Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 22. bis 28. Juni 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

G8-Gipfel in Kanada

PRO nimmt an Bundestagswahl teil

 

 

Zitat der Woche:
"Alle Aufständischen aller Rassen werden sich unter unseren Fahnen sammeln. Ein Kreuzzug aller armen und ausgepowerten Nationen, ein neuer Kreuzzug aller armen und freien Menschen gegen die Nationen, die sich gegen alles Recht alle Reichtümer aneignen, gegen die Räuber und Wucherer, die gestern am Krieg und heute am Frieden verdienen, wird die wahre Gerechtigkeit wieder hergestellt."
- Gabriele d´Annunzio

 

Im kanadischen Kurort Kananaskis trafen unter dem Schutz von mehr als 10.000 Mann Polizei und Militär die Staats- und Regierungschefs der G-8, also der sieben führenden Industrienationen und Russlands, zusammen. Der tiefe Riss innerhalb der westlichen Welt wurde auch auf diesem Gipfel offenbar: Während die übrigen Staaten den Schwerpunkt eher auf Hilfsmaßnahmen für das wirtschaftlich darniederliegende Afrika und auf die Lage Russlands legten, trachtete US-Präsident Bush danach, die Nahostfrage auf die Tagesordnung zu setzen. Namentlich die von Bush mehr oder weniger unverblümt geforderte Ablösung Arafats traf auf heftigen Widerspruch der übrigen Konferenzteilnehmer (natürlich bis auf den britischen Premier Tony Blair), die derartige Entscheidungen demokratischen Wahlen in den Palästinensergebieten und nicht etwa der israelischen Kriegsmaschinerie überlassen wollen. Parallel zum Vorstoß des US-Präsidenten eröffneten die israelischen Streitkräfte eine erneute Offensive und besetzten den Großteil des Westjordanlandes. Die Bilanz waren neue Zerstörungen, Dutzende von Toten und Hausarrest für Hunderttausende von Palästinensern. Kanadas Premier Jean Chrétien als Gastgeber des diesjährigen G-8-Gipfels verbat sich unumwunden die amerikanischen Bevormundungsversuche. Der russische Staatspräsident Putin drängte auf die baldige Aufnahme seines Landes in die Welthandelsorganisation WTO, und zwar zu annehmbaren Bedingungen. Zumindest erreichte Moskau, dass Russland ab 2006 reguläres Mitglied der erlauchten Runde der G-7 (ab dann wieder G-8) wird. Ferner stellt der Westen insgesamt 10 Milliarden Dollar bereit, um die beängstigenden Überbleibsel ausgemusterter sowjetischer Massenvernichtungswaffen unschädlich zu machen. Laut "Financial Times" räumte der Gipfel den Zöllnern der Vereinigten Staaten das Recht ein, weltweit verdächtige Container zu kontrollieren, sofern Anhaltspunkte für terroristische Hintergründe des Transportes vorliegen.

 

Die G-8 beschlossen zudem die Nepad, die Neue Partnerschaft mit Afrika, um die im März im mexikanischen Monterey vereinbarte Aufstockung der Entwicklungshilfeleistungen des Nordens umzusetzen. Da die USA und Japan Rücksicht auf ihre lateinamerikanischen bzw. asiatischen Nachbarn nehmen müssen, konnte eine konkrete Mittelverteilung nicht ausgehandelt werden. Beim Aktionsplan für die Afrikaner handele es sich nicht um eine Geberkonferenz, hiess es in der deutschen Delegation. Forderungen der Globalisierungskritiker nach erhöhten Hilfen wurden damit zurückgewiesen. Der Aktionsplan besteht aus 8 Schwerpunkten: unter anderem die Umsetzung des Schuldenabbaus für arme hochverschuldete Länder, die Unterstützung auf den Feldern Bildung, Gesundheit und Handel sowie Hilfen zur Konfliktbewältigung in Afrika. Unter dem Strich singen die Industriestaaten weiterhin das alte Lied: Um an Entwicklungshilfegelder zu gelangen, müssen die afrikanischen Staaten das politisch-gesellschaftliche Modell des Westens übernehmen und neoliberale Wirtschaftsreformen durchführen. Auf die zentralen Forderungen der Afrikaner wie zusätzlicher Schuldenerlass und Öffnung der Märkte in den Wohlstandsländern für Produkte aus Afrika, geht die Nepad in keiner Weise ein.

 

Dem als Beitrag zur Programmdebatte innerhalb der PDS gedachten und von Wolfgang Fritz und Frigga Haug herausgegebenen Sammelband "Unterhaltungen über den Sozialismus nach seinem Verschwinden" entnehmen wir folgenden an dieser Stelle passenden Auszug: "Seit dem Zusammenbruch des europäischen Staatssozialismus sowjetischen Typs und der nationalen Befreiungs- und Entwicklungsregime herrscht in geschichtlich beispiellosem Grad weltweit der Kapitalismus. Die von den kapitalistischen Zentren ausgehende neoliberale Politik verfolgt rücksichtslos die Ziele der »Marktinteressenten«, das heißt der transnationalen Konzerne, die bei entgrenzter Konkurrenz überall die weniger entwickelten Ökonomien durchdringen und sich unterordnen. Die trinitarische Formel des Neoliberalismus lautet »Freihandel – Privatisierung – Deregulierung«. Das gesellschaftliche Leben tendiert in allen Bereichen dazu, mit der Unterordnung unter den Weltmarkt zur totalen Marktwelt zu werden. Dies ist der Sinn der neoliberal betriebenen Globalisierung von oben. Sie entfesselt die Konkurrenz der Menschen im Innern der Gesellschaften, die sie in Gewinner und Verlierer spaltet. Sie tut dies erst recht im Weltmaßstab. Sie bereichert die Reichen und verarmt die Armen. Ihre über den Weltmarkt wirkenden Mächte kennen keine demokratische Kontrolle, keine entsprechende soziale, politische und rechtliche Rahmung, keine Instanz, die die Kapitalakteure zur Verantwortung ziehen oder ihre Geschäftspolitiken in entwicklungspolitische und zivile Grenzen zwingen könnte. Sie hat den Krieg wieder normalisiert und die Durchsetzung nationaler und transnationaler Interessen remilitarisiert. Sie hat damit die klassischen Marxschen und marxistischen Analysen der Verhältnisse, die im »sozialdemokratischen Zeitalter« von der Wirklichkeit überholt und veraltet schienen, in den Rang maßvoller Beschreibungen des realexistierenden Kapitalismus zurückversetzt.
Den epochalen Umbrüchen in der »politischen Wolkenregion« der Staatenwelt und der internationalen Weltordnung am Ende des 20. Jahrhunderts liegt ein Umbruch der kapitalistischen Produktionsweise zu Grunde, der oft verschleiernd als »Übergang von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft« bezeichnet wird. Um den Computer als Universalinstrument gruppieren sich hochtechnologische Produktivkräfte. Fließbandarbeit und standardisierte Massenproduktion haben weithin der flexiblen Automatisierung Platz gemacht.
Die »organische Zusammensetzung« des Gesamtarbeiters hat sich mehrfach verschoben: in seiner Verteilung auf dem Erdball; in der Positionierung der beiden Geschlechter zueinander; in der »Ethnisierung« von Klassenspaltungen; nicht zuletzt im Verhältnis von »körperlicher« zu »geistiger« Arbeit. In den kapitalistischen Zentren dringen »wissensbasierte Arbeitsformen« und »Dienstleistungen« vor – zugleich breiten sich Niedriglohnverhältnisse und Massenarbeitslosigkeit aus.
Unterdessen vollzieht sich in den »Schwellenländern« eine Proletarisierung, oft unter Bedingungen eines »wilden Kapitalismus« mit seinem Regime der »Sweatshops« oder »Maquiladoras«. Das ist wiederum eine widersprüchliche Entwicklung: In den patriarchalen Agrargesellschaften werden vor allem junge Frauen in industrielle Prozesse eingesaugt, was als »Feminisierung« der Arbeit bezeichnet worden ist. Bei allen negativen Aspekten ist die Proletarisierung der Frauen für diese zugleich ein erster Schritt aus patriarchaler Bevormundung in die eher »selbstbestimmte Entfremdung« der Lohnarbeit und womöglich gewerkschaftliche Zusammenschlüsse. Die männliche Bevölkerung aber verarmt weiter und wird, wo sie nicht von »Gewaltmärkten« absorbiert wird, in den Kreislauf der stets wachsenden Weltmigration hineingezogen.
Da auch die transnationalen Kapitale der billigeren Arbeitskraft »entgegenmigrieren«, wirkt die Existenz von Drittweltländern verschärfend auf die Lage der Lohnabhängigen und Erwerbslosen in den Industrieländern und treibt sie in die Arme populistischer Demagogen. Neoliberale Globalisierungspolitik reproduziert wachsende »Drittweltsektoren« inmitten der Reichtumszentren.
Heute zu neuen Formen der Solidarisierung der Arbeitenden der Welt aufzurufen klingt anachronistisch angesichts der Ideologien vom »Ende der Arbeitsgesellschaft« oder gar vom »definitiven Ende« der Arbeit als solcher (Kurz). Und doch ist die Rekonstituierung der Solidarität über alle Fraktionierungen der arbeitenden Klassen hinweg die einzig realistische Schlußfolgerung angesichts einer Globalisierung des Marktes, die tiefe Spaltungen unter ihnen hervorbringt – bis zur Entstehung eines neuen »Arbeitshelotentums«.

 

Die von der rosa-grünen Bundesregierung eingesetzte Kommission um den VW-Manager Peter Hartz legte ihre "Reformvorschläge" für die Umstrukturierung des bundesdeutschen Arbeitsmarktes vor. Das sozialreaktionäre Paket, eine wahre Kriegserklärung des sozialfaschistischen Kabinetts Schröder-Fischer an die Erwerbslosen und sozial Schwachen, soll binnen dreier Jahre die Ausgaben für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe von derzeit 40 auf 13 Milliarden Euro drücken. Neben der drastischen Absenkung der Zumutbarkeitsgrenzen steht eine rigorose Kürzung der Sozialleistungen auf dem Programm. Nach den Plänen der Hartz-Kommission soll das Arbeitslosengeld während der ersten sechs Monate in drei Pauschalbeträgen ausbezahlt werden, dann wird es berechnet wie bisher. Wer danach immer noch arbeitslos ist, erhalte eine Art Sozialgeld, das in etwa der Sozialhilfe entspricht. Singles müssen auf Geheiß der Arbeitsvermittler ihr gewohntes soziales Umfeld aufgeben und gegebenenfalls bundesweit umziehen – auch für weitaus schlechter bezahlte Arbeitsverhältnisse. Zudem sehen die Reformvorschläge die bundesweite Einführung staatlicher Zwangsarbeit vor. Allen 181 Arbeitsämtern sollen Personalvermittlungsagenturen angegliedert werden, durch welche die Erwerbslosen zu Dumpinglöhnen befristet an Unternehmen ausgeliehen werden. Weigert sich ein Arbeitsloser nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit, sich auf Gedeih und Verderb der Personalvermittlungsagentur auszuliefern, so drohen Leistungskürzungen. Ein weiterer Abbau der Arbeitslosigkeit soll erreicht werden, indem man die Arbeitslosen in Scheinselbständigeitsverhältnisse, die sogenannten Ich-AGs, abschiebt. Angesichts der Zustimmung aus Regierungskreisen und Opposition sowie angesichts des traditionellen Opportunismus der DGB-Spitze scheint der sich formierende Widerstand in Gewerkschaften und SPD zum Scheitern verurteilt zu sein – es droht eine Große Koalition mit dem Ziel des sozialpolitischen Kahlschlags.

 

Zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission erklärte Harald Werner als gewerkschaftspolitischer Sprecher des PDS-Vorstandes sehr treffend: "Nach den Misserfolgen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit hofft die Bundesregierung nun offenbar auf Erfolge beim Kampf gegen die Arbeitslosen. Die Vorschläge der von der Bundesregierung eingesetzten Hartz-Kommission werden zwar keine neuen Arbeitsplätze schaffen, aber sowohl die Statistiken bereinigen, als auch den Bundeshaushalt drastisch entlasten. Hartz, dem es schon als Personalvorstand bei VW gelungen ist, durch Lohndumping die Beschäftigtenzahl zu halten und gleichzeitig die Gewinne nach oben zu fahren, will jetzt nach dem gleichen Muster mit den Arbeitslosen verfahren. Doch im Gegensatz zu den Spitzenverdienern des Automobilbauers haben die Arbeitslosen von den Plänen der Hartz-Kommission weder existenzsichernde Einkommen noch sichere Arbeitsplätze zu erwarten.
Die Pläne der Regierungskommission kündigen nicht nur dramatische Leistungskürzungen und schärfere Zwangsmaßnahmen an, sondern ähneln auf fatale Weise dem Arbeitsdienst der Weimarer Republik. Künftig müssen Arbeitslose damit rechnen, vom Arbeitsamt ohne Rücksicht auf Ausbildung und früheren Lebensstandard in jeden sich gerade anbietenden Niedriglohnbereich verliehen zu werden.
Geringqualifizierte oder Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen sollen den Unternehmen sogar kostenlos und zur Probe überlassen werden, um sie einerseits aus der Statistik zu entfernen und andererseits die Betriebe zur Einrichtung neuer Niedriglohnbereiche zu motivieren. Die unausweichliche Folge wird ein breit angelegtes Lohndumping sein, dem auch die geltenden Tarifverträge nicht mehr standhalten können.
Die sogenannte Reform, erdacht von Menschen, die mindestens das Zehnfache eines künftigen Niedriglöhners verdienen dürften, werden aber nicht nur auf breiter Front das Lohngefüge senken, sondern auch den bundesdeutschen Arbeitsmarkt amerikanisieren. So plant der VW-Manager Hartz, Arbeitslose in scheinselbständige Dienstboten zu verwandeln, damit sich die Besserverdienenden mehr Dienstmädchen, Hausmeister und Gärtner leisten können. Arbeitslose von 55 Jahren aufwärts sollen künftig mit kräftig, bis auf Sozialhilfeniveau abgesenkten Leistungen sowohl aus der Statistik, als auch vom Arbeitsmarkt verschwinden. Um ihnen dennoch das Überleben zu ermöglichen, soll ihre Möglichkeit zum Hinzuverdienen erleichtert werden.
Die weit über die bisherigen Vorschläge zur Leistungskürzung hinausgehenden Maßnahmen der Hartz-Kommission werden Millionen Menschen in arbeitende Arme und die Arbeitsämter in Leihhäuser verwandeln. Die Folgen werden nicht nur die Arbeitslosen, sondern die gesamte Gesellschaft zu tragen haben. Wo man die Arbeitslosigkeit wie in den USA mit Arbeitszwang und Leistungsverweigerung bekämpft, wird die sinkende Arbeitslosenzahl mit einem dramatischen Zerfall aller sozialen Bindungen bezahlt. Deshalb wird die PDS diese so genannte Reform mit allen ihr gebotenen Mitteln bekämpfen, um nicht nur den Arbeitslosen ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit zu erhalten, sondern der Gesellschaft auch ihren sozialen Frieden."

 

Auf dem wegen Beschlussunfähigkeit wiederholten Bundesparteitag der reaktionären Partei Rechtsstaatliche Offensive sprachen die Teilnehmer sich mehrheitlich gegen die vom Parteivorstand empfohlene Nichtteilnahme an der Bundestagswahl im September aus. Von den 854 in Hamburg anwesenden Parteimitgliedern sprachen sich 453 für den Wahlantritt aus. Propagandistisches Vehikel der PRO dürfte das Zuwanderungsgesetz werden – wieder einmal mobilisiert die bundesdeutsche Rechte xenophobe Ängste, um das Stimmvieh an die Wahlurnen zu locken. Aggressive Rhetorik richtete sich auch gegen die FDP, für die PRO letztendlich die direkte Konkurrenz im Wettkampf um die Gunst der Unionsparteien. Nur zu bezeichnend erscheint es, dass ausgerechnet der berüchtigte Immobilienspekulant Ulrich Marseille als kommender Generalsekretär gehandelt wird. Parteivize Mario Mettbach träumte bereits von bundesdeutscher und europäischer Regierungsverantwortung an der Seite der CDU/CSU. In Anbetracht der Tatsache, dass sämtliche organisatorischen Vorbereitungen bis zum 18. Juli zu erledigen sind, erscheint ein flächendeckendes Antreten der Nationalliberalen allerdings unwahrscheinlich.

 

In Nordirland sammelt die offiziell im Waffenstillstand befindliche IRA weiterhin nachrichtendienstliches Material über potentielle Ziele. Bereits vor Wochen stellte die Polizei eine Liste mit mehr als 200 Zielpersonen von loyalistischen Paramilitärs bis hin zu konservativen Politikern und Unionisten sicher. Nach Angaben aus loyalistischen Kreisen hat die IRA-Führung offenbar einige Einheiten nicht mehr unter Kontrolle. Namentlich das 3. Bataillon aus West Belfast beteiligt sich regelmäßig an Straßenschlachten mit Loyalisten und Sicherheitskräften und scheint auch für die Schießerei von Short Strand verantwortlich zu sein, bei der mehrere loyalistische Randalierer verwundet wurden. Zudem zeigen sich in den ländlichen Regionen wie Armagh deutliche Abwanderungstendenzen hin zur Real IRA, die so in den Genuss von erfahrenen Untergrundkämpfern, Waffen und Material gelangt. In Derry stürmten rund 20 Maskierte in einer Blitzaktion einen unbesetzten Spionageposten der britischen Armee und brannten die Einrichtung nieder. Einer der Täter erklärte hierzu: "This is our new tactic – direct action!" Es darf spekuliert werden, ob die republikanischen Hardliner zur Taktik der "Straßengewalt" (kale borroka) nach dem Vorbild des ETA-Umfeldes übergehen.

 

Nach Polizeiangaben hat die Gewaltanwendung in Nordirland ihre höchste Intensität seit dem "Waffenstillstand" von 1994 erreicht. Die Bestrafungsaktionen loyalistischer und republikanischer Paramilitärs übertreffen mittlerweile angesichts des völligen Versagens der Polizei das Niveau aus den Zeiten vor der Waffenruhe. Zwischen Juli 2001 und Juni 2002 wurden 17 Personen bei Mordanschlägen getötet, es kam zu 358 Fällen von Schusswaffengebrauch und zu 318 Bombenanschlägen. Vor allem der Einsatz von Feuerwaffen und Sprengsätzen hat den höchsten Stand seit 10 Jahren erreicht. Gegen 315 Personen wurde Anklage wegen paramilitärischer bzw. terroristischer Aktivitäten erhoben. Bei Razzien stellten Polizei und Armee 96 Feuerwaffen, 9241 Schuss Munition und 96,2 Kilogramm Sprengstoff sicher. Während die Loyalisten 190 punishment shootings gegen Kriminelle und Asoziale verübten, waren die Republikaner für 66 solcher Bestrafungsaktionen verantwortlich.

 

Die "Plattform der Antiimperialistischen Koordination" stellte unlängst ihre Richtlinien vor, denen wir folgende Passagen entnehmen: "Die sogenannte „Globalisierung“ (von der der Neoliberalismus nur eines ihrer vielen Gesichter ist) bezeichnet zweifellos eine neue Etappe der weltweiten Hegemonie des Kapitalismus, auch wenn sie nicht als neue historische Phase der bürgerlichen Gesellschaft betrachtet werden kann. Doch es ist nicht wahr, dass der Kapitalismus mit der „Globalisierung“ zu den Zeiten der „freien“ Konkurrenz und der „freien“ Marktgesetze zurückgekehrt ist, dass er eine neue historische Entwicklungsphase erleben würde. In den letzten zehn Jahren haben sich die gegenteiligen Tendenzen verstärkt: sehr starke und unausgewogene weltweite Kapitalkonzentration zu Gunsten des spekulativen Finanzkapitals und der parasitären Renditen-Wirtschaft; Verschärfung des Gefälles zwischen hoch- und unterentwickelten Ländern mit gleichzeitiger Verschärfung des neokolonialistischen Charakters des imperialistischen Systems; Stärkung der nordamerikanischen Dominanz, wachsende weltweite Militarisierung. Die verwüstenden Zusammenbrüche einiger kapitalistischer Länder (Mexiko 1995, Thailand 1997, Russland und Indonesien 1999, Argentinien 2001) zeigen auf, dass der Kapitalismus trotz aller Bemühungen ein antagonistisches und instabiles System ist, das es dem Großteil der Völker nicht erlaubt, ihre chronische Unterentwicklung zu überwinden. Der Kapitalismus ist unempfindlich gegen jedwede Politik der strategischen Programmierung, verweigert von Natur aus die Unterordnung der Wirtschaft unter gesellschaftliche Ziele. Dem entspricht auf der Ebene der internationalen Politik eine Verschärfung der Widersprüche und der Konflikte, auf die der Westen mit der Intensivierung seiner Kommandoherrschaft und der Anwendung von Gewalt als permanentem Faktor antwortet, mit der Strategie des „Kriegs niedriger Intensität“ in den zerrütteten Peripherien, mit dem präventiven Angriff auf jedes als Feind betrachtete Land oder Kraft und schließlich mit der autoritären Degeneration der „opulenten Demokratien“ mit dem Ziel jeder inneren antagonistischen Bewegung zuvorzukommen. Den Nationalstaaten steht in diesem widersprüchlichen Prozess ein asymmetrisches Schicksal bevor: diejenigen, deren kapitalistisches System schwach und abhängig ist, werden geschwächt und instabil werden, die imperialistischen (siehe die USA) werden sich stärken. Die Europäische Union (vorausgesetzt, der Vereinheitlichungsprozess wird nicht unterbrochen) drückt die Krise der alten bürgerlichen Nationalstaaten aus, doch nicht in Richtung einer unbestimmten und nicht-staatlichen Realität, sondern bestenfalls in Richtung eines imperialistischen, den USA untergeordneten Meta-Nationalstaates.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten in Zentral- und Osteuropa, die kapitalistische Orientierung Chinas und die Aufsplitterung Jugoslawiens stellen in verschiedener Hinsicht eine entscheidende Wende in der modernen Geschichte dar. Diese Ereignisse haben zerstörerische Auswirkungen auf den weltweiten Klassenkampf gehabt. Sie haben die antikapitalistischen und antiimperialistischen Bewegungen, die sich bereits in der Krise befanden, tödlich verwundet und eine radikale Verschiebung der Kräfteverhältnisse zu Gunsten der imperialen Front bewirkt, deren Entscheidungs- und Machtzentrum mehr denn je die USA darstellen. Die nordamerikanische Supermacht, dank auch der strategischen Allianz mit den anderen Mächten (Kanada, Europa, Australien und Japan) und der Unterstützung zahlreicher Satrapen (unter denen die Länder einer entscheidenden Region wie Israel, Türkei und viele arabische Länder hervorstechen) versucht mit allen Mitteln die Herausbildung einer „multipolaren“ Weltordnung zu verhindern und scheint bereit zu sein, jedwedes Mittel einzusetzen um die globale Vorherrschaft zu erhalten. Enduring Freedom, das Theorem der Achse des Bösen, der Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus weisen darauf hin, dass das Weiße Haus einen ununterbrochenen Präventivkrieg begonnen hat, mit dem Ziel, jede feindliche Kraft in Bereichen, die es als strategisch betrachtet – also fast alle Regionen der Erde - zu zerbrechen. Die imperiale Supermacht bemüht sich, mit allen Mitteln die Möglichkeit zu verhindern, dass in irgendeinem Land von mittlerer Bedeutung aufs Neue eine revolutionäre Macht entstehen könnte, dass sich eine befreiende Welle antiimperialistischer Bewegungen entfesseln könnte. Diese Politik kann nur zu einer weiteren internationalen Destabilisierung führen, dazu dass sich die latenten Widersprüche vergrößern, die Konflikte verschärfen. Neue Kriege und neue Revolutionen werden unvermeidlich sein und diese könnten auch die Frage der Machteroberung von Seiten der Unterdrückten wieder auf die Tagesordnung setzen, wenn auch in bisher ungekannter und unvorhersehbarer Form. Diese Siege werden dem imperialistischen Gegenangriff nicht standhalten können, wenn sie sich nicht auf internationaler Ebene ausdehnen und wenn sie zögern werden, die Reaktion zu zerschlagen. Der Konflikt ist zunehmend von weltweiter Dimension.
Die revolutionären und antiimperialistischen Kräfte leben in einer verlängerten Phase des strategischen Rückzugs. Der Imperialismus greift an allen Fronten an, sowohl im Zentrum als auch in der Peripherie. Doch es ist in der Peripherie, wo das imperialistische System den breiten Massen weder wirtschaftliches Wachstum noch die elementarsten Rechte garantieren kann, wo es sich in seiner rohen Barbarei manifestiert, wo sich die unmittelbaren und explosiven Widersprüche konzentrieren. Dort kann die sogenannte neue Weltordnung, d.h. die monopolare Ordnung am leichtesten ins Wanken gebracht werden. Tatsächlich ist in den halbkolonialen Ländern der antiimperialistische Widerstandskampf, wenn auch in unterschiedlichster Form, nicht für einen Augenblick stillgestanden. Dort drängt die Politik der Ausbeutung nicht nur die Ärmsten zum Widerstand, sondern auch wichtige Sektoren der Intelligenz, der Armee und der nationalen Bourgeoisie, die um nicht unterzugehen, sich manchmal auf die Seite der Masse der Verdammten stellen müssen, fast immer unter patriotischen, nationalistischen oder panislamischen Fahnen. Dieser Widerspruch zwischen dem Imperialismus und den unterdrückten Nationen kann die Funktion eines Wegbereiters für echte revolutionäre Prozesse der nationalen und sozialen Befreiung annehmen. Neben Widerstandsnestern, die nach wie vor von genuin antiimperialistischen Kräften geführt werden (Palästina und Kolumbien etwa) mobilisieren sich die verarmten Massen auch unter populistischen, caudillistischen, panislamischen, „ethnischen“ und häufig offen reaktionären und halbfeudalen Vorzeichen. Es ist unsere Pflicht, unter Beibehaltung einer kritischen Einstellung und ohne unserer internationalistischen und revolutionären Grundlagen verlustig zu gehen, nicht nur die von antiimperialistischen Kräften geführten nationalen Befreiungskämpfe zu unterstützen, sondern alle Aufstände jener Völker, Nationen und Bewegungen, die ungeachtet ihrer reaktionären Führungen dem imperialen kapitalistischen System Risse zufügen. (...)
Im Warten darauf, dass der Klassenkampf im Westen einen Neuaufschwung und neue Kontinuität erfährt, dass eine neue proletarische Bewegung im Herzen des bürgerlichen Europas wieder ersteht und zur treibenden Kraft eines neuen antikapitalistischen Blocks wird, bleiben die antiimperialistische Solidarität und die internationalistische Mobilisierung (wie es zwanzig Jahre des Kampfes für Nikaragua, Irak, Mexiko, Kurdistan, Jugoslawien, Afghanistan und Palästina beweisen), von entscheidender Relevanz.
Die in Seattle entstandene Bewegung gegen die Globalisierung, auch wenn sie in pazifistischen und philantrophischen Ideen gefangen sein mag, ist ein unzweideutiger Hinweis auf ein Wiederaufflammen des Konfliktes in Europa. Wir beteiligen uns nicht nur aktiv an dieser Bewegung, wir können und müssen eine positive Rolle in ihr spielen, damit sie ihren zivilistischen Minimalismus überwindet und zu einer tatsächlichen antiimperialistischen Bewegung wird. Das setzt eine geeignete Politik voraus, die sich auf einerseits auf die Kritik und andererseits auf die Einheit stützt. Kritik ihrer humanitaristischen Ideen, ihrer klassenübergreifenden und auf die (neuen) Medien ausgerichteten Politik, ihrer Führungsgruppen, die sich immer mehr der Sozialdemokratie annähern. Wir kritisieren auch jene, die aus der Guerilla einen Fetisch machen, die die bewaffneten Kämpfe in vielen unterdrückten Ländern nachahmen wollen und so den Weg wieder aufnehmen wollen, der sich schon in den 60er und 70er Jahren als falsch erwiesen hat. Konflikt und Konsens müssen hand in hand gehen. Wenn die kämpferischsten Sektoren sich isoliert auf eine Offensive einlassen würden, würde das nur ihre Vernichtung begünstigen.
Die strategischen Zentren der wirtschaftlichen, politischen, militärischen und finanziellen Macht des imperialistischen Systems befinden sich im Westen. Die Aufgabe der Antiimperialisten und der Internationalisten ist es nicht nur, die Solidarität mit den antiimperialistischen Kämpfen der Peripherie des Imperiums herzustellen, sondern diese aktiv durch die Rolle einer verbindenden Brücke zu unterstützen, damit diese Kämpfe einen Weg ins Herz des imperialen Systems finden. Dies kann nicht losgelöst von der Notwendigkeit, dem gegen die Proletarier wütenden Liberalismus und der autoritären Panzerung des Westens entgegenzutreten, geschehen, wo unter dem Vorwand des „Kampfes gegen den Terrorismus“ die errungenen demokratischen Grundrechte mit Füßen getreten werden, chauvinistische, rassistische und militaristische Tendenzen erstarken. Dieser reaktionäre Kurs wäre schließlich nicht möglich, wenn das, was Lenin Sozialimperialismus nannte, nicht existieren würde, nämlich die Tendenz der westlichen Arbeiterbewegung als komplementäre Kraft der imperialistischen Politik ins System integriert zu werden. Die epochalen Migrationsströme von Süden und Osten in die imperialistischen Länder könnten mittel- bzw. langfristig ein höchst positives Element für die antikapitalistischen Kräfte darstellen. Ein neues multinationales Proletariat ist langsam im Entstehen und dieses könnte, freilich nicht automatisch, nicht nur zu einem der Hauptwerkzeuge für die Gegenoffensive der Klasse werden, sondern auch zu einem Kohäsionselement für einen neuen antagonistischen sozialen Block und schließlich zur sauerstoffspendenden Flamme, die es erlaubt, die Klassenkämpfe der Peripherie mit jenen der imperialistischen Zentren zusammenzuschweißen."

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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