Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 9. bis 15. August 2003

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Kolumbien legalisiert AUC-Todesschwadronen

Weitere Razzien gegen Continuity IRA

 

Zitat der Woche:
"Die Parteien sind Menschenmassen, nach ganz äußerlichen Gesichtspunkten vereinigt, deren Mitglieder nicht durch tiefere innere Beziehungen miteinander verknüpft sind, sie sind bloß mechanische Gemenge. Die Räte hingegen sind organische Gebilde…Diese nur in Räten auskommende Gesinnung erscheint mir als das Wesentliche des Sozialismus, der wirklich nicht bloß in einigen Verstaatlichungsgesetzen besteht."
- Ernst Niekisch

Während die reaktionäre kolumbianische Regierung sich - mit amerikanischer Rückendeckung - beharrlich um konkrete Verhandlungen mit den linksgerichteten Befreiungsbewegungen FARC und ELN herumdrückt, hat sie klammheimlich ein „Vorfriedensabkommen“ mit den rechten AUC-Paramilitärs ausgehandelt und die Todesschwadronen des Finanzkapitals bzw. der Drogenbarone faktisch als Bürgerkriegspartei anerkannt. Das Abkommen von Santa Fé de Ralito sieht die Demobilisierung von 13.000 Paramilitärs vor, die bereits in 3 Monaten beginnen soll. Allerdings sind hier die Einheiten des Bloque Metro und des Bloque Elmer Cárdenas nicht inbegriffen. Die an den Verhandlungen beteiligten Blöcke sollen bis 2005 ihre Waffen vollständig abgeben. Da die Einheiten ohnehin eng mit Armee und Polizei zusammenarbeiten, wundert es nicht weiter, dass Präsident Uribe bereits eine Amnestie für ihre zahlreichen Menschenrechtsverletzungen angekündigt hat, denen alleine im Jahr 2002 mehr als 2000 Todesopfer zuzuschreiben sind. Durch gezielte Vertreibungsmaßnahmen verloren weitere 400.000 Menschen ihre Heimat. Die Finanzierung der AUC erfolgt durch internationale Großkonzerne und den Kokainhandel, neben dem Kampf gegen linke Guerrilleros widmen sie sich der Niederhaltung der Gewerkschaften und sozialer Bewegungen. Genaue Einzelheiten über die Umsetzung des Abkommens sind unbekannt, möglicherweise plant Uribe die Integration der Paramilitärs in den staatlichen Repressionsapparat. In Guatemala wurden übrigens soeben drei israelische Staatsbürger verhaftet. Die Verhafteten, wohl Agenten des Mossad, waren an illegalen Waffenlieferungen an die AUC beteiligt. Sie kauften in Nicaragua Infanteriebewaffnung und Munition ein und leiteten das für die panamesische Polizei deklarierte Material nach Kolumbien weiter.

 

Bundesverteidigungsminister Struck sprach sich für ein stärkeres NATO-Engagement in Afghanistan und im Irak aus, letzteres jedoch nur mit einem UNO-Mandat. Die NATO bleibe „auf lange Jahre hinaus wesentlicher Garant für die weltweite Sicherheit“. Die Bundesregierung will laut Struck über Auslandseinsätze fortan anhand bestimmter Kriterien entscheiden: Stabilitätssicherung „auf dem eigenen Kontinent“ (Balkan). Gründe kommen auch „besondere deutsche Interessen in einer anderen Region oder in einem anderen Land außerhalb Europas“ sein - Imperialismus in Reinkultur. Das geplante vermehrte Engagement in Afghanistan wurde mit der Terrorismusbekämpfung und der Solidarität mit dem wichtigsten Bündnispartner USA begründet. Geplant ist die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes über Kabul hinaus, gemeint ist wohl die nordafghanische Region um Kundus, eine ehemalige Taliban-Hochburg. Genau in diesem Gebiet ist nach Drohungen der Taliban mit vermehrten militärischen Operationen zu rechnen. In den vergangenen Wochen kam es am Hindukusch zu an Heftigkeit ständig zunehmenden Gefechten zwischen Taliban, Amerikanern und Regierungstruppen. Kurz vor der Übergabe des Kommandos in Afghanistan an die NATO äußerte der scheidende Kommandeur der Protektoratstruppe ISAF, Norbert van Heyst, dass man für die Befriedung des Landes rund 10.000 Soldaten mehr benötigen würde. Diese Zahl schwebt auch dem UN-Sonderbeauftragten Brahimi vor. In Washington verstand man die Signale und fand erstmals seit langem wieder freundliche Worte für Berlin. Die BRD lehnte einen Einsatz in Afrika ab, hier sollten die ehemaligen Kolonialmächte die Verantwortung übernehmen. Schröder dementierte weiterhin die Absicht, im Irak aktiv zu werden. Allerdings sprach sich General Harald Kujat als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses ebenfalls für einen Irak-Einsatz aus, und der Druck dürfte eher noch zunehmen.

 

Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete eine von den USA eingebrachte neue Irak-Resolution und autorisierte somit die Entsendung einer UN-Mission, welche die Wiederaufbaumaßnahmen und die Bildung einer demokratischen Regierung begleiten soll. Ferner wurde die Bildung des irakischen Verwaltungsrates als Kollaborationsregierung begrüßt. Bis auf die Enthaltung Syriens nahm das Gremium die Resolution einstimmig an und segnete damit den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak ab. Völkerrechtler verwiesen darauf, dass die USA und Großbritannien mit der neuen Resolution ihre Überforderung mit der Schaffung geordneter Verhältnisse im Zweistromland auch de jure anerkannt hätten. In Bagdad kam es anlässlich der Vereidigung der neuen Richter am Obersten Gerichtshof zu zwei Bombenanschlägen, von denen sich einer gegen die britische Botschaft richtete. Bei weiteren Anschlägen und Gefechten verloren die Briten 2 Gefallene und 9 Verwundete, während die amerikanischen Ausfälle sich auf mindestens 6 Tote und 5 Verwundete beliefen. Unter den Toten befinden sich die ersten beiden Ausfälle wegen Tod durch Erschöpfung. Dem britischen „Guardian“ zufolge bewegt sich die Zahl der amerikanischen Verwundeten seit Kriegsbeginn bei 800-4000, wobei letztere Zahl aus US-Militärkreisen selbst stammt. Aus Unmut über die Versorgungsmängel kam es zu tagelangen Unruhen in Basra. Die Kreuzrittermentalität der Besatzer zeigt sich am deutlichsten bei den Spaniern. Ihre Truppen verwenden im Truppenabzeichen das Kreuz des Santiago de Compostela, unter dem Spanien von den Mauren befreit und anschließend das amerikanische Kolonialreich unterjocht wurde. Die Nachfahren der conquistadores tauchen unter diesem Vorzeichen ausgerechnet in der Schiitenhochburg Najaf auf, bekanntlich eine der heiligen Stätten der Schia. Instinktloser geht es wahrlich nicht mehr.

 

In Frankfurt/Main trafen Vertreter und Vertreterinnen diverser linker Gruppierungen zusammen, um ein Verständigungspapier und die gemeinsame Teilnahme an der Europawahl 2004 zu besprechen. Ziel ist die Etablierung einer parlamentarisch vertretenen deutschen Linken jenseits der neoliberalen Mitte von SPD bis PDS. Zugegen waren u.a. DKP, SAV, Linksruck und Attac; Beobachterstatus hatten Vertreter der PDS-Linken, des PDS-Jugendverbandes solid, die Rosa-Luxemburg-Stiftung der PDS und die Marx-Engels-Stiftung der DKP. Angesichts des neoliberalen Kurses der rosa-grünen Bundesregierung und des sozialdemokratischen Bisky-Putsches in der PDS stehen die Chancen für diese „Europäische Alternative Linke“ nicht zwingend schlecht. Auf europäischer Ebene besteht der Kern der 2000 in Lissabon gegründeten EAL aus der italienischen Rifondazione Comunista, dem katalonischen Linksblock, der trotzkistischen Vierten Internationale, der Scottish Socialist Party und der linkssozialistischen Rot-Grünen Allianz aus Dänemark. Allerdings äußerte die DKP Bedenken gegen eine verfrühte Wahlteilnahme und verwies auf die Notwendigkeit, zunächst einmal eine organisatorische Struktur zu schaffen. SAV und andere Gruppen wiederum wollten den Schwerpunkt auf die Gewerkschaftsarbeit und die Antiglobalisierungsbewegung gelegt wissen, und die PDS-Beobachter kritisierten die Schaffung einer Konkurrenz zu ihrer Partei. Sie verwiesen jedoch darauf, dass im Falle einer rechtssozialistischen Entscheidung der anstehenden Programmkonferenz mit einer Austrittswelle von PDS-Linken zu rechnen sei. Die Gewerkschaftslinke hält sich den EAL-Projekt derzeit noch fern und verharrt offenbar in ihrer sklavischen Abhängigkeit von DGB und SPD. Bemerkenswert ist, dass in der EAL erstmals sozialistische, kommunistische und trotzkistische Richtungen zusammenarbeiten.

 

In der Internet-Zeitung Telepolis entdeckten wir ein hochinteressantes Interview zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes bei der Zerschlagung Jugoslawiens, faktisch die erste „Großtat“ des neudeutschen Imperialismus. Gesprächspartner war kein Geringerer als Antun Duhacek, der ehemalige Geheimdienstchef Marschall Titos. Im Verein mit Österreich, Italien und dem Vatikan betrieb der BND die Demontage des jugoslawischen Gesamtstaates überaus effektiv. Pullach unterstützte mit Billigung der Bundesregierung die slowenischen und kroatischen Nationalisten. Einfallstor war die Übernahme der außer Kontrolle geratenen kroatischen Teile des jugoslawischen Auslandsnachrichtendienstes UDBA. Seit dem Frühjahr 1990 unterstützte die BRD vor allem die kroatischen Nationalisten um Josip Manolic, Franjo Tudjman und Stipe Mesic, wobei dreistellige Millionenbeträge flossen. Der BND versorgte die Kroaten mit nachrichtendienstlichen Erkenntnissen über Serbien und die jugoslawische Armee, im Gegenzug fungiert der kroatische Geheimdienst seitdem faktisch als Filialbetrieb der bundesdeutschen Kollegen. Somit konnte der BND auf das weltumspannende Netzwerk der kroatischen Emigrantenszene zugreifen, die seit der Unabhängigkeit eng mit dem Partnerdienst zusammenarbeitete. Die Abhängigkeit Zagrebs von Berlin ging so weit, dass die BRD sogar eine Säuberung des kroatischen Nachrichtendienstes von allen ehemaligen Partisanen durchsetzen konnte, die ihr als „Nationalkommunisten“ unzuverlässig erschienen. Höhepunkt der Zusammenarbeit waren massive Lieferungen von polnischen, tschechischen Waffen bzw. von Kriegsmaterial der NVA, mit denen die Kroaten und ihre amerikanischen Militärberater 1995 die Großoffensive zur Rückeroberung der Krajina führen konnten und 300.000 Serben vertrieben.

 

In den 5 Jahren nach dem Karfreitagsabkommen haben die Aktivitäten der republikanischen und loyalistischen Paramilitärs eher zu- als abgenommen. Die punishment shootings gegen Kriminelle und Asoziale haben sich mehr als verdoppelt. Republikanische Paramilitärs schossen 239 Menschen an, 115 % mehr als in den 5 Jahren vor dem Friedensabkommen. Die Zahl der loyalistischen shootings beläuft sich sogar 426 auf (+124 %). Ferner nahmen die punishment beatings der Loyalisten um 19,8 % auf 441 Fälle zu, während die der Republikaner um 43 % auf 251 zurückgingen. Hierbei ist allerdings in den letzten Monaten eine deutliche Steigerung zu verspüren. Die Bestrafungsaktionen legten allgemein um 22,25 % zu, es gab 1357 Betroffene (1110 in den 5 Jahren vor dem „Friedensabkommen“). Durch terroristische und paramilitärische Aktivitäten kamen seit 1998 102 Menschen ums Leben, die Republik Irland nicht einbezogen. Damit sterben immer noch mehr als 20 Menschen im Jahr durch die Tätigkeit der Untergrundorganisationen. Die Verletzungsfälle bei Polizeibeamten nahmen um 67 % auf 2584 Beamte zu (1541 im Vergleichszeitraum). Insgesamt wurden bei Straßenschlachten, Anschlägen und Bestrafungsaktionen 3596 Menschen verletzt - vor dem Abkommen waren es 3262. Die Befriedung Nordirlands durch das Karfreitagsabkommen kann ruhigen Gewissens als gescheitert angesehen werden.

 

In Irland und Großbritannien gingen die Polizeirazzien gegen republikanische Hardliner weiter. Bei Hausdurchsuchungen in Lancashire, West Yorkshire und London wurden drei CIRA-Aktivisten verhaftet. Interessanterweise handelte es sich ausnahmslos um in England gebürtige Personen. Eine weitere, nur vorübergehende Verhaftung wurde aus Limerick gemeldet. Damit verhafteten irische und britische Sicherheitsorgane in den vergangenen 14 Tagen mindestens 10 Angehörige der Continuity IRA. Die meisten Verhaftungen standen im Zusammenhang mit der Aushebung eines CIRA-Ausbildungslagers durch die irische Polizei. Offenbar ist die Continuity IRA auch in die seit geraumer Zeit zwischen zwei Drogensyndikaten im irischen Limerick tobende Fehde verwickelt, die vor einigen Monaten mit der Ermordung des Drogenbarons Kieran Keane ihren bisherigen Höhepunkt fand. Mit Morddrohungen an die Adresse von in den nordirischen Polizeiaufsichtsbehörden mitarbeitenden Kollaborateuren setzte die CIRA ihre Aktivitäten jedoch unbeirrt fort.

 

Britische Sicherheitskreise handeln mittlerweile Paddy Fox als neuen Kommandeur der Real IRA. Der neue Mann ist ein alter Veteran der Provisional IRA (genauer gesagt der gefürchteten Brigade East Tyrone). Fox soll rund 200 Aktivisten um sich geschart haben und stellt als Fachmann für Bombenanschläge und renommierter Hardliner auch für unzufriedene PIRA-Leute eine attraktive Alternative dar. Die Sicherheitslage wird als kritisch eingeschätzt - Fox saß ein, weil er 1990 mit einer 500-Kilo-Bombe erwischt wurde, und die britischen und irischen Sicherheitsbehörden stellten vor wenigen Wochen zwei riesige Autobomben sicher. RIRA-Begründer Michael McKevitt wurde unlängst in Dublin im Rahmen eines mehr als fragwürdigen Prozesses zu 20 Jahren Knast verurteilt.

 

Die nationalmarxistische Irish National Liberation Army INLA lehnte jegliche Entwaffnungsschritte ab und verwies auf die Notwendigkeit, die katholischen Arbeiterviertel Nordirlands gegen loyalistische Übergriffe verteidigen zu müssen. Nachdem bereits die INLA wüste Drohungen an die Adresse jugendlicher Krimineller und Asozialer in Derry richtete, schaltete sich angesichts der völligen Untätigkeit der britischen Kolonialpolizei auch die loyalistische Ulster Volunteer Force mit mehreren punishment beatings in die Kampagne ein. Die Ulster Defence Association als größte loyalistische Untergrundorganisation drohte mit der Aufkündigung ihrer einseitigen Waffenruhe, wenn die britischen Behörden nicht bald etwas gegen die rege Aktivität republikanischer Hardliner im Raum Derry unternehmen sollten. Noch komplizierter wird die gespannte Lage in der Stadt durch eine innerloyalistische Fehde, deren Bilanz bislang auf 2 Rohrbombenanschläge lautet. Nach Polizeiangaben richtete die zunehmend unruhigere Provisional IRA in der vergangenen Woche Morddrohungen an die Adresse von UDA-Paramilitärs.

 

Die Waffenruhe in Palästina wird zusehends brüchiger. An der libanesischen Grenze kam es zu Feuergefechten zwischen den Israelis und Hizbollah-Milizen. Als mahnende Antwort auf die zionistischen Kommandoaktionen im Gazastreifen und im Westjordanland verübten die Al Aksa-Brigaden und die Hamas 2 Selbstmordanschläge, bei denen es auf israelischer Seite 2 Tote und 13 Verletzte gab. Der palästinensische Ministerpräsident Abbas und sein Sicherheitschef Dahlan warnten, man werde keine weiteren Waffenstillstandsverletzungen durch die Hardliner dulden. Allerdings erinnerten sie auch die Israelis an ihren Teil der Verantwortung.

 

Die seit einigen Wochen geltende Waffenruhe in Palästina wird nicht etwa vornehmlich durch palästinensische Widerstandskämpfer gefährdet, sondern durch den allgegenwärtigen Terror der zionistischen Besatzungstruppen bzw. der jüdischen Siedler. In den vergangenen 4 Wochen zeichnete Israel palästinensischen Quellen zufolge für 854 Waffenstillstandsverletzungen verantwortlich. Darunter befanden sich 7 Morde an palästinensischen Zivilisten. Ferner wurden in 713 Fällen Wohngebiete und Einzelhäuser unter Feuer genommen, wobei 8 Gebäude zerstört wurden. Der Zerstörung fielen ferner eine Moschee, eine Kirche und sechs palästinensische Polizeiposten anheim. Israelische Besatzungssoldaten führten 60 nächtliche Razzien durch und verhafteten mindestens 47 Menschen. Bei den Razzien wurden 189 Wohnungen und Gebäude verwüstet und 89 Pflanzungen dem Erdboden gleichgemacht, Beigabe waren massive Landbeschlagnahmungen zugunsten zionistischer Siedler. Die Israelis errichteten 46 neue militärische Kontrollpunkte und verhängten 67 örtliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Offensichtlich ist jedes Abkommen mit Israel nicht das Papier wert, auf dem es gedruckt wurde.

 

Zur Ankündigung weiterer harter sozialer Einschnitte nach den Beschlüssen das Kabinetts vom 13.August, insbesondere gegenüber Rentnerinnen und Rentnern, durch den Bundeskanzler und seinen Finanzminister erklärte der Bundesgeschäftsführer der PDS, Rolf Kutzmutz: „Mag der Kanzler denken, die Menschen sind vergesslich. Aber der 13. August 2003 wird als schwarzer Tag in die Sozialgeschichte Deutschlands eingehen. Dieses Datum wird einem großen Teil der Bürgerinnen und Bürger vor Augen schweben, wenn wieder Wahlen anstehen. Denn Kanzler und Koalition haben genau das Gegenteil von dem getan, was sie 1998 und 2002 erneut versprachen: Für mehr Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt zu sorgen.
Dass Schröder nach der Kabinettsitzung vom Mittwoch nun gleich nachlegt und einem großen Teil der Bevölkerung neue Zumutungen ankündigt, in dem er der Rentnergeneration eine "Zurücknahme ihrer Ansprüche" verordnet, lässt keinen Zweifel: Er will den Begriff soziale Gerechtigkeit aus dem SPD-Parteiprogramm streichen lassen. Er sollte es auch offen sagen. Einmal Ehrlichkeit nach all den Wahllügen gegenüber achtzig Millionen Deutschen täte gut, denn es gibt in der rot-grünen Sozialpolitik ohnehin kaum noch einen Unterschied zur Partei der schwarzen Missfelder.
Aber mit seiner Politik wird der Bundeskanzler die Rechnung ohne den Wirt machen.
Es ist nicht nur die Grundrichtung, die von einer großen Mehrheit abgelehnt wird. Es ist auch die Art und Weise, wie der Kanzler mittels staatlichen Zwangs das Lebensniveau festsetzen lässt und wie er das begründet. "Die Zeiten fröhlichen Verteilens sind vorbei" (Originalton Gerhard Schröder). Den Wahrheitsgehalt dieses Satzes sollten jene mehr als 70% der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die durch Hartz, die Gesundheitsreform, durch Einschnitte bei den Renten, durch
Berufspendeln, aber auch den Verlust des Arbeitsplatzes künftig deutliche Einkommensverluste erleiden werden, genau unter die Lupe nehmen. Denn die Bundesregierung entlastet mit der zu ihrem Reformpaket gehörenden Steuerreform, die um ein Jahr vorgezogen werden soll, fast ausschließlich Menschen mit hohem Einkommen und großen Vermögen. Es wird noch mehr fröhliche Millionäre in unserem Lande geben - dank des fröhlichen Verteilens durch den Bundeskanzler
.
Man kann nicht gegen die Interessen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung regieren und alle staatlichen Entscheidungen ausschließlich dem Standortortdenken der Wirtschaft unterordnen. Nun ist eine Schwelle erreicht, an der die sozialpolitischen Weichenstellungen so fehlerhaft sind, dass der Zug entgleisen könnte.“

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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