Wochenschau
|
Die politische Wochenschau
vom 2. bis 8. Februar 2002
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
|
|
|
|
Zitat der Woche: |
"Macht die Sache des Volkes zur Sache der Nation, dann wird die Nation Sache des Volkes sein" |
-
W.I. Lenin
|
Die Berliner Rosa-Luxemburg-Stiftung hielt eine hochinteressante Diskussionsveranstaltung zum Thema "Die Linke und die Nation" ab. Geladen und erschienen waren u.a. Gabi Zimmer und Prof. Dr. Peter Porsch als Vertreter des PDS-Parteivorstandes sowie Dr. Tilman Fichter von der SPD-Parteischule. Prof. Dr. Lötzsch, ebenfalls PDS-Mitglied, unterschied hier zwischen autochthonen Minderheiten wie Dänen und Sorben und den eingebürgerten Zuwanderern. Neben der Gesellschaft müsse es auch die Gemeinschaft geben, zu der auch die Nation gehöre. Die Nation sei durch die hemmungslose Globalisierung bedroht, da diese sich die Zerstörung der Gemeinschaften zum Ziel gemacht habe. Den dezidiert antinationalen Gruppierungen (Antideutsche!) sprach Lötzsch indirekt das Recht ab, sich als Bestandteil der Linken zu bezeichnen. Porsch wiederum verwies auf die Bedeutung der nationalen Identität für die Aussagekraft einer menschlichen Persönlichkeit. Der unsinnige Gebrauch von Fremdworten erschien ihm als unnötiges Kommunikationshindernis Muttersprache sei hingegen identitätsstiftend. Gabi Zimmer kritisierte den nationalen Selbsthass weiter Kreise der bundesdeutschen Linken, der nicht einmal vor Werken Brechts haltmache: "Wie sollen wir mit so einem nach außen getragenen Selbsthass Politik machen?" Offenbar werde in der Linken Internationalismus als Antinationalismus definiert. Unter den Zuhörern sollen sich angeblich auch ein Mitarbeiter Horst Mahlers und Vertreter der empfehlenswerten Zeitschrift "Kalaschnikow" befunden haben.
In einem offenen Brief kündigten 50 teilweise hochrangige Reserveoffiziere der israelischen Armee an, künftig den Dienst in den besetzten Gebieten zu verweigern. Der Preis für die Besatzung sei "der Verlust an Menschlichkeit innerhalb der Armee und die Zersetzung der ganzen israelischen Gesellschaft". Die Militärs weigerten sich, weiterhin "ein ganzes Volk zu kontrollieren, zu vertreiben, zu zerstören, zu blockieren, auszuhungern und zu demütigen. (...) Wir erklären, dass wir weiterhin in der israelischen Armee bei jedem Auftrag, der der Verteidigung des Staates Israel dient, kämpfen werden. Der Auftrag zur Besetzung und Unterdrückung dient diesem Ziel nicht und wir wollen keinen Anteil daran haben." Palästinenserpräsident Arafat versuchte derweil vergebens, durch Entgegenkommen in der Frage der 4 Millionen seit Jahrzehnten in Ghettos dahinvegetierenden palästinensischen Heimatvertriebenen und durch Maßnahmen gegen in Israel operierende Untergrundgruppen das Wohlwollen Tel Avivs zu erkaufen. Sharon drängte in Washington massiv auf Schritte gegen die "terroristische" Autonomiebehörde. Bushs Vize Richard Cheney soll dem Vernehmen zum Thema Arafat erklärt haben: "Wenn´s nach mir geht, könnt ihr ihn auch aufhängen." Der alte Wolf scheint jedoch noch Zähne zu besitzen: Der arabische Knesset-Abgeordnete Hashem Mahmied erklärte nach einem Gespräch mit Arafat: "Fangt gar nicht erst an, von der Arafat-Nachfolge zu träumen. Wer auch immer versucht, Arafats Platz einzunehmen, während er noch am Leben ist, wird auch nicht einen Tag im Amt überleben." Nach zionistischen Luftangriffen auf Nablus entließ die Autonomiebehörde Dutzende Aktivisten der Hamas und des Islamischen Heiligen Krieges aus ihren Gefängnissen. Israel fordert mittlerweile eine US-Intervention im Libanon, da sich die Hizbollah-Miliz mit bin Ladens al-Quaida verbünde. Hierbei handelt es sich um Unfug, denn die Hizbollah ist eine schiitische Organisation, die mit der sunnitischen al-Quaida nicht gerade in bestem Einvernehmen steht. Im Zusammenhang mit der seit Herbst 2000 andauernden neuen Intifada sind bislang 936 Palästinenser und 262 Israelis ums Leben gekommen.
Die aus den der Selbstauflösung anheimgefallenen Tute Bianche, den linksextremen italienischen Globalisierungsgegnern, hervorgegangenen Organisationen Ya Basta und Disobbedienti lösten in den Reihen ihrer vormaligen Verbündeten einen Aufschrei aus. Der nationale Kongress Ya Bastas in Bologna verabschiedete einen Aufruf zum Boykott israelischer Waren, da die Solidaritätsarbeit mit dem palästinensischen Volk eines der Zentralprojekte ist. Die vor allem im Raum Rom aktiven Disobbedienti signalisierten bereits ihre Unterstützung des Zionistenboykotts. Beispielsweise klärt man durch Flugblattaktionen vor Supermärkten die Bevölkerung über die Herkunft der israelischen Produkte und die Zustände in Nahost auf. In Kreisen der bundesdeutschen Linken hingegen starrt man wie hypnotisiert auf die "besondere Vergangenheit" oder schwingt die Antisemitismuskeule beide Verhaltensweisen sind Wasser auf die Mühlen des faschistischen Apartheidstaates Israel.
Der sattsam bekannte spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón setzte seinen persönlichen Kreuzzug gegen die nationale Selbstbestimmung des baskischen Volkes fort. Neue Maßnahmen waren Verbotsverfügungen gegen die Gefangenenhilfsorganisation Askatasuna und die Jugendbewegung Segi. Die erst vor knapp 2 Monaten gegründete Askatasuna organisiert die Angehörigen der mittlerweile 582 (!!!) inhaftierten baskischen Aktivisten. Mit Gestoras und Haika wurden die direkten Vorläuferorganisationen Askatasunas und Segis im Vorjahr von der Madrider Zentralregierung ebenfalls verboten. In San Sebastián wurden sechs Basken verhaftet, weil sie sie Straßenkrawalle gegen die spanische Fremdherrschaft organisiert haben. Mit dieser kale borroka kämpfen große Teile der baskischen Jugend unter Schonung von Menschenleben gegen Sicherheitsorgane und Einrichtungen des Großkapitals. Noch Mitte der 90er Jahre erging jeweils eine Verbotsanordnung gegen den nationalen Widerstand im Baskenland, nunmehr hat sich der Abstand bei der Kriminalisierung auf 2 Monate verkürzt. Die spanische Repressionspolitik trifft selbst bei der hinsichtlich der Bekämpfung nationaler Minderheiten nicht zimperlichen französischen Regierung auf wenig Entgegenkommen. Bislang ist keine der in Spanien verbotenen Organisationen in Frankreich behelligt worden. Paris hat offenbar auch keine Einwände gegen die Ausdehnung der bislang nur im spanischen Teil des Baskenlandes aktiven Separatistenpartei Herri Batasuna auf das französische Baskenland.
In Amsterdam wurde im Januar aufgrund eines spanischen Auslieferungsersuchens Juan Ramón Rodríguez Fernández von einer Spezialeinheit der niederländischen Polizei verhaftet. Nach Angaben der spanischen Behörden soll Rodríguez im Umfeld des in Barcelona aktiven ETA-Kommandos Gorbea aktiv gewesen sein. Kurz nach Einlieferung des vermeintlichen Topterroristen in den Hochsicherheitsknast Vught stellte sich jedoch heraus, dass die als erster Erfolg von Eurojust gefeierte Polizeiaktion ein auf maßlose Übertreibungen der spanischen Behörden zurückzuführender Reinfall war. Der Inhaftierte ist zunächst einmal spanischer und mitnichten baskischer Herkunft, wie Kundigen bereits der Name verraten sollte. Zudem ist Rodríguez eher der Hausbesetzerszene zuzuordnen; sein Vergehen bestand offenbar darin, die rechtsreaktionäre spanische Gruppe CEDADE ausgekundschaftet zu haben. Folgerichtig sitzt der politische Gefangene mittlerweile im Normalvollzug; der Auslieferungsantrag lässt auf sich warten. Die spanischen Repressionsbehörden nutzen den baskischen Freiheitskampf zur Kriminalisierung der gesamten Linken, und vor allem in Barcelona hat es in diesem Zusammenhang bedenkliche Vorfälle gegeben. Zu nennen wären hier die unter Schusswaffengebrauch erfolgte Sprengung einer friedlichen Antiglobalisierungskundgebung im vergangenen Jahr und willkürliche Polizeiaktionen gegen Hausbesetzer und die linksextreme Infrastruktur. Im Rahmen der Operation Indigo betreibt die Guardia Civil Präventivmaßnahmen, um Unruhen während des EU-Gipfels in Barcelona und der EU-Ministertreffen in Madrid und Sevilla zu verhindern.
In Großbritannien herrscht auch unter New Labour, dem wirtschafts- und sozialpolitischen Vorbild der SPD-Parteiführung, massenhaftes Elend. Einer Studie der Deutsch-Britischen Stiftung zufolge wächst jedes 3. Kind in einer Familie auf, die weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Die Quote in der BRD liegt derzeit bei 19 %, aber das schaffen wir bis 2010 locker. Insgesamt lebt jeder 5. Einwohner Großbritanniens in Armut. Britische Arbeitslose erhalten mit umgerechnet 69 Euro pro Woche weniger als ein Drittel des Durchschnittslohnes. Obwohl die Zahl der Alleinerziehenden höher ist als in Kontinentaleuropa, erhalten diese geringere Zuwendungen als EU-weit üblich. In keinem anderen EU-Land gibt es mehr minderjährige Mütter als im Vereinigten Königreich. UNICEF zufolge weist kaum ein OECD-Land eine höhere Kinderarmut auf als Großbritannien. Aus Kreisen der schottischen Regierung verlautete, rund 25 % aller Kinder unter 16 Jahren würden in Haushalten leben, denen weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung stehe die Massenarmut hat hier den höchsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkrieges erreicht. In Glasgow beispielsweise liegt diese Zahl bei 42 %, und nur 17 % der Absolventen staatlicher Schulen können sich eine nachfolgende höhere Schulbildung leisten. In einigen Stadtteilen weist bereits jedes 5. Kind Anzeichen von Unterernährung auf. Anlass zur Sorge gibt auch der ausufernde Konsum harter Drogen durch immer mehr und immer jüngere Menschen.
Ein Erkundungsteam der Bundeswehr untersucht derzeit in Kenia, ob in der Hafenstadt Mombasa nach Djibouri ein zweiter bundesdeutscher Marinestützpunkt in Ostafrika eingerichtet werden kann. Von hier aus sollen Seefernaufklärer vom Typ Bréguet Antlantic die in Djibouti stationierten Flotteneinheiten bei der Überwachung des Schiffsverkehrs unterstützen. Gewissermaßen fungieren die bundesdeutschen Marineeinheiten als Augen und Ohren der US Navy am Horn von Afrika. Die durch den Westen ermunterte Destabilisierung der Region macht unterdessen Fortschritte. Im Jemen droht der prekäre innere Frieden des nach jahrzehntelanger Trennung wiedervereinigten Landes auseinanderzubrechen. Washington zwingt die Zentralregierung, militärisch gegen diverse Bergstämme vorzugehen, die angeblich mit islamistischen Terroristen zusammenarbeiten. Im Süden Somalias stellen äthiopische Offiziere im Solde der USA Truppenverbände auf, und vor den Küsten werden von den USA und ihren Verbündeten 100 Kriegsschiffe und 40.000 Mann zusammengezogen. Als Kopf einer konstruierten innersomalischen Opposition (der somalische Staat steht spätestens seit 1991 nur noch auf dem Papier) steht der Warlord Hussein Aidid bereit, dessen Vater noch fanatisch gegen die Amerikaner kämpfte. Entlang der Grenze von Äthiopien zum Sudan sind Kampfhandlungen ausgebrochen, da von den USA bezahlte äthiopische Söldnerverbände auf der Suche nach islamistischen Ausbildungslagern die Grenzen verletzten. Der gerade halbwegs eingedämmte Bürgerkrieg im Sudan wird angeheizt, indem die Amerikaner sich unter Ausnutzung von Stammesrivalitäten Verbündete gegen Parteigänger des Islamismus suchen.
Mit Unterstützung amerikanischer Interventionstruppen eröffneten die philippinischen Regierungstruppen im Süden des Inselreiches eine "Militärübung", um den Kampf gegen die muslimischen Rebellen auszuweiten. Robert Fitts als amerikanischer Geschäftsträger in Manila erklärte, die Manöver würden dazu beitragen, "die terroristischen Parasiten auszulöschen". Die systematische strategische Einkreisung der VR China wird unterdessen weiter vorangetrieben. Washington verhandelt derzeit mit der vietnamesischen Regierung über die Nutzung des Flottenstützpunktes Cam Ranh. Die Anlagen wurden bis zur Niederlage im Vietnamkrieg von der US Navy betrieben, gingen dann an die Russen und werden in Kürze von diesen geräumt.
Die lateinamerikanischen Gewerkschaften richteten auf dem Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre heftige Angriffe an die Adresse der USA. Durch die amerikanischen Freihandelspläne und die neoliberale Wirtschaftspolitik der meisten lateinamerikanischen Regierungen sei die einheimische Freihandelszone Mercosur von Auflösung bedroht. Stattdessen fordern die Gewerkschafter den Ausbau des Mercosur als eines eigenständigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Blockes. Da die Regierungen sich für den ungehemmten Wettbewerb im Welthandel entschieden, geriet der Mercosur in ein Handelsdefizit gegenüber den Industrienationen und wurde vom internationalen Finanzsystem abhängig. Die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank hintertreiben gemeinsam mit dem US-Wirtschaftsimperialismus die makroökonomische Integration Südamerikas. Infolge einer fehlenden gemeinsamen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ist es den Transnationalen Konzernen möglich, Werke und Produktion willkürlich von einem Land in das andere zu verlegen. Sie brauchen keinerlei Gegenleistungen für die verursachten sozialen Kosten zu erbringen. Mit der Drohung der Nichtinvestition bzw. des Investitionsabzuges werden Subventionen, Steuerprivilegien und Sozialdumping erzwungen. Die Folge ist eine massive Zerstörung der produktiven Kapazität, die Steigerung der Konzentration von Grundbesitz und eine große Landflucht. Erwerbslosigkeit, Armut, informelle Wirtschaft und Kinderarbeit nehmen zu; ein großer Teil unserer Bevölkerungen wurde seiner elementaren Rechte auf Gesundheit, Bildung und Nahrung beraubt. Die soziale Ausgrenzung nimmt zu. Noch setzen die Gewerkschaften ihre Hoffnungen auf eine friedliche Umkehrung des Prozesses und fordern ihre nationalen Regierungen und die Parteien zur Zusammenarbeit gegen die globalisierungskapitalistische Bedrohung auf. Noch. Venezuelas bolivarianische Revolution, der Freiheitskampf der FARC in Kolumbien oder Fidel Castros Kuba bieten dem Interessierten hinreichenden Ausblick auf alternative Lösungen.
In Argentinien ist der Machtkampf zwischen dem neuen Präsidenten Duhalde und dem Altperonisten Carlos Ménem mit voller Härte entbrannt. Der noch von Ménem berufene Oberste Gerichtshof erklärte die Teilsperrung der Privatguthaben bei den Banken für rechtswidrig, was auf energischen Protest der Regierung stieß. Dem Parlament liegen bereits 28 Absetzungsanträge gegen die hochgradig korrupten Gefälligkeitsjuristen vor, deren Tage wohl gezählt sind. Ménem als Strohmann des Großkapitals drängt auf Privatisierung der Staatsbanken, die Abschaffung des Peso und die Einführung des US-Dollars als Zahlungsmittel das Ziel ist ein inoffizieller Teilstaat der USA. Auf diese Weise wäre auch sichergestellt, dass Buenos Aires seinen Widerstand gegen die panamerikanische Freihandelszone aufgibt. Da die auf 61 Milliarden Dollar geschätzten Bankguthaben zu nicht geringen Teilen zugunsten der Schuldentilgung von der liberalen Vorgängerregierung geplündert wurden, steht das argentinische Finanzsystem vor dem Kollaps. Die argentinische Zentralnotenbank ordnete die phasenweise Zwangsschließung aller Kreditinstitute an. Duhalde weicht unterdessen zurück und verzichtete auf die geplante Sonderabgabe von 30 % auf die von spanischen Unternehmen kontrollierten Erdölexporte. Auf Druck des IWF gab Buenos Aires den Wechselkurs völlig frei und entsperrte alle Gehaltszahlungen. Im Rahmen eines politischen Kuhhandels mit den USA wird Argentinien in Kürze als Mitglied der UN-Menschenrechtskommission für eine Verurteilung des sozialistischen Kuba stimmen. Während das Großkapital seinem Ziel immer näher kommt, versteht die "globalisierungskritische" Linke wieder einmal nur Bahnhof und randaliert in den Städten, dabei Ménems dunkle Geschäfte besorgend.
Wer Argentinien für den einzigen Krisenherd des globalen Finanzsystems hält, geht weit fehl. Zu nennen sind hier vor allem Ägypten und die Türkei als weitere mögliche Ausgangspunkte einer globalen Finanzkrise. Die ägyptische Regierung verhandelt derzeit mit den Vertretern von 29 "Geberstaaten" und der Weltbank über einen Kredit von 2,5-3 Milliarden Dollar, um die gegenwärtige Wirtschaftskrise bekämpfen zu können. Seit dem Sommer hat das ägyptische Pfund ein Drittel seines Wertes verloren. Ein Witz macht die Runde: der ägyptische Ministerpräsident Atef Obeid habe den Nobelpreis für Chemie erhalten, weil es ihm gelungen sei, die Landeswährung in Mist zu verwandeln. Immerhin gelang es dem wichtigen Verbündeten des Westens, internationale Kredite in Höhe von 10,3 Milliarden Dollar einzuhandeln, darunter 2,1 Milliarden Dollar Soforthilfe. Der IWF hat der Türkei ein dreijähriges Kreditpaket im Volumen von 16 Milliarden Dollar (rund 18,4 Milliarden Euro) gewährt. Der Fonds teilte mit, die Gelder sollten der Finanzierung des Reformprogramms 2002-2004 der Regierung in Ankara zur Überwindung der tiefsten Rezession des Landes seit 1945 dienen. Mit dem neuen Kreditprogramm wird die Türkei mit insgesamt 31 Milliarden Dollar größter Schuldner des IWF, noch vor Argentinien mit 22 Milliarden Dollar.
Der BND verlangt bereits eine Novelle der erst am 22. Januar in Kraft getretenen Telekommunikations-Überwachungs-Verordnung. Die TKÜV regelt die geheimdienstliche Überwachung der Telekommunikation im Internet- und Mobilfunkzeitalter. Pullach fordert eine Nachbesserung in Form einer eigenen Abhörschnittstelle bei den Anbietern. Das Problem des ohne jegliche Personen- und Anschlusszahlbegrenzung mit der strategischen Fernmeldeüberwachung der Auslandskommunikation beauftragten BND liegt in einer Quotenregelung. Die Aufklärer des Bundesnachrichtendienstes dürfen nur 20 % der internationalen Telekommunikationsverbindungen kontrollieren. Aus diesen 20 % lässt sich jedoch infolge des paketvermittelten Datenverkehrs oftmals keine vernünftige Nachricht zusammensetzen, so dass Pullach nunmehr 100 % der Verbindungen erfassen will, um nach kompletter Rekonstruktion der Nachrichten 20 % zu überwachen. Im Gegensatz zu Großbritannien besitzt die BRD nur dezentrale Auslandsknoten, und der BND drängt offenbar auf die Einrichtung eines geheimdienstfreundlichen Zentralrouters nach britischem Vorbild. Zudem kann durch die Zuständigkeit des BND für den Internetverkehr im leitungsgebundenen Verkehr auch eine Überwachung der Inlandskommunikation nicht ausgeschlossen werden auch bundesdeutsche User und Unternehmen können allgemein verfügbare Domains (.com usw.) benutzen.
Die 38. Konferenz für Sicherheitspolitik in München wurde von geradezu polizeistaatlichen Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Die Behörden erließen ein totales Demonstrationsverbot, 3500 Mann Bereitschaftspolizei und Sondereinheiten des Innenministeriums (BGS) marschierten auf. Auch die massive Einschüchterungsstrategie konnte nicht verhindern, dass Tausende mit illegalen Kundgebungen ihrem Protest gegen den imperialistischen Globalisierungskapitalismus Ausdruck verliehen. Prompt ließ die Einsatzleitung den uniformierten Auswurf der Gesellschaft von der Leine. Die Bilanz lautet auf 849 Festnahmen, darunter 792 Ingewahrsamsnahmen ohne Indiz und Verdacht. Gegen 57 Teilnehmer der fast vollkommen friedlichen Kundgebungen wurden Verfahren wegen Körperverletzung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt eingeleitet. Rund 500 Personen wurden erkennungsdienstlich behandelt und dürften sich in der Limo-Datei des BKA wiederfinden. Mindestens 8 Demonstranten wurden verletzt, darunter eine von USK-Bullen drangsalierte 70-Jährige. Die Militarisierung der Politik richtet sich offensichtlich nicht nur gegen nichtwestliche Staaten, sondern auch gegen die eigene Bevölkerung.
Unter den 400 Experten und Politikern aus 43 Staaten befanden sich 38 Außen- und Verteidigungsminister, darunter US-Vizeverteidigungsminister Wolfowitz und NATO-Generalsekretär Lord Robertson. Als einziger "Regierungschef" war Edmund Stoiber zugegen, die wahren Entscheidungen wurden offenbar auf dem parallelen Weltwirtschaftsforum in New York gefällt. Wolfowitz drängte massiv auf militärische Maßnahmen gegen den Irak, was bei den zusehends bevormundeten Europäern auf wenig Gegenliebe traf. Vor allem Bushs aggressive Rede zum State of the Union (siehe letzte WS) ließ auch bei den proamerikanischsten Kollaborateuren die Alarmglocken schrillen. Die EU warnte vor einem Angriff auf den Irak, weil dieser den ganzen Nahen Osten destabilisieren würde und zudem dramatische weltwirtschaftliche Auswirkungen hätte. Selbst Scharping erklärte, bei eigenmächtigen Operationen der USA könnten die Europäer die "Allianz gegen den Terror" verlassen. Wolfowitz schnappte zurück, die Vereinigten Staaten würden kein Mandat des UN-Sicherheitsrates benötigen, um ihre Interessen zu verteidigen. Geradezu verzweifelt beschwor der US-Hardliner den Zusammenhalt des brüchig gewordenen Militärbündnisses, verstärkte jedoch mit seiner Rede eher die Sorgen der europäischen Kollaborationsregimes: "Unser Ansatz muss sich auf Prävention und nicht nur auf Bestrafung konzentrieren. Wir befinden uns im Krieg. Selbstverteidigung erfordert Prävention und manchmal Präventivmaßnahmen. Man kann sich nicht gegen jede Bedrohung an jedem Ort zu jeder denkbaren Zeit verteidigen. Die einzige Verteidigung gegen den Terrorismus ist, den Krieg zum Feind zu bringen. Der große Vorteil der Terroristen ist ihre Fähigkeit, sich nicht nur in den Bergen Afghanistans, sondern auch in den Städten Europas und der Vereinigten Staaten zu verstecken. Wir müssen sie unbarmherzig jagen, aber wir müssen ihnen auch die Zufluchtsorte verweigern, an denen sie sicher planen und organisieren können, und ihnen die finanziellen und materiellen Ressourcen entziehen, die sie für ihre Einsätze benötigen. (...) Die Länder, die sich dafür entscheiden, Terrorismus zu tolerieren und sich weigern, Maßnahmen dagegen zu ergreifen oder - schlimmer noch - die Länder, die ihn weiterhin unterstützen, werden Konsequenzen zu fürchten haben. Wie Präsident Bush eindeutig klargestellt hat, weiß jetzt jede Nation, dass wir Staaten nicht akzeptieren können und werden, die die Agenten des Terrors finanzieren, ausbilden oder ausrüsten. Sie sind gewarnt worden; sie werden beobachtet, und sie werden zur Rechenschaft gezogen." Nicht weniger aggressiv und imperialistisch fiel die Rede John McCains aus, der offen einen amerikanisch-türkischen Krieg gegen Saddam Hussein propagierte. Zudem drängte Washington seine Verbündeten massiv, endlich die zugesagte Modernisierung ihrer Streitkräfte in Angriff zu nehmen. Die USA denken derzeit über einen Truppenabzug aus Europa nach und sind daran interessiert, die "Sicherheitsaufgaben" vor allem auf die loyale BRD abzuwälzen.
Auf dem Weltwirtschaftsforum in New York wurden die Welteroberungspläne der USA schroff zurückgewiesen. NATO-Generalsekretär Robertson, mittlerweile über den Atlantik eingeflogen, verlangte unisono mit Russland die Vorlage von Beweisen für eine Verstrickung des Irak, des Iran oder Nordkoreas in den internationalen Terrorismus. Die französische Regierung schickte demonstrativ hochrangige Vertreter zum Weltsozialforum in Porto Alegre. Wie ungemütlich die internationale Wetterlage für die USA mittlerweile geworden ist, zeigte der Auftritt von IWF-Direktor Horst Köhler vor den 2700 Gästen aus Wirtschaft und Politik. Köhler übte heftige Kritik an amerikanischen Zollschranken und Subventionen für Agrar- und Textilprodukte und verlangte einen verbesserten Weltmarktzugang der Entwicklungsländer. Auch die EU solle auf ihre Agrarsubventionen verzichten. Indiens Finanzminister Yashwant Sinha kritisierte die protektionistischen Maßnahmen der USA und der EU gegen die Einfuhr indischen Stahls.
Ein amerikanischer Angriff auf den Irak hätte vor allem für die EU schwerwiegende Konsequenzen. Der Ölpreis könnte auf bis zu 40 Dollar je Barrel emporschnellen. Auch bei einem Anstieg auf "nur" 30 Dollar je Barrel würden auf Industrie und Verbraucher in aller Welt Mehrkosten von 250-300 Milliarden Dollar zukommen. Sichere Folgen innerhalb der EU wären Börsencrashs und Inflation, die für die zweite Jahreshälfte gehegten Aufschwunghoffnungen könnte man begraben. Die USA hingegen wären weniger stark betroffen. Sie verfügen selbst über erhebliche Produktionskapazitäten und reserven an Erdöl, zudem wird die allmähliche Konjunkturerhöhung hier ohnehin von Rüstungsaufträgen getragen. Die amerikanischen Energiekonzerne, deren Gelder Bush zum Wahlsieg trugen, würden sogar von den höheren Ölpreisen profitieren. Bedenklicherweise gelang es den Falken in der US-Regierung, die mahnenden Stimmen des Außenministeriums und auch der CIA, die dem Irak eine seit 10 Jahren anhaltende terroristische Abstinenz gegen die USA bescheinigte, zu überspielen. In jedem Fall drohten die Regierungen des Iran und Nordkoreas, die gemäß den amerikanischen Wahnvorstellungen gemeinsam mit dem Irak die "Achse des Bösen" bilden, den USA bei militärischen Maßnahmen gegen ihr Territorium mit massiven Gegenschlägen und versetzten ihre Streitkräfte in Verteidigungsbereitschaft; Nordkorea sagte die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City ab.
Der französische Außenminister Hubert Védrine zeigte die seinem bundesdeutschen Amtskollegen Joseph Fischer ermangelnde Courage und stellte sich offen gegen die Irrsinnspolitik der Bush-Administration. "Wir werden heute von einer neuen Simplifizierung bedroht, die sämtliche Weltprobleme allein unter dem Gesichtspunkt des Kampfes gegen den Terrorismus angeht." Diese Vereinfachung stelle vor allem in Hinsicht auf die Nahostkrise eine gefährliche Entwicklung dar. Die USA hätten die Neigung, sich einzig und allein aufgrund ihrer Interpretation und ihrer Interessen der internationalen Probleme anzunehmen ohne die anderen Regierungen zu konsultieren. Dabei "verweigerten sie sich jeder internationalen Abstimmung, jeder multilateralen Verhandlungen, die sich gegen ihre Entscheidungen, ihre Souveränität und ihre Handlungsfreiheit richten könnten". Angesichts der drohenden "Hypermacht" Washingtons müsse Europa endlich eigenes Profil zeigen und politische Differenzen mit den USA offen zum Ausdruck bringen. Selbst die Washington ansonsten hündisch ergebene Bundesregierung setzt Zeichen und bereitet die Wiedereröffnung der Botschaft in Bagdad vor.
US-Präsident Bush legte dem Kongress den Entwurf für den Kriegshaushalt des Jahres 2003 vor. Mit 379 Milliarden Dollar werden die Verteidigungsausgaben um 14,5 % gesteigert der größte Zuwachs seit mehr als 20 Jahren. "Der Haushalt für 2003 ist weit mehr als eine Aufzählung von Zahlen. Es ist ein Plan, um einen Krieg zu gewinnen, den wir nicht wollten; einen Krieg, den wir aber entschlossen sind zu gewinnen." Für 68,7 Milliarden Dollar sollen Waffen und Ausrüstungen gekauft werden, was einer Zunahme der militärischen Beschaffung um mehr als 10 % entspricht. Die Ausgaben für Innere Sicherheit werden mit 37,7 Milliarden Dollar beinahe verdoppelt. Rigide Kürzungen hingegen gibt es bei Umweltprogrammen, Tilgung der horrenden Staatsverschuldung und im Bildungswesen. Die US-Militärausgaben sind bereits jetzt höher als die in den 15 folgenden Staaten mit den größten Militärhaushalten zusammen, darunter Russland und China. Mit der Einrichtung eines Northern Command mit umfangreichen Befugnissen wird der Einsatz der Streitkräfte im eigenen Mutterland zum Schutz der Infrastruktur ermöglicht. In einem historischen Anfall geistiger Degeneration haben Abgeordnete der rechtsreaktionären norwegischen Fortschrittspartei ausgerechnet George Bush und Tony Blair für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
Während 26 der 29 afghanischen Ministerien der UNO mittlerweile Personallisten überreichten, um die Zahlung der Gehälter einzuleiten, hielt diesen Schritt bislang kein einziger "Provinzgouverneur" für nötig. Die Warlords finanzieren sich lieber durch Organisierte Kriminalität und die systematische Ausplünderung der Bevölkerung. Als weitere Geldquellen sind der Iran, Russland, Pakistan und die Türkei zu nennen. Teheran unterstützt den Tadschiken Rabbani und Ismail Khan in Herat, Moskau die gesamte Nordallianz, Pakistan diverse paschtunische Stammesführer und die Türkei als potentielle Führungsmacht der UN-Mission ISAF den gefürchteten Usbekenführer Rashid Dostum. Die Übergangsregierung unter Hamid Karsai ist so schwach, dass sie es noch nicht einmal vermochte, den angeblich entmachteten Expräsidenten Rabbani aus seinem Regierungssitz, dem Arg-Palast, hinauszukomplimentieren. Karim Khalili als Führer der schiitischen Hasara verlangte von der Zentralregierung den Verzicht auf die willkürliche Einsetzung von Provinzgouverneuren, also nichts Geringeres als die Kapitulation vor den Machtgelüsten der Warlords. Nach Angaben aus Militärkreisen ist für eine auch nur halbwegs gelungene Stabilisierung Afghanistans eine Aufstockung der ISAF auf 50.000 Mann vonnöten.
Im Januar ist die offiziell eingestandene Arbeitslosigkeit in der BRD um 326.400 Köpfe auf 4,289 Millionen angestiegen, was einer Erwerbslosenquote von 10,4 % entspricht. Hierbei handelt es sich um den im Jahresvergleich größten Anstieg der Erwerbslosigkeit seit Dezember 1997. In den alten Bundesländern sind nunmehr 2,791 Millionen und in den neuen Ländern 1,499 Millionen Arbeitslose registriert, die Quoten liegen bei 8,3 % und 19,1 %. Im Dezember 2001 lagen sie noch bei 7,7 % respektive 17,6 %. Auch saisonbereinigt handelt es sich um den ersten Anstieg seit 4 Jahren, als die Arbeitslosigkeit mit 4,82 Millionen im Januar 1998 ihren Höhepunkt erreichte. In Berlin wurde mit 17 % der höchste Stand seit der Annexion der DDR erreicht. Hamburg meldet 9 %, also den höchsten Anstieg seit 1997, Schleswig-Holstein 9,6 %, Niedersachsen 10 %, Bremen 12,8 %, Mecklenburg-Vorpommern sogar 19,8 %. Gegenmaßnahmen sind in Planung: Die Bundesregierung wird Leistungen des Arbeitsamtes auf 12 Monate begrenzen. Wer dann noch immer keinen Job gefunden hat, wird an die ohnehin überlasteten kommunalen Sozialämter weitergereicht und kann mit etwas Glück Müll sortieren oder Konsummeilen vom Wohlstandsabfall befreien. Noch immer werden in der BRD übrigens 450.000 Obdachlose vermutet, von denen seit 1991 mindestens 189 erfroren sind. Bundesweit hat die Zahl der gebauten Wohnungen den tiefsten Stand seit 13 Jahren erreicht. Insgesamt wurden 2001 noch 340.000 Wohneinheiten fertiggestellt ein Rückgang um beinahe 20 % gegenüber dem Vorjahr. Zur Marktsättigung wären 400-430.000 Wohneinheiten erforderlich, aber an Vollversorgung und damit fallenden Mietpreisen ist den Besitzenden nicht gelegen.
Untersuchungen des Bundesrechnungshofes zufolge legen die bundesdeutschen Arbeitsämter manipulierte Zahlen vor. Nach hochgerechneten Stichproben werden nur 20 % und nicht wie gemeldet 50 % der gemeldeten Arbeitslosen erfolgreich von den Arbeitsämtern vermittelt. Sehr wahrscheinlich sind 70 % der Vermittlungsmeldungen fehlerhaft. Die BfA in Nürnberg und das Bundesarbeitsministerium schreckten hoch wie von der Tarantel gestochen und kündigten interne Untersuchungen an. Bislang überprüfte der Bundesrechnungshof 5200 Vermittlungen der Arbeitsämter Bremerhaven, Dortmund, Frankfurt/Oder, Halle und Neuwied. Genau untersucht werden konnten nur 4500 Vermittlungen, da 700 entgegen der Anweisungen wohlweislich gelöscht wurden. Von diesen 4500 Vermittlungen waren sage und schreibe 3008 fehlerhaft gebucht.
Unter den 400 reichsten Europäern befanden sich im Jahr 2001 77 Bundesbürger. ALDI-Begründer Theo Albrecht liegt mit 14,2 Milliarden Euro Vermögen bereits auf Platz 2 der erlauchten Liste. Zu nennen sind ferner Curt Engelhorn (BASF) mit 7,6 Milliarden Euro, Johanna Quandt (BMW, Altana) mit 8,05 Milliarden Euro, Dietmar Hopp (SAP) mit 7,95 Milliarden Euro, Reinhard Mohn (Bertelsmann) mit 7,4 Milliarden Euro, Karl Albrecht (Kaffeemilliardär) mit 7,2 Milliarden Euro, Hasso Plattner (SAP) mit 7,05 Milliarden Euro, Dieter Schwarz (Lidl) mit 7 Milliarden Euro, Susanne Klatten-Quandt (BMW, Altana) mit 6,705 Milliarden Euro oder Michael Otto (Otto Versand) mit 6,45 Milliarden Euro.
In puncto Frauenemanzipation hängt die BRD internationalen Standards weiterhin hinterher. Während in Skandindavien 74 % der Frauen im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig sind, liegt diese Quote in der BRD nur bei 58 %. Vor allem hinsichtlich der Einwanderungsdebatte und der Diskussion um den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften interessante Zahlen. Die Arbeitsmarktpolitik Berlins hat sich seit Adolf Hitler offensichtlich nicht geändert: In teutonischem Männlichkeitswahn importiert man ausländische Arbeitskraft und degradiert die Frau zum Heimchen am Herd bzw. speist sie mit untergeordneten und schlechter bezahlten Tätigkeiten ab. Zeichen der Zeit liefern auch die Zahlen über Zugangsmöglichkeiten für Kleinkinder zu öffentlichen Beutreuungseinrichtungen: In Dänemark besuchen 64 % aller Kleinkinder derartige Einrichtungen, während es in der BRD ganze 10 % sind. Untersuchungen zeigten übrigens schon vor 7 Jahren, dass 25 % der Kindergartenkinder als sprachgestört anzusehen sind.
Einer 1994 gestarteten Studie der International Association for the Evaluation of Educational Achievement IEA zufolge weisen im Zeitalter der medialen Massenverdummung die Jugendlichen in der BRD die international geringste Bereitschaft zum politischen Engagement auf. Wollen im internationalen Durchschnitt 80 % aller Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren später an Wahlen teilnehmen, so liegt dieser Wert in der BRD bei knapp 68 %. Nur 10 % der Befragten in der BRD waren bereit, als Erwachsene einer Partei beizutreten (international 21 %). Eine Kandidatur für ein politisches Amt erscheint 85 % als undenkbar. Folgerichtig leiden alle Parteien unter personeller Auszehrung, so ist innerhalb der SPD der Anteil der Mitglieder unter 25 Jahren zwischen 1974 und 1999 von 10,8 % auf 2,5 % zurückgegangen. Die Zahl der Wahlenthaltungen bei Jungwählern ist beinahe doppelt so hoch wie der Anteil, den SPD und CDU gemeinsam in dieser Altersgruppe erzielen. Bringen sich international 67 % aller Schüler in politische Diskussionen während des Unterrichts ein, so sind es hierzulande ganze 48 %. Nur 13 % sind zur Mitarbeit in einer politischen Schülerorganisation bereit. Als Ursachen wären Versammlungsroutine, Vereinsmeierei, Vertrauensschwung, Bindungsangst und totales Versagen des bundesdeutschen Schulsystems bei der sozialen Integration zu nennen.
In der Islamischen Zeitung kommentierte Herausgeber Abu Bakr Rieger Die aktuelle Lage der Muslime. Zwischen Medienöffentlichkeit und der Suche nach Zielen. Obwohl wir nicht ganz unbegründet vermuten, dass die Folge ein Aufschrei unter dem letztlich im westlichen Kapitalismus verwurzelten Gros der rechten Szene sein wird, seien hier die Ausführungen Riegers auszugsweise wiedergegeben: Der Islam kann vor allem im ökonomischen und sozialen Bereich einen für Europa innovativen Beitrag leisten. Nicht gegen die europäische Gesellschaft, sondern für deren Belebung. Märkte, Handel, Stiftungen und das Tansaktionsmodell e-dinar sind Angebote, sind in sich die islamische Zivilgesellschaft und fördern nicht die Idee eines sektiererischen oder abgewandten Islam. Die deutsche Verfassung steht solchem gesellschaftlichen Engagement überhaupt nicht im Wege. Außerdem: natürlich ist der Islam in Europa - von Sarajevo bis Granada - traditionell auf die aktive und dynamische Rolle von muslimischen Frauen angewiesen. Es bleibt zu hoffen, dass die geistig leicht zum Totalitären neigende deutsche Gesellschaft einen solchen wahrnehmbaren Islam erträgt, der auch noch Lebenspraxis und Lebensalternative darstellt. Die Deutschen sind ja leider ganz schnell im Entweder-Oder Freund-Feind und Schwarz-Weiß zu Hause. Die tiefe Verbeugung der Grünen (ganz der deutsche Untertan) vor der Macht hat verdeutlicht, dass Europas Gesellschaften auch neue, alternative Argumentationen und Lebensmodelle durchaus gut täte. Die antiislamischen Tendenzen in der taz werden bissig angegangen. Wie konnten wir übersehen: Wir Muslime sind verantwortlich für alles das was ist (von Kabul bis Köln) - ein Grüner natürlich nur für was normativ sein soll. Über das Realo-Phänomen Hunger ist ein Grüner natürlich erhaben. Wir lernen daher täglich in der taz, was säkulare Realpolitik ist. (Grüne Säkulartheologie: China wird eines Tages gut oder Grüne Moral Verzeihung, Sebrenica haben wir leider übersehen, kommt nicht wieder vor, oder Grüne Sekte Erlösung durch Windkraft, oder harter grüner Realismus: Zum Euro gibt es keine Alternative etc.). ( ) Und natürlich ist der ehemalige Vorsitzende des Islamrates Hassan Özdogan wegen eines einmaligen Kontaktes mit Lybien dubios - während der grüne Außenminister in seinem entspannten Verhältnis zu China, Usbekistan oder Pakistan natürlich äußerst langfristigen demokratischen Zielen dient. Das ist natürlich nie dubios, sondern Realpolitik - die grüne überlegene Logik eben. Die Islamische Zeitung sei von ihrer Grundausrichtung her wesentlich näher an den Idealen der grünen Gründerzeit als die taz selbst: Wir halten nämlich eher Distanz zur politischen Macht und wir vermeiden altmodischerweise persönliche Diffamierung als Stilmittel. ( ) Mit der politischen, altmodischen Dialektik des letzten Jahrhunderts zwischen Links und Rechts kann der Islam jedenfalls wenig anfangen. Wer jemals sehenden Auges oder Herzens mit Millionen Muslimen auf der Pilgerreise war, wird der rechten Doktrin rassischer Überlegenheit niemals anheimfallen können. Aber auch die linke Idee des lenkenden Staatskapitalismus ist muslimischer Intelligenz und vor allem islamisch ökonomischen Verständnis fremd. Fatal finden wir auch den grünen, windigen Kapitalismus der mithilft, dass der europäische Markt auch weiterhin für die Armen der Welt hermetisch abgeschlossen bleibt. Der digitale Kapitalismus ist als irrationales und ungerechtes ökonomisches Modell und als global aufgezwungene ganzheitliche Lebensform islamischer Vernunft und Ratio ebenfalls suspekt. Als Muslim trifft man übrigens auch hin und wieder reale Opfer dieser Politik - das schärft die Kritikfähigkeit. Der Islam ist - so gesehen - weder irrational noch extremistisch, sondern jenseits von Gut und Böse.