Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 1. bis 7. Februar 2003

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Noch mehr Zwangsarbeit in der BRD

SPD-Desaster in Niedersachsen

 

Zitat der Woche:
"Wer den Klassenkampf anerkennt, der kann nicht umhin, auch Bürgerkriege anzuerkennen, die in jeder Klassengesellschaft eine natürliche, unter gewissen Umständen unvermeidliche Weiterführung, Entwicklung und Verschärfung des Klassenkampfes darstellen. Alle großen Revolutionen bestätigen das. Bürgerkriege zu verneinen oder zu vergessen, hieße in den äußersten Opportunismus verfallen und auf die sozialistische Revolution verzichten."
- W.I. Lenin

 

Wirtschaftsdiktator Wolfgang Clement (SPD) kommt bei seinem sozialpolitischen Amoklauf offenbar erst richtig in Schwung. Nachdem bereits der Kündigungsschutz und die betriebliche Mitbestimmung bei Klein- und Mittelbetrieben zum Abschuss freigegeben wurden, legt der Wirtschafts- und Arbeitsminister nach. So soll ab 2004 die Arbeitslosenhilfe nur wenig höher liegen als der Sozialhilfesatz. Noch bedrohlicher sind allerdings Gedankengänge, für Jungarbeitnehmer unter 25 Jahren die Zwangsarbeit einzuführen. Bislang unter die Zuständigkeit des Arbeits- oder Sozialamtes fallende Arbeitnehmer unter 25 Jahren sollen künftig dazu verpflichtet werden, eine Zwangsausbildung zu absolvieren und danach zu arbeiten. Clements Forderung nach einer Lockerung des Kündigungsschutzes erhielt mittlerweile die Unterstützung der grünen Bundestagsfraktion.

 

Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit ist im Januar 2003 die offiziell eingestandene Arbeitslosigkeit auf genau 4.623.084 Arbeitslose gestiegen – 333.162 mehr als im Vorjahresmonat und 398.000 mehr als noch im Dezember 2002. Damit beträgt die Erwerbslosenquote bundesweit 11,1 %. Im Westen wurden 2.898.061 Stellenlose gezählt (8,8 %), in den besetzten Ostgebieten 1.725.023 (19,5 %). Hamburg meldete eine Steigerungsrate von gut 7 % (die höchste Januarzunahme seit den 50er Jahren) und zählt nun 86.500 Erwerbslose, was einer Quote von 10 % entspricht. Schleswig-Holstein meldet 10,3 % Erwerbslosigkeit, Niedersachsen 10,6 %, Bremen 13,5 % und Mecklenburg-Vorpommern 21,7 %. In Bremerhaven betrug die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2002 18,4 %, es gibt faktisch keine offenen Stellen. Die Erwerbslosigkeit bei den unter 25-Jährigen hat hier gegenüber dem Vorjahr um 6,4 % zugenommen. Im Westen weisen nur Duisburg und Gelsenkirchen eine noch höhere Quote auf. Abschließend noch eine Zahl. Die 29 Vermögensmilliardäre in der BRD besitzen zusammengerechnet ein Vermögen von 125 Milliarden Euro.

 

In Berlin beträgt die Arbeitslosenquote mittlerweile 18,5 %, was 313.500 Erwerbslosen entspricht. Nur in der direkten Nachkriegszeit und während der Weltwirtschaftskrise herrschten an Spree und Havel ähnlich dramatische Zustände. Wie gering die Aussichten für Jobsuchende sind, eine Anstellung zu bekommen, belegen andere Angaben der Behörde: so gelten in den Arbeitsämtern 357 000 Menschen als Arbeitssuchende - 10 000 mehr als im Vormonat. Hinzu kommen noch einmal weitere 60 000 Berlinerinnen und Berliner, die als Teilnehmer von staatlichen Förderprogrammen in der Statistik gesondert auftauchen. Völlig aus der Rechnung der Arbeitsämter fallen diejenigen heraus, die nach langer Erwerbslosigkeit in die Sozialhilfe rutschen oder sich von Angehörigen unterstützen lassen. Mehr als 100 000 Berliner gelten in den Arbeitsämtern als Langzeitarbeitslose. Sie sind seit mehr als einem Jahr auf Stellensuche. Noch weit dramatischer sieht die Lage in der Region Berlin-Brandenburg aus. Insgesamt rund 580 000 Menschen müssen in den beiden Bundesländern vom Arbeitslosengeld leben. Dies entspricht einer Quote von 19,9 %. Nach Einschätzung von Arbeitsmarktexperten wird sich an der dramatischen Situation so schnell auch nichts ändern. Die Berliner Arbeitsämter können nur rund 7 000 offene Stellen anbieten und auch diese nur in manchen Branchen - insgesamt deutlich weniger als im Vorjahr.

 

Nach DGB-Angaben wurden im November 2002 15 % weniger Ausbildungsplätze als im Vorjahresmonat gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr ging 2002 die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze um 7,1 % zurück. Einen besonders starken Rückgang gibt es im Handwerk, in der IT-Branche und im öffentlichen Dienst. Mit 74.317 fehlenden Ausbildungsplätzen ist beinahe der Rekordstand von 1998 mit 77.495 fehlenden Stellen erreicht.

 

Die BRD hält in Europa den Pleitenrekord. Mit 82 400 Insolvenzen von Firmen und Verbrauchern stand die Bundesrepublik 2002 vor den anderen 14 EU-Ländern sowie Norwegen und der Schweiz, teilte der Verein Creditreform am Donnerstag in Düsseldorf mit. Nur Unternehmenspleiten betrachtet liegt die BRD aber trotz deutlich geringeren Wachstums hinter Frankreich. In ganz Europa erhöhte sich die Insolvenzhäufigkeit deutlich. Im Schnitt der 17 erfassten Staaten sei die Zahl der Pleiten um 21,7 % auf ingesamt 240 977 gestiegen, teilte die Wirtschaftsauskunftei mit. Dies hatte auch weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt: Durch die Pleiten waren laut Creditreform 1,6 Millionen Arbeitsplätze bedroht - 200 000 mehr als noch 2001. Mit 66,4 Prozent Insolvenzen als 2001 lag die BRD im vergangenen Jahr auch beim Anstieg auf dem ersten Platz unter den Europäern. Dies ist aber auch auf Auswirkungen der erst 1999 eingeführten Verbraucherkonkurse zurückzuführen, die Privatleuten einen Weg in die Schuldenfreiheit ermöglichen soll. Nachbesserungen und größere Bekanntheit in der Öffentlichkeit führten nun nochmals zu einem deutlichen Anstieg auf 44 700 Verbraucherinsolvenzen.

 

Auch unter der rosa-grünen Bundesregierung behielt der kapitalistisch-patriarchalische Klassenstaat BRD seine Tendenz zur strukturellen Diskriminierung von Frauen bei. Innerhalb der EU stellt die Bundesrepublik beispielsweise hinsichtlich des Anteils erwerbstätiger Frauen in Führungspositionen weiterhin eines der Schlusslichter dar. Die Quote liegt hier bei erschreckenden 3,7 % - hinter der BRD liegen nur noch Dänemark, Schweden und Italien. Auch beim Spitzenreiter Großbritannien ist der Anteil mit 11,2 % nicht gerade Ausdruck wirtschaftlicher Gleichberechtigung der Geschlechter.

 

Die europaweite "Terrorbekämpfung" kommt langsam ins Rollen: Die tschechischen Behörden liefern in Kürze den ehemaligen britischen Soldaten und IRA-Aktivisten Scott Michael Dickson an die BRD aus. Dickson soll wegen seiner Beteiligung an einem Mörserangriff der irischen Befreiungsbewegung auf eine Kaserne der britischen Rheinarmee in Osnabrück anno 1996 vor Gericht gestellt werden. In der BRD selbst wurde Paul Elkoro Aiastui, jüngster Sohn des Batasuna-Politikers José Luis Elkoro, ohne Angabe konkreter Gründe verhaftet. Mit Inigo Makazaga sitzt in Englands berüchtigtem Belmarsh Prison ein weiterer Batasuna-Aktivist ein und erwartet seine Auslieferung an den Folterstaat Spanien. Die spanische Justiz hat zudem einen internationalen Haftbefehl gegen Jean-Francois Lefort, den Sprecher der in Frankreich legalen baskischen Antirepressionsorganisation Askatasuna, ausgestellt und ließ 5 führende Aktivisten der Gruppe verhaften.

 

In einer recht brisanten internationalen Lage hat die BRD für einen Monat den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernommen. Das ebenfalls baathistisch regierte Syrien regte erfolgreich die Hinzuziehung des irakischen UN-Vertreters zu der Sitzung an, auf dem Powell die angeblichen Beweise für das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen vorlegen wollte. Der Auftritt des US-Außenministers geriet zur Blamage, denn bis auf Anschuldigungen konnten die Anglo-Amerikaner keinerlei Fakten zur Untermauerung ihrer Vorwürfe ins Feld führen. Die EU forderte Bagdad dennoch zur vollständigen Abrüstung und zur Zusammenarbeit mit UNMOVIC auf, übernimmt damit erstmals die von den Amerikanern aufgestellte Fiktion. Dennoch beharren die Europäer auf einer genauen Überprüfung der anglo-amerikanischen "Beweise" – nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil sich die UNMOVIC vorgelegten Satelliten- und Luftaufnahmen bislang ausnahmslos als Luftnummern erwiesen haben. Washington und London arbeiten derzeit an einer neuen Resolution des UN-Sicherheitsrates, die ein eindeutiges Mandat für militärische Operationen gegen den Irak enthält. Das zunehmend rauhere Klima zwischen Europa und den USA wird durch Äußerungen des in dieser Hinsicht bereits sattsam bekannten US-Verteidigungsministers Rumsfeld unterstrichen, der die BRD in eine Reihe mit Staaten wie Libyen und Kuba stellte.

 

Mit welchen Methoden von Washington und London gearbeitet wird, mögen zwei Beispiele illustrieren. Ein der BBC zugespieltes Dossier des britischen Auslandsnachrichtendienstes führte die angesichts der ideologischen Ausrichtung der Baath-Partei ohnehin absurden Behauptungen, der Irak arbeite mit der islamistischen al-Quaida zusammen, ad absurdum. Völliger Unsinn ist ein von Powell vorgelegtes imaginäres Dossier des britischen Geheimdienstes, das auf aus seit 1991 veralteten Arbeiten von Studenten (sic!) abgeschriebenen Informationen beruht.

 

In einer nichtöffentlichen Sitzung entschied das türkische Parlament, den Amerikanern die Nutzung von in der Türkei gelegenen Militärstützpunkten für einen Angriff auf den Irak zu gestatten. Somit können nun 4000 amerikanische Techniker und Pioniere Häfen und Flugplätze für die Anforderungen ihrer imperialistischen Aggression vorbereiten. Ministerpräsident Abdullah Gül und Generalstabschef Hilmi Özkök genehmigen den Amerikanern zudem den Aufmarsch von 38.000 Mann Kampftruppen gegen den Irak. Washington erkaufte sich die Unterstützung der Türkei durch die Zusage von Wirtschaftshilfen in Milliardenhöhe, zudem hofft Ankara mehr oder weniger offen auf Gebietskorrekturen im Nordirak und auf die Verhinderung einer kurdischen Staatsgründung ebenda. Angaben der "New York Times" zufolge soll die US-Regierung den Türken gar die militärische Besetzung der nordirakischen Kurdengebiete und damit der Ölquellen von Mosul und Kirkuk zugestanden haben. Die türkische Regierung besteht jedoch auf eindeutigen vertraglichen Abmachungen, um nicht noch einmal wie 1991 von den Amerikanern betrogen zu werden. Ankara besitzt nun auch noch die Stirn, die NATO um vorbeugende Hilfsleistungen gegen – eindeutig provozierte – irakische Militäroperationen zu ersuchen.

 

Die Landtagswahlen in Niedersachsen endeten nicht unerwartet mit einem Desaster für die regierenden Sozialdemokraten. Die bislang mit absoluter Landtagsmehrheit regierende SPD fiel von 47,9 % auf 33,4 % der Stimmen zurück und ist nur noch mit 63 Abgeordneten im Landtag vertreten. Auffällig ist vor allem, dass es den Sozis kaum noch gelang, Direktmandate zu holen: Während die Union 91 Wahlkreise eroberte, verteidigten die Sozialdemokraten gerade einmal 9. Besonders enttäuscht von der SPD zeigten sich die Wähler an Elbe und Weser. In Delmenhorst (-18,8 %), Wesermünde (-18,3 %) und Cuxhaven (-18,1 %) hatte sie die größten Verluste. Wahlforschern zufolge handelt es sich um die massivste Wahlniederlage in einem Flächenstaat seit 50 Jahren. Stärkste Partei ist die CDU mit 48,3 % und 91 Sitzen. Ferner sind noch die Grünen mit 7,6 % und 14 Mandaten sowie die FDP mit 8,1 % und 15 Abgeordneten im Landtag vertreten. Erstmals seit 1990 konnte die FDP wieder in das niedersächsische Landesparlament einziehen. Die PDS beteiligte sich nach internem Hickhack mit örtlicher Unterstützung der DKP an den Wahlen, erhielt aber landesweit nur 0,5 % der Stimmen (Hannover 0,7 %). Schills Partei Rechtsstaatliche Offensive muss mit 1,0 % weiterhin kleine Brötchen backen, auch wenn in Hannover mit 1,3 % und in den Speckgürteln um Bremen und Hamburg herum örtliche Achtungserfolge erzielt wurden. Die Republikaner fielen von 2,8 % auf 0,4 % zurück. CDU-Spitzenkandidat Christian Wulff wird nun eine Koalition mit den Liberalen bilden. Die Wahlbeteiligung ging von 73,8 auf 67 % (Wolfsburg 60,1 %) zurück.

 

Die Landtagswahlen in Hessen wuchsen sich ebenfalls zur Katastrophe für die SPD aus. Ministerpräsident Roland Koch, als ultrareaktionärer Hardliner profiliert, konnte seine CDU mit 48,8 % der Stimmen und 56 Abgeordneten zur absoluten Landtagsmehrheit führen. Die SPD hingegen verlor 10,5 Prozentpunkte und musste sich mit 29,1 % und 33 Sitzen bescheiden. Das Desaster wird dadurch unterstrichen, dass die Sozialdemokraten nur 2 von 55 Direktmandaten holen konnten. Es handelt sich um das schlechteste sozialdemokratische Wahlergebnis in Hessen seit dem Zweiten Weltkrieg, während die Christdemokraten ihr bestes Resultat einfuhren. Weitere Landtagsfraktionen sind die Grünen mit 10,1 % und 12 Mandaten sowie die FDP mit 7,9 % und 9 Mandaten. Die Republikaner fielen auf 1,3 % zurück, mit 0,5 % konnte die PRO gerade einmal die DKP mit ihren 0,2 % überholen.

 

Die von SPD und Grünen erhoffte Instrumentalisierung der Irak-Krise zu innenpolitischen Zwecken gelang nicht – nur 1 % der Wähler gaben an, sie hätten sich dadurch beeinflussen lassen. Wählerwanderungen waren ebenfalls nicht ausschlaggebend, vielmehr gelang es der SPD nicht, ihren frustrierten Anhang oder Jungwähler zu mobilisieren. In Hessen blieben gar 41 % des sozialdemokratischen Wählerpotentials zuhause. Mindestens ebenso wichtig wie die Landespolitik war bei beiden Wahlgängen die hoffnungslos zerfahrene und sozial ungerechte Politik der Bundesregierung – der Wahlausgang ist ein eindeutiges Votum gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder. In der auf das Wahldesaster folgenden Sitzung des SPD-Parteivorstandes soll es dem Vernehmen nach äußerst hoch her gegangen sein. In Kreisen der Opposition denkt man bereits über ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Schröder nach – für einen Erfolg wären nur 7 Abweichler aus der Regierungsmehrheit vonnöten, und diese könnten aus den Reihen des proamerikanischen Parteiflügels der SPD kommen. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat herrscht nunmehr ein Patt zwischen Regierung und Opposition. Durch ihre Wahlsiege besitzt die Union nunmehr die Mehrheit in der Bundesversammlung und könnte im Mai 2004 den unsäglichen Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD) durch die nicht minder unsägliche Angela Merkel (CDU) ablösen.

 

Zum Ausgang der Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen erklärte PDS-Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch: "Die Wahlen in Hessen und Niedersachsen bedeuten auch bundesweit eine Zäsur. Mit den höchsten SPD-Verlusten seit 1945 in den beiden Bundesländern wurde deutlich, dass Veränderung der SPD - von einer arbeitnehmerorientierten sozialen und wirtschaftlichen Politik hin zu einer neoliberal ausgeprägten der neuen Mitte – keine Erfolgsaussichten für ein Reformbündnis in Deutschland bieten. Das zeigen die Wahlverluste der SPD, die vor allem bei Arbeitern besonders hoch (- 24 Prozent) ausgefallen sind.
Die Ergebnisse in Hessen und Niedersachsen sind vor allem die Absage eines großen Teils früherer SPD-Wähler an den derzeitigen Regierungskurs in Berlin. Mit ihrer Politik zur Umsetzung des Hartz-Konzeptes, mit den unsozialen Vorhaben zur Reform des Gesundheitswesens und mit Ankündigung von Clement, den Kündigungsschutz drastisch einzuschränken, vermittelt die SPD heute ein Bild der sozialen Kälte. Deshalb sind die Verunsicherungen der Wählerinnen und Wähler über die wirtschaftspolitischen Entwicklungen und der Unmut über die Steuer- und Abgabenpolitik die wichtigsten Motive für die Wechsler. (Hierzu merken wir an, dass Hiksch vielleicht einmal die Berichte der Wahlforscher lesen sollte, bevor er Presseerklärungen unters Volk bringt, siehe oben.)

Nach über 20 Jahren neoliberaler Politik wird die Durchsetzung einer Politik der sozialen Gerechtigkeit immer schwieriger. So zeigt das Ergebnis der CDU, dass das gesellschaftliche Klima sich für eine Politik des Verzichts gegenüber einer sozialer Politik als mehrheitsfähig erweist. Die Menschen haben deshalb in beiden Ländern "das Original und nicht die sozialdemokratische Kopie der neoliberalen Variante der Politik" gewählt. (...)"

 

Nach mehr als zweimonatiger Dauer erklärte die reaktionäre Oppositon in Venezuela ihren "Generalstreik" für beendet. Schon vor der offiziellen Beendigung des zu Spitzenzeiten von lediglich 15 % der Werktätigen unterstützten "Generalstreiks" bröckelte die Streikfront zusehends ab. Zu bemerken ist, dass es sich hier um einen bizarren Streik der Besserverdienenden, der traditionellen Oligarchien und massiv aussperrender transnationaler Konzerne gegen die verarmte Masse und den linksnationalistischen Staatspräsidenten Hugo Chavez handelte. Als Konsequenz aus den Sabotageakten wurden einige 1000 Mitarbeiter des staatlichen Ölkonzerns PDVSA entlassen. Zudem wird das Unternehmen dezentralisiert, um die Sabotagemöglichkeiten der leitenden Angestellten zu verringern. Die Opposition setzte nun auf einen Volksentscheid, um seine bis 2006 andauernde Amtszeit um 2 Jahre zu verkürzen. Chavez hingegen ist nur zu einer verbindlichen Volksabstimmung über seinen Verbleib im Amt des Staatsoberhauptes in der 2. Jahreshälfte 2003 bereit. Die von der Opposition kontrollierten privaten Medien des Landes setzen ihre Hetzkampagne derweil unvermindert fort.

 

Bundesweit steigen die Zahlen der richterlich angeordneten Telefonüberwachungen seit vielen Jahren stetig an (von knapp 2.500 im Jahr 1990 auf über 12.000 im Jahr 1999; jüngere Zahlen liegen noch nicht vor). Ähnlich ist die Entwicklung beispielsweise im kleinsten Bundesland Bremen: Wurden 1998 und 1999 in jeweils 15 Verfahren Telefonüberwachungen angeordnet, so ist diese Zahl 1999 auf 49 und auf 67 im Jahr 2000 gestiegen. Die Ursachen für den Anstieg sind vielfältig: Seit 1997 hat der Gesetzgeber den Katalog der Tatbestände, auf deren Vorliegen sich der Verdacht einer Straftat richten muss, insgesamt sechsmal erweitert. Vor allem aber hat sich in Folge des technischen Fortschritts das Verhalten der Beschuldigten geändert. 1995 hat es in der BRD etwa 28 Mio. Telefonfestanschlüsse gegeben. Bis 1999 sind noch einmal gleich viele Handy-Anschlüsse hinzugekommen. Tendenz: stark steigend.

 

Die IG Bau führte eine Mitgliederbefragung sowie Stichproben auf bundesweit 2500 Baustellen durch, ob denn der Tarifvertrag vom 1. September 2002 auch von Arbeitgeberseite eingehalten werde. Fazit: Nur dort, wo aktiv gestreikt wurde, erfolgte eine Umsetzung der Vereinbarung. Zudem halten es offenbar zahlreiche Arbeitgeber nicht für nötig, den ausgehandelten Tarifvertrag überhaupt umzusetzen. Die Tariferhöhung von 3,2 % erhielten nur 48,6 % der Befragten, und 51,2 % befanden sich in einer falschen Gehaltsgruppe (in den besetzten Ostgebieten alarmierende 86,6 %!!!). Das vereinbarte 13. Monatsgehalt wurde nur an 37,4 % ausgezahlt, während nur 44,9 % die ausgehandelte Fahrtkostenerstattung erhielten.

 

Nach der Ermordung von John Gregg, Brigadier der Ulster Defence Association, durch Anhänger des aus der loyalistischen Untergrundorganisation ausgeschlossenen Johnny Adair schritt die UDA zum Gegenschlag. Da Adair infolge seiner vom Nordirlandministerium angeordneten erneuten Inhaftierung nur schwer zu treffen ist, hielt sich die UDA-Führung an seine Anhänger. Zunächst erreichte sie die Isolation der Adair-Gefolgsleute: 3 der 4 Kompanien seiner Brigade West Belfast kündigten ihm offen die Gefolgschaft auf, und die bislang eng mit Adair zusammenarbeitende Loyalist Volunteer Force ging ebenfalls auf Distanz. Bei der Ulster Volunteer Force ist der UDA-Renegat ohnehin chronisch verhasst. Die Beisetzung Greggs wurde zur Stärkedemonstration der UDA, an der Tausende teilnahmen. Nach einer ultimativen Aufforderung an den verbliebenen Anhang, sich von Adair abzuwenden, schritten die Paramilitärs der stärksten Protestantenmiliz zur Tat. Wer sich nicht eindeutig distanziert hatte, musste angesichts eindeutiger Drohungen der UDA mitsamt seiner Familie Nordirland fluchtartig verlassen. Neben Adairs politischem Berater John White setzten sich einige Dutzend Personen nach Schottland und England ab, um etwaigen Mordkommandos zu entgehen. Nach Ankündigung der UDA werden sie sich jedoch auch dort nicht in Sicherheit wiegen können. Die jüngste Fehde im loyalistischen Lager forderte bislang 7 Todesopfer. Aus Kreisen des protestantischen Establishments kommt mittlerweile der Ruf nach einer Wiedereinführung der Internierungen – diesmal richtet die Forderung sich jedoch nicht gegen die Republikaner, sondern gegen die durch Terrorismus und Bandenkriminalität auffallenden loyalistischen Paramilitärs.

 

In Nordirland setzten die Continuity IRA und die Real IRA ihre Offensive fort. Ein Bombenanschlag der republikanischen Hardliner auf einen Stützpunkt der britischen Territorialstreitkräfte richtete nur geringen Sachschaden an. Für Beeinträchtigungen im Verkehr sorgte ein weiterer Sprengsatz, und in West Belfast konnten die Sicherheitskräfte eine Autobombe entschärfen. Zudem kam es in North Belfast erstmals seit längerer Zeit wieder zu einer Straßenschlacht zwischen katholischen und protestantischen Jugendlichen. Die RIRA kündigte in einem neuen Statement den Einsatz von Scharfschützen gegen britische Militärpatrouillen in Belfast an. Die Zivilbevölkerung wurde aufgerufen, sich künftig von den Checkpoints und Patrouillen der Armee fernzuhalten. Gleichzeitig gab die Untergrundorganisation bekannt, sie werde sich auf keinen Fall in einen direkten Schlagabtausch mit den loyalistischen Terroristen einlassen, behalte sich aber eine Verteidigung der katholischen Stadtteile in North Belfast vor. Das Statement enthielt auch die Nachricht, dass eine Reihe krimineller Elemente in West und North Belfast aus der Organisation ausgeschlossen wurden. Bislang wurde in der Tat nicht ein einziges RIRA-Mitglied wegen krimineller Aktivitäten verurteilt.

 

Nicht zuletzt infolge massiven innenpolitischen Drucks verhärtet sich die Haltung der Amerikaner gegenüber Nordkorea. Die USA stoppten ihren geplanten Truppenabzug aus Südkorea. Ferner wurden Luftwaffeneinheiten auf Guam in Alarmbereitschaft versetzt, und die Luftaufklärung wurde intensiviert. Die Besatzungstruppen in Südkorea sollen Verstärkungen erhalten. Mit der "Carl Vinson" und der an sich für den Irak-Feldzug gehandelten "Kitty Hawk" befinden sich derzeit zwei Flugzeugträger in der Region. Als Reaktion fuhr die nordkoreanische Regierung ihre Atomanlagen wieder an, die im Mittelpunkt des Streits mit den USA stehen. Im US-Verteidigungsministerium wurde dies als eine sehr ernste Entwicklung bezeichnet. Auf die amerikanischen Pläne für eine Aufstockung der Militärpräsenz im Pazifik-Raum will Nordkorea mit verstärkten Maßnahmen zur Selbstverteidigung reagieren. Für den Fall eines amerikanischen Militärschlages gegen die Atomanlagen drohte Pjöngjang mit einem "totalen Krieg". Bei Anzeichen eines ernstzunehmenden US-Aufmarsches behalte man sich einen atomaren Erstschlag vor.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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