Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 29. Juni bis 5. Juli 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

EU plant eigenes Raketenabwehrsystem

Republikanische Straßengewalt in Nordirland

 

Zitat der Woche:
"Die bloße Not der Seelen und der große Schrei, der aus ihr tönt, die entsetzliche Selbsterkenntnis eines Zeitalters, dass der menschliche Geist in ihm auf einem seiner Holzwege sei, und der Nihilismus, der die würdige Antwort des Willens auf solche Einsichten ist, sind weder ein Beweis, dass die große Stunde kommen müsste, noch helfen sie zum Positiven. (...) Auf die gewohnten Fragen des gegenwärtigen Zeitalters neue Antworten erteilen, das ist der rechte Anfang des Neuen."
- Hans Freyer

Die US-Regierung wird in der nächsten Zeit mehrere hochrangige Delegationen nach Europa entsenden, um unter den skeptischen NATO-Partnern für eine Beteiligung am Raketenabwehrsystem Missile Defense zu werben. Im Gespräch ist beispielsweise die Errichtung einer Radarstation in der Türkei, um den Nahen Osten hinsichtlich möglicher Raketenstarts zu überwachen. Angesichts von Nachrichten aus Frankreich erscheint die Zurückhaltung der Europäer jedoch in einem anderen Licht: Die französische Luftforschungsagentur Onera entwickelt derzeit mit Nostradamus ein eigenes Raketenabwehrsystem. Nostradamus soll als System aus bodengestützten Radars, einem Netz von Leitständen, Aufklärungssatelliten und Abwehrraketen imstande sein, einen Militärschlag von bis zu 50 Raketen abzuwehren. Auf Kurzstreckenbasis steht bereits das italienisch-französische System Aster zur Verfügung, zudem arbeiten die BRD, Italien und die USA an MEADS, einer Weiterentwicklung der Patriot-Rakete. Ein bedenkliches Zeichen für die einsetzende Hochrüstung der EU ist auch die Anschaffung von 600 Luft-Boden-Raketen vom Typ Taurus durch die Bundeswehr. Taurus wird von Tornados und Eurofightern aus eingesetzt und ist mit einer Reichweite von 350 Kilometern nicht zwingend ein defensives Waffensystem.

 

Zwischen den USA und den übrigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates entwickelte sich eine heftige Kontroverse um den Internationalen Strafgerichtshof ICC in Den Haag. Nach den Statuten des ICC müssen künftig Militärs und politisch Verantwortliche für Kriegsverbrechen und Völkermord mit Anklagen rechnen, gerade dann, wenn sie von der eigenen Regierung nicht zur Rechenschaft gezogen worden sind. Ausdrücklich wurde in den Statuten des Gerichts auf Druck arabischer Staaten festgehalten, dass die gegen die Vierte Genfer Kriegsrechtskonvention verstoßende Ansiedlung der eigenen Bevölkerung in besetzten Gebieten ein Kriegsverbrechen ist. Nicht gerade überraschend zog der traditionell völkerrechtswidrig agierende Staat Israel daraufhin seine Unterschrift zurück. Weitaus schwerwiegender ist jedoch die Haltung der USA: Washington fordert ausdrückliche Straffreiheit für Angehörige des US-Militärs und droht damit, sich aus allen internationalen Friedensmissionen zurückzuziehen. Damit würde Bush die Vereinten Nationen schwer treffen, denn die USA bestreiten ein Viertel des UN-Haushalts für "friedenssichernde Maßnahmen". Fernziel Washingtons ist die Straffreiheit für alle UN-Missionen, also ein faktischer Blankoscheck für Kriegführung der rücksichtslosesten Art auch gegen Zivilziele. Da die übrigen Mitglieder des Sicherheitsrates hart blieben, legten die USA prompt ihr Veto gegen die Verlängerung der internationalen Polizeimission in Bosnien ein. Das Verhalten der USA, die sich augenscheinlich als über dem Recht stehend ansehen, sorgte für eine erneute schwere Krise in den transatlantischen Beziehungen. Nach hitzigen Debatten verlängerte der Sicherheitsrat das Mandat für die Polizeimission bis zum 15. Juli. Die EU glaubt offensichtlich nicht an eine einvernehmliche Lösung und bereitet die Übernahme der Mission vor. Auf einer Sitzung des NATO-Rates wurde beschlossen, gegebenenfalls auch ohne ein UN-Mandat die 18.000 Mann der Protektoratstruppe SFOR in Bosnien zu belassen.

 

Auf Einladung der DKP trafen in Berlin Vertreter zahlreicher kommunistischer Parteien zusammen, um sich mit der Rolle des Kommunismus im Widerstand gegen die kapitalistische Globalisierung zu befassen. Der italienische Senator Luigi Malabarba (Rifondazione Comuniste) erklärte, es gelte, ein neues revolutionäres Subjekt aufzubauen. Der Prozess der Globalisierung ist laut Malabarba in eine Krise und damit in eine neue Phase getreten – jetzt werde er durch die Ausrufung des Kriegszustandes gelenkt. Wie die DKP-Referenten wies der Senator darauf hin, dass der Globalisierungsprozess das Ergebnis von Entscheidungen nicht demokratisch legitimierter Gremien wie IWF, Weltbank oder G-8 ist. Heinz Stehr als Bundesvorsitzender der DKP konstatierte eine immer offenere "Diktatur des transnationalen Kapitals". Diese zeichne sich dadurch aus, dass das Kapital selbst die Funktion gewählter Regierungen übernehme. Die weltweite Bewegung gegen den Neoliberalismus und den imperialistischen Krieg könne die Arbeiterbewegung stimulieren, umgekehrt brauche diese Bewegung aber auch die organisierte Kraft der Arbeiterbewegung für die Schaffung einer sozialen und politischen Alternative. Ewald Wehner vom Netzwerk linker Gewerkschafter sekundierte, wer sich international dem Kapitalismus entgegenstellen wolle, der müsse auch auf nationaler Ebene ein Machtfaktor sein. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern sei in der BRD das Streikrecht kriminalisiert sei, es existiere nur als Gewerkschafts-, nicht als Arbeitnehmerrecht. Die Vernichtung von Arbeitsplätzen gelte als Privatsache, Sozialdemontage dürfe nicht mit Streiks bekämpft werden. Das sei eine Einschränkung der Demokratie, die von der europäischen Menschenrechtskommission schon mehrfach ohne Resultat bei der Bundesregierung eingeklagt worden sei. Auch die Gewerkschaften unternähmen in dieser Frage nichts. Es gehe um deren Politisierung.

 

Nach Meldungen westlicher Geheimdienste ist die ägyptische Regierung bemüht, Atomwaffen zu entwickeln. Bereits im Januar wurde mit der VR China ein diskretes Abkommen über wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit unterzeichnet, das nicht zuletzt auch den Abbau der ägyptischen Uranvorkommen auf dem Sinai betrifft. Als Lieferstaat für Uran kommt zudem auch der Niger in Frage. Nicht zuletzt mit libyscher Hilfe gelang es Kairo bereits, eine Reihe nordkoreanischer Mittelstreckenraketen vom Typ No Dong zu erwerben. Ebenfalls vorhanden sind chemische und biologische Waffen, mit denen Scud B-Raketen bestückt werden können. Neben dem Irak ist auch der Iran an der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen interessiert. Ephraim Halevy als Chef des israelischen Auslandsnachrichtendienstes Mossad richtete entsprechende Warnungen an die Adresse der NATO. Auch Tel Aviv verfügt über ein Vernichtungspotential von mehr als 100 Atomsprengköpfen. Zudem besitzen die Israelis mittlerweile von der BRD gelieferte U-Boote der Delphin-Klasse, welche mit Marschlugkörpern des Typs Popeye Turbo bestückt sind (Reichweite 1500 Kilometer). Mit Ofek-5 steht Israel auch ein hochmoderner Aufklärungssatellit zur Verfügung.

 

Das Kosovo-Parlament verabschiedete eine Deklaration gegen die im Februar 2001 zwischen Jugoslawien und Mazedonien festgelegte Grenzlinie. Die Verabschiedung erfolgte ohne die serbischen Abgeordneten, die unter Protest den Plenarsaal verließen. Das Abkommen wurde von den albanischen Nationalisten niemals anerkannt, und die Deklaration des Parlaments könnte der Vorbote eines neuen Krieges um großalbanische Träume sein. Ermunterung erfolgte zudem durch US-Brigadegeneral Keith Huber, den Kommandeur der Multinationalen Brigade Ost, der das Grenzabkommen erklärtermaßen als illegal ansieht und laut über die Besetzung strittiger mazedonischer Gebiete durch seine Truppen nachdachte. Premierminister Bajram Rexhepi von der UCK-nahen PDK präsentierte die im Westen verschwiegene Entscheidung der Öffentlichkeit und forderte mehr oder weniger offen die Rückgabe von grenznahen Gebieten Mazedoniens. PDK-Abgeordnete gehen bereits weiter und richten ihr Augenmerk auf strategische Positionen im Grenzgebiet. Die Resolution soll nun dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt werden. Mazedoniens Außenminister Slobodan Cashule warnte, eine einseitige Grenzrevision werde von Skopje als Kriegserklärung aufgefasst werden. UN-Statthalter Michael Steiner legte umgehend sein Veto ein und erklärte die Resolution für null und nichtig. Das US-Außenministerium hat bereits eine Reisewarnung für Mazedonien ausgegeben. Berichten der "Rheinischen Post" zufolge erfreuen sich die albanischen Ultranationalisten (wie auch die bosnischen Muslime) bereits tatkräftiger Unterstützung aus der islamischen Welt. Vor allem aus dem Iran und aus Saudi-Arabien strömen Geld, Waffen und Freiwillige auf den Balkan.

 

Wirtschaftliches Herz des Kosovo ist der einst dem jugoslawischen Staat gehörende Bergbaukomplex Trepca. Trepca erbrachte früher 25 % der Industrieproduktion des Kosovo, sein Wert wird auf 5 Milliarden Dollar geschätzt. Das Kosovo besitzt reiche Bodenschätze wie Blei, Zink, Leichtmetalle, Braun- und ca. 17 Milliarden Tonnen Steinkohle. Trepca produziert mehr als 100.000 Tonnen Blei im Jahr, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. Schon vor dem Kosovo-Krieg verhandelte Belgrad mit ausländischen Investoren um eine Teilprivatisierung der Minen. NATO-Bomber sparten den Komplex vollständig aus, der wie zahlreiche weitere andere Industrieanlagen von UCK-Einheiten besetzt wurde. Deren Führer wollen Provisionen bei der zu erwartenden Privatisierung einheimsen – in der Tat stellt die UCK-nahe PKD die Ministerposten für öffentliche Wohlfahrt sowie für Handel und Industrie. Im Juli übernahm UNMIK die Eigentumsrechte der Bundesrepublik Jugoslawien und der Republik Serbien. Maßte sich zudem auch die Übernahme der wenigen in serbischer Privathand befindlichen Betriebe an, bislang keine Entschädigung geleistet. Gegen den erbitterten Widerstand der serbischen Arbeiter wurde Trepca im August 2000 unter dem Vorwand, der Komplex stelle eine Gefährdung für Gesundheit und Umwelt der Bevölkerung Mitrovicas dar, von KFOR-Einheiten besetzt. Die Gegenwehr wurde mit Tränengas und Plastikgeschossen gebrochen. UNMIK schloss sodann einen Vertrag mit dem ITT-Konsortium (International Technical Team), um die Wiederinbetriebnahme vorzubereiten. Mit von der Partie sind TEC-Ingenierie aus Frankreich, Murrison Knudsen Internationale aus den USA und Boliden Contech aus Schweden. In Bälde dürfte Trepca also wie zahlreiche andere Industrieanlagen im Kosovo auf der Angebotsliste UNMIKs an die transnationalen Konzerne auftauchen.

 

Seit dem Beginn der al-Aqsa-Intifada am 28. September 2000 hat die israelische Armee alleine im Gazastreifen 116 palästinensische Kinder ermordet. Insgesamt wurden hier 450 palästinensische Nichtkombattanten getötet – das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte unterscheidet in seinen Statistiken säuberlich zwischen Paramilitärs und Angehörigen der Sicherheitskräfte einer- und Zivilopfern andererseits. Bis zum Ende Juni 2002 sind im Gazastreifen und im Westjordanland mindestens 1423 palästinensische Zivilisten umgekommen, von denen mindestens 253 Kinder waren. Auch 78 Frauen befinden sich unter den Toten. Das palästinensische Gesundheitsministerium nennt die Zahl von 505 getöteten Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Verwundet wurden beinahe 3000 palästinensische Kinder – 40 % der verwundeten Zivilisten überhaupt!

 

Offenkundig plant Israel die Ghettoisierung der palästinensischen Bevölkerung, um ein drohendes demographisches Übergewicht der Nichtjuden zu verhindern. Beispielsweise ist der Gaza-Streifen schon längst ein riesiges Ghetto. Ein Drittel der Fläche wurde für die 7000 zionistischen Wehrbauern und für Verteidigungsmaßnahmen beschlagnahmt, und mehr als 1 Million Palästinenser sind hier eingepfercht. 80 % der Bevölkerung leben ohne Arbeit und Einkommen von Spenden aus der arabischen Welt und dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNRWA. Ähnliche Zustände könnten bald auf der Westbank eintreten. Die erste Phase der Ghettoisierung war hier die Operation Schutzschild, also die faktische militärische Wiederbesetzung der Palästinensergebiete und die Zerschlagung der Infrastruktur. An der Grenze zum israelischen Kernland entsteht nun der äußere Zaun, der die vom Militär abgeriegelten Städte und Dörfer vollends abschließen soll. Derzeit stehen alleine auf der Westbank geschlagene 800.000 Menschen unter Hausarrest. Seit dem Regierungsantritt Sharons sind im Westjordanland mindestens 14 neue zionistische Siedlungen entstanden, was den Vertreibungsdruck auf die palästinensische Bevölkerung weiter erhöht. Hinzu kommen mehrere Dutzend illegaler Siedlungen.

 

Von der Öffentlichkeit wenig beachtet, haben Gianfranco Fini (Alleanza Nationale) und der ehemalige gaullistische Innenminister Pasqua (Rassemblement pour la France) in Brüssel einen neuen Zusammenschluss europäischer Rechtsparteien vorgestellt, der rechts von den etablierten christdemokratischen und konservativen Parteien, aber "links" von den Faschisten stehen soll. Die Organisation soll den Namen "Allianz für ein Europa der Nationen" tragen. Diese Allianz soll eine Erweiterung einer seit zwei Jahren im Europa-Parlament bestehenden Gruppierung sein. An dem Kongress in Brüssel nahmen teil die AN, die RPF, Fianna Fáil (Irland), die dänische Volkspartei und die Volkspartei Portugals, außerdem eine Reihe von Einzeldelegierten. Die israelische Likud-Partei und die "Demokratische Partei" aus Russland sandten Beobachter. Angeblich bestünden auch Kontakte zur Liste "Pim Fortuyn" in den Niederlanden.

 

In Nordirland scheinen die republikanischen Hardliner tatsächlich zur Straßengewalt nach baskischem Vorbild überzugehen. Nach dem Überfall auf einen Beobachtungsposten der Armee in Derry kam es nun in Fermanagh zu einer weiteren Operation. Eine Gruppe von rund 50 Maskierten überfiel aus heiterem Himmel die Polizeistation von Rosslea und deckte sie mit einem Hagel aus Steinen und Flaschen ein, wobei erheblicher Sachschaden entstand. Der zeitgleiche Besuch von Angehörigen der Sinn Féin-Parteijugend nährt die Vermutung, dass auch Mainstream-Republikaner in den Überfall verwickelt sein könnten. Auch bei den Krawallen um die katholische Enklave Short Strand in East Belfast geht die Gewalt offensichtlich nicht nur von loyalistischer Seite aus. Infolge massiver Übergriffe und Sachbeschädigungen durch republikanische Randalierer hat unter den protestantischen Anwohnern eine regelrechte Fluchtbewegung eingesetzt. Nach einem Marsch des Orange Order durch die katholische Springfield Road in North Belfast kam es zu Zusammenstössen zwischen der aufgebrachten Menge und der Polizei. Die ohnehin durch die anachronistische Zurschaustellung protestantischer Vorherrschaft gereizte und gedemütigte Anwohnerschaft verlor vollends die Geduld, als die Polizei auch nach dem Abzug der Orangisten in ihrem Stadtviertel verblieb. An den Krawallen beteiligten sich rund 300 Randalierer, 6 Polizisten erlitten Verletzungen.

 

Als Folge verstärkt sich der von den Hardlinern in der Ulster Unionist Party auf den nordirischen Regierungschef David Trimble ausgeübte Druck. Die Unionisten fordern Maßnahmen der britischen Regierung gegen die vermeintliche Verletzung des Waffenstillstandsabkommens durch die Provisional IRA – bis hin zum Ausschluss Sinn Féins aus der nordirischen Allparteienregierung. Sinn Féins Parteichef Gerry Adams nahm angesichts der ausufernden Gewalt in Nordirland umgehend Kontakt zum irischen Ministerpräsidenten Ahern auf. Zudem versicherte Adams, er werde mäßigend auf die Provisional IRA einwirken. In Belfast kam es zu hektischen Verhandlungen zwischen Ahern, Blair und den Vorsitzenden der maßgeblichen nordirischen Parteien, um ein Auseinanderbrechen der Regionalregierung zu verhindern.

 

In Nordirland finanzieren sich die paramilitärischen Organisationen nicht nur durch Spendengelder, sondern auch durch Aktivitäten, die der Organisierten Kriminalität gleichen (Schmuggel, Schutzgelderpressung, Drogenhandel usw.). Die mafiaähnlichen Netzwerke der Paramilitärs beschränken sich nicht auf Nordirland, sondern erfassen ebenso die britische Hauptinsel, Irland und die Vereinigten Staaten. Auf diese Weise nimmt die Provisional IRA jährlich bis zu 8 Millionen Pfund ein, dicht gefolgt von der Real IRA, die es auf immerhin 5 Millionen Pfund bringt. Als einnahmestärkste loyalistische Untergrundorganisation liegt die schwerpunktmäßig im Drogenhandel aktive Loyalist Volunteer Force mit 2 Millionen Pfund auf Rang 3. Es folgt die Ulster Volunteer Force mit 1,5 Millionen Pfund. Obwohl die Ulster Defence Association als größte nordirische Miliz überhaupt gilt, bekleidet sie unter den "Fortune Five" mit 0,5-1 Million Pfund den letzten Platz. Die Irish National Liberation Army und die Continuity IRA fallen nicht durch derartige Aktivitäten auf.

 

In gewohnter Naivität oder von uns aus auch in gewohntem Opportunismus erklärte Bundesaußenminister Joseph Fischer, es bestehe derzeit keine konkrete Gefahr einer amerikanischen Intervention im Irak. Vielmehr liege es an Saddam Hussein, wieder die Kontrolle des irakischen Militärpotentials durch UN-Inspekteure zu gestatten. In Wien wurde derweil die 3. Runde der Verhandlungen zwischen den Vereinten Nationen und dem Irak eröffnet. Während die UNO auf den Waffeninspektionen besteht, fordert Bagdad als Gegenleistung die Aufhebung der Flugverbotszonen im Nord- und Südirak und ein vollständiges Ende der Wirtschaftssanktionen. Nur wenige Tage später konterkarierten Meldungen der anglo-amerikanischen Presse die Lügen Fischers. Nachdem Präsident Bush bereits öffentlich seine Absicht zum Sturz Saddam Husseins äußerte, ist das Pentagon offenbar in die Planungsphase eingetreten. Zunächst sollen Luftstreitkräfte von 8 verschiedenen Ländern (darunter die Türkei, Katar und wohl auch die BRD) aus Ziele im Bereich Luftverteidigung, Verkehr und Kommunikation zerstören. Spezialeinheiten werden Operationen gegen Nervenzentren des irakischen Militärpotentials ausführen, namentlich gegen Lager- und Produktionsstätten von Massenvernichtungswaffen. Der letzte Schritt dürfte dann in einer Bodenoffensive von mehr als 250.000 Mann amerikanischer Truppen bestehen, und zwar schwerpunktmäßig aus Kuwait heraus, wo bereits 10.000 US-Soldaten und gekaderte bundesdeutsche ABC-Abwehreinheiten stehen. Ein Zeichen für die Verschärfung der Lage ist der Rücktritt von Bushs Berater in Terrorismusfragen, Wayne A. Downing, eines Verfechters der These, man könne die irakische Führung durch eine Kombination von Luftangriffen, verdeckten Operationen und Unterstützung oppositioneller Kräfte entmachten. Downing war der Hauptwidersacher der von General Tommy Franks, dem amerikanischen Oberbefehlshaber im Mittleren Osten, geforderten Großoffensive. Für den Fall, dass Saudi-Arabien den Amerikanern seine Unterstützung verweigert, sorgt man bereits vor. Fungierte noch im Golfkrieg die Prinz-Sultan-Basis nahe Riad als Hauptquartier, so wird nunmehr in Al Udeid in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein neues Logistikzentrum errichtet.

 

Im Interview mit der "Jungen Welt" äußerte sich Prozessbeobachter Ralph Hartmann, bis 1988 Botschafter der DDR in Jugoslawien, über das Schauverfahren gegen Slobodan Milosevic: "Dem von der NATO installierten, finanziell und personell ausgestatteten Tribunal, das bisher rund eine Milliarde Dollar verschlang, ist es nicht gelungen, den jugoslawischen Expräsidenten in die Knie zu zwingen, vom Nachweis, dass er persönlich für Kriegsverbrechen verantwortlich sei, einmal ganz abgesehen. Mehr noch: Der von der NATO Angeklagte ist zum Ankläger der NATO geworden. Der Prozess verläuft nicht nur für die Chefanklägerin Carla del Ponte höchst unbefriedigend, er droht, für die NATO selbst zu einem ziemlichen Desaster zu werden. Denn wenn es der NATO nicht gelingt, Milosevic mit pseudojuristischen Mitteln zu demontieren, dann verliert sie den Krieg gegen Jugoslawien im nachhinein, und dieser wird in der Geschichte als das verzeichnet bleiben, was er war: eine verbrecherische, völkerrechtswidrige Aggression. (...) Erst kürzlich hat das jugoslawische Komitee für die Verteidigung von Milosevic in einem Appell an die Mitgliedsstaaten des Weltsicherheitsrates auf das skandalöse Verhalten des britischen Richters May hingewiesen. Statt unparteiisch zu wirken, erweise er den »falschen Zeugen« direkte Unterstützung, begrenze die Kreuzverhöre auf eine sinnlos kurze Zeit, unterbreche die Verhöre, wenn sich der Zeuge selbst kompromittiert oder wenn die Verbrechen der NATO zur Sprache kommen, verändere im letzten Moment die Reihenfolge der Zeugen und stelle dazu Tausende von Seiten unübersetzten Materials zu Verfügung. Und trotzdem bieten die Zeugen im Kreuzverhör des sich souverän selbst verteidigenden Milosevic ein ziemlich jämmerliches Bild. Kein Wunder, dass sich die meisten Medien ausklinken." Zum Auftritt von General a.D. Klaus Naumann, ehemals Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, bemerkte Hartmann: "Naumanns Auftritt wurde zum Fiasko. Im Kreuzverhör Milosevics wurde der Zeuge der Anklage zum Angeklagten. Er musste eingestehen, dass der Krieg gegen Jugoslawien ohne Mandat des Weltsicherheitsrates, also unter Bruch der UN-Charta, erfolgte und mit international geächteten Waffen, so unter anderem mit Streubomben und Uranmunition, geführt wurde. Von Rechts wegen hätte Naumann als ein überführter Verantwortlicher für Kriegsverbrechen noch im Gerichtssaal verhaftet werden müssen, denn das Gericht nennt sich immerhin Tribunal zur Verfolgung von Kriegsverbrechen für das ehemalige Jugoslawien."

 

In Afghanistan kam es zu einem landesweiten Aufschrei der Empörung, als amerikanische Terrorflieger eine Hochzeitsgesellschaft in dem Dorf Kakarak südwestlich Kabuls massakrierten. Bei dem Blutbad kamen mindestens 40 Personen ums Leben, es gab ca. 70 Verwundete. In der Region kam es am Wochenende zu weiteren Terrorangriffen gegen die Zivilbevölkerung. Der aufgebrachte örtliche Provinzgouverneur Dshan Mohammed Khan warnte die Amerikaner vor einem regelrechten Aufstand gegen ihre Anwesenheit. Auch durch die in Afghanistan strikt verpönte Fesselung von Frauen führten die Verteidiger der westlichen Wertegemeinschaft sich unlängst wie der Elefant im Porzellanladen auf. Selbst Präsident Karsai, ein Mann der nordamerikanischen Energiekonzerne, protestierte in scharfer Form und ermahnte die US-Truppen, sich zurückhaltender zu benehmen. In Kabul kam es erstmals zu Protestkundgebungen gegen die amerikanische Gewaltpolitik.

 

In Spanien braut sich offenbar eine neue Episode des Gegenterrors gegen die baskischen Nationalisten zusammen. Mit Unterstützung der Guardia Civil und offenbar auch von örtlichen Vertretern der konservativen Volkspartei bereiten sich nach präzisen Angaben baskischer Medien drei Kommandos der rechtsradikalen Falange auf ihre Aufgaben vor: Infiltration der Unabhängigkeitsbewegung, Anschläge auf Einrichtungen der separatistischen Partei Batasuna und letztlich die Ermordung baskischer Separatisten. Nur zu bezeichnend ist es da, dass beinahe alle GAL-Aktivisten sich wieder auf freiem Fuß befinden. Bei den GAL handelte es sich um vom spanischen Geheimdienst und dem britischen SAS unterstützte Todesschwadronen, die in den 80er Jahren gezielt Jagd auf Aktivisten der ETA machten.

 

Juristischer Druck wird durch das neue Parteiengesetz ausgeübt, nach dem eine Partei verboten werden kann, wenn sie sich nicht eindeutig von terroristischen und militanten Aktivitäten distanziert. Es sei angemerkt, dass es den spanischen Behörden seit 20 Jahren nicht gelungen ist, einen direkten Zusammenhang zwischen der ETA und Batasuna rechtskräftig nachzuweisen. Die Batasuna-Abgeordneten im Regionalparlament von Navarra zogen aus Protest für eine Woche aus der Volksvertretung aus. Der sattsam bekannte Untersuchungsrichter Garzón macht Batasuna nunmehr offen für alle von der separatistischen Jugendorganisation Segi im Rahmen der Kale borroka, also der militanten Aktionen des Umfeldes, angerichteten Schäden verantwortlich und erlegte der Partei eine Geldbuße von 24 Millionen Euro auf, die binnen 24 Stunden zu bezahlen ist. Im Weigerungsfall droht die Beschlagnahme des gesamten beweglichen und unbeweglichen Parteivermögens. Parteichef Otegi erklärte, die Maßnahme komme einem Parteiverbot gleich. Auch hier hat Madrid keinerlei Beweise für eine Zusammenarbeit zwischen Segi und Batasuna. In Frankreich verstärkt sich mittlerweile der Protest gegen die Auslieferung baskischer Gefangener an den Folterstaat Spanien.

 

Hinsichtlich der sozialreaktionären Vorschläge der von Bundeskanzler Schröder berufenen Hartz-Kommission zur "Reform" des Arbeitsmarktes durch Sozialabbau, staatliche Zwangsarbeit und Dumpinglöhne kam es zu lautstarken öffentlichen Diskussionen. SPD-Generalsekretär Müntefering kündigte an, man werde alle auf dem Verordnungsweg machbaren Teile des Reformpaketes noch vor der Bundestagswahl umsetzen. Hingegen warnte der Deutsche Städtetag, durch die angedachten Maßnahmen werde man 60 % aller Arbeitslosen zu faktischen Sozialhilfeempfängern degradieren. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel erklärte sehr treffend: "Die Reformen stoßen die Tür zu Billiglohn- Jobs mit niedrigster Qualifikation auf und machen Langzeitarbeitslose zu Sozialhilfeempfängern." Frank Bsirske als Bundesvorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di kündigte Widerstand gegen die Druckausübung auf Löhne und Arbeitsbedingungen an. Der Widerstand aus DGB-Kreisen ist jedoch nichts als Heuchelei: An den Machenschaften der Hartz-Kommission sind Gewerkschaftsvertreter maßgeblich beteiligt. Schon Arbeitsminister Walter Riester als Auftraggeber war Vizevorsitzender der IG Metall. Kommissionsleiter Peter Hartz kommt aus der IG Metall und ist seit 40 Jahren deren Mitglied. Weitere Metallgewerkschafter sind Peter Gasse, Bezirksleiter NRW und der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Harald Schartau. Isolde Kunkel-Weber vertrat den Verdi-Vorstand. Folgerichtig nickte der neue DGB-Vorsitzende Michael Sommer bereits die Einführung von Zwangsarbeit durch Jobvermittlungsagenturen der Arbeitsämter ab.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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