Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 7. bis 13. September 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Kapitalistisches System ehrt Indymedia

Washingtons perfide Strategie am Golf

 

Zitat der Woche:
"Wecken wir in der Raserei die Unwissenheit, welche uns die Wahrheit verbirgt, dass das Leben eine langwierige Krankheit ist."
- E.M. Cioran

Die Bundeszentrale für politische Bildung brachte es fertig, dem linksextremistischen Internetportal Indymedia.de eine Auszeichnung zu verleihen. Hierbei handelt es sich um den von der BpB mitgesponsorten poli-Award, den Indymedia als "beste Online-Initiative im Bereich Wissenschaft, Bildung und Kultur" erhielt. In der für die Preisverleihung sitzen BpB-Präsident Thomas Krüger und pikanterweise Brigitte Zypries, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Obwohl das Bundesinnenministerium und der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz Indymedia als linksextremistisch einstufen, bejubelt die Bundeszentrale das Portal nun auch noch in ihrer eigenen Jugendzeitschrift "fluter". Die beiden "indymedia.de"-Mitarbeiter, die den Preis Ende August entgegennahmen, schreiben über die Veranstaltung: "Dass wir diesen Preis sogar von Herrn Krüger verliehen bekommen haben, dessen Organisation dem Innenministerium untersteht, ist für uns sogar etwas ganz besonderes und ungewöhnliches. Während ihrer Arbeit auf der Straße sind AktivistInnen, die für indymedia berichten, in besonderem Masse polizeilicher Repression ausgesetzt." Sie erörterten offen, ob es gut gewesen sei, sich auf "einen solchen Diskurs mit der Macht einzulassen, um daraus eventuell taktische Vorteile zu schlagen, wenn es uns mal an den Kragen gehen sollte". Von Fundamentalopposition kann da wohl keine Rede sein, eher von einem unterschwelligen Hang zur Anbiederung bei den Mächtigen. Die "beste Online-Initiative im Bereich Wissenschaft, Bildung und Kultur" zeichnet sich durch unverhohlene Billigung von Gewaltanwendung gegenüber politisch Andersdenkenden aus und entwickelt sich immer weiter zum Tummelplatz halbgebildeter linker Sektierer, die über ihre Stellvertreterkriege zusehends den Hauptfeind aus den Augen zu verlieren drohen: Das kapitalistische Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftssystem.

 

Wegen Billigung der Terroranschläge vom 11. September ist der NPD-Anwalt Horst Mahler vom Amtsgericht Mainz zu einer Geldstrafe von 7 200 Euro verurteilt worden. Mahler, Prozessvertreter der Nationaldemokraten im Verbotsverfahren in Karlsruhe, hatte in einer Fernsehsendung den Attentätern seine Hochachtung ausgesprochen. Das Gericht sah den Tatbestand der Billigung von Morden und des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr erfüllt. Die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, wenn der öffentliche Friede gefährdet sei. Die USA haben die Anschläge vom 11. September nach Ansicht vieler Russen "verdient". Dies geht aus einer Umfrage des Forschungsinstituts Vtsiom unter 1 600 Russen hervor. 52 % bejahten die Frage, ob sie zustimmten, dass "die Amerikaner bekommen haben, was sie verdient haben, und nun wissen, wie sich die Menschen in Hiroshima, Nagasaki, Irak und Jugoslawien bei Angriffen gefühlt haben". Entsprechende Meinungsbilder werden übrigens aus den meisten Staaten der EU gemeldet, wo sich angesichts des hemmungslosen Imperialismus der USA immer größeres Unbehagen ausbreitet. Beispielsweise sind 55 % der Bundesbürger der Ansicht, die US-Außen- und Wirtschaftspolitik habe zu den Anschlägen des 11. September beigetragen. Mainz kriminalisiert die Ansichten von Millionen.

 

Im FPÖ-Machtkampf zwischen dem Regierungsflügel und Jörg Haider und bezog als erster Vizenationalratspräsident Thomas Prinzhorn Stellung für Haider und forderte Vizekanzlerin und Parteichefin Riess-Passer auf, die Basis über die politische Linie abstimmen zu lassen. Mehrere Hundert Parteifunktionäre sprachen sich danach für einen Sonderparteitag aus, der über den von Haider geforderten Vorrang einer Steuerreform vor neuen Rüstungsausgaben entscheiden soll. Nach einer Machtdemonstration des Haider-Flügels im steirischen Knittelfeld gab Riess-Passer sich geschlagen. Sie selbst, ihr Finanzminister Grasser, Verkehrsminister Reichhold und der Fraktionsvorsitzende Westenthaler gaben ihren Rückzug aus allen Regierungs- und Parteiämtern bekannt. Ein Sonderparteitag im Oktober wird über den neuen FPÖ-Vorsitzenden entscheiden, und der wird zweifellos Jörg Haider heißen, auch wenn der Kärntner Landeshauptmann sich derzeit noch zurückhaltend gibt. Es stellt sich die Frage, ob Haider nicht einen hohen Preis gezahlt hat, denn der österreichische Bundeskanzler Schüssel von der konservativen ÖVP erklärte die Regierung für gescheitert und kündigte Neuwahlen an.

 

In den Reihen der Provisional IRA wächst das Gewicht des radikalen Flügels gegenüber den bedingungslosen Anhängern des Karfreitagsabkommens um Gerry Adams und Martin McGuinness. Brian Keenan, einflußreicher Angehöriger des Army Council und mutmaßlicher Quartiermeister der IRA, setzte unlängst eine bedeutende organisatorische Änderung durch. Bislang konnten nur Einheiten ab 20 Köpfen einen Delegierten auf die Army Convention, gewissermaßen das Parlament der republikanischen Untergrundarmee, entsenden. Die Army Convention wählt die Mitglieder des Army Councils, der wiederum den Stabschef bestimmt. Keenan senkte diese Grenze nun auf 15 Köpfe ab, was das Gewicht der ländlichen Gebiete deutlich stärken wird – und gerade hier liegen die Hochburgen der Radikalen, die einer Entwaffnung strikt ablehnend gegenüberstehen. Ein Warnzeichen für Adams und McGuinness sollte die vehemente Ablehnung des von London vorgesehenen internationalen Beobacherstabes sein, der über die Einhaltung der Waffenruhe wachen soll. Hatte Sinn Féin sich noch vor einem Monat für die Beobachtermission ausgesprochen, so musste die Partei nun zurückrudern und sich dem Votum der Hardliner beugen.

 

Sinn Féin schlägt sich trotz allen Propagandabrimboriums um die Nichtbeteiligung am Policing Board, der von den nordirischen Parteien zu beschickenden Polizei-Aufsichtsbehörde offenbar doch auf die Seite der britischen Besatzungsmacht. Mehrere Kommunalpolitiker und Stormont-Abgeordnete der Partei klagten, die Polizei versage bei der Bekämpfung der republikanischen Hardliner von der Real IRA in South Down. In den Augen Sinn Féins üben sich die Sicherheitskräfte in bewusstem Nichthandeln, um die Spaltung der republikanischen Bewegung voranzutreiben und diese zu schwächen. In Downpatrick kam es bezeichnenderweise bei einer Razzia der Polizei zu Schießereien mit RIRA-Paramilitärs. In der eher ländlichen Region South Down ist die Arbeit der britischen Kolonialpolizei mit erheblichen Problemen verbunden: Die Bevölkerung ist mehrheitlich katholisch, und der PSNI besitzt hier keinerlei Akzeptanz.

 

In Newtownards wurde Stephan Warnock, ranghoher Paramilitär der Loyalist Volunteer Force, Opfer eines Mordanschlages. Warnock wurde von einem unbekannten Motorradfahrer auf offener Straße erschossen. Die Polizei ermittelte zunächst in Richtung Organisierte Kriminalität, da der Ermordete – wie für LVF-Angehörige nicht ungewöhnlich - in den Drogenhandel verwickelt war. Möglich ist auch eine Abrechnung innerhalb der zur Zeit von massiven internen Machtkämpfen heimgesuchten LVF bzw. ein Attentat der rivalisierenden Ulster Volunteer Force. Mittlerweile berichten die britischen Medien jedoch, der Mord an Warnock sei eine deutliche Warnung an den UDA-Hardliner Johnny Adair, sich dem zurückhaltenderen Kurs der Führung zu beugen, die an einem erneuten Aufflammen des offenen Bürgerkrieges keinerlei Interesse hat und eher auf ihre schleichenden ethnischen Säuberungen durch Terror und Straßengewalt setzt. Diese Version wurde wenig später auch von der LVF selbst bestätigt, nach deren Angaben der Mörder in den Reihen der UDA zu suchen ist. Kurz zuvor scheiterte ein Mordanschlag auf Davy Mahood, ein Führungsmitglied der Ulster Defence Association, infolge einer Ladehemmung. Die UDA geht davon aus, dass der Mordversuch von der INLA verübt wurde, um die Auseinandersetzungen in North Belfast anzuheizen. Angesichts der zu erwartenden Gegenreaktion der UDA versuchte die Provisional IRA, mit einer eindeutigen Distanzierung die Wogen zu glätten. Allerdings wiesen die Provisionals darauf hin, dass der Mordversuch durchaus von Rivalen im loyalistischen Lager verübt worden sein könnte – vor zwei Jahren lieferten sich die UDA und die UVF einen blutigen Schlagabtausch mit 7 Toten.

 

Versuchen wir einmal, die verworrene Lage bei den nordirischen Loyalisten darzustellen. Die UDA als größte protestantische und nordirische Untergrundorganisation steht dem Karfreitagsabkommen ablehnend gegenüber, da es keinerlei Vorteile für die protestantischen Unterschichten bringe. Seit geraumer Zeit terrorisieren UDA-Paramilitärs die katholische Bevölkerung in bestimmten Regionen, um ein weiteres Vordringen der ökonomisch, kulturell und demographisch expandierenden Katholiken, beispielsweise nach East Belfast, zu verhindern. Ob die Anfang der 90er Jahre entwickelten Konzepte zum Aufbau eines ethnisch von Katholiken gesäuberten Rumpf-Nordirland hierbei eine Rolle spielen, entzieht sich der Kenntnis des Verfassers. Das Nordirlandministerium erklärte den 1994 von der UDA ausgerufenen Waffenstillstand mittlerweile für nichtig, aber die Führung der Untergrundarmee schreckt noch immer vor einer offenen Wiederaufnahme der militärischen Operationen zurück. Hiergegen formiert sich der Widerstand des radikalen Flügels, wobei der unlängst aus dem Gefängnis entlassene Johnny "Mad Dog" Adair eine Rolle im Hintergrund zu spielen scheint. Die UDA-Hardliner wiederum arbeiten eng mit der Loyalist Volunteer Force zusammen bzw. wandern teilweise zu dieser ab. Die LVF konnte sich in den vergangenen Monaten unter Rückgriff auf ihre Gewinne aus dem Drogenhandel in Osteuropa mit neuen Waffen eindecken und erkennt das Karfreitagsabkommen rundweg nicht an. Innerhalb der LVF scheint es wiederum interne Machtkämpfe um die Führung zu geben. Als aggressivste loyalistische Untergrundorganisation spaltete die LVF sich 1996 von der Ulster Volunteer Force ab. Die UVF hält ihren Waffenstillstand mehr oder weniger ein und ist bemüht, mittels ihres politischen Flügels, der Progressive Unionist Party, konstruktiv in der Politik mitzuarbeiten. Sie entstand Mitte der 60er Jahre, verlor aber ihre Führungsrolle im loyalistischen Lager an die UDA und lieferte sich mit dieser mehrfach blutige Machtkämpfe.

 

US-Präsident George Bush Jr. präsentierte sich vor der UN-Vollversammlung als unnachgiebiger Kriegsherr gegenüber dem Irak. Washington forderte die irakische Regierung offen zur Abrüstung und zur Wiederzulassung der mit westlichen Spionen infiltrierten UN-Inspektionsmission auf – im Weigerungsfall behalten die USA sich militärische Schritte vor. Zudem bekräftigten die USA ihr Ziel, im Irak eine neue Ordnung zu schaffen. Bush hat in der Irak-Frage zu lavieren, denn ein unprovozierter Überfall auf den Irak genießt weltweit wenig Sympathien. Auf der anderen Seite steht der Präsident einer einflussreichen Gruppe von Falken gegenüber. Diese besteht nicht nur aus den von Bush zusammengeklaubten übelsten Gestalten der amerikanischen Außenpolitik seit Anfang der 80er Jahre, sondern auch aus Teilen des Kongresses. Den Falken wäre es offensichtlich am liebsten, wenn man in einem Aufwasch auch noch gegen Syrien, den Iran und Saudi-Arabien vorgehen würde. Gegenwärtig wehrt der Präsident sich erbittert gegen Versuche, den wirtschaftlich vermehrt mit dem Irak zusammenarbeitenden Syrern Sanktionen aufzuerlegen. Bush wiederholte seine bislang unbewiesenen Vorwürfe, Bagdad unterstütze Kontakte zu islamistischen Terroristen (was angesichts der ideologischen Ausrichtung der im Irak herrschenden Baath-Partei unwahrscheinlich scheint) und arbeite weiterhin an Massenvernichtungswaffen bis hin zur Atombombe. Am beängstigenden eigenen Zerstörungspotential der US-Militärmaschinerie stößt er sich offenbar nicht. Um den Radikalinskis in Regierung, Militär und Parlament den Wind aus den Segeln zu nehmen, erklärte der US-Präsident sich jedoch bereit, hierbei mit dem UN-Sicherheitsrat zusammenzuarbeiten. Diese wurde beinahe ebenso massiv wie der Irak aufgefordert, den amerikanischen Vorstellungen nachzukommen und Bagdad per Resolution ein Ultimatum zu stellen. UN-Generalsekretär Annan schrieb Bush ins Stammbuch, dass ein unprovozierter Angriff auf den Irak ohne einen entsprechenden UN-Beschluss keinerlei Legitimation besitze. Umgekehrt drängte Annan aber auch den Irak, seinen Pflichten nachzukommen und die Massenvernichtungswaffen aufzugeben. Bagdad verstoße mit seinen Rüstungsplänen laufend gegen völkerrechtlich verbindliche Resolutionen. Das Völkerrecht entlarvt sich wieder einmal als eine reine Frage der Machtverhältnisse: Israel beispielsweise ignoriert "völkerrechtlich verbindliche Resolutionen" seit Jahrzehnten im Dutzend. Den UN-Funktionären dürfte auch klar sein, dass ihre Organisation im Falle eines amerikanischen Alleingangs am Golf als bedeutungslos dastehen würde. Verklausuliert unterwarf Annan sich Washington: Um nicht die eigene Existenzberechtigung zu verlieren, bieten die Vereinten Nationen dem westlichen Imperialismus ihre Dienste an.

 

Washington setzt in der Irakfrage auf eine perfide neue Strategie: Nun wird suggeriert, dass es vorrangiges Ziel der USA sei, gemeinsam mit ihren Verbündeten in Europa und unter den islamischen Staaten die Wiederaufnahme der UNO-Kontrollen durchzusetzen. Dabei lockt die Bush-Regierung mit dem Angebot, dass sie unter Umständen bereit sei, ihre Pläne für einen Krieg im Alleingang gegen Irak fallenzulassen, wenn sich die bisher widerspenstigen Verbündeten dem neuen, von Washington entworfenen Regime von "extrem aggressiven" Zwangsinspektionen gegen Irak anschließen würden. Diese Kontrollen sollten, so US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, nach dem Prinzip "any time – any place" durchgeführt werden, um die garantiert nicht zur Preisgabe der nationalen Souveränität bereite Regierung in Bagdad wie schon 1998 zum Hinauswurf der Inspekteure zu provozieren. Eine Ausweisung wäre der casus belli für Washington. Bagdad und den an einer vernünftigen Regelung des Problems interessierten Vereinten Nationen bleibt angesichts der unverhohlenen Aggressivität der Amerikaner nur der Ausweg, sich im voraus über die technischen Modalitäten der Inspektionen zu einigen. Genau diese Versuche werden jedoch seit Wochen von Washington blockiert, das an einer einvernehmlichen Lösung kaum Interesse zeigt.

 

Noch vor seinem Ultimatum an den Irak und an die UNO versicherte Bush sich der Rückendeckung Großbritanniens, traditionell der Brückenkopf Washingtons innerhalb der EU. Deren Ablehnung militärischer Maßnahmen gegen den Irak bröckelt zusehends ab. Bundesaußenminister Joseph Fischer begrüßt offenbar einen "sauberen Krieg" auf Beschluss des UN-Sicherheitsrates, denn er forderte Bagdad auf, die UN-Inspektionen wieder zuzulassen und die Resolutionen einzuhalten. Aus Militärkreisen wächst der Druck auf Schröder und Fischer: General Harald Kujat als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses erklärte nach einer Geheimsitzung seines Gremiums den Einsatz von Militär als Mittel zur Lösung der Irak-Frage. Kujat äußerte ferner, die NATO habe keinerlei Kriegspläne gegen Bagdad in der Schublade, wollte einen zukünftigen Angriff aber nicht ausschließen. Da Frankreich und Spanien gemeinsam mit Großbritannien ihre Interessen auf EU-Ebene durchsetzten, unterstützen die Europäer Bushs heimtückisches Spiel, den UN-Sicherheitsrat ein Ultimatum an Bagdad stellen zu lassen. In einer Erklärung zum Jahrestag des 11. September bekräftigten die EU und die NATO (inclusive der 13 osteuropäischen Beitrittskandidaten) die transatlantischen Gemeinsamkeiten und ihre Solidarität im "Kampf gegen den Terror". Das pseudopazifistische Wahlkampfgedöns der Schröder und Fischer wird offenkundig, wenn Gernot Erler als außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion (zudem Vizefraktionsvorsitzender und ironischerweise Mitglied der "Freiburger Friedenswoche") darauf hinweist, die Bundesregierung habe "immer nur eine Beteiligung an einem Angriffskrieg gegen den Irak ausgeschlossen. Wenn aber die Vereinten Nationen eine Drohkulisse gegen den Irak aufbauen, um UN-Waffeninspektionen zu erzwingen, wird sich Deutschland daran beteiligen." Karsten Voigt als Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen mit Mitglied der Loge Atlantikbrücke geht offenherzig davon aus, man könne das Verhältnis zu den USA nach der Bundestagswahl reparieren. Schröder hat zudem Bush in einem persönlichen Schreiben die "uneingeschränkte Solidarität" Berlins zugesichert. Womöglich steht der BRD der größte Wahlbetrug ihrer Geschichte ins Haus.

 

Bei den amerikanischen Vorwürfen handelt es sich eher um Vorwände, um die Hand auf die Erdölvorkommen am Persischen Golf zu legen. Der ehemalige UN-Waffeninspekteur Scott Ritter erklärte: "Die Wahrheit ist, dass Irak keine Bedrohung für seine Nachbarn darstellt und nicht auf eine Art und Weise handelt, die irgendjemand außerhalb seiner Grenzen gefährdet. Eine Militäraktion gegen Irak kann nicht gerechtfertigt werden." Auch dem kritischen Ritter erscheint jedoch ein Nachgeben Bagdads als einziges Mittel, um einen Krieg zu verhindern. Hans Blix, Leiter der seit Ende 1998 arbeitslosen UN-Waffeninspektoren geht ebenfalls nicht davon aus, dass Bagdad im Besitz einsatzfähiger Massenvernichtungswaffen ist. Hierfür gebe es keinen einzigen stichhaltigen Beweis. Sollte der Irak kooperieren, könne das schon innerhalb eines Jahres eine Aufhebung der seit mehr als 10 Jahren andauernden Wirtschaftssanktionen bewirken.

 

Die Ökologisch-Demokratische Partei ÖDP klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das neue Parteiengesetz. Per Organklage soll diese verschärfte Neuregelung angefochten werden. Das neue Parteiengesetz benachteiligt kleinere und regionale Parteien, denn fortan müssen Parteien bei mindestens drei Landtagswahlen mehr als 1 % der Stimmen erhalten, um von der Parteienfinanzierung zu profitieren.

 

Nach 7 Jahren ständiger Steigerung (1994 bis 2001) ist im laufenden Jahr Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHT zufolge die Anzahl der Lehrstellen deutlich hinter den Vorjahresstand zurückgefallen. Im August 2002 wurde dieser Rückgang mit 7,4 % beziffert. In den alten Bundesländern liegt der Lehrstellenschwund sogar bei 8,1 %. Ein zweistelliges Minus melden 26 IHK-Bezirke, und nur in 12 Bezirken ist ein leichter Zuwachs zu verzeichnen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte im Jahr 1980, das ein auswahlfähiges Lehrstellenangebot 12,5 % mehr Stellenangebote als Bewerber aufweisen muss – damit fehlen bundesweit 210.000 Ausbildungsplätze. Kein Wunder, dass nach einer Umfrage von 1999 bundesweit 62 % aller Jugendlichen um ihre wirtschaftliche Zukunft und um ihren Arbeitsplatz zittern. 77 % befürchten, ihren eigenen ökonomischen Standard nicht halten zu können, und gar 84 % beurteilen die Wirtschaftslage negativ.

 

Die spanische Regierung und Generalstaatsanwalt Jesús Cardenal haben beim Obersten Gerichtshof den Antrag gestellt, die linksnationalistische Baskenpartei Batasuna als verlängerten Arm der Untergrundarmee ETA zu verbieten. In den letzten Wochen wurden im Baskenland 15-20 Jugendliche aus dem militanten Sympathisantenumfeld der ETA von der Guardia Civil verhaftet. Während nur zwei Personen wieder freigelassen wurden, sitzt der Rest bereits in U-Haft oder weiterhin in Polizeigewahrsam. Sieben der Festgenommenen wurden von der Guardia Civil gefoltert. Halten wir fest: Derartige Vorkommnisse sind im Folterstaat Spanien nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In den nächsten Monaten stehen Massenprozesse gegen das jugendliche ETA-Umfeld an – gegen mehr als 500 Personen, von denen jede 10. bereits im Gefängnis sitzt. Das Strafmaß dürfte bei 10 bis 20 Jahren Haft für jeden verurteilten Angeklagten liegen.

 

Mit 23.000 Polizisten auf 2,8 Millionen Einwohner weist das Baskenland die höchste Polizeidichte in ganz Europa auf. In französischen und spanischen Gefängnissen sitzen 600 baskische Nationalisten als Gefangene ein, und mehr als 2000 Personen sind als politische Flüchtlinge untergetaucht, emigriert oder wurden von den beiden Besatzungsmächten ausgewiesen. Zwischen 1976 und 2000 wurden mehr als 15.000 Basken aus politischen Gründen verhaftet, jeder dritte Inhaftierte wurde dabei gefoltert. Die spanischen Sicherheitskräfte ermordeten 119 Personen, weitere 67 Morde gehen auf das Konto von Geheimdiensten und spanischen Rechtsextremisten. In spanischen und französischen Gefängnissen fanden 11 Personen den Tod, weitere 7 im Polizeigewahrsam. Zudem gelten 5 Personen als "verschwunden". Alleine im Jahr 2000 gab es bei 698 Festnahmen 77 Fälle von Folterungen, für 2001 lauten die Zahlen auf 722 Festnahmen und 95 Folterfälle.

 

Das Bundesverteidigungsministerium bestätigte Meldungen, nach denen Militärs der BRD und der Niederlande über eine gemeinsame Übernahme der Führung der UN-Protektoratstruppe ISAF in Afghanistan verhandeln. Angedacht ist es, das gegenwärtig bestehende türkische ISAF-Oberkommando durch den Stab des I. Deutsch-Niederländischen Armeekorps abzulösen – der Verdacht, Berlin und Den Haag würden sich mit dem Gedanken einer Truppenverstärkung tragen, liegt nahe. In Afghanistan haben die Amerikaner sich bekanntlich wie der Elefant im Porzellanladen aufgeführt, so dass der afghanische Staatspräsident Hamid Karsai mittlerweile auf eine amerikanische Leibgarde angewiesen ist. Eine Allianz aus Islamisten, versprengten Taliban und dem paschtunischen Warlord Hektmatyar formiert sich, um die ungeliebten Kollaborateure in Kabul aus dem Land zu jagen, was sich in zunehmender Gefechts- und Terrortätigkeit manifestiert. Die Zentralregierung, deren direkter Machtbereich sich auf Kabul und vielleicht noch die alten Nordallianz-Gebiete beschränkt, ist um eine Ausweitung der Kontrolle auf andere Landesteile bemüht und fordert seit geraumer Zeit eine Verstärkung von ISAF. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes zeigte sich, dass die USA keinerlei brauchbares Konzept für die Zeit danach vorliegen hatten. Zwar ist Karsai ein Mann der nordamerikanischen Energiekonzerne, aber die Punkte sammelten andere: Die BRD konnte Infrastrukturaufträge für Siemens verbuchen und bildet zudem Polizeieinheiten aus, und Russland bekam den Zuschlag für die Bestandsaufnahme und künftige Ausbeutung der afghanischen Erdöl- und Erdgasvorkommen. Moskau liefert der im Aufbau befindlichen Armee der Zentralregierung, also faktisch den alten tadschikischen und usbekischen Nordallianz-Verbänden, Waffen und Material und bildet deren Offiziere aus. Auf diesem Sektor dürften die Russen alsbald der "internationalen Gemeinschaft" ins Gehege kommen, denn auch die Amerikaner stellen afghanische Einheiten auf. Während der tadschikische Verteidigungsminister Mohammed Fahim (mit seinem Rivalen, dem Usbekenführer und Vizeverteidigungsminister Rashid Dostum im Genick) den Aufbau einer Armee von 200.000 Mann plant, will der Westen ihm nur 80.000 zugestehen – die russische Hilfe kommt also wie gerufen.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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