Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 19. bis 25. Oktober 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

USA stellen der BRD Bedingungen

Iren stimmen Nizza-Vertrag zu

 

Zitat der Woche:
"Warum Perlen vor die Säue werfen? Unsere Gegner sind Schweine, und so behandeln wir sie!"
- Gabriele d`Annunzio

 

Informationen der FAZ zufolge stellt die Bush-Administration der BRD eine Reihe von Bedingungen als Voraussetzung für eine Verbesserung der derzeit angespannten Beziehungen. Gemeint sind vor allem eine weniger pazifistische Haltung zur Irak-Frage auf dem anstehenden Prager NATO-Gipfel, die Beteiligung an einer weltweit einsetzbaren NATO-Interventionstruppe (21.000 Elitesoldaten) und Unterstützung des von der Türkei angestrebten und von Washington nachdrücklich befürworteten EU-Beitritts. Außerdem erwart die US-Regierung, dass sich Berlin im Fall eines Angriffskrieges gegen den Irak nicht gegen eine Unterstützung der amerikanischen Truppen durch die Nato stellt und die Nutzung der militärischen Infrastruktur nicht blockiert. Kaum wurden die inoffiziellen Wünsche Washingtons an die Adresse der rosa-grünen Wahlbetrüger bekannt, setzten sich Fischer und Schröder im Gegensatz zur Haltung der EU-Mehrheit dafür ein, der Türkei einen konkreten Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu nennen – das erste Anzeichen für eine Unterordnung des neudeutschen Imperialismus unter die US-Weltpolitik? Zu den Fürsprechern eines genauen Verhandlungsfahrplans gehört bezeichnenderweise auch Washingtons getreuer Vasall Tony Blair in London.

 

Infolge chaotischer Zustände bei der aus dem Boden gestampften rechtspopulistischen LPF zerbrach die niederländische Regierung. Die Christdemokraten von Ministerpräsident Balkenende und die liberale VVD kündigten die Zusammenarbeit mit ihrem Koalitionspartner auf. Interne Machtkämpfe der heterogenen LPF machten eine geordnete Regierungsarbeit nahezu unmöglich – der Parteichef, der Fraktionsvorsitzende, der Wirtschaftsminister und der Gesundheitsminister stellten ihre Ämter zur Verfügung, und mehrere Abgeordnete kehrten der LPF-Fraktion den Rücken. Im Rahmen einer Parteispaltung rief der bisherige Wirtschaftsminister Heinsbroek die Liste Neue Politik als Konkurrenzunternehmen ins Leben. Die Zeichen stehen nun auf baldige Neuwahlen nach einer Regierungsdauer von nur 87 Tagen.

 

Nicht unerwartet stellten sich die nordirischen Einheiten der Real IRA gegen die Forderung der Gruppe um den inhaftierten Michael McKevitt, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen. Die Untergrundkämpfer erklärten alle Gerüchte um eine Selbstauflösung für Unfug und bekräftigten die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes bis zum Abzug der britischen Kolonialmacht. Man sprach McKevitts Fraktion das Recht ab, für die Gesamtorganisation zu sprechen. In einem Pressestatement forderte die Real IRA alle Zivilisten auf, sich von militärischen Einrichtungen fernzuhalten und Angehörige der britischen Regierungstruppen zu meiden. Die Anwesenheit von Zivilisten habe bereits den Abbruch mehrerer geplanter Operationen gegen militärische Ziele erzwungen. Von nun an betrete jede Zivilperson eine militärische Einrichtung auf eigene Gefahr. Zur Bekräftigung verübte die Gruppe einen Nagelbombenanschlag auf die Polizeistation von Castlederg/Tyrone. In Belfast meldete sich die Continuity IRA zu Wort und löste mit falschen Bombenwarnungen ein Verkehrschaos aus – eine unter den republikanischen Hardlinern beliebte Methode, mit wenig Aufwang großen volkswirtschaftlichen Schaden anzurichten.

 

Angesichts der vom britischen Premier Blair und dem neuen Nordirlandminister Murphy vorgebrachten Forderung nach Selbstauflösung der im Waffenstillstand befindlichen Provisional IRA brach deren Army Council jeglichen Kontakt zur Entwaffnungskommission ab und forderte stattdessen die Briten auf, ihren aus dem Karfreitagsabkommen resultierenden Verpflichtungen zur Entmilitarisierung Nordirlands nachzukommen. Die PIRA als größte republikanische Untergrundorganisation erklärte, sie werde den unrealistischen Forderungen Londons nicht nachkommen.

 

Die zweite Volksabstimmung über den neuen EU-Vertrag von Nizza endete mit einem deutlichen Erfolg des Regierungslagers. Mit Schwerpunkt in den Städten stimmten 62,89 % dem Nizza-Vertrag und der EU-Osterweiterung zu, während 37,11 % mit Nein stimmten. Alle 42 Bezirke nahmen das Abkommen an – bei der ersten Abstimmung im Vorjahr waren es nur 2. Im Juni 2001 hatten die Iren den Vertrag mit 54 gegen 46 Prozent %, wodurch die EU-Reform und die Osterweiterung blockiert waren – alle 15 Mitgliedsstaaten müssen das Paket ratifizieren. Die Wahlbeteiligung lag diesmal mit 48,45 % deutlich höher. Nach der eher lustlosen Kampagne im vergangenen Jahr hat die regierende Fianna Fail diesmal alle Kräfte mobilisiert und investierte statt 80.000 Euro eine halbe Million in die Propagandaschlacht. Das Lager der EU-Gegner setzte sich vor allem aus Grünen, Sozialisten, Globalisierungsgegnern, der republikanischen Sinn Féin und konservativen Gruppen zusammen. Sie argumentierten, Irland verliere durch Nizza seine militärische Neutralität und Souveränität und müsse Abtreibungen legalisieren. Zudem kritisierten sie die erneute Abstimmung über einen ungeänderten Vertrag als undemokratisch.

 

Der Machtkampf innerhalb der FDP weitete sich zum neuen Parteispendenskandal aus. Jürgen Möllemann kassierte von unbekannten Spendern mindestens 838.000 Euro Wahlkampfgelder und musste daraufhin seinen Hut als Vorsitzender des Landesverbands Nordrhein-Westfalen und der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktion nehmen. Da der korrupte Populist sich weigerte, die Namen der Spender zu nennen, reichte die Bundespartei Auskunftsklage ein. Die Konsequenzen können bis zur Beugehaft gegen Möllemann reichen. Angedacht ist auch der Ausschluss des Parteirebellen aus der Bundestagsfraktion. Dieser behielt jedoch sein Bundestagsmandat, was Spekulationen um die Gründung einer Möllemann-Partei weitere Nahrung gab. Peinlicherweise stellte sich mittlerweile heraus, dass – für Kenner nicht überraschend – weite Kreise der nordrhein-westfälischen Parteiführung und wohl auch Westerwelle vorab über Möllemanns antizionistische Flugblattaktion unterrichtet wurden. Die zwiespältige Haltung des Bundesvorstandes gegenüber der Antisemitismusdebatte provozierte nunmehr den Austritt des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Jungnickel, der nun als Fraktionsloser "sozial-liberale" Positionen wahrnehmen will und das Regierungslager stärkt.

 

Die Bundesregierung plant im Sparpaket des neuen Wirtschaftsdiktators Wolfgang Clement drastische Einschnitte bei den Sozialleistungen. Die Bezugsdauer für Arbeitslosenhilfe soll auf 4 Jahre begrenzt werden, danach überantwortet die Bundesanstalt für Arbeit die Langzeiterwerbslosen der kommunalen Sozialhilfe, die von den Gemeinden und Städten ohnehin kaum noch finanziert werden kann. Weitere Einsparungen sind vorgesehen durch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bei der Arbeitslosenversicherung, durch die Änderung der Anrechnungsvorschriften in der Arbeitslosenversicherung, durch die Kürzung beim Unterhaltsgeld sowie durch die Absenkung der Bemessungsgrundlage bei der Krankenversicherung. Angaben des SPIEGEL zufolge soll das Arbeitslosengeld für Arbeitsuchende mit Kindern von derzeit maximal 67 % auf 60 % des letzten Nettolohns gekürzt werden. Statt wie bisher 7 % Prozent Differenz zahlen die Arbeitsämter künftig eine Pauschale von 35 Euro im Monat. Zudem sollten Erwerbslose, die eine Umschulung besuchen, künftig weniger lange Arbeitslosengeld bekommen als bisher. Wer Arbeitslosenhilfe beziehe, erhalte bei einer Fortbildung statt bisher maximal 67 % des letzten Nettolohns nur noch bis zu 57 %. Das Arbeitslosengeld soll außerdem nicht mehr jährlich an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst werden. Die Umsetzung des Hartz-Konzeptes soll Einsparungen im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit von 1,85 Milliarden Euro erzielen. Beim Etatposten Arbeitslosenhilfe sollen 450 Millionen Euro eingespart werden.

 

Die BILD-Zeitung wusste zu berichten, dass Bundesinnenminister Schily seine Pläne zur Errichtung einer bundeseigenen Polizeimacht mit der Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei krönen will. Zudem beabsichtigt das Bundesinnenministerium, im Rahmen einer Polizeireform BGS und Teile des Bundeskriminalamtes zu einem bundesdeutschen FBI zusammenfassen will. Der Innenminister stellte dieser Tage auch die Leistungsbilanz der "Sondereinheiten des Innenministeriums" für 2000 und 2001 vor. Lassen wir den Bericht für sich sprechen: "Die personellen und materiellen Ressourcen des BGS wurden an die gewandelten Rahmenbedingungen angepasst. Trotz der schwierigen Haushaltssituation haben wir die finanziellen Mittel für den BGS im Jahr 2001 gegenüber dem Vorjahr um 4,2 % auf 1.706,4 Millionen Euro erhöht, denn bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit dürfen keine Abstriche gemacht werden.
In den vergangenen zwei Jahren konnten rund 8.100 Bedienstete im BGS befördert werden. Das ist ein wichtiger Schritt bei der Anpassung der Bezahlung der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten des Bundesgrenzschutzes an die der Länderpolizeien. Mit unserem Attraktivitätsprogramm II werden wir diese Bemühungen fortsetzen. Über das "Anti-Terror-Paket" ist die Aufstockung des BGS um 1.450 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte vorgesehen. Die dazu notwendigen Schritte für die Einstellungen von Anwärtern sowie Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung sind eingeleitet. (...) Auch die seit 1998 erweiterte Befugnis zur verdachtsunabhängigen aber lageabhängigen Identitätsfeststellung durch den Bundesgrenzschutz hat die polizeiliche Arbeit spürbar verbessert. Bei jeweils rund 1 Million durchgeführten Kontrollen nach der gesetzlich erweiterten Befugnisnorm wurden in 2001 rund 79.500 und in 2000 rund 58.000 Personenfahndungserfolge erzielt. (...) Die bahnpolizeilichen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes erstrecken sich auf ein 38.000 km langes Streckennetz mit rund 6.000 Bahnhöfen und Haltepunkten sowie über 30.000 Zügen. (...) Luftsicherheitsaufgaben nimmt der Bundesgrenzschutz seit April 2000 nunmehr auch in Nordrhein-Westfalen auf den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn wahr, und damit auf insgesamt 15 deutschen Großflughäfen. (...) Die Neuorganisation des Bundesgrenzschutzes mit einer Vielzahl organisatorischer, personalwirtschaftlicher und infrastruktureller Maßnahmen konnte Ende 2001 in allen wesentlichen Teilen erfolgreich abgeschlossen werden. Die neue Organisation setzt die Zielvorstellungen des BGS-Gesetzes, die innere Sicherheit vor dem Hintergrund der neuen Rahmenbedingungen und der veränderten Kriminalitätslage zu stärken, konsequent um. Zugleich versetzt sie den Bundesgrenzschutz durch die Verlagerung seiner Aufgabenschwerpunkte auf den polizeilichen Einzeldienst mit entsprechender Anpassung von Organisation und Personalausstattung in die Lage, seine Aufgaben noch wirkungsvoller wahrzunehmen. 9.500 Beschäftigte (8.000 Polizeivollzugesbeamte und 1.500 Verwaltungspersonal) waren direkt oder indirekt von den Veränderungen der BGS-Neuorganisation betroffen. Gemessen an der Größe der Organisation und der zeitgleich ständig zu erfüllenden Aufgaben konnte die personelle Umsetzung der BGS-Neuorganisation sozialverträglich zum Abschluss gebracht werden. (...) Die Modernisierung der Führungs- und Einsatzmittel wurde in 2000/2001 fortgesetzt:
Bei den leichten Transporthubschraubern (EC 155) ist die erste Beschaffungsrate mit insgesamt 13 Hubschraubern abgeschlossen; bei den Verbindungs- und Beobachtungshubschraubern wurde in 2001 der erste neue Hubschrauber (EC 155) in Dienst gestellt; als Weltneuheit konnte der BGS-Flugdienst das von ihm maßgeblich mitentwickelte und zur Zeit erprobte Hinderniswarnsystem HELLAS präsentieren.
Die Beschaffung von drei hochseetüchtigen Patrouillenbooten ist mit dem Baubeginn des ersten Bootes eingeleitet; es soll noch in 2002 seinen Einsatzbetrieb aufnehmen.
Auch bei den Kraftfahrzeugen konnte die Fahrzeugflotte des Bundesgrenzschutzes durch Neu- und Ersatzbeschaffungen von 1.420 Fahrzeugen verschiedener Typen weiter den veränderten Einsatzerfordernissen angepasst werden.
Zum persönlichen Schutz der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten im Einsatz wurden in 2001 insgesamt 8.200 Schutzwesten beschafft; bis 2003 werden rund 25.000 Vollzugskräfte des Bundesgrenzschutzes mit einer ballistischen Schutzweste ausgestattet sein.
Zur Erschließung neuer Kommunikationsmittel wurde die Zahl der Arbeitsplatzcomputer auf 11.200 Stück erhöht, ein neues Kommunikationsnetz eingerichtet und der Bundesgrenzschutz an den Informationsverbund Bonn-Berlin (IVBB) und an das Extranet der Polizeien des Bundes und der Länder angeschlossen. (...)
Rund 38.600 Beschäftigte erfüllen die umfangreichen und vielseitigen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes. Mit rund 30.000 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten verfügt der Bundesgrenzschutz über seine aktuelle Einsatzstärke. Weitere Personalverstärkungen um 1.450 Polizeivollzugsbeamte sind im Rahmen der Ende 2001 beschlossenen Maßnahmen zur verstärkten Bekämpfung des Terrorismus vorgesehen. Die dazu notwendigen Schritte (erhöhte
Einstellungen von Anwärtern sowie anderer Maßnahmen der Nachwuchsgewinnung) sind eingeleitet. Daneben stehen dem Bundesgrenzschutz für die polizeilichen Aufgaben an der Grenze und in der Luftsicherheit rund 2.400 Angestellte zur Verfügung. 6.000 Mitarbeiter sind in der Verwaltung und in vielschichtigen Servicebereichen tätig.
"

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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