Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 14. bis 20. Dezember 2002
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Zitat der Woche: |
"Die
süße Zärtlichkeit der anarchistischen Utopie ist eine
Schwester der Feigheit und gilt uns als schmutziges Gangrän, das
die Agonie der Völker bewirken würde. Des Weiteren begnügen
sich die Anarchisten mit dem Angriff auf die politischen, juristischen
und ökonomischen Glieder des gesellschaftlichen Körpers; wir
hingegen wollen wesentlich mehr...Wir wollen seine tiefsten Wurzeln
herausreißen und verbrennen, jene nämlich, die ins Gehirn
des Menschen eingesenkt sind..."
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Filippo Tommaso Marinetti
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An einer Autobahnraststätte nordwestlich Madrid stoppte die spanische Guardia Civil ein Terrorkommando der baskischen Befreiungsorganisation ETA. Die beiden Etarras waren auf dem Weg in die spanische Hauptstadt, um dort eine 40-Kilo-Autobombe zu plazieren, und lieferten sich ein Feuergefecht mit der Polizei. Bei der Schießerei wurde ein Polizist tödlich verwundet, ein baskischer Untergrundkämpfer erlitt schwere Verletzungen. Die ETA-Aktivisten gerieten in spanische Gefangenschaft. In einem Rundschreiben warnte die Untergrundarmee ausländische Touristen vor Reisen nach Spanien, da das gesamte Land eine Kriegszone sei. Bei Razzien in Südfrankreich wurden 9 mutmaßliche ETA-Mitglieder festgenommen. Unter ihnen befand sich mit Ibon Fernandez Iradi alias "Susper" auch einer der beiden Militärchefs der Organisation. "Susper" hatte nach Informationen der Polizei erst vor kurzem gemeinsam mit der noch flüchtigen Ainhoa García Montero alias "Laia" das Kommando über die Terrorzellen der ETA übernommen. Ihre Vorgänger Juan Antonio Olarra Guridi und Ainhoa Múgica Goñi waren im September ebenfalls in Frankreich festgenommen worden.
Im Baskenland kam es zu Streiks und Massendemonstrationen gegen die Beschneidung demokratischer Rechte durch die spanische Zentralregierung, sprich: gegen das Verbot der ETA-nahen linksnationalistischen Partei Batasuna. Überraschend stellte sich auch die bislang als gemäßigt geltende große baskische Gewerkschaft ELA hinter Batasuna und sicherte so eine breite Beteiligung. Zudem verweigert die ELA nunmehr die Beteiligung an den von der baskischen Regierung und den spanischen Behörden eingefädelten Anti-ETA-Kundgebungen.
Jedes Jahr vergibt das Magazin "Time" für die Verursacher negativer Meldungen den Titel "Newsmaker of the Year". Die zweifelhafte Ehre ging dieses Jahr für die Vertreibung weißer Farmer, die Drangsalierung der Opposition und die Ruinierung der Volkswirtschaft an den simbabwischen Despoten Robert Mugabe, für die zionistische Schreckensherrschaft in Palästina an den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und an Bundeskanzler Gerhard Schröder. Dieser habe sein Ansehen mit Steuererhöhungen, Problemen mit dem Sozialversicherungssystem und dem Kahlschlag sozialer Leistungen unterminiert, zudem habe sich die bundesdeutsche Wirtschaft, an und für sich der Wachstumsmotor der EU, zum Sorgenkind entwickelt.
Die nordkoreanische Regierung forderte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA zur Entsiegelung der seit 1994 geschlossenen Atomanlagen des Landes auf. Im Atomstreit mit den USA hat Nordkorea die Regierung in Washington erneut zur Unterzeichnung eines Nichtangriffspakts aufgerufen. Ein solches Abkommen sei der einzige Weg, einen Krieg auf der koreanischen Halbinsel zu verhindern, schrieb die staatliche Tageszeitung "Rodong Sinmun". Die USA haben sich nur unter der Bedingung zu Gesprächen bereit erklärt, dass Pjöngjang seine sämtlichen Atomprogramme einstellt. "Die koreanische Halbinsel steht an der Schwelle zum Krieg." Nach einem Treffen mit seinem japanischen Amtskollegen beeilte sich US-Außenminister Powell zu versichern, Washington plane keinesfalls militärische Maßnahmen gegen Nordkorea. Nicht weiter verwunderlich, denn hier gibt es kein Erdöl.
Nordkorea ist auch für die USA militärisch eine mehr als harte Nuss. Das Land verfügt über Langstrecken- und Interkontinentalraketen (der Export der hochentwickelten Raketentechnologie macht mehr als die Hälfte der Außenhandelseinnahmen aus), Tausende Tonnen von Kampfgasen und eine bis an die Zähne bewaffnete konventionelle Armee, die im Kriegsfall Südkorea auch trotz der dort stationierten 37.000 US-Soldaten überrennen kann. Die Feuerkraft der nordkoreanischen Streitkräfte ist derart groß, dass in jeder Stunde des ersten Kriegstages rund 500.000 Granaten in der gerade 60 km südlich der innerkoreanischen Demarkationslinie gelegenen südkoreanischen Hauptstadt Seoul einschlagen werden. Aus eben diesen militärischen Gründen ist den Südkoreanern ein gewaltsames Eingreifen der USA mehr als suspekt, zudem berührt Washington hier vitale Sicherheitsinteressen Russlands und der Volksrepublik China. Problematisch für die Amerikaner ist auch ihre geringe Beliebtheit in Südkorea die Unterstützung diverser Militärdiktatoren, anhaltende Übergriffe der verrohten US-Soldateska auf die Bevölkerung des Gastlandes und immer neue Berichte über Folterungen und Massenmorde während des Koreakrieges machen Uncle Sam hier zu schaffen. Ein Waffengang auf der koreanischen Halbinsel würde auch den nachhaltigen Totalausfall einer der 10 bedeutendsten Industrienationen der Erde bedeuten mit verheerenden Auswirkungen für das kapitalistische Weltsystem.
Einem Bericht der FAZ zufolge setzte sich der angesichts des verkommenen politischen Lebens in der BRD der Mitgliederschwund der Systemparteien fort. Zwischen Januar und Oktober 2002 verlor alleine die SPD 23.000 Mitglieder und zählt nunmehr nur noch 695.000 GenossInnen. Vor 20 Jahren waren noch 1 Million Menschen Inhaber eines SPD-Parteibuches. Mit 8000 sind die Verluste der CDU weitaus geringer; die Christdemokraten haben nunmehr noch 596.000 Mitglieder. Während die CSU mit 178.000 und die Grünen mit 45.000 Parteibuchinhabern stabil blieben, konnte einzig die FDP zulegen, und zwar um mehr als 8000 Mitglieder.
Nachdem das amerikanische State Department die US-Staatsbürger zum Verlassen des vom Machtkampf zwischen der reaktionären Opposition und dem linksnationalistischen Präsidenten Hugo Chavez zerrissenen Venezuela aufforderte, erging seitens des Auswärtigen Amtes eine Reisewarnung für das lateinamerikanische Ölland. Der venezolanische Armeechef General Jorge Garcia Montoya hat den seit mehr als zwei Wochen andauernden "Generalstreik" (Beteiligung 15 % der Arbeitnehmerschaft) gegen kritisiert und der Opposition mit dem Eingreifen des Militärs gedroht. Die Streitkräfte würden es nicht zulassen, dass die Wirtschaft durch den Streik zusammenbricht, warnte Montoya. Der General warf den Organisatoren der Proteste vor, politische Ziele als zivilen Protest zu tarnen. In Caracas kam es zu Straßenschlachten zwischen randalierenden "Streikenden" und der Polizei. Wie schon hinter dem gescheiterten Putschversuch im April, so steht die US-Regierung auch dieses Mal hinter den Umtrieben der alten Oligarchien. Endziel ist die Kontrolle der größtenteils verstaatlichten venezolanischen Erdölvorkommen durch amerikanische Energiekonzerne. Carlo Dorado, Eigentümer der Finanzgesellschaft Italcambio und offenbar designierter Wirtschaftsminister der Opposition, kündigte für den Fall einer Machtübernahme bereits die Dollarisierung der venezolanischen Wirtschaft und eine Teilprivatisierung des staatlichen Ölkonzerns PDVSA an. Zugleich könnte der amerikanische Zugriff auf die venezolanischen Ölvorräte der Todesstoß für das sozialistische Kuba sein, denn die Karibikinsel hängt stark von den zu Sonderkonditionen gewährten Öllieferungen aus Venezuela ab.
In Brüssel unterzeichnete die EU ein Partnerschaftsabkommen mit der NATO und ordnete damit ihre geostrategischen Interessen denen der USA unter. Die Europäer können nunmehr bei militärischen Operationen die Infrastruktur des Nordatlantikpaktes nutzen und erhalten zudem das Recht, auf die Planungskapazitäten des NATO-Hauptquartiers in Mons zurückzugreifen. Das Entgegenkommen der USA erkauften die Europäer sich durch die faktische Zusage eines EU-Beitritts der Türkei ab 2005. Diese wiederum gab ihre bisherige Blockadehaltung gegenüber den europäischen Wünschen nach Nutzung von NATO-Ressourcen auf und willigte in eine Lösung des Zypern-Konfliktes mit Griechenland ein. Die EU wird nur in Regionen aktiv werden, in denen es kein militärisches Engagement der NATO gibt. Sie versicherte der NATO, dass ihre geplante global einsatzfähige Eingreiftruppe von 60.000 Soldaten bis Ende 2003 aufgebaut sein wird. Zunächst werden die Europäer die NATO-Missionen Amber Fox in Mazedonien und SFOR in Bosnien übernehmen. In einem weiteren Abkommen vereinbarten Europäer und Amerikaner die Weiterleitung von nachrichtendienstlichen und polizeilichen Informationen über durch Behörden der EU-Staaten überwachte "Terrorverdächtige" an die amerikanischen Partnerdienste. Europol hat bereits ein Büro in Washington eröffnet.
Eine Verhandlungslösung für den in Kolumbien wütenden Bürgerkrieg zwischen den linksgerichteten Befreiungsbewegungen ELN und FARC einer- und Regierungstruppen und AUC-Paramilitärs andererseits scheint in weiter Ferne zu liegen. Ramiro Vargas, Kommandant des Nationalen Befreiungsheeres (ELN), erteilte jeglichen Gesprächen mit der Regierung Uribe eine deutliche Absage. Eine "leicht durchschaubare Medienstrategie" nannte er die Stellungnahmen, denen zufolge die Regierung mit FARC, ELN und den rechten Paramilitärs Gespräche mit dem Ziel humanitärer Abkommen führe. "Hier soll der Eindruck erweckt werden, dass die Regierung mit allen bewaffneten Gruppen verhandelt, dabei kommt es ihr nur auf die Legalisierung der Paramilitärs an." Eine ernstzunehmende Verhandlungsbereitschaft sei bei Uribe ausgeschlossen, weil sie die Bereitschaft zu tiefgreifenden sozialen Veränderungen verlange. Die ELN sei der Meinung, mit Uribe "Vertreter autoritärer und ultrarechter Interessen" sei kein Frieden zu machen. "Auch während des Besuches des US-Außenministers Colin Powell in Kolumbien in der ersten Dezemberwoche ist der Wille der Regierung zur Ausweitung des Krieges deutlich geworden." Auch die FARC-Guerrilla widersprach Meldungen, nach denen sie Gespräche mit der Regierung führe. Nach Terrordrohungen der FARC wurden die Botschaften Großbritanniens und der USA in Bogotá vorerst geschlossen.
John Gregg, Brigadier der Ulster Defence Association, wurde erneut Ziel eines Anschlages von Parteigängern seines aus der UDA ausgeschlossenen Erzrivalen Johnny Adair. Auf ein Schusswaffenattentat und eine Autobombe folgte nunmehr ein Rohrbombenanschlag auf Gregg. Nach dem erneuten Attentat warf die UDA Adair erneut vor, er wolle die Führerschaft der Organisation an sich reißen. Genau dieser Vorwurf führte vor einigen Wochen zum Ausschluss Adairs aus der UDA, der er als Brigadekommandeur für West Belfast angehörte. Im Rahmen der loyalistischen Fehde kam es zu zwei weiteren Feuerüberfällen auf Privatwohnungen.
Laut "Times" bereitete sich die britische Regierung noch vor der offiziellen Antwort der USA auf das irakische Rüstungsdossier darauf vor, nebst Flotteneinheiten Bodentruppen in Stärke von 20.000 Soldaten in die Golfregion zu verlegen. Die im Atomforschungszentrum Al Tuwaitha bei Bagdad lagernden 2 Tonnen Uran und Plutonium wurden nach einer Inspektion durch UNMOVIC von den anwesenden Experten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA als "nur schwer waffenfähig" eingestuft. Das angebliche Massenvernichtungspotential des Irak beschränkt sich derzeit auf vielleicht ein Dutzend Mittelstreckenraketen und eine Handvoll schrottreifer ehemals chemisch bestückter Artilleriegranaten, mit denen Saddam Hussein vielleicht einige Hundert Meilen lebloser Wüste bedrohen kann, aber keinesfalls die westliche Hegemonialmacht Amerika.
Nachdem der amerikanische UN-Botschafter John Negroponte und UNMOVIC-Chef Hans Blix das irakische Dossier als ungenügend bezeichneten, äußerte sich auch US-Außenminister Powell entsprechend. Angesichts der angeblichen Lückenhaftigkeit des Berichts rücke der Tag der Entscheidung über einen Krieg gegen den Irak näher. Powell bezichtete Bagdad der fortgesetzten Lüge und erklärte, ohne eine Änderung der irakischen Haltung werde es keine friedliche Lösung geben. Mit der Vorlage eines lückenhaften Berichtes habe Saddam Hussein einen schwerwiegenden Verstoß gegen die UN-Resolution 1441 begangen. Während die Amerikaner im Sicherheitsrat um die Zustimmung für einen Angriff werben, hat Bush bereits angeordnet, bis Januar die amerikanische Truppenstärke am Golf auf 120.000 Soldaten zu verdoppeln. Nach amerikanischen Medienberichten wird die Bush-Administration Ende Januar endgültig über den Einsatz militärischer Mittel entscheiden. Die Briten betrachten das Dossier ebenfalls als mangelhaft. Frankreich schloss sich dem an, hofft aber auf die von Blix zugesagte weitere Aufklärung durch UNMOVIC. Blix kritisierte zwar den irakischen Bericht, bemerkte aber auch sehr treffend das Ausbleiben jeglicher Beweise für die anglo-amerikanischen Behauptungen über das irakische Massenvernichtungspotential. China und Russland hingegen verwiesen darauf, dass eine endgültige Stellungnahme Angelegenheit des UN-Sicherheitsrates sei. Der Irak ist laut UN-Resolution 1441 zu einer vollständigen Darlegung seiner militärischen Möglichkeiten verpflichtet.
Wolfgang Gehrcke als außenpolitischer Sprecher der PDS erstattete bei der Generalbundesanwaltschaft Strafanzeige gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder, und zwar wegen Vorbereitung eines Angriffskrieges. Als Gründe nannte Gehrcke, dass die Bundesregierung den USA für den geplanten Überfall auf den Irak Überflugs-, Bewegungs- und Transportrechte gewähren wolle und im Kriegsfall bundesdeutsche Soldaten an Bord von AWACS-Aufklärungsflugzeugen belassen werde. Damit werde nicht nur die Vorbereitung eines Krieges unterstützt, sondern sogar eine direkte Beteiligung an Militäreinsätzen zugesagt. Selbst bei einem angenommenen und von den USA jetzt konstruierten Recht auf "präventive Selbstverteidigung" gebe es keine Rechtfertigung für diesen Krieg. Selbst dann müsse nämlich eine "eindeutige und gegenwärtige gravierende Gefahr" erkennbar sein, die auf keine andere Weise abgewendet werden kann, so Kenzler. Der Irak hat alle Forderungen der Vereinten Nationen erfüllt, was Waffeninspektionen betrifft, weshalb wahrscheinlich auch der UN-Sicherheitsrat einem solchen Angriff nicht zustimmen wird. Die Vorbereitung von Angriffskriegen mit Beteiligung der BRD ist verfassungswidrig (Artikel 26 Abs. 1 GG) und damit strafbar (§ 80 StGB). Auch Bündnisverpflichtungen dürfen laut Gehrcke keine Rechtfertigungsgründe für eine Kriegsbeteiligung Berlins sein. Hand aufs Herz: Der Staatsanwalt, der in diesem Fall ein Hauptverfahren oder auch nur Vorermittlungen einleitet, muss wohl erst noch geboren werden.
Lagefeststellung Beurteilung der Situation Möglichkeiten des Handelns Entschluss Umsetzung Kontrolle