Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 2. bis 8. November 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

UN-Ultimatum an Irak

Kürzungen im sozialen Bereich geplant

 

Zitat der Woche:
"Die Revolution hat keinen Anfang und kein Ende, sie ist kein Krieg, und ihre Soldaten dürfen nicht von ihren Siegen profitieren. Sie ist etwas Fortschreitendes, eine Botschaft an das Leben, und der Mensch ist nur der Träger ihrer Botschaft."
- Saddam Hussein

 

Nach zähen Verhandlungen zwischen den Ständigen Mitgliedern verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine neue Irak-Resolution, die einstimmig angenommen wurde. Auch Syrien als einziges arabisches Land um Sicherheitsrat billigte das Ultimatum an den Irak. Somit bleibt Bagdad eine Frist bis zum 15. November, um bedingungslos in neue Waffeninspektionen einzuwilligen. Bis zum 8. Dezember hat der Irak den Inspekteuren und dem Sicherheitsrat eine vollzählige Aufzählung aller Aspekte über seine atomare, biologischen und chemische Aufrüstung vorzulegen. Die Inspektionsmission UNMOVIC hat bis zum 23. Dezember Zeit, um ihre Tätigkeit vor Ort aufzunehmen. Innerhalb von 60 Tagen muss die Mission dem Sicherheitsrat einen Bericht vorzulegen. Jegliche Behinderung ist dem Sicherheitsrat unverzüglich zu melden, und für diesen Fall behalten sich die USA eine militärische Operation gegen den Irak vor. Sollte es dem Westen gelingen, Bagdad durch aggressive Inspektionen zu provozieren, besitzt Washington mehr oder weniger einen Freifahrtschein für seinen Angriffskrieg am Golf.

 

Im Persischen Golf und im östlichen Mittelmeer ziehen die Amerikaner derzeit 5 Marinekampfgruppen zusammen. Kernstück der beachtlichen Streitmacht sind Flugzeugträger. Zur Zeit befindet sich bereits die "Abraham Lincoln" vor Ort. Von der US-Westküste ist die "Constellation" im Anmarsch, der die "Nimitz" und die "Harry S. Truman" folgen sollen. Aus Japan ist die "Kitty Hawk" unterwegs. Der Flottenaufmarsch soll spätestens Anfang Januar abgeschlossen sein. In den USA selbst wird mit der Mobilisierung von bis zu 265.000 Reservisten für Aufgaben des Heimat- und Objektschutzes gerechnet, um Kampfeinheiten für den Nahen Osten freizumachen. Mit Billigung der rosa-grünen Bundesregierung dürfte zudem die Verlegung der 1. Infanteriedivision und der 1. Panzerdivision von ihren bundesdeutschen Standorten an den Golf anlaufen. Aus der BRD kommen auch Einheiten mit Apache-Hubschraubern. Durch die beinahe täglich eintreffenden Bodentruppen, Kriegsschiffe und Spezialeinheiten ist die Zahl der US-Soldaten in der Golfregion bereits auf 50-70.000 angestiegen. Auf Patrouillenflügen in der südirakischen Flugverbotszone simulieren die anglo-amerikanischen Piloten bereits Angriffe mit Bomben und Raketen.

 

Nach dem Ausscheiden der Arbeitspartei aus der israelischen Regierung droht die Bildung eines rein klerikal-faschistischen Kabinetts um Sharon. Rückt deutlich weiter nach rechts, dokumentiert durch die Ernennung des als Hardliner berüchtigten ex-Generalstabschefs Schaul Mofas zum Verteidigungs- und des Likud-Rechtsaußen und über Korruptionsaffären gestürzten Ex-Premiers Benjamin Netanjahu zum Außenminister. Als Tolerierungspartner steht Sharon derzeit die faschistische Nationale Union zur Verfügung, die nichts weniger als die Deportation aller Palästinenser aus den israelischen Kernlanden und den besetzten Gebieten verlangt. Mofas wiederum ist ein Anhänger des Gedankens, den Palästinenserpräsidenten Arafat kurzerhand aus dem Land zu werfen und ins Exil zu schicken, um der Autonomiebehörde als Keimzelle eines unabhängigen Palästinenserstaates endgültig den Garaus zu machen. Im Februar stehen jedoch erst einmal vorgezogene Neuwahlen an, um für klare politische Verhältnisse zu sorgen.

 

In einem in London vorgestellten Bericht der Menschenrechtsorganisation amnesty international wurden "schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch israelische Streitkräfte" angeprangert. Dazu gehören "ungesetzliches Töten, die Folter und Misshandlung von Gefangenen, die mutwillige Zerstörung von Hunderten von Häusern, wobei sich die Bewohner manchmal noch darin aufhielten, das Blockieren von Krankenwagen und die Benutzung von Palästinensern als menschliche Schutzschilde". Diese Verstöße gegen das Völkerrecht hätten die israelischen Soldaten bei ihren Aktionen in Jenin und Nablus im März und April dieses Jahres begangen. Im Rahmen dieser Operation Schutzwall zerschlug die israelische Soldateska systematisch die gesamte Infrastruktur in den Palästinensergebieten, und beseitigte damit alle Voraussetzungen für die Gründung eines lebensfähigen Palästinenserstaates.

 

Die Bundesanstalt für Arbeit gab die Zahlen für die offiziell eingestandene Arbeitslosigkeit bekannt. Mit knapp 3,93 Millionen lag die Erwerbslosenquote im Oktober 2002 bei bundesweit 9,4 %. In den neuen Ländern liegt die Arbeitslosigkeit noch immer bei 16,9 %, während sie im Westen 7,7 % beträgt. Im Vergleich zum Vorjahresmonat zählten die Arbeitsämter 204.000 Erwerbslose mehr. In Städten wie Bremen liegt die Arbeitslosigkeit bei 10,6 %, hier wurde ein drastischer Anstieg nur durch Studienaufnahmen und den Beginn von Berufsausbildungen vermieden.

 

Die Bundesregierung rechnet laut einem "Spiegel"-Bericht im kommenden Jahr nicht mit einem Rückgang der Erwerbslosigkeit. Das neue Ministerium für Wirtschaft und Arbeit plane für 2002 und 2003 durchschnittlich 4,1 Millionen Arbeitslose ein, berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin am Samstag vorab. Alfons Rissberger als Initiator der Multimedia-Initiative D 21 rechnet mit noch höheren Arbeitslosenzahlen, da durch die zunehmende Einführung des Internets in Wirtschaft und Verwaltung "geistige Routinearbeit" wegrationalisiert werde. Demnach könnte die Zahl der Erwerbslosen sogar auf 5 Millionen emporschnellen.

 

Laut einem vorab veröffentlichten Bericht der "Frankfurter Rundschau" sollen mehr als 27 % der rund 1,3 Millionen Langzeitarbeitslosen die sogenannte "Stütze" nicht mehr bekommen. Der Zeitung zufolge sollen die Sparmaßnahmen vor allem Arbeitslose treffen, die Ersparnisse haben oder deren Partner über ein eigenes Einkommen verfügt. So solle die Obergrenze von Vermögen, die Arbeitslosenhilfeempfänger nicht antasten müssen, künftig nach der Formel Altersjahre mal 260 Euro berechnet werden, berichtet die "FR". Bisher liegt der Faktor bei 520 Euro. Auch sollten Einkommen von Partnern bei der Berechnung von Arbeitslosenhilfe stärker angerechnet werden als heute. Mit dem Vorhaben soll der Bundeshaushalt bereits im kommenden Jahr um 2,3 Milliarden Euro entlastet werden, 2004 soll die eingesparte Summe 5,1 Milliarden Euro betragen. Die Einsparungen treffen die Zielgruppe doppelt hart, denn nach einer Untersuchung des "Hamburger Abendblattes" sind beispielsweise in Hamburg seit der Euro-Einführung alleine die Lebensmittelpreise um 12 % gestiegen. Diese machen zusammen mit Gebühren und Zahlungen für Dienstleistungen die persönliche Inflation aus, die insgesamt noch höher liegt.

 

Die erste Runde der polnischen Kommunalwahlen erbrachte eine deutliche Stärkung des EU-feindlichen Lagers, das seinen Stimmanteil gegenüber den letzten Parlamentswahlen auf rund 30 % verdoppeln konnte. Das vorläufige Endergebnis für rund die Hälfte der Woiwodschaftsparlamente weist aus, dass die ultranationalistische Polnische Familienliga aus dem Stand auf 15,6 % der Stimmen kam. In Großstädten wie Krakau und Lodz erreichte sie beinahe 25 %. Landesweite 15,2 % erhielt die ebenfalls EU-kritische Bauernpartei Samoobrana um Andrzej Lepper, die es in Lodz auf beinahe 20 % brachte. Stärkste Partei blieben trotz empfindlicher Verluste vor allem in den Städten die regierenden Linksdemokraten der SLD-UP mit 37 %. Die EU-Gegner polemisierten vor allem gegen den wachsen wirtschaftlichen Einfluss bundesdeutscher Konzerne, gegen eine mögliche Rückkehr der Heimatvertriebenen und gegen die Privatisierung polnischer Staatsbetriebe. Die Wahlbeteiligung war mit 44 % außerordentlich niedrig.

 

Nach nur 6 Wochen im Amt trat der österreichische Verkehrsminister Mathias Reichhold als Vorsitzender der FPÖ zurück, vorgeblich aus Gesundheitsgründen. Nach Meinungsumfragen droht den Freiheitlichen bei den durch den Bruch der Mitte-Rechts-Regierung in Wien herbeigeführten Neuwahlen ein Desaster - ihr Stimmanteil ist seit den letzten Nationalratswahlen vor 3 Jahren von 27 auf 15 % zurückgegangen. Haider als neuer alter Frontmann der FPÖ lehnte nur 3 Wochen vor der Neuwahl eine Neuauflage der Wiener Regierungskoalition mit Hinweis auf die Persönlichkeit des ÖVP-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Schüssel vehement ab. Zudem legte der Kärntner Landeshauptmann seinen innerparteilichen Rivalen um die ehemalige Vizekanzlerin Riess-Passer den Parteiaustritt nahe. Für weiteres Aufsehen sorgte ein Besuch Haiders beim irakischen Staatschef Saddam Hussein.

 

Die Real IRA und das 32 County Sovereignty Commitee als ihr politischer Flügel distanzierten sich unmißverständlich von der Initiative der in Portlaoise und andernorts einsitzenden Kriegsgefangenen um Michael McKevitt, die eine Selbstauflösung der Organisation fordern. Die RIRA-Einheiten stellten sich hinter das 32CSC und die Gefangenengruppe im nordirischen Hochsicherheitsknast Maghaberry. McKevitt und die Abweichler wurden aufgefordert, die formelle Hierarchie der Untergrundorganisation zu respektieren und keine öffentlichkeitswirksamen Alleingänge zu unternehmen. Nach dem Skandal um die Rekrutierung eines 13-Jährigen als Polizeiinformant in North Belfast forderte die Irish National Liberation Army alle weiteren Kinderspitzel auf, sich innerhalb von 72 Stunden selbst zu offenbaren - oder die Konsequenzen ihres Handelns zu tragen. Da bei Polizeirazzien erhebliche Drogenvorräte verlorengingen, besserte die protestantische Loyalist Volunteer Force Polizeimeldungen zufolge ihre Kriegskasse durch eine Serie von Banküberfällen in Schottland auf.

 

Eine Studie der Bertelsmann- und der Hertie-Stiftung ermittelte weitverbreitete Schulmüdigkeit. Rund 500.000 Schüler bleiben dem Unterricht regelmäßig fern. Vor allem an Haupt- und Sonderschulen wird geschwänzt - hier fehlen durchschnittlich 10-20 % der Schüler mehrere Stunden wöchentlich unentschuldigt. Jährlich verlassen mehr als 9 % eines Altersjahrgangs die Schule ohne Abschluss. Ein Sprachtest an 20 Standorten in Niedersachsen legte teilweise verheerend schlechte Deutschkenntnisse der Grundschüler offen. Erschreckende 40 % der Kinder weisen gar keine oder sehr schlechte Kenntnisse der hiesigen Verkehrssprache auf. Zwar kommt ein Großteil der Betroffenen aus Zuwanderer- und Aussiedlerfamilien, aber auch 13 % der Kinder aus ethnisch deutschen Familien beherrschen ihre Muttersprache nicht mehr.

 

Die amerikanischen Zwischenwahlen endeten mit einem Triumph für die Republikanische Partei und die Bush-Administration, die nun die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses besitzt. Zu bestimmen waren alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 34 der 100 Senatoren. In 36 der 50 Einzelstaaten fanden außerdem Gouverneurswahlen statt. Auch die Parlamente fast aller Staaten und die Kommunalvertretungen werden neu gewählt. Durch den Gewinn von 4 wichtigen Senatorensitzen in Georgia, New Hampshire, Missouri und Minnesota sicherten sich die Republikaner die absolute Mehrheit im bislang von den Demokraten kontrollierten Senat, zudem besitzen sie nun auch eine solide absolute Mehrheit von rund 20 Mandaten im Repräsentantenhaus. Erstmals konnten die Republikaner Sitze hinzugewinnen, während sie den Präsidenten stellten. Bei den Gouverneurswahlen machten die Demokraten hingegen Boden gut und gewannen 4 Bundesstaaten hinzu. Rund 209 Millionen Amerikaner waren am Dienstag zur Wahl aufgerufen. Die Beteiligung blieb allen Appellen zum Trotz gering. Sie lag nach ersten Berechnungen nur unwesentlich über dem Wert von 1998, der mit 37,6 % den niedrigsten Stand seit 1942 markierte.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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