Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 26. Januar bis 1. Februar 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Banken und Regierung plündern Argentinien aus

EU-Einfluss auf dem Balkan wächst

 

 

Zitat der Woche:
„Um eine neue Haltung geht es uns - das wollen die Patrioten nicht einsehen, können es wohl auch nicht, und deshalb glauben sie in uns nur missratene Jungens ihres Schlages zu sehen. Peinlich genug, dass wir es ihnen sagen müssen: nichts ist uns gemeinsam mit ihnen - um unserer Sendung willen ziehen wir die Grenze zwischen ihnen und uns - klar und unerbittlich. Überlassen wir sie ihren Bierbänken und ihrem Sonntagspatriotismus, dieweilen wir in der Einsamkeit unseres Stollens minieren und die Lunte anlegen an ein Zeitalter, das nicht mehr leben kann und in seinem tödlichen Siechtum die letzten Keime eines neuen Lebens zerstört.“
- Gustav Sondermann

Argentiniens neue Regierung musste eingestehen, dass ein Großteil der bei den Banken eingezahlten privaten Dollarguthaben nur noch in zusehends wertloseren Pesos ausgezahlt werden kann. Die raren Devisen wanderten in den Schuldendienst und befriedigten die rücksichtslose Habgier der westlichen Großbanken, die alleine im 3. Quartal 2001 4-5 Milliarden Dollar Schulden eintrieben. Die anhaltenden sozialen Unruhen in Argentinien haben mittlerweile zu insgesamt 30 Todesopfern und mehr als 2000 Festnahmen geführt. Mittlerweile gehen die Polizeikräfte auch gegen friedliche Demonstrationen mit rücksichtsloser Härte vor. Politische und wirtschaftliche Instabilität treiben am La Plata bereits die Rückwandererzahlen in die Höhe. Hier leben zahlreiche Nachfahren von Zuwanderern aus Spanien und Italien, die nunmehr vor den Botschaften und Konsulaten der alten Heimat Schlange stehen. Pressemeldungen zufolge tragen sich angesichts der hoffnungslosen Situation beinahe 50 % der Bevölkerung mit Auswanderungsabsichten.

 

Die US-Aggression gegen immer weitere Teile der islamischen Welt äußerte sich in einem Kurswechsel in Nahost. Bush hielt Palästinenserpräsident Arafat in bislang nicht gekannter Schärfe vor, er fördere den Terrorismus. Das US-Außenministerium dementierte Gerüchte über einen möglichen Abbruch der Beziehungen zur Autonomiebehörde nicht und behielt sich völlige Handlungsfreiheit vor. Am 7. Februar wird Ariel Sharon bereits seinen vierten Staatsbesuch in Washington absolvieren, während die Bush-Administration Arafat nicht ein einziges Mal einlud. Der israelische Premier verstieg sich zu der Bemerkung, er bereue es, nicht während der zionistischen Libanon-Invasion von 1982 für die Ermordung Arafats Sorge getragen zu haben. Nach Tel Avivs Vorstellungen wird der geplante Palästinenserstaat den Charakter eines Protektorats haben – entmilitarisiert, entwaffnet und lediglich Polizeikräfte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Die an der Regierung Sharon beteiligte Nationale Union kramte derweil wieder ihre Pläne zur Deportation der in Israel lebenden Palästinenser nach Palästina und Jordanien aus der Schublade. Um ihre Pfründe aus humanitären Hilfsgeldern und Strukturhilfe fürchtend, rief die kleptokratische Arafat-Verwaltung erneut die militanten Organisationen auf, ihre Operationen im zionistischen Kernland einzustellen. Korrekt ist allerdings die Feststellung, dass es der Autonomiebehörde durch die Festsetzung Arafats und die Zerschlagung der polizeilichen und administrativen Infrastruktur unmöglich sei, gegen den militanten Widerstand vorzugehen. Da mit dem Kollaps der Autonomiebehörde auch ein empfindlicher Rückschlag für die Anerkennung des palästinensischen Volkes als Völkerrechtssubjekt drohte, stellte sich selbst die islamistische Hamas hinter Arafat und warnte Tel Aviv vor direkten Maßnahmen gegen den Palästinenserpräsidenten – die Verhältnisse werden immer unübersichtlicher.

 

Mit Wafa Idris sprengte sich in Jerusalem erstmals eine Palästinenserin als Selbstmordattentäterin in die Luft. Der mitgeführte Sprengsatz von außerordentlicher Stärke tötete einen Israeli und verletzte bis zu 150 teilweise schwer. In ihrem Geburtsort Ramallah nahmen 3000 Menschen an einem Trauermarsch für die Widerstandskämpferin teil. „Wafa hat die Gefühle aller palästinensischen Frauen ausgedrückt, die am Kampf gegen die Besetzung teilhaben wollen“, erklärte Rabeeha Thiab als Vorsitzender der Fatah-Frauenorganisation. Die Täterin arbeitete als freiwillige Hilfskraft beim Palästinensischen Roten Halbmond PRCS und wurde seit Beginn der neuen Intifada vor 15 Monaten in Erfüllung ihrer humanitären Pflichten dreimal durch israelische Gummigeschosse verletzt. Dem islamischen Fundamentalismus stand die westlich und liberal orientierte 27jährige distanziert gegenüber – ein Beweis, wie weit die Umstände der zionistischen Besatzungsherrschaft die palästinensische Bevölkerung treiben können.

 

Die Loyalist Volunteer Force, seit ihrer Gründung durch den UVF-Renegaten Billy Wright eine der radikalsten protestantischen Untergrundgruppen Nordirlands, wies Gerüchte zurück, nach denen infolge des Vorgehens der Ulster Defence Association gegen die dubiosen Red Hand Defenders eine neue Fehde innerhalb des loyalistischen Lagers drohe. Angesichts massiver Drohungen des UDA-Oberkommandos gegen die in den letzten Monaten völlig außer Rand und Band geratenen RHD distanzierte die LVF-Führung sich gar von diversen Terrorakten und erklärte diese zu unautorisierten Einzelaktionen. Bemerkenswerterweise räumte die LVF-Führung sogar die Verwicklung einzelner Mitglieder in den Drogenhandel ein. Drogenkontakte seien keine charakteristische Eigenschaft der Loyalist Volunteer Force, sondern der zerrütteten nordirischen Gesellschaft. Es sei nicht die Aufgabe der LVF, die Gesellschaft von Drogen zu befreien, sondern der Polizei und der Politik. Auch die Liquidierung von Drogenhändlern löse das soziale Problem nicht. Die LVF verwies zutreffenderweise darauf, dass Angehörige aller paramilitärischen Gruppen Nordirlands an Drogengeschäften beteiligt sind. Der Army Council der Miliz habe unlängst klargestellt, dass derartige Aktivitäten nicht begrüßt und unterstützt werden. Hier zeichnen Schwierigkeiten sowohl für die Brigade Mid Ulster der LVF als auch für die berüchtigte C-Kompanie der UDA in der Belfaster Shankill Road ab, die beide zum einen eng befreundet und zum anderen massiv in das organisierte Verbrechen verstrickt sind. Es hat immer mehr den Anschein, als ob die Führungen der befreundeten Untergrundgruppen gegen die Verwicklung von Teilen ihrer Organisationen in Drogenhandel und sinnlosen Terror, letzterer zumeist unter dem Deckmantel der RHD begangen, mobilmachen. Nach der UDA signalisierte auch die LVF den Behörden ihre Bereitschaft, die Konflikte innerhalb Nordirlands auf politischer Ebene auszutragen. Das Nordirlandministerium wünscht jedoch als Voraussetzung eindeutige Gesten des guten Willens und ist nicht mehr bereit, sich wie 1998 zum Gespött machen zu lassen – damals verkündete die LVF ihre Entwaffnung und händigte den Briten einen Haufen schrottreifer Schiessprügel aus. Nach Angaben der LVF soll übrigens sogar die Provisional IRA den Namen der RHD verwendet haben, als sie einen Drogenhändler in Tyrone liquidierte.

 

Der Geheimdienstskandal um das anhand der Äußerungen bezahlter Provokateure und Agenten angestrebte Verbot der NPD nimmt zusehends schärfere Formen an. Nachdem über die Umtriebe des Inlandsgeheimdienstes VS entsetzte Abgeordnete an die Öffentlichkeit gingen, drohte Bundesinnenminister Schily allen Ernstes mit dem künftigen Boykott der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Bundestages. Die PKK wird von allen Fraktionen paritätisch beschickt und kontrolliert die Aktivitäten der bundesdeutschen Geheimdienste – sofern diese geruhen, sie zu informieren. Die FDP forderte nachdrücklich die Behandlung der Affäre im weniger diskreten Innenausschuss des Bundestages. Nur als geradezu staatskriminell kann der am Wochenende vor Ausbruch des Skandals erzielte Konsens bezeichnet werden: Sowohl Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben sich laut Schily darauf geeinigt, dem Bundesverfassungsgericht erst während der mündlichen Verhandlung mitzuteilen, dass ca. die Hälfte der als Verbotsgrund angeführten Zitate und Aktivitäten auf das Konto des Verfassungsschutzes geht. Von dieser mündlichen „in camera“-Verhandlung sollen die Prozessvertreter der NPD und die Öffentlichkeit ausgeschlossen sein. Die WELT nennt 126 sogenannte „Behördenzeugnisse“. VS-Agenten in den Reihen der Partei, also besoldete Sprachrohre des kapitalistischen Apparates, propagieren Antisemitismus, Rassismus, Sozialdarwinismus und Polizeistaat. Schily: "Wer ist denn hier der Gegner - eine extremistisch-antidemokratische, antisemitische Partei oder der Verfassungsschutz?" Angesichts der haarsträubenden Aktivitäten des letzteren mochte nicht einmal die auf Punktgewinne in Sachen Innere Sicherheit angewiesene Union einen Untersuchungsausschuss beantragen. Trotz aller Beteuerungen aus Regierungskreisen befinden sich unter den nun nur noch 13 vor das BVerfG geladenen Zeugen offenbar noch mindestens 2 weitere VS-Provokateure. Nach Angaben aus NPD-Kreisen soll es zudem noch einen MAD-Agenten geben. Paul Spiegel als Vorsitzender des Jüdischen Zentralrates spielte die Schmierenkomödie mit und forderte: "Ich appelliere an alle demokratischen Kräfte in Deutschland zusammenzuarbeiten um das Verfahren nicht scheitern zu lassen." Geert Mackenroth als Vorsitzender des Deutschen Richterbundes prangerte im Südwestfunk die wachsende Respektlosigkeit der Exekutive gegenüber der Justiz an, also die Aushöhlung der Gewaltenteilung in der BRD. Die Rechtsprechung befinde sich „im Würgegriff“ der Politik, und die restriktive Informationspolitik der Bundesregierung gegenüber dem höchsten Gericht sei ein in der gesamten deutschen Geschichte einmaliger Vorgang.

 

Innerhalb der EU gab es auf nationaler und regionaler Ebene in den letzten Monaten und Jahren nicht unerhebliche Erfolge konservativ-reaktionärer Parteien. Hier seien nur die Wahlgänge in Spanien, Österreich, Italien, Dänemark oder eben Hamburg genannt. Gestützt einerseits auf traditionell als Zünglein an der Waage fungierende liberale Parteien oder rechtspopulistische Gruppen, wurden nach Jahren sozialdemokratischer Vorherrschaft „christdemokratische“ Parteien wieder regierungsfähig. Wie die organisatorische Beteiligung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung an Wahlkampf und Organisation von Berlusconis Forza Italia belegt, wird hierbei auch grenzüberschreitend operiert. Mit dem Jahreswechsel ging die EU-Ratspräsidentschaft an den konservativen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar. Neben der CDU/CSU gehört Aznars Volkspartei PP zu den engsten Verbündeten Berlusconis, welche u.a. die Aufnahme der diffusen Sammlungsbewegung des mafiösen Milliardärs und Ministerpräsidenten in die Europäische Volkspartei durchsetzten. In seiner Funktion als EU-Ratspräsident sprach Aznar sich im „Corriere della Sera“ offen dafür aus, Berlusconi nicht mehr als EU-feindlichen Politiker einzustufen. Auch habe er keinerlei Einwände gegen die Nominierung des Postfaschisten Gianfranco Fini für den EU-Verfassungskonvent. Die konservative Reaktion spürt wieder Rückenwind, und nach kommenden Wahlen wird sie sich in zunehmendem Maße auf vom verunsicherten Stimmvieh gestärkte Steigbügelhalter verlassen können. Beispiel ist für die BRD die in Ausdehnung begriffene nationalliberale Partei Rechtsstaatlicher Offensive, die eine politische Sogwirkung auf deutschnationale Gruppen von den Republikanern bis zur NPD ausüben wird. Deutlich gesagt hat die Bevölkerung der EU-Mitgliedsstaaten nur noch die Wahl, ob der Aufbau eines europaweiten kapitalistischen Polizeistaates von Sozialdemokraten mit „linken“ Hilfstruppen oder Konservativen mit „rechten“ Juniorpartnern vorangetrieben wird.

 

Nach dem VS-Skandal um auf Bestellung gelieferten Rassismus, Antisemitismus und Gewaltfetischismus innerhalb der NPD steuert Nordrhein-Westfalen erneut haarsträubende Meldungen aus der grauen Welt der Geheimdienste bei. Nach Informationen des WDR war die G-10-Kommission des nordrhein-westfälischen Landtages, das für die Kontrolle nachrichtendienstlicher Abhörmaßnahmen zuständige Gremium, seit September 2000 unbesetzt. Erst im Dezember 2001 sei es der regierenden SPD möglich gewesen, geeignete Mitglieder für das von ausgebildeten Juristen gestellte Gremium zu benennen. Demnach konnten Verfassungsschutz, BND und MAD in NRW geschlagene 15 Monate lang ohne jede rechtliche Kontrolle Abhörmaßnahmen durchführen.

 

Afghanistans vom Westen installierter Übergangspremier Karsai, einst Angestellter des Erdölkonzerns Unocal, sprach sich in Washington für eine Verstärkung der UN-Truppe ISAF aus, um mit deren Hilfe die Herrschaft der in Kabul isolierten Verwaltung auf das ganze Land auszudehnen. Gehandelt wird eine Aufstockung wenigstens um das Zehnfache auf 30.000 Mann, zudem sollen nachrichtendienstliche und polizeiliche Behörden (nicht zuletzt das BKA) des Westens am Hindukusch aktiv werden. Karsai verlangte ferner eine Verlängerung des auf 6 Monate befristeten ISAF-Mandates. Bundeskanzler Schröder ließ sich nur zu bereitwillig von Kabul, Brüssel und Washington dazu drängen, öffentlich über eine militärische Führung der ISAF durch die Bundeswehr nachzudenken. Selbst der bisher nicht gerade als Pazifist aufgefallene Rudolf Scharping protestierte energisch. Die Kapazitäten der Bundeswehr reichen für eine derartige Aufgabe nicht aus, zudem scheint Schröder im militaristischen Machtwahn entgangen zu sein, dass man infolge der alliierten Auflagen keinen Generalstab besitzt. Eine endgültige Entscheidung ist derzeit auf den Sommer verschoben, wenn das ISAF-Mandat zur Verlängerung ansteht. Im Norden und Westen Afghanistans kommt es derzeit zu massiven Pogromen durch Nordallianz-Truppen gegen die paschtunische Bevölkerungsgruppe, Tausende fliehen nach Pakistan. In der Provinz Paktia revoltierten die Stämme gegen den von Karsai eingesetzten Gouverneur und vertrieben seine Soldaten. Bei der Bekämpfung versprengter Taliban- und al-Quaida-Verbände verüben US-Truppen Massaker wie weiland in Vietnam: Man überfällt zu nachtschlafender Uhrzeit verdächtige Dörfer, schießt alles zusammen und stellt dann den Überlebenden Fragen. Zusehends ereignen sich solche Kriegsverbrechen auch in neutralen oder gar verbündeten Ortschaften.

 

Ein Monument von Heuchelei und Hybris legte US-Präsident Bush mit seiner Rede zum State of the Union vom 29. Januar vor. Nach Aussage Bushs wird der „Krieg gegen den Terror“ erst richtig beginnen und bis zu 6 Jahre lang andauern. Ursache und Wirkung miteinander verwechselnd, prophezeite der Präsident, die aus Afghanistan vertriebenen Islamisten würden sich über alle Welt verteilen, um Rache zu nehmen. Amerika steht natürlich bereit, um ihnen Einhalt zu gebieten. Nordkorea, der Iran und der Irak wurden als Unterstützer des Terrorismus angegriffen und als „Achse des Bösen“ tituliert. Jede Nachgiebigkeit gegenüber diesen Staaten hätte fatale Folgen. Die Zeit arbeite nicht für die USA, also müsse die Reaktion auf die „terroristische Bedrohung“ möglichst schnell erfolgen. Hier verwies Bush auf die eingeleiteten Maßnahmen auf den Philippinen, in Bosnien und an der somalischen Küste. Man habe nicht die Absicht, anderen Völkern die amerikanische „Kultur“ aufzuzwingen, aber die USA würden stets in vorderster Front stehen für grundlegende Menschenrechte: „Rechtsstaatlichkeit, Begrenzung der Staatsgewalt, Gleichberechtigung der Frau, Garantie des Privateigentums, Meinungsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und religiöse Toleranz.“ Unter höhnischem Grinsen entgegnen wir: Staatskontrolle durch das Großkapital (Enron!), Polizei- und Geheimdienststaat, Kampagnen gegen die Abtreibung, himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit, Medienkonzerne, rassistische Rechtsprechung und calvinistischer Fundamentalismus. Ein jeder kehr´ vor seinem Tor…

 

Das Haager UN-Tribunal wurde von Auseinandersetzungen zwischen dem Richterkollegium und der Chefanklägerin Del Ponte erschüttert. Del Ponte drängt auf eine Integration der reichlich wackeligen Anschuldigungen gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic betreffs Kriegsverbrechen im Kosovo in das gesonderte Verfahren über die Vorfälle in Kroatien und Bosnien. Die Anklägerin argumentiert entlarvend, nur in einem umfassenden Verfahren könne die Gesamtheit des kriminellen Verhaltens ausreichend dargestellt werden – die Kosovo-Anklage steht auf tönernen Füßen. Letzten Endes knickten die skeptischen Richter ein und gestatteten die Zusammenlegung der Verfahren. Wir erinnern an die Erklärung Milosevics vom 10. Dezember: „Diese beiden ‚Anklagen’ wegen Kroatien und Bosnien wurden ausdrücklich nur aus einem einzigen Grund erhoben, nämlich, um die ‚Anklage’ wegen Kosovo in der Versenkung verschwinden zu lassen, weil über Kosovo zu reden die ganze Frage des Terrorismus aufwerfen würde, konkret die Zusammenarbeit der Clinton-Administration mit den Terroristen im Kosovo, einschließlich der Organisation bin Ladens.“ Der britische „Independent“ prophezeite bereits den Kollaps des Gesamtverfahrens, da die Anklage sich ausschließlich auf Zeugenaussagen westlicher Militärs und Geheimdienstler sowie ethnischer Albaner stützt. Ein Versuch, glaubwürdige Belastungszeugen in Belgrad aufzutreiben, scheiterte unlängst. Vor dem Willkürtribunal sagte der Milosevic erstmals in eigener Sache aus. Auf die diversen Anklagen wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo kommentierte Milosevic, er habe den jugoslawischen Republiken so schnell wie möglich Frieden bringen wollen. Das Verfahren sei ein „bösartiger und feindseliger Angriff zur Rechtfertigung der gegen mein Land verübten Verbrechen“ und ein „Versuch, das Opfer zum Schurken zu machen“. Wenn man drei Lügen zusammenfasse, werde noch keine Wahrheit daraus. Erstmals erkannte der Angeklagte die Legitimität des Gerichtes an und beantragte die Aufhebung der Untersuchungshaft. Er werde nicht fliehen, sondern der Verhandlung freiwillig beiwohnen: „Dies ist eine Schlacht, die ich nicht missen möchte.“

 

In der Kosovo-Hauptstadt Pristina demonstrierten Tausende albanischer Nationalisten unter wüsten Drohungen gegen die UN-Verwaltung. Auf Anordnung UNMIKs wurden zuvor drei UCK-Partisanen wegen ihrer Beteiligung an der Verschleppung und Ermordung serbischer Zivilisten verhaftet. Schröders seinerzeit wegen menschlicher Defizite und mangelnder diplomatischer Professionalität gefeuerter Berater Michael Steiner betritt als neuer UN-Sonderbeauftragter im Kosovo die Bühne des Pulverfasses Südosteuropa. Die politische Lage ist in der noch immer UN-verwalteten Provinz verfahren: Die serbische Koalition Povratak (Rückkehr) mit ihren 22 Abgeordneten lehnt grundsätzlich die Wahl eines Kosovo-Präsidenten als Vorstufe zur Trennung von Jugoslawien ab. Da Ibrahim Rugovas albanische DPK als relative Mehrheitsfraktion jede Machtteilung ablehnte, sabotierten die aus der Untergrundarmee UCK hervorgegangenen Milizparteien PKD und AAK seine Wahl zum Präsidenten der Provinz. Nicht ganz zu Unrecht argumentieren die Parteichefs Hashim Thaci und Ramush Hajredinaj, nach seinem Scheitern auch im 3. Wahlgang sei Rugova kein legitimer Kandidat mehr. Die USA drängen mittlerweile darauf, den ehemaligen UCK-Oberbefehlshaber Thaci zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Noch immer wird die Zivilverwaltung im Kosovo durch die UN-Mission UNMIK geführt, während für die notdürftige Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung 40.000 Mann der NATO-Truppe KFOR zuständig sind. Das Kosovo-Parlament hat ohnehin einen eher symbolischen Charakter, denn die wahre Macht liegt beim Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen. Der UN-Satrap hat das letzte Wort hinsichtlich Finanz- und Geldpolitik, Haushaltsvolumen, Rechtsprechung, Verwaltung, Zollwesen, auswärtigen Beziehungen und öffentlichem Eigentum. Er hat die Befugnis zur Parlamentsauflösung, wenn dieses das Kosovo für unabhängig erklären oder seinen Direktiven zuwiderhandeln sollte. Die von den albanischen Nationalisten im Kosovo angestrebte Unabhängigkeit wird wohl nur durch einen Kniefall vor den internationalen Großkonzernen erreichbar sein. In Gestalt der von der durch das westliche Großkapital finanzierten International Crisis Group herausgegebenen Empfehlungen lauten die Bedingungen der Multis auf Bereitstellung billiger Arbeitskräfte, rückhaltlosen rechtlichen Schutz ausländischer Investitionen unabhängig vom künftigen politischen Status des Kosovo und vollständige Privatisierung aller 350 in öffentlichem Eigentum befindlichen Unternehmen. Im Kososo und in Nordalbanien befinden sich die größten strategischen Chromreserven westlich des Ural.

 

Flankierend hierzu strebt die EU nach Ausweitung ihres Einflusses auf dem Balkan. Zum Jahreswechsel 2002/03 wird Brüssel die Verantwortung für die internationale Polizeitruppe in Bosnien übernehmen. Der zwischen Muslimen, Serben und Kroaten zerrissene Vielvölkerstaat wird damit erster Einsatzort der geplanten europäischen Kriseneinsatzkräfte, die eben nicht nur Soldaten, sondern auch Polizeibeamte umfassen. Da unter westlicher Regie bzw. unter Federführung CIA-naher Söldnerfirmen bereits genügend dem Westen hörige einheimische Büttel ausgebildet wurden, kann die Stärke der Polizeitruppe von 1800 auf 500 verringert werden. Ab 2003 will die EU imstande sein, bis zu 5000 Polizeibeamte für internationale Repressionsmaßnahmen („zivile Krisenbekämpfung“) zu entsenden. Alternativ sollen 60.000 Mann militärischer Krisenreaktionskräfte bereitstehen, die innerhalb von 60 Tagen an jedem Ort der Welt eingesetzt werden können. Javier Solana, EU-Kommissar für Sicherheitspolitik und nicht zufällig ehemaliger NATO-Generalsekretär, drängt bereits auf Übernahme der NATO-Mission Amber Fox in Mazedonien durch die EU.

 

In North Belfast wurde die Polizei von katholischen Randalierern in einen Hinterhalt gelockt. Als sich mehrere Polizeifahrzeuge einem in Brand gesetzten Lastwagen näherten, wurden sie von Jugendlichen angegriffen. Ein Brandsatz verletzte drei Polizeibeamte und zwei britische Soldaten; die anschließende Straßenschlacht konnte erst durch das Eintreffen von Verstärkungen beendet werden. Der Krankenstand der nordirischen Polizei hat die Marke von 11 % erreicht - 1093 von 9500 Beamten haben sich angesichts der Feindseligkeit von Loyalisten und Republikanern sowie der unaufhörlichen Straßenschlachten und Anschläge krankgemeldet. Mindestens jeder vierte der Kranken wurde zuvor im Dienst verletzt, vor allem während der Krawalle in North Belfast. Seit Juni 2001 gab es hier insgesamt mehr als 1000 Verletzungsfälle bei Polizeibeamten. Selbst polizeifreundliche Kreise konstatieren, die Moral sei am Ende.

 

Sinn Féin stellt ungeachtet ihrer revisionistischen Tendenzen zur Kooperation mit der britischen Kolonialmacht in Nordirland noch immer die größte Kraft des republikanischen Lagers dar. Wenigstens auf dem Sektor der internationalen Beziehungen scheint der revolutionäre Charakter noch ungebrochen. Im vergangenen Jahr wurde offenbar, dass die katholische Untergrundarmee Provisional IRA in relativ engem Kontakt mit der kolumbianischen FARC-Guerrilla steht. Die hieraus resultierende Verärgerung der US-Regierung vergrößerte sich, als der Sinn Féin-Vorsitzende Gerry Adams dem sozialistischen Kuba einen Besuch abstattete. Alex Maskey, führender Kommunalpolitiker der Partei in Belfast, hat bekanntgegeben, dass er mit dem baskischen Untergrund in Verbindung steht. Hier bemüht sich die separatistische Partei Herri Batasuna (während die HB-nahe Untergrundorganisation ETA offensichtlich jedes Maß verlor) um einen politischen Dialog zur friedlichen Lösung des Konfliktes.

 

Unklar ist, inwieweit der jüngste politische Vorstoß Herri Batasunas auf den nordirischen Einfluss zurückzuführen ist. Parteichef Arnaldo Otegi bekannte sich erstmals zu einem politisch und ethnisch pluralistischen Baskenland. Die staatliche Unabhängigkeit bleibt allerdings Grundvoraussetzung dieses weniger militanten Modells. Spanien und Frankreich wurden aufgefordert, ihre völker- und staatsrechtliche Nichtanerkennung des Baskenlandes aufzugeben und ihm nicht länger ihre politischen Strukturen aufzuzwingen. Die linksnationalistische Splittergruppe EA und die Vereinigte Linke IU signalisierten bereits Entgegenkommen. Bei einer Razzia im französisch-baskischen Pau stellte die Staatsgewalt über eine halbe Tonne Dynamit und diverse Dokumente aus ETA-Kreisen sicher.

 

Die Ausdehnung der nationalliberalen Partei Rechtsstaatlicher Offensive PRO erfasst auch Hessen, wenn man so will, als Keimzelle von Kappels BFB die Keimzelle derartiger Gruppierungen. Die Partei verfügt derzeit über 350 Mitglieder in Hessen. In der mecklenburgischen Landeshauptstadt Schwerin entstand der erste Ortsverband des geplanten Landesverbandes. Umfrageergebnissen zufolge würde die reaktionäre Law-and-Order-Partei derzeit mit mehr als 5 % der Wählerstimmen in den Landtag einziehen. Auf Bundesebene und im Stammland Hamburg braut sich derweil Ungemach zusammen. Angesichts des „etwas“ saloppen Pflicht- und Dienstverständnisses von Innensenator Ronald Schill, der sich seit seiner Wahl im Licht der Medien sonnt und sich in Kreisen der hanseatischen Geldsackaristokratie herumtreibt, ist die Zustimmung in der Hansestadt bereits deutlich zurückgegangen. Der Mitte-Rechts-Senat in Hamburg wird bereits von fast 75 % der Wähler als enttäuschend bewertet. Bundesweit würde die PRO derzeit mit 3 % der Stimmen durchrasseln – ihr politisches Überleben auf nationaler Ebene ist vollständig von den Entscheidungen Stoibers abhängig.

 

Neben massenhaft hohlen Phrasen enthielt der 11. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung deutliche Hinweise auf die wachsende Armut. Ein charakteristisches Beispiel für rosa-grüne Sozialpolitik ist der Ausschluss der mehr als 1 Million Sozialhilfebezieher unter 18 Jahren von der Erhöhung des Kindergeldes. Eine weitere Million Kinder und Jugendliche leben in verdeckter Armut, ohne den Anspruch auf Unterstützung wahrzunehmen. Fast 50 % der Schüler gehen nach dem Unterricht – sofern sie ihn denn besuchen – arbeiten, 20 % der Jugendlichen im Westen und 14 % im Osten sind bereits verschuldet. „Deutschland ist eines der reichsten Länder Europas und der Welt. Dennoch gibt es in einem erschreckenden Umfang Armut in dieser Gesellschaft. Einkommen und Vermögen sind höchst ungleich verteilt, und die Ungleichverteilung hat zugenommen…Von Armut besonders betroffen sind Familien mit Kindern, denn mit steigender Kinderzahl nehmen die Armutsquoten der Familien zu. Dies gilt nicht nur für die Einkommensarmut, sondern auch für die Versorgung mit Wohnraum, für Bildung und Ausbildung, für die Gesundheit, für die sozialen Beziehungen und für die kulturellen Angebote. Familien mit Kindern sind deshalb eher von sozialer Ausgrenzung bedroht. (...) Die Bedrohung mit Armut reicht zeitweise bis in die Mittelschichten hinein, während es auch zunehmend Familien in dauerhafter Armut gibt.“ Indikatoren für Armut sind die ausufernde Jugendkriminalität und familiäre Gewalt. Der Bundestag verabschiedete jüngst das Gesetz über gewaltfreie Erziehung, nach dem nicht nur Misshandlungen, sondern alle Körperstrafen und seelischen Verletzungen künftig in der Familienerziehung unzulässig sind. Hintergrund ist eine besorgniserregende Zunahme von Gewaltanwendung in Familien und Partnerschaften. Nach Angaben der Berliner Amtsanwaltschaft hat sich seit 1997 die Zahl der Verfahren im Bereich „Häusliche Gewalt“ von 3000 auf mehr als 6000 verdoppelt.

 

Im vergangenen Jahr sind die tatsächlich geleisteten Verteidigungsausgaben der BRD um fast 20 % gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat der Bund 27,95 Milliarden Euro für die äußere Sicherheit ausgegeben. Das entspreche im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg in Höhe von 4,65 Milliarden Euro. Allerdings waren die 2000er-Ausgaben die niedrigsten seit 1982. Insgesamt haben Bund, Länder und Kommunen im Jahr 2000 jede 11. Mark für die öffentliche Sicherheit ausgegeben. Die Ausgaben für Polizei, Justiz und Verteidigung betrugen zusammen 52,1 Milliarden Euro. Die Sicherheitsaufwendungen machten 9 % der Gesamtausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden aus.

 

Als widerlegt gelten kann die These, innerhalb der westmitteleuropäischen Gesellschaften koche sich ein reaktionär-islamistisches Gemisch gar: 97 % der türkischen Eltern in Berlin fordern gleichberechtigte Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für Mädchen, womit im Regelfall die Mittlere Reife gemeint ist. Vier Fünftel der Berliner Türken unterhalten soziale Kontakte zu ethnisch Deutschen. Informationen bezieht man sowohl durch deutsch- als auch durch türkischsprachige Medien, so dass hier zumindest das Potential besteht, nicht nur eine auf BILD oder „Hürriyet“ zentrierte Weltsicht zu erlangen. Beinahe 40.000 der in Berlin lebenden 170.000 ethnischen Türken sind eingebürgert, weitere 43 % warten auf die Genehmigung ihrer Anträge.

 

Auch im Jahr 2000 stieg in der BRD der Anteil der Schulabgänger ausländischer Herkunft, welche die Schule ohne einen Hauptschulabschluss verließen, um 0,5 Prozentpunkte auf 19,9 %. Zu dieser Gruppe werden alle Schüler ohne bundesdeutsche Staatsangehörigkeit gezählt. Den Einschulungsuntersuchungen in Berlin-Mitte zufolge sind bereits 42 % der Erstklässler Nichtinhaber bundesdeutscher Papiere. In der 1. Jahrgangsstufe hat jeder 5. Schüler türkische Vorfahren. Fast 48 % der Erstklässler sprechen kein akzentfreies Deutsch mehr – offensichtlich macht die Sprachkrise auch vor Schülern ethnisch deutscher Herkunft nicht mehr halt. Weitere 20 % der Erstklässler weisen schlechte oder gar keine Deutschkenntnisse auf. In ganz Berlin sind bis zu 58 % der türkischen Bevölkerungsgruppe arbeitslos, rund 50 % haben keine Berufsausbildung. Bei einem Vergleich mit der Erwerbslosenquote der ethnisch Deutschen kann wohl kaum behauptet werden – wie zu Wahlkampfzeiten in Ermangelung produktiver Inhalte - „die Ausländer“ würden Arbeitsplätze besetzen usw. usf.  Verantwortlich ist eine gescheiterte Integrationspolitik, die zusammen mit der Marginalisierung bestimmter Bevölkerungsschichten ein ständig wachsendes ethnisches Subproletariat erzeugt.

 

Auf dem globalisierungskritischen Weltsozialforum in Porto Alegre referierte der anglo-amerikanische Lateinamerikaspezialist James Petras über die durch den imperialistischen Hegemonialkrieg der USA ausgelösten Veränderungen der Weltlage. Die gegenwärtige Offensive Washingtons hat laut Petras das Ziel, den relativen Machtniedergang der USA aufzuhalten. Das umfasst die Unterordnung der EU, die vollständige Kontrolle über den Nahen Osten und den Persischen Golf, die militärische Durchdringung Lateinamerikas und Asiens, die Erhöhung des militärischen Druckes auf antikapitalistische Bewegungen in Lateinamerika, gewaltsame Unterdrückung der Antiglobalisierungsbewegung und Bekämpfung der Wirtschaftskrise durch Aufrüstung und Subventionen für angeschlagene Großkonzerne. Washington hat einen Krieg mit offenem Ende erklärt und installiert zugunsten seiner Vormachtstellung neue Marionettenregimes. Der relative Niedergang der politischen und ökonomischen Vormachtstellung der USA in Nahost, Lateinamerika, Asien und Afrika in den 90er Jahren steht einer Einflusszunahme auf dem Balkan gegenüber. Infolge der von IWF und Weltbank durchgesetzten neoliberalen Strukturanpassungsprogramme wurden die Marionettenregimes geschwächt, welche bislang die amerikanische Expansion förderten. Die Abhängigkeit dieser Regimes von den internationalen Finanzinstitutionen hat ein derartiges Ausmaß angenommen, dass die Überausbeutung zu einem Hindernis wurde. Demnach müssen die zerfallenden Staaten und Staatskarikaturen in der Dritten Welt dazu gezwungen werden, effektive Strukturen im westlichen Sinne aufzubauen. Die Selbstbehauptung der Schurkenstaaten Iran, Irak und Libyen sowie die neue Intifada in Palästina stellen einen deutlichen Einflussverlust der USA in Nahost dar. Ein Zeichen für den Niedergang der US-Hegemonialstellung ist der massive Anstieg der Handelsbilanzüberschüsse in Asien und der EU auf Kosten der Vereinigten Staaten. Infolge der wirtschaftlichen Einflussverluste und der internen ökonomischen Probleme entschied sich die US-Regierung für die Militarisierung ihrer Außenpolitik und für die ökonomische Unterjochung Lateinamerikas durch das angestrebte Freihandelsankommen LAFTA. „Der Angriff vom 7.Oktober, die massive weltweite Konteroffensive des Imperiums und die Zerstörung Afghanistans haben das Vertrauen der Investoren wiederhergestellt und zu einem bedeutenden Zufluss an Kapital und einer vorübergehenden Erholung der Aktienmärkte geführt. Die Strategie des totalen Krieges zielte nicht weniger auf die Wiederherstellung des Vertrauens der Investoren in die Unbesiegbarkeit und Sicherheit der imperialen Macht als auf politische oder Ölinteressen. Allem Anschein nach wird das Agieren an den Aktienmärkten, vor allem im großen Stil, werden langfristige ausländische Investitionen an den Aktien- und Wertpapiermärkten der USA nicht weniger von der Anlagesicherheit wie von der Leistungskraft der US-Wirtschaft beeinflusst. Daher das paradoxerweise verkehrte Verhältnis zwischen Aktienmarkt und Realwirtschaft: Obwohl alle Wirtschaftsindikatoren der Realökonomie nach unten auf ein Minuswachstum zeigten, erreichten die Aktienmärkte wieder das Niveau vor dem 11.September. Dennoch gibt es Grenzen für die politische Basis von Investitionen. Ein anhaltendes negatives Wachstum, Niedergang der Profite, Zunahme der Verluste wird die Phase der Erholung höchstwahrscheinlich beenden und erneut zum Tiefflug der Aktienmärkte führen. Theoretisch von Bedeutung ist, dass bei zunehmender Schwächung der wirtschaftlichen Grundlagen des Imperiums die Rolle des imperialen Staates zunimmt. Das Empire wird immer abhängiger von staatlicher Intervention; es offenbart damit die engen Beziehungen, die es zwischen dem imperialen Staat und den Investoren, einschließlich den Konzernen, gibt. (…) Die zentrale Bedeutung des imperialen Staates für die Eroberung und den Ausbau der Vormachtstellung der USA widerlegt die Grundannahme führender Theoretiker der Antiglobalisierungsbewegung, wie Susan George, Toni Negri, Ignacio Ramonet, Robert Korten usw., die an die »Autonomie der globalen Konzerne« glauben. Sie betonen die zentrale Rolle des Weltmarkts für die Schaffung von Armut, Herrschaft und Ungleichheit. Unter den gegebenen Umständen ist das ein Anachronismus. Angesichts der Tatsache, dass die euro-amerikanischen imperialen Staaten Truppen entsenden, um mehr Länder zu erobern und zu besetzen, dass sie Millionen Menschen die Existenz rauben, sie entwurzeln und ins Elend schicken, ist es höchste Zeit, von einer Antiglobalisierungsbewegung zu einer antiimperialistischen Bewegung überzugehen und die falschen Annahme, »Superstaaten« seien von autonomen Multis beherrscht, durch die Realität zu ersetzen, dass multinationale Konzerne eng mit imperialen Staaten verquickt sind.“

 

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