistische Ulster Defence Association, und zwar mit einem Brandanschlag auf ein Internetcafé (Schutzgelderpressung) und Brandanschlägen auf eine katholische Grundschule und eine katholische Kirche. In Larne wurde das Haus eines katholischen Ehepaars mit einer Benzinbombe bedacht. Erstaunlicherweise übergab die UDA Ende der Woche den Sicherheitsorganen als vertrauensbildende Maßnahme eine Reihe von Rohrbomben.

 

Obwohl die Katholiken zwischen 46 und 48 % der nordirischen Bevölkerung ausmachen, beträgt ihr Anteil an den Erwerbslosen immer noch 60 %. Insgesamt sind 8,3 % aller nordirischen Katholiken (sogar 9,9 % aller Männer) arbeitslos im Vergleich zu 4,3 % der Protestanten. Hintergrund ist die Konzentration der öffentlichen Dienste und Behörden in Belfast, wo noch immer bevorzugt Protestanten eingestellt werden. Die ethnischen Säuberungen gegen die katholische Bevölkerungsgruppe dauern ebenfalls weiter an: Seit Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens 1998 wurden alleine in den Städten Larne, Carrickfergus und Antrim mehr als 2000 Katholiken aus ihren Wohngegenden vertrieben. In den vergangenen 3 Jahren verübten loyalistische Paramilitärs statistisch gesehen alle 48 Stunden einen Rohrbombenanschlag auf Katholiken – mehr als 500 erfolgreiche oder fehlgeschlagene Attentate wurden gezählt. Hier sind Benzinbomben, Brandsätze, Schußwaffengebrauch und Steinwürfe nicht mitgezählt.

 

Die von Bundesinnenminister Schily und anderen betriebene Lateinamerikanisierung des bundesdeutschen Sicherheitsapparates treibt besorgniserregende Blüten. So wurde bekannt, dass im Fall des ermordeten Bankierssohns Jakob von Metzler das Geständnis des mutmaßlichen Täters unter Androhung von Folter erzwungen wurde. Eine Nachricht, die Anhängern solch hirnloser Kampagnen wie "Nationalisten gegen Kinderschänder" sicherlich gefallen dürfte, aber weiter im Text. Der Frankfurter Vizepolizeipräsident Wolfgang Daschner ordnete an, der Festgenommene sei "nach vorheriger Androhung, unter ärztlicher Aufsicht, durch Zufügen von Schmerzen (keine Verletzungen) erneut zu befragen". Nun sind wir die letzten, die Polizeigewalt in der BRD für einen außerordentlichen Vorfall halten, aber diese Affäre hat doch eine andere Dimension als Prügelorgien in Bullenwachen oder auf Demonstrationen. Frankfurts ViPoPrä, um einmal eine Abkürzung des seligen Dr. Goebbels aufzugreifen, erhielt für seine Folteranweisung nämlich massive Rückendeckung, und zwar durch seinen Polizeipräsidenten Harald Weiss-Bollandt, Geert Mackenroth (Präsident des Deutschen Richterbundes), den CSU-Innenexperten Norbert Geis, das hessische Innenministerium (CDU-geführt), Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und nicht zuletzt das Strafgesetzbuch mit dem "Rechtfertigenden Notstand" nach § 34. Als Speerspitze des "Volkes der Richter und Henker" solidarisierten sich große Teile der Frankfurter Bevölkerung mit den Polizeibeamten. Neben dem Landgericht Frankfurt wird sich auch der Europarat mit der Affäre beschäftigen.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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