Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 12. bis 18. April 2003

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Schlappe für Parti Québecois

Nordirlandverhandlungen gehen weiter…

 

Zitat der Woche:
"Revolution, Revolution! Das ist es, was unaufhörlich gepredigt werden muss, gehässig, systematisch, unerbittlich, und sollte dieses Predigen zehn Jahre lang dauern. Noch haben Wenige diese Forderung in ihrer ganzen Schärfe erkannt, noch steht das sentimentalische Gefasel von Verbrüderung und Einigung durch alle möglichen und unmöglichen Arten von Geist in voller Blüte"
- Ernst Jünger

Bei den Wahlen zum Regionalparlament der kanadischen Provinz Québec haben die Separatisten des Parti Quebecois PQ eine empfindliche Niederlage erlitten und müssen nach 9 Regierungsjahren die Macht an die zentralistisch orientierten Liberalen abgeben. Bereits 1980 und 1995 hatten die Bewohner der vornehmlich französischsprachigen Provinz in Volksabstimmungen die Trennung von Kanada abgelehnt, wenn auch in der letzten Abstimmung mit hauchdünner Mehrheit. Der PQ fiel von 76 auf 49 Mandate zurück, während die Liberalen nunmehr 76 Abgeordnete stellen - exakte Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse. Allerdings legten die Liberalen insgesamt nur um 2 Prozentpunkte zu - das strikte Mehrheitswahlrecht machte sich bemerkbar. Bernard Landry als Vorsitzender des PQ erklärte, die Unabhängigkeitsbewegung sei nicht tot. Beobachter erwarten nun eine vermehrte Radikalisierung der Separatisten.

 

Als erstes Bundesland in der Ex-DDR legte Sachsen-Anhalt einen Landesarmutsbericht vor. Gelten in den alten Bundesländern 12 % der Bevölkerung als arm (weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens), so leben in Sachsen-Anhalt 18 % unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Mit 14.000 Euro pro Haushalt erreicht das durchschnittliche Nettogeldvermögen nicht einmal die Hälfte des Durchschnittswertes der alten Länder (35.000 Euro). Vor allem Kinder, alleinerziehende Frauen und alleinlebende ältere Frauen haben in Sachsen-Anhalt ein hohes Armutsrisiko. Alleinstehende Frauen leben dem Bericht zufolge doppelt so häufig unterhalb der Armutsgrenze wie im Westen Deutschlands. Ende der 90er Jahre lebte zudem jedes 6. Kind in einem einkommensschwachen Haushalt, in den alten Bundesländern betraf dies jedes 10. Kind. Von Armut besonders betroffen sich auch die zur Zeit des Anschlusses der DDR 45- bis 55-Jährigen. Einkommen und Vermögen wurden durch häufige Arbeitslosigkeit reduziert, was sich auch auf die Rentenansprüche auswirkte.

 

Ungeachtet fallender Aktienkurse und wirtschaftlicher Misere sind im Jahr 2002 die Bezüge von Vorstandsmitgliedern bundesdeutscher Großkonzerne um durchschnittlich 4 % gestiegen. Spitzenreiter hierbei war DaimlerChrysler, so der Aufsichtsrat eine Erhöhung der Vorstandsbezüge um 131 % genehmigte. Damit kassieren die Daimler-Vorstände im Schnitt 3,91 Millionen Euro im Jahr. Topverdiener unter den BRD-Geldsackaristokraten ist Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, mit 6,9 Millionen Euro. Die Eon-Vorstände kassieren jährlich 2,1 Millionen Euro, ihre Kollegen bei Volkswagen 2,06 Millionen Euro und die BMW-Vorstandsmitglieder 1,98 Millionen Euro.

 

Arabischen, französischen und russischen Medienberichten zufolge sind der Kollaps der irakischen Führung und die plötzliche Einstellung des zuvor erbitterten Widerstandes auf einen Kuhhandel zurückzuführen. Offenbar haben Teile der irakischen Militärführung ein Abkommen mit den Amerikanern ausgehandelt. Die Kommandeure der Republikanischen Garde - wie die Verwicklung in zahlreiche Putsche und Putschversuche belegt, eine klassische Prätorianertruppe - und der Fedayin-Milizen sollen den Widerstand eingestellt und den Amerikanern den entscheidenden Hinweis für einen Enthauptungsschlag gegen Saddam Husseins Führungsriege gegeben haben. Laut „Le Monde“ und SPIEGEL soll es zuvor zu einem schweren Zusammenstoss zwischen Saddam Hussein und hochrangigen Kommandeuren gekommen sein. Als Gegenleistung wurden die „Putschisten“ mitsamt ihren Familien ausgeflogen und mit umfangreichen Geldmitteln und neuen Identitäten versehen. Diese Version erscheint bei Kenntnis der jüngeren irakischen Geschichte und des Innenlebens der regierenden Baath-Partei nicht ausgeschlossen. Wir erinnern daran, dass wir bereits Ende vergangenen Jahres darauf hinwiesen, dass es Anzeichen für einen Machtkampf innerhalb der irakischen Staatspartei gibt. Unklar ist, ob das Tauschgeschäft auch für die Kommandeure der regulären Streitkräfte galt. In jedem Fall verfügten diese beim Fall Bagdads noch immer über mindestens 300.000 Soldaten mit Tausenden von Panzern - die Alliierten haben weniger als 20.000 Gefangene gemeldet, davon die Hälfte Zivilisten. Dem Vernehmen nach sollen die Briten in ihrer Verwaltungszone im Südirak bereits „unbelastete“ Baathisten in ihre Kolonialverwaltung integriert haben. Teile der Baath-Partei standen seit Mitte der 50er Jahre in engem Kontakt zur CIA, darunter auch Saddam Hussein. Auch die irakische Polizei nimmt langsam wieder den Dienst auf, nun allerdings unter den neuen Herren.

 

Der EU-Gipfel in Athen legitimierte in seiner Schlusserklärung effektiv den Irak-Krieg. Die EU-Resolution verlor kein Wort darüber, dass der Krieg ohne das Mandat der Vereinten Nationen (UN) und somit unter Bruch des Völkerrechts geführt wurde. Ebenso wenig erwähnte sie die Opfer unter der Zivilbevölkerung sowie die Toten und Verletzen, die geächteten Waffen wie Streubomben und Napalm zum Opfer fielen. Weiterhin fand sich in der Resolution kein Hinweis darauf, dass die amerikanischen Besatzungstruppen nach dem Zusammenbruch des baathistischen Regimes weder die Bevölkerung vor Plünderern und anderen kriminellen Elementen geschützt, noch die Zerstörung irakischer Kulturschätze von Weltbedeutung in den nationalen Museen und Bibliotheken verhindert haben. Zudem enthielt die Resolution kein Wort der Kritik am Verhalten der Vereinigten Staaten nach dem Krieg, obwohl es Übergriffe amerikanischer Soldaten auf unbewaffnete Demonstranten gab, und derzeit gerade die Einsetzung einer Art Kolonialregime unter dem amerikanischen General Tommy Franks und dem Ex-General Jay Garner vorbereitet wird. Stattdessen akzeptierte die EU, dass der Irak in der unmittelbaren Nachkriegsperiode von "Koalitionskräften", d.h. den Vereinigten Staaten mit britischer Unterstützung, regiert werden müsse. Sie sollen die Verantwortung für "eine sichere Umgebung" übernehmen, vermutlich indem sie jeden erschießen, der gegen die Besetzung des Iraks ist. Die EU stellte die absurde Behauptung auf, dass dies in Übereinstimmung mit dem Ziel stehe, "dem irakischen Volk" die Möglichkeit zu geben "selbst die neue Zukunft ihres Landes zu gestalten". Die größte Sorge der europäischen Mächte bestand offenbar darin, die Vereinten Nationen wieder ins Spiel zu bringen, um auf diesem Wege ihren eigenen ökonomischen und geopolitischen Interessen im Mittleren Osten Geltung zu verleihen. Die EU akzeptierte, dass die "zentrale" Rolle der UN zunächst lediglich darin bestehen wird, humanitäre Hilfe zu leisten. Nur mit der Zustimmung der Bush-Regierung kann ihre Rolle ausgedehnt werden, um ihre "einzigartige Fähigkeit und Erfahrung beim Wiederaufbau von Nationen nach Konflikten" zum Tragen kommen zu lassen.

 

In Nasirija scheiterte ein Mordkomplott der irakischen Befreiungsfront NFLI gegen den Kollaborateur Ahmad Chalabi, den Vorsitzender des Iraqi National Congress INC. Chalabi würde übrigens 1992 in Abwesenheit von einem jordanischen Gericht wegen Beteiligung an einem 200 Millionen Dollar schweren Bankenskandal zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt. In Bagdad und andernorts kam es laufende Protestkundgebungen von sunnitischen und schiitischen Arabern gegen das geplante Besatzungsregime der Anglo-Amerikaner. Die Demonstrationen mündeten in schwere Zusammenstöße mit Kollaborateuren und Besatzungstruppen, alleine in Bagdad und Mossul wurden Dutzende von Demonstranten durch US-Truppen erschossen. Im ganzen Land erfolgten weiterhin Guerrilla-Aktionen gegen die Besatzer, auch wenn der organisierte Widerstand mit dem Fall Tikrits vorüber ist. Im Nordirak führten Kurdenmilizen ethnische Säuberungen gegen dort angesiedelte Araber durch, hier organisieren und bewaffnen sich die bedrängten arabischen und turkmenischen Bevölkerungsgruppen. Der einflussreiche und von Teheran unterstützte Oberste Rat der Islamischen Revolution im Irak SCIRI boykottierte das Treffen der Kollaborateure in Nasiriya. Instinktlos hatten die Sieger zu der Konferenz auch Vertreter des 1958 gestürzten und landesweit verhassten Königshauses geladen. Die Nachbarn des Irak (Kuwait, Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien, Türkei und Iran) forderten die Alliierten zum baldigen Truppenabzug auf und verlangten die Respektierung des irakischen Selbstbestimmungsrechtes. Derweil hat im Irak unter dem Motto „Tod oder lebendig“ die Jagd der Besatzer auf 55 Angehörige der Führungsriege um Saddam Hussein begonnen.

 

Die USA üben weiterhin Druck auf Syrien aus; diplomatische und wirtschaftliche Sanktionen werden in Erwägung gezogen. Damaskus soll seine Unterstützung von arabischen Befreiungsorganisationen wie PFLP, Jihad, Hamas und Hizbollah aufgeben, irakischen Spitzenfunktionären keinen Unterschlupf gewähren und auf die - als Gegengewicht zum Massenvernichtungspotential Israels fungierende - Produktion von C-Waffen verzichten bzw. die vorhandenen Vorräte vernichten. Damit hätten die Anglo-Amerikaner und ihre israelischen Verbündeten die absolute militärische Herrschaft über den Nahen Osten, einmal vom Iran abgesehen. Das syrische Außenministerium wies die Vorwürfe weiterhin zurück und erinnerte an die israelischen Vorräte an ABC-Waffen. London und Washington forderten Syrien nunmehr auf, selbst zu beweisen, dass es kein „Schurkenstaat“ sei - das gleiche Szenario baute man bekanntlich gegenüber dem Irak auf. Die Briten distanzierten sich energisch von dem Gedanken an eine militärische Intervention in Syrien. Auch die EU und Russland stellten sich gegen den amerikanischen Druck auf Damaskus, forderten Washington zu einer Mäßigung seines Tonfalles und zu Direktverhandlungen mit Assad auf. Sie befürchten einen neuen Angriffskrieg und damit eine weitere Destabilisierung des Nahen Ostens und des Mittelmeerraumes. Die syrische Regierung brachte nicht ungeschickt im UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf ein, der den gesamten Nahen Osten zur von Massenvernichtungswaffen freien Zone erklären soll - eine klare Spitze gegen Israel. Während amerikanische Truppenverbände im Raum Rutba nahe der syrischen Grenze zusammengezogen werden, erklärte sich US-Außenminister Powell zu einer Reise nach Damaskus bereit.

 

Im Irak scheint in der Tat auch eine kulturell begründete Aggression stattgefunden zu haben. Während das Bagdader Öl- und Innenministerium und die irakischen Erdölanlagen wohlbewacht waren, ließen die Sieger ansonsten Plünderern, Kunsträubern und Vandalen freie Bahn. Behörden, öffentliche Einrichtungen, Museen, Geschäfte und Krankenhäuser Bagdas wurden ausgeplündert, die nichtkriminelle Bevölkerung ging zur Bildung von Bürgerwehren über. Namhafte Experten gehen sogar von Plünderungen auf Bestellung und absichtlicher Kulturzerstörung aus. Bezeichnenderweise stellten die Zollbehörden in den USA und andernorts bereits die ersten Transporte organisierter Schmugglergruppen sicher. Beteiligt waren hierbei auch Angehörige der amerikanischen Medienkonzerne. Im Irakischen Nationalmuseum wurde an einem einzigen Tag das menschliche Kulturerbe von 8 Jahrtausenden gestohlen und zerstört. Der Wahnsinn hat Methode: Die Baathisten konstruierten über die jahrtausendealte Kulturtradition des Irak als Wiege der Menschheit ein irakisches Nationalgefühl. Diese Bemühungen liegen nun im wahrsten Sinne des Wortes in Trümmern. In der Nationalbibliothek und im Nationalarchiv zu Bagdad wurde absichtlich Feuer gelegt - hier gingen unersetzliche Unterlagen in Flammen auf, darunter der gesamte Schriftverkehr des osmanischen Kalifats seit 1517 und islamische Handschriften aus mehr als 7 Jahrhunderten. Die islamische Kultur wurde hierdurch ins Mark getroffen, und schon tauchen die ersten amerikanischen Missionare im Zweistromland auf. Nicht nur die islamische Welt hat einen bedeutenden Teil ihrer Seele verloren, sondern die gesamte Menschheit. Ein neuer Kreuzzug! Michael Petzet, Vorsitzender des internationalen Rates für Denkmalschutz ICOMOS nannte die ungeheuerlichen Zerstörungen ein „Verbrechen an der Menschheit". Es sei unfaßbar, daß dies geschehen konnte. Derartiges Verhalten widerspräche allen internationalen Konventionen. Die Besatzungsmacht sei verpflichtet gewesen, solche kriminellen Übergriffe zu unterbinden. "Ein minimaler Aufwand hätte genügt, das Geschehen zu verhindern." Koichoro Matsuura, der Generaldirektor der Unesco, die amerikanischen und britischen Behörden in einem Brief auf, sofort Soldaten zum Schutz der Museen in Bagdad und Mosul abzustellen. Die Haager Konvention von 1954 verpflichtet Kriegsparteien dazu, "jede Art von Diebstahl, Plünderung oder anderer widerrechtlicher Inbesitznahme von Kulturgut zu verhindern". Der „Schurkenstaat“ Irak ratifizierte 1967 den UN-Vertrag; Großbritannien und die USA lehnten den Beitritt zur Konvention aber stets ab.

 

Die Regierungen Großbritanniens und der Republik Irland hofften noch immer, ihr Maßnahmenpaket für Nordirland inclusive Wiederherstellung der Selbstverwaltung veröffentlichen zu können. Als Vorbedingung sollte die Provisional IRA die endgültige Einstellung des bewaffneten Kampfes beschließen, ihr Waffenarsenal zerstören und alle paramilitärischen Aktivitäten beenden. Ganz zu Recht verwiesen die Republikaner auf die politische Schieflage: Die Briten beharren weder auf einer Entwaffnung und Auflösung der loyalistischen Gruppen, noch auf einer definitiven Gewaltverzichtserklärung derselben. Im Gegenzug zu den republikanischen Zugeständissen sollten die protestantischen Parteien wieder in die Allparteienregierung zurückkehren und damit die Wiederherstellung der nordirischen Selbstverwaltung und die Abhaltung von Neuwahlen Ende Mai ermöglichen. Ferner war die Einrichtung einer Friedenskommission vorgesehen, die Verstöße gegen den Waffenstillstand feststellen und Sanktionen gegen Parteien wie Sinn Féin verhängen kann. Begleitet sollte ihre Arbeit durch eine Kontrollkommission für paramilitärische Aktivitäten werden. Großbritannien will bis 2005 einen Großteil seiner Truppen abziehen, der Regionalregierung die Zuständigkeit für Polizeifragen übergeben und eine Amnestieprozedur für untergetauchte Paramilitärs schaffen. Sinn Féin forderte eine Veröffentlichung des Maßnahmenpakets, um konkrete Verhandlungen in Einzelfällen zu ermöglichen anstatt wie bisher hinter verschlossenen Türen und in getrennten Gesprächen herumzuschustern. Die Republikaner wiesen darauf hin, dass nur die Provisional IRA eine Eskalation der anhaltenden Terrorkampagne republikanischer Hardliner verhindere und dass die katholische Bevölkerungsgruppe angesichts des Versagens von Polizei und Armee gegenüber dem loyalistischen Terror auf den Schutz durch die IRA angewiesen sei. Die IRA signalisierte indessen ihre Bereitschaft, eine Erklärung über ihre zukünftigen Ziele und Methoden abzugeben. Damit sollten die Unionisten dazu bewogen werden, wieder in die Regionalregierung zurückzukehren und die Wiederherstellung der Selbstverwaltung zu ermöglichen. In ihrer Osterbotschaft bekannte sich die IRA erneut zu einer friedlichen Lösung der Nordirlandfrage, wies aber darauf hin, dass alle Seiten ihren Beitrag zu leisten haben und nicht nur die republikanische Bewegung. Angeboten wurde auch die Wiederaufnahme des Kontaktes zur Entwaffnungskommission und die erneute Unbrauchbarmachung von Kriegsmaterial. Dieses Entgegenkommen war London und Dublin jedoch nicht genug, auch wenn beide Regierungen weitere Verhandlungsbereitschaft signalisierten.

 

Während die Ulster Defence Association als größte protestantische Miliz den Kontakt zur Entwaffnungskommission wieder aufnahm, griffen andere loyalistische Gruppen in Antrim wieder zur Gewalt. Gemeldet wurden ein Rohrbombenanschlag auf eine katholische Familie, Übergriffe von Randalierern auf einen Bus voller katholischer Schulkinder, die Bedrohung von katholischen Schülern bei einem weiteren Zwischenfall und der Überfall von Angehörigen der Ulster Volunteer Force auf einen dabei erheblich verletzten katholischen Passanten. Im nahen Toomebridge scheiterte ein Bombenanschlag auf das Gebäude des katholischen Ancient Order of Hibernians. Auch die republikanischen Hardliner blieben weiter aktiv. Die Continuity IRA platzierte eine 50-Kilo-Bombe vor dem Büro des protestantischen Reaktionärs Nigel Dodds, seines Zeichens Abgeordneter im britischen Unterhaus, in North Belfast. Der Sprengsatz konnte aufgrund rechtzeitiger Warnung entschärft werden.

 

Die britische Stevens-Kommission legte ihren ersten Untersuchungsbericht über die fragwürdigen Aktivitäten der Geheimdienste im Nordirlandkonflikt vor. Die Special Branch der nordirischen Polizei und die der Armee zugehörige FRU arbeiteten in den 80er und 90er Jahren massiv mit loyalistischen Untergrundorganisationen zusammen, um diese als Todesschwadronen gegen republikanische Aktivisten und die katholische Bevölkerungsgruppe zu instrumentalisieren. Hierbei wurde auch vor der Übergabe polizeilicher und nachrichtendienstlicher Informationen über Zielpersonen nicht halt gemacht. Nach Angaben des Kommissionsleiters Sir John Stevens behinderten die Armee und das Verteidigungsministerium seine Arbeit und verwehrten ihm Zugang zu sensiblen Unterlagen. Mittlerweile hat die Kommission 10.400 Dokumente mit mehr als 1 Million Seiten durchgearbeitet - Gesamtgewicht über 4 Tonnen. Publiziert wurde nun ein gerade einmal 3500 Worte langer Bericht, der bestenfalls die Spitze des Eisbergs über den britischen Staatsterrorismus enthüllt. Nicht behandelt wurden die gezielten Mordaktionen des britischen SAS und der 14. Intelligence Company. Die Untersuchungen führten bislang zu 144 Festnahmen und 94 Verurteilungen. Möglicherweise sind Dutzende, wenn nicht Hunderte von Morden auf diese Instrumentalisierung der Loyalisten, vor allem aber der Ulster Defence Association und der Loyalist Volunteer Force, zurückzuführen. Nicht nur bei den Loyalisten, sondern auch bei den diversen republikanischen Untergrundorganisationen waren - und sind - Hunderte von Informanten und Doppelagenten aktiv. Zu nennen sind hier vor allem die bei der UDA aktiven Doppelagenten Brian Nelson, William Stobie und Kevin Fulton. Nelson verstarb unlängst an einem unbekannten Ort, Stobie fiel der Rache seiner UDA-Kameraden zum Opfer und Fulton ist untergetaucht, da die Sicherheitsorgane ihm jeglichen Schutz verweigerten. Unklar ist weiterhin die Identität von Stakeknife, dem britischen Topagenten in der innersten Führung der Provisional IRA. Der ehemalige FRU-Kommandeur Gordon Kerr wurde bereits von seinem Posten als Militärattaché in Peking suspendiert und wird sich wohl vor Gericht verantworten müssen. Neben Kerr sehen sich mehr als 20 ehemalige und aktive Offiziere der britischen Streitkräfte Ermittlungsverfahren gegenüber.

 

In Ungarn erfolgte ein Referendum über den für 2004 geplanten Beitritt des Landes zur EU. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge stimmten 83,76 % der Wähler für den Beitritt - allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei 45,62 %. Damit haben umgerechnet weniger als 40 % der Wahlberechtigten für Brüssel gestimmt - demokratisch wohl kaum legitimiert. Periderweise legten die EU-Sympathisanten in Budapest die Abstimmung auf einen Samstag, und dieser Tag ist für zahlreiche Ungarn ein normaler Arbeitstag. Dennoch verfehlte die ungarische Regierung ihr Ziel, wenigstens die „Ja“-Stimme von 50 % der Wahlberechtigten zu erhalten. In Berlin störte man sich an derartigen Praktiken nicht. Bundesaußenminister Joseph Fischer erklärte: „Wir freuen uns, dass Ungarn, das wir mit viel Sympathie auf seinem Weg begleitet haben, im Mai nächsten Jahres Mitglied der EU werden kann." Die Wahlbeteiligung lag noch um rund 4 Prozentpunkte unter derjenigen bei der Abstimmung über den NATO-Beitritt. An den Feierlichkeiten an Budapests berühmter Kettenbrücke nahmen nur einige Hundert Gaffer teil.

 

Die finanzielle Lage der Rentenversicherung wird zusehends dramatisch. Im März waren die Reserven der Rentenkassen offenbar so stark abgeschmolzen, dass die vom Gesetzgeber geforderte Untergrenze erreicht sein soll. Die Versicherer müssen mindestens eine halbe Monatsausgabe als Reserve vorhalten. Laut BfA-Berechnungen gibt es keinerlei Spielraum mehr. Die Schwankungsreserve habe im Februar bei 51 % und im März bei 50 % einer Monatsausgabe gelegen. Noch im Dezember verfügten die Versicherer über rund 9,7 Milliarden Euro oder 63 % einer Monatsausgabe als Reserve. Die Höhe der Schwankungsreserve war Ende 2002 von 80 auf 50 % abgesenkt worden. Anfang 2003 wurde der Rentenbeitrag von 19,1 auf 19,5 % erhöht. Für Anfang 2004 dürfte damit eine weitere Erhöhung des Rentenbeitrages ins Haus stehen - trotz aller beschwichtigenden Erklärungen aus Berlin.

 

Die SPD-Führung will offenbar gegen die Vertreter des linken Parteiflügels vorgehen, die ein Mitgliederbegehren gegen die unsozialen „Reformpläne“ der Bundesregierung gestartet haben. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering bestellte nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) neun Vertreter der Parlamentarischen Linken zu sich. In einem Brief an die Kritiker habe Müntefering den Abweichlern unfaires Verhalten vorgeworfen. Die Fraktion habe "in den vergangenen Wochen wiederholt und ausführlich Inhalte und Zeitpläne der ´Agenda 2010´ beraten", schrieb Müntefering laut "FAS". Doch "niemand von euch hat Gelegenheit genommen, der Gesamtfraktion oder mir eure Initiative zum Mitgliederentscheid anzukündigen", heißt es demnach in dem Brief an die neun Parlamentarier. In einem Aufruf zu dem Mitgliederbegehren hatten die Kritiker erklärt, "Kürzungen bei Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und Krankengeld sind unsozial und führen zu einer gefährlichen Schwächung des Konsums". Statt die öffentlichen Haushalte nur über Ausgabenkürzungen zu sanieren, werde jetzt ein "angemessener Beitrag der Großvermögen" gebraucht. Die Vermögensteuer müsse wieder eingeführt werden. Auch beim Kündigungsschutz und anderen Arbeitnehmerrechten dürfe es keine Rückschritte geben. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz hat inzwischen angekündigt, dass sich die Führungsgremien der SPD bei nächster Gelegenheit mit dem geforderten Mitgliederbegehren befassen werden.

 

Anlässlich der Unterdrückung der Medien und der Folterung inhaftierter Journalisten im spanisch verwalteten Teil des Baskenlandes wandte sich die Celtic League an den Europarat. Das Generalsekretariat des Europarates leitete den Beschwerdebrief an mehrere Unterabteilungen weiter, vor allem an den Generaldirektor für Menschenrechte und das Sekretariat des Beratenden Komitess für die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Letzteres untersucht ohnehin derzeit die Umsetzung der Konvention durch Spanien. Ebenfalls eingeschaltet wurde das Expertenkomitee der EU-Charta für Regional- und Minderheitensprachen. Weniger entgegenkommend verhielt sich Romano Prodi als Präsident der EU-Kommission. Die Celtic League wies Prodi auf die Verletzung der Artikel 6, 21.1, 22 und 51 des EU-Vertrages durch die spanische Regierung hin. Dieser konnte jedoch trotz Presse- und Vereinsverboten, trotz des verfassungsrechtlich mehr als bedenklichen Batasuna-Verbotsverfahrens und der zahlreichen Folterfälle keine Verstöße Madrids erkennen.

 

Die Antiimperialistische Koordination veröffentlichte eine umfangreiche Erklärung zur Frage des Antiamerikanismus und des Widerstandes gegen den US-Imperialismus, die hier auszugsweise wiedergegeben sei: „Die Gefahr für antiimperialistische Kräfte besteht als vor allem darin, das Feld des Antiamerikanismus modernen neorevanchistischen Kräften zu überlassen, die sich von ihrem ideologischen Ballast befreien, Wege finden den antiliberalen Unmut aufzugreifen und sich als radikale antagonistische Bewegung darstellen.
Im Grunde haben die antiimperialistischen und antikapitalistischen Kräfte die besseren Karten, den entstehenden Antiamerikanismus in ihre Richtung zu kanalisieren. Dazu bedarf es des völligen und vollständigen Bruches mit der in Liberalismus verwandelten Linken.
Grundproblem der orthodox-marxistischen Restbestände verschiedenster Provenienz ist die Abstraktheit der Begriffe, die der realen Gesellschaft aufgezwungen, ihr übergestülpt werden, ohne dass sie diese Realität in ihrer Widersprüchlichkeit und ihren Veränderungen erfassen könnte. Sie gehen davon aus, dass der Nationalismus im allgemeinen die Arbeiterklasse spalten würde. Immer und überall. Sie sehen dabei nicht, dass sich heute das Zentrum, das Herz des sozialen Konfliktes, den Marx richtig als den Motor der Geschichte bezeichnete, zu jenem zwischen Imperialismus und unterdrückten Völkern verschoben hat. Aus verschiedensten Gründen hat sich seine politische, ideologische, kulturelle aber auch soziale Form verändert, weg vom Paradigma des Industriearbeiters. Dennoch handelt es sich beim Kampf der unterdrückten Völker, Nationen und Staaten um nationale Selbstbestimmung in letzter Instanz um einen Klassenkonflikt.
Die westliche Arbeiterschaft, die Unter- und Mittelschichten müssen politisch im Allgemeinen nach ihrer Stellung in dieser für die Weltgeschichte und auch für den Kampf um den Sozialismus entscheidenden Auseinandersetzung bewertet werden. Bush paraphrasierend: Wer mit den Verdammten dieser Erde ist, ist potentiell antikapitalistisch, wer sie nicht unterstützt, ist proimperialistisch - ganz gleich welcher sozialen Schicht er zugehörig sein mag. Der Antiamerikanismus erscheit dabei vor allem in der „Dritten Welt" als die popularisierte Form des Antiimperialismus. Der antiimperialistische Nationalismus gegen die USA und ihre Verbündeten ist also die konkrete Form der Vereinigung der unterdrückten Klassen, der einzige Internationalismus, der diesen Namen verdient, während der falsche Internationalismus, die nationalen Befreiungskämpfe im Namen eines Internationalismus der Herrschenden ablehnt, die sich allesamt hinter die USA und den Amerikanismus gestellt haben.
Ist nicht Europa ein Sonderfall, da es ja selbst imperialistisch ist? Ja, doch Europa ist hinsichtlich des globalen Kampfes gegen den US-geführten Imperialismus untergeordnet. Fällt dieser so sind alle imperialistischen Mächte gefährdet, weswegen die europäischen Bourgeoisien in der Substanz auf die USA angewiesen bleiben. Der imperialistische Charakter der europäischen Gesellschaft gibt dem Antiamerikanismus hier einen widersprüchlichen Charakter. Dass er fortschrittlich und letztlich antiimperialistisch wird, muss er eben mit sozialen und demokratischen Forderungen und vor allem mit der Unterstützung jeglichen antiimperialistischen Widerstands in der „Dritten Welt" verbunden werden. (…) Der Antiamerikanismus bleibt so lange bedeutungsvoll, solange die amerikanische Gesellschaft im Wesentlichen als einheitlicher Block erscheint und auch als solcher handelt. Wir unterstützen zwar mit ganzem Herzen die amerikanische Anti-Kriegsbewegung und vor allem die antiimperialistischen Kräfte in ihr, doch das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie keinen Einfluss auf den Gang der Ereignisse hat. Wenn allerdings, die amerikanische Gesellschaft tatsächlich von tiefen politisch-sozialen Gegensätzen, Klassenkämpfen zerrissen würde, wenn es zwei Amerikas gäbe, so wie während der Weimarer Republik die deutsche Gesellschaft da facto in zwei Teile gespalten war, erst dann könnte sich der Zugang ändern. Doch das ist nicht abzusehen.
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Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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